An Pfingsten haben wir „Sunshine“, den 47 Jahre alten holländischen VW LT28 bei seinen Eigentümern in den Niederlanden abgeliefert. Rund 8000km waren wir mit Sunshine zwischen Dakar und Den Haag unterwegs und haben viel gelernt.
Wir kannten den Eigentümer unseres gelb-weißen Reisebuddys nicht und so waren wir gespannt darauf, uns endlich kennenzulernen. Als wir ankamen, kniete Hilt mit schmutzigen Fingern vor seiner Yamaha XT600Z Ténéré von 1988 im Vorgarten seiner Mutter. Unsere Liebe für gelb-weiße und ältere Volkswagen ist nicht unsere einzige Gemeinsamkeit, auch wir lieben und besitzen alte Yamaha XTZ Motorräder.
Ein Teil der Familie saß im Garten und war neugierig: wer sind die beiden Deutschen, die so ein altes, fremdes, großes Fahrzeug vom Senegal nach Holland chauffieren? Wie wir schnell alle feststellten: die Gemeinsamkeiten zogen sich durch die ganze Familie: die Tante ist vor einem halben Jahr Vollzeit in einen Iveco Daily gezogen. Die Schwester, noch im Studium und mit frischem Führerschein von letztem Jahr, wartete fast sehnsüchtiger auf Sunshine als ihr Bruder – sie wollte mit Bus und Baby ihre Campingkarriere starten, war aber noch nie Sunshine gefahren. Die letzten Meter zum Gewächshaus, vor dem Sunshine parkt, wenn er nicht in der Weltgeschichte herumgondelt, fand die Übergabe also von mir zu Schwester Myk statt. Ich erklärte Ihr Sunshines „Charakter“ (z.B. den Motor ohne Zündschlüssel starten und stoppen), sie parkte lässig über Spiegel rückwärts ein, als sei sie schon immer LKW gefahren und strahlte mehr als von einem Ohr zum anderen. Ein wirklich schöner Abschluss.
Sunshine hat in einem anderen Gewächshaus noch einen „Bruder“ LT28 und wir erfuhren, dass das das eigentlich für Afrika geplante Fahrzeug gewesen ist. Der Bus wurde aber nicht rechtzeitig fertig und so wurde spontan das Reisegepäck in Sunshine geladen. Einen Tag vor Abfahrt. Sunshine ist damit der beste Beweis, dass jedes Fahrzeug richtig ist und das Wichtigste ist, loszufahren. Das Fahrzeug, das man vor der Tür stehen hat ist bereit. Auch wenn es 47 Jahre alt ist. Es ist der Fahrer, der nicht bereit ist. Wann fährst Du los?
Hilt brachte uns nach Amsterdam, wo wir bis Mitternacht in seiner Wohnung um den Esstisch saßen und auch seine Freundin Frederike kennenlernten, mit der er Sunshine bis Gambia gefahren hatte. Am nächsten Morgen stiegen wir in den Flixbus und schlossen dieses wunderschöne Reisekapitel. Wir sind nun fast eine Woche ohne Sunshine und müssen viele Fragen beantworten. Wir machen daraus mal eine kleine FAQ-Liste:
Woher kanntet Ihr Sunshine?
Gar nicht. Sein Eigentümer Hilt hat während der Reise gemerkt, dass es ziemlicher Blödsinn ist, nach Gambia zu reisen und dann die Strecke zurückzuhetzen, wenn man nur zwei Monate Zeit hat. Ja, das machen viele, aber schlau ist das nicht. Hilt kam dann auf die Idee, Sunshine ab Dakar per Schiffsfracht zurückzuschicken, aber weil Sunshine hoch und breit ist, passt er nicht in einen Standard-Container und diese Option ist dadurch sehr teuer. Also suchte er auf Facebook nach erfahrenen Reisenden, die nicht nur Afrika und die Strecke kennen, sondern auch Vanlife-erfahren sind und mit alten Fahrzeugen „können“ und nicht in Panik verfallen, wenn etwas klappert. Wir bewarben uns per Videocall und bekamen eine Woche später im Februar den Zuschlag.
Seid Ihr verrückt? Es hätte Schmugglerware im Bus versteckt sein können!
