Ja, wir können auch Zug fahren! Nur, weil wir die Motorräder dabeihaben, heißt das ja nicht, dass wir ständig damit fahren müssen. Wir waren ja auch schon zu Fuß und zu Pferd unterwegs. Diesmal also mit dem Zug, und zwar in der südiranischen Region Lorestan auf der Strecke von Dorud nach Andimeshk. Falls Ihr den Überblick verloren habt, wo das ist, schaut auf der Karte unserer Reiseroute nach!
Am Vorabend unserer Abfahrt waren wir am Bahnhof von Dorud und erhielten die Auskunft, es gäbe je zwei Züge von und nach Dorud. Ab Dorud einer morgens um 5:30, einer mittags um 14 Uhr. Spontan entschieden wir uns für die 14 Uhr Variante, doch Tickets konnte man erst ab eine Stunde vor Abfahrt kaufen. Also haben wir am Abfahrtstag die Motorräder sicher hinter unserem Hotel, etwas außerhalb der Stadt geparkt und haben unsere Fahrscheine gekauft. Pro Person 25 Cent, inklusive Sitzplatz und 5,5 Stunden Fahrtzeit. Ich bin bekennender Bahnhasser in Deutschland, fahre aber gerne Zug im Ausland und bin immer gespannt darauf, wie andere Bahngesellschaften es im Vergleich zur DB so schaffen, ihre Kunden zu befördern.
Etwa 15 Minuten vor Abfahrt wurde der Zug bereitgestellt, der Bahnsteig füllte sich und der Zug auch. Überraschenderweise waren die Waggons auch in richtiger Reihenfolge angehängt (man ist von der DB ja „heute ausnahmsweise in umgekehrter Reihenfolge“ gewöhnt…) und die Plätze auf unseren Fahrkarten waren auch tatsächlich frei. In Deutschland beinhaltet der Fahrschein ja keinen Sitzplatz (Sitzplatzreservierung in Deutschland kostet ja das 20-fache eines iranischen Fahrscheins mit Sitzplatz) und so schwelgten wir von Anfang an im Luxus.
Die Fenster ließen sich auch öffnen, sodass frische Luft hereinströmte (wo keine Klimaanlage ist, kann nämlich auch keine ausfallen!) und wir gut fotografieren konnten. Der Warnhinweis „nicht aus dem Fenster lehnen“ auf Deutsch deutete darauf hin, dass der Waggon schon schlechtere Zeiten hinter sich hatte… Unsere etwa drei- und vierjährigen Sitznachbarn versorgten uns sofort mit Bananenkaugummis, es konnte also los gehen!
Kaum verließ der Zug den Ort, fuhren wir in einen tiefen Canyon ein, durch den der Zug die vollen etwa 200km der Reise von Dorud nach Andimeshk fuhr. Die Landschaft vor dem Zugfenster war gigantisch! Der Fluss hatte in Jahrmillionen Jahren eine teils so enge Schlucht ins Gebirge gegraben, dass außer der Zugtrasse im Steilhang kein Eselspfad mehr dazu gepasst hätte.
Wir fuhren natürlich auch durch einige Tunnel, aber da die Innenbeleuchtung im Waggon funktionierte, war das kein Problem. Ich erinnere mich da an eine Fahrt vor zwei Jahren mit dem teuren Euroshuttle unterm Ärmelkanal, bei der ich 20 Minuten im Dunkeln saß, da weder Innenbeleuchtung noch Leselampe in meinem Waggon ging…
Oft öffnete sich das enge Tal und man konnte sehen, wie wir über gemauerte Viadukte und rostige Eisenbrücken fuhren, immer und immer wieder über den Fluss, der dem Zug den Weg durchs Gebirge gebahnt hatte.
Wir hatten die Bimmelbahn erwischt, die an jeder Milchkanne hielt. Wir hatten den Eindruck, dass der Lokführer seine Passagiere persönlich kannte und auch an einsamen Gehöften hielt oder Menschen aussteigen ließ, wo wir nirgends eine Siedlung erkennen konnten. Hielt der Zug an einem Bahnhof, standen da meist andere Züge, oft Güterzüge, die dort warteten, dass unser Zug die eingleisige Strecke von Dorud nach Andimeshk frei gibt.
Wir hatten gelesen, dass es während der Fahrt nichts zu essen gäbe, aber das ist schlichtweg falsch. Erstens wurden wir von unseren Mitreisenden nicht nur mit Bananenkaugummis, sondern auch mit Keksen und Obst versorgt und zweitens liefen die ganze Zeit mobile Händler durch den Zug, die Tee, Kekse mit Feigenmusfüllung, Schokomuffins, Sandwiches und Brot verkauften.
Bis es dunkel wurde, saßen wir über 4 Stunden staunend am Fenster und genossen die spektakuläre Landschaft, ließen den Fahrtwind durchs Gesicht pusten und steckten die Köpfe zum Fenster raus, um zu fotografieren und zu genießen.