Klar hätte der Bus voll Waffen, Drogen oder Flüchtlinge sein können. War er aber nicht. Sicherlich war es ein Risiko, aber wir glauben an das Gute im Menschen und wurden auf Reisen selten enttäuscht. Sunshine war natürlich „sauber“. Wir haben sechs Grenzen überquert und hatten insgesamt vier Drogenspürhunde in jeder Ecke des Fahrzeuges, welches komplett geröntgt wurde. Da war wirklich kein Haken an der Sache.
Macht Ihr das beruflich?
Nein, aber es ist für mich nicht das erste Mal, dass ich ein Fahrzeug zurück zum Eigentümer überführe, denn es ist eine günstige Art, zu reisen. 2014 bin ich eine Yamaha XT660Z für einen deutschen Motorradreiseveranstalter aus der Mongolei zurück nach Deutschland gefahren, weil ein Containertransport zu viel Zeit gekostet hätte. Wenn Ihr also ein Fahrzeug irgendwo in der Welt stehen habt, das nach Hause soll… 🙂
Was hat das gekostet?
Im Prinzip 133,70€ pro Person. Wir hatten die Gesamtkosten der Fahrt inklusive Diesel, Visa, Zollgebühren, Fahrzeugwartung etc. für die kürzeste Strecke berechnet und uns als Pauschale von 1200€ zahlen lassen. Weil wir aber letztendlich nicht die kürzeste Strecke gefahren sind, lagen wir am Ende bei 1467,41€ für über sechs Wochen Reise.
911€ gingen nur für Diesel drauf, insgesamt rund 780 Liter. Nicht inkludiert in dieser Rechnung: Unterkünfte, Campinglätze und Stellplätze, da das quasi Luxus und Privatvergnügen ist. Das waren nochmal 600€ extra, also 50€ pro Woche und Person.
Wer sein eigenes Fahrzeug sechs Wochen lang bis Dakar fahren möchte und sich dabei in Europa auf Campingplätzen und meist kostenpflichtigen Stellplätzen aufhält, kommt mit rund 2.000€ für zwei Personen gut hin. Wann fährst Du nochmal los? Das Reisefahrzeug steht ja vor der Tür!
Wie viele Kilometer waren es?
Wer bei der vorherigen Frage mitgerechnet hat, weiß es schon: 7839km. Das war nicht der direkte Weg, den wir nur im Senegal und Mauretanien genommen haben.
Warum ist Jan nie gefahren?
Die wahrscheinlich häufigste Frage. Er ist zu groß. Die Aufbaubatterie für den Wohnraum befindet sich direkt hinter dem Fahrersitz von Sunshine, weswegen man den Sitz nicht weit genug für Jans lange Beine zurückschieben kann. Wir hatten die Erlaubnis, umzubauen, haben es aber gelassen, weil es einfach nicht nötig war.
Hat Sunshine Allrad?
Nö. Keins unserer Fahrzeuge hat das und man braucht es auch nicht. Mit unserem eigenen VW T4 sind wir ohne Allrad durch die Wüste Gobi in der Mongolei, nach Tibet und sonst auch überall hin, wo Overlander mit Allradfahrzeugen und Expeditionsmobilen nicht gerade freundlich reagiert haben, uns mit unserem „Einkaufswägelchen“ dort auftauchen zu sehen. Einfach daran denken: die Einheimischen haben auch kein Allrad, warum sollte man das dann als Tourist brauchen? Sunshine kann natürlich auch ohne 4×4 offroad und hat das in Mauretanien bewiesen.
Wie viele Pannen hattet Ihr?
Keine. Noch nicht mal Öl hat sich der Motor mit seinen 47 Jahren gegönnt. Wir haben an der mauretanischen Grenze günstig drei Literflaschen Öl gekauft und noch eine Flasche davon nach Holland gebracht. Einmal war der Scheibenwischer lose – gilt das als Panne? Der LT28 ist wahrscheinlich besser als ein Neufahrzeug gefahren.
Sunshine hat uns sehr viel Glück beschert, wir hatten sehr viel Freude daran, wieder mit einem Van unterwegs zu sein. Bis Südfrankreich hatten wir eine sehr entspannte und unbeschwerte Reise, weil wir die Länder und zum Teil auch die Strecken schon kannten und es sehr genossen haben, auf unseren eigenen Spuren nochmal unterwegs zu sein. Wir haben gemerkt, dass wir diese Art des Reisens vermisst haben und wie glücklich wir dabei immer waren. Natürlich sind wir auch sehr gerne mit Motorrädern unterwegs, aber je nach Destination macht ein Bus mehr Sinn. Sicherlich nicht auf den Dschungelpisten Liberias, aber auf der Strecke, die wir mit Sunshine gefahren sind, ist ein Van das bessere Reisefahrzeug.
Sunshine ist ein Herzensbrecher, so viele Menschen haben uns gewunken oder Sunshine fotografiert, so viele Leute haben gelächelt, als Sunshine auftauchte. Der Name beschreibt nicht nur die Farbe, sondern auch Charakter und Reisegefühl. Doch nach sechs Wochen müssen wir auch sagen: für uns persönlich kommt Sunshine nicht in Frage: zu groß! Die Erkenntnis hatten wir 2017 schonmal, als wir uns entscheiden mussten: ziehen wir in Jans Iveco Daily oder in Silkes VW T4? Wir haben uns damals für den kleinen T4 entschieden und vermissen ihn nach rund 8000km „LT Riese“ sehr.
Sunshine war leider oft „Klotz am Bein“ durch seine Größe. Im Nationalpark in Mauretanien mal eben durchs Gebüsch zum Camping? Geht nicht, das Dach ist zu hoch! In Dakar die enge Parklücke? Geht nicht, die 2,40m sind zu breit. In Chefchaouen verfahren und in der Altstadt gelandet? Puh! Freundlich Rücksicht nehmende Einheimische, Millimeterarbeit und ein paar Schweißperlen haben Sunshine da wieder herausgebracht. In Tetouan parken? Keine Chance: zu lang, zu hoch, zu breit. Letztendlich bin ich mit Sunshine mit eingeklappten Spiegeln blind rückwärts durchs Stadttor. In Frankreich zum Supermarkt? Tja, ab 2 Meter Höhe wird es schwierig, viele Supermärkte schotten mittlerweile ihre Parkplätze gegen Vanlifer und Wohnmobilisten ab. Zum Pieseln auf den Wanderparkplatz? Geht nicht, bis die Blase platzt: frische Holzbalken limitieren die Zufahrt auf 2m Fahrzeughöhe. Für den Altstadtbummel mal schnell ins Parkhaus? Geht nicht, der open Air Parkplatz ist weit außerhalb. In der Mall den Akku vom Handy tauschen lassen? Nicht mit Sunshine, der passt nicht in die Tiefgarage. Mit der günstigen Autofähre übers Mittelmeer? Nur mit viel Lächeln und als VW up! deklariert rückwärts über die Laderampe. Mal eben über die Autobahn statt durchs Gewimmel? Teures Vergnügen mit einem Fahrzeug dieser Klasse.
Mehrmals täglich hat uns Sunshine gezeigt, dass ein Fahrzeug dieser Größe für uns einfach nur nervig ist. Auch Jan mit seinen 1,86m braucht keine Stehhöhe und wir haben uns bis zum letzten Tag mit eingezogenen Köpfen im Fahrzeug bewegt, weil wir das weder brauchen noch gewohnt sind. Auch der viele Stauraum ist unnötig. Weder die holländischen Eigentümer noch wir haben den vielen Platz gebraucht: die beiden sind mit je 20kg Fluggepäck aus Sunshine ausgezogen, wir mit genauso wenig eingezogen und das riesige Gepäckfach blieb komplett leer, der Schrank war gefüllt mit der dicken Winterdecke. Im T4 hatten wir auch nach 4 Jahren Reise immer noch nicht alle Staufächer voll, obwohl wir durch alle Klimazonen gereist sind. Weniger ist definitiv mehr.
Ein großes Fahrzeug wie Sunshine ist auch definitiv ein Kostenfaktor. Sunshine ist mit 10l/100km sehr genügsam unterwegs für seine Größe, aber trotzdem eine „Schrankwand“, deren Dieselverbrauch bis zu 1/3 höher ist als bei einem Kleintransporter und das macht schnell einige hunderte bis tausende Euros aus – je nach Fahrtstrecke. Fähre, Maut, Brückenzoll,… alles ist mit einem großen Fahrzeug auch mit großen Kosten verbunden, die sich im Laufe einer Reise / eines Urlaubs aufsummieren. Für uns, die wir die Kosten mit einem kleineren Fahrzeug gewohnt sind, oft ein echtes „Autsch“ an der Zahlstelle. Da es aber nicht wirklich unsere Kosten waren, tat es weniger weh. Und wie viel es kostet, ein „Monsterfahrzeug“ wie Sunshine zu verschiffen, wollen wir besser nicht wissen… Außerdem „kostet“ ein großes, teures Fahrzeug auch sehr, sehr viel Kaution bei der Beantragung eines Carnet de Passage.