Die Bahnstrecke von Dorud nach Andimeshk soll zu den schönsten Bahnstrecken der Welt gehören. Da ich schon einiger dieser Strecken gefahren bin, kann ich sagen: diese Strecke liegt dabei sehr weit vorne! Absolut spektakuläre Landschaft!
Die ganze Fahrt über hatten wir mit dem GPS und wachsamem Auge geschaut, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, den Canyon auch mit den Motorrädern zu befahren. Leider hatte maps.me recht und es gibt an den Engstellen wirklich keine Möglichkeit, mit dem Motorrad durchzukommen, da passen nur Fluss und Gleise durch – und manchmal nicht mal die, sodass es Tunnel gibt. Übrigens funktionierte auch die Toilette im Zug. Sie war nicht nur geöffnet, sondern hatte auch Wasser und Seife und war weder voll Schmutz noch hatte unter Vandalismus gelitten. Die deutsche Bahn und deren Passagiere geben im direkten Vergleicht weltweit leider einen ganz ganz schlechten Part ab…
Dann wurde es dunkel und der Unterschied zwischen Tunnel und Nacht war nur durch die Geräuschkulisse auszumachen. Wir kamen nach 5 ½ Stunden Fahrt in Andimeshk an und liefen direkt zur Information, um wegen der Rückfahrt nachzufragen. Morgen sei Freitag, somit Feiertag und daher gäbe es nur einen Zug: um 5:20 Uhr. Oh je!
Wir fanden auf Anhieb eine Unterkunft und stellten fest, wie einfach es heute geworden ist, wenn man mit dem Rucksack reist, den Lonely Planet im iPhone auf der kindle App hat und mobilen Internetzugang nutzt: Einfach in der App die Seite des Ortes aufschlagen, das Hotel raussuchen, auf die google maps Verknüpfung im Lonely Planet klicken und los laufen. Da in den billigen Unterkünften, die wir nutzen, die Beschriftung ausschließlich auf Farsi ist und nirgends „Hotel“ oder „Guesthouse“ zu lesen ist, macht die Verknüpfung der Apps auf dem Handy das Leben so viel leichter! Und da wir ja ohne Motorräder unterwegs waren, brauchten wir auch nicht lange suchen, denn ob die Unterkunft einen Parkplatz hat oder nicht, ist schließlich egal. Mit dem Motorrad ist das komplizierter und dauert oft eine Stunde oder länger.
Wir hatten beschlossen, den Zug um 5:20 Uhr ohne uns fahren zu lassen und den Freitag/Sonntag in Andimeshk zu verbringen. Weil es aber draußen nur geregnet hat, wurde es ein gemütlicher Tag auf dem Zimmer mit pro Person ungefähr 1,5 Büchern auf dem Kindle / der kindle App. All die Sehenswürdigkeiten in der Gegend schauen wir uns an, wenn wir mit dem Motorrad wiederkommen und es nicht regnet!
Am späten Nachmittag unseres Pausentages in Andimeshk fragten wir erneut am Bahnhof nach Zügen von Andimeshk nach Dorud. Der Mann am Informationsschalter konnte keine Fremdsprachen, aber hatte einen Freund in Kassel, den er mit Videotelefonie dazu schaltete. Es gäbe vier Züge: einen um 5:20, dann 14, 15 und 16 Uhr. Tickets gibt es nur mit Ausweis und der lag in der Unterkunft. Wir waren schlauer! Außerdem hatten wir ein Wetter-Update aus Kassel: bunter, kalter, windiger Herbst!
Gegen Abend gab es ein riesiges Unwetter in Andimeshk, zu dem wir es rechtzeitig nach dem Abendessen (und dem fast alltäglichen Karottensaft mit Rosenwasser-Milcheis) noch zurück aufs Zimmer schafften. Am nächsten Tag sahen wir die Ausmaße: Bäume hatten Äste verloren, die Kanalisation war übergelaufen, die Blumenbeete ausgeschwemmt, Läden und Höfe voll Wasser gelaufen, der ganze Ort räumte auf.
Weil wir nach Frühstück und Stadtbummel nichts mehr zu tun hatten, liefen wir gegen 12 zum Bahnhof und wollten am Schalter für den 14 Uhr Zug ein Ticket kaufen. Statt uns das zu verkaufen, lief die Schalterdame auf den Bahnsteig, sprang zurück und scheuchte uns in den auf dem Gleis wartenden Zug, der würde jetzt nach Dorud fahren! Es gab also mehr Züge, als der Mann am Infoschalter wusste! Da wir mit Minimalgepäck reisten („Zahnbürste und Unterhose“ im Tagesrucksack), war das möglich.
Dieser Zug von Andimeshk nach Dorud war modern und hätte aus jeder deutschen Stadt fahren können. Allerdings war er wesentlich sauberer und alle Sitze hatten Wechselbezüge, die offensichtlich auch regelmäßig gewaschen wurden, so sauber wie alles war.
Wir erkannten die Ausmaße des Unwetters in der Natur: der vor zwei Tagen noch türkisblaue, seicht dahin fließende Fluss hatte sich zu einer reißenden Masse Schlamm gewandelt, überall stand