Als wir so im großen Glück, wieder in einem gelbweißen VW-Van zu sitzen, durch Mauretanien fuhren, keimte in uns die Idee auf, doch wieder einen VW-Bus zu kaufen. Einen T4 wie Kittymobil einer war. Als wir dann in Spanien merkten, wie voll es mittlerweile in Europa mit all diesen Wohnmobilen und Vans ist, wussten wir urplötzlich wieder, warum wir uns vor zwei Jahren zwar sehr schweren Herzens von Kittymobil getrennt haben, aber auch sehr erleichtert waren, uns nicht mehr mit all den negativen Folgen vom Wohnmobil-Wahn in den (Nach-)Pandemiejahren herumärgern zu müssen. Mit Sunshine durften wir erleben, wie es nun, in Zeiten des „Camper-Wahnsinns“ ist, mit einem Camper durch Europa zu reisen: nicht schön.
Ich bin seit 2008 „Vanlifer“ (obwohl das damals noch nicht so hieß, wenn man mit Bett im Bus wochenlang gereist ist) und vermisse die 12 Jahre sehr, in denen man einfach nur ein Mensch mit VW-Bus war und nicht eine nervige, respektlose Spezies, die zu Tausenden über Westeuropa herfällt und die Einheimischen bis zur Weißglut nervt. Wir hatten im Winter 2021/22 in Skandinavien und dem Baltikum schon ziemlich Last und jetzt war es nicht besser. Das liegt aber auch daran, dass wir Verbotsschilder respektieren und uns an Regeln halten und es jetzt in der Nebensaison schon schwer war, insbesondere in Frankreich legale Stellplätze zu finden, die nicht schon wegen Überfüllung geschlossen waren. Wir sind dann wo möglich auf Bauernhöfe ausgewichen und damit buchstäblich gut gefahren.
Unsere Idee, uns wieder einen T4 zu kaufen, starb in Frankreich. Dort gibt es wohl seit 2023 variable Umweltzonen, die, wenn aktiv, das gesamte Departement betreffen und die Autobahnen miteinschließen. Sunshine (und die meisten wesentlich jüngeren Dieselfahrzeuge) ist selbst als Oldtimer und Wohnmobil in diesen riesigen Zonen verboten mit Strafen von bis zu 450€. Rund um Rouen hat uns eine solche Zone viele Nerven, Zeit und Extrakilometer gekostet, denn es gibt keine Umfahrung und man muss sich in die Masse verwirrter LKW-Fahrer und Urlauber mit älteren Fahrzeugen einreihen und durch die Wohngebiete diverser Dörfer außerhalb der Umweltzone gurken. Wer wie wir flexibel und spontan reisen, auch mal eine Stadt erkunden möchte und ein älteres Fahrzeug hat, muss außerhalb der EU reisen. Da wir aber einen Wohnsitz in der EU haben, ist das schon bei der Abfahrt schlecht. Ein T4 kommt uns, so weh es auch tut, daher nicht in die Garage. Wo er aber im Gegensatz zu einem größeren Fahrzeug hineinpasst.
Von Sunshine haben wir gelernt, dass für uns ein größeres Fahrzeug einfach ziemlich großer Mist ist und mehr Nerven kostet, als man auf Reisen verlieren möchte, dass ein großer Bus einem nur das Geld aus der Tasche saugt und dass ein älteres Fahrzeug in Europa eine große Last ist. Um ehrlich zu sein: die letzten Kilometer mit Sunshine habe ich geweint, weil wir beide so viele Glücksmomente damit hatten. In Westeuropa haben aber die Nervmomente überwogen und wir waren ehrlicherweise ein kleines bisschen froh, als wir endlich in Holland angekommen sind. Das war aber nicht Sunshine’s Schuld. Der wird uns immer ein warmes, sonniges Gefühl im Herzen machen, wenn wir an ihn denken und dabei „sein“ Lied singen: „ You are my Sunshine, my yellow Sunsine. You make us happy, every day!“
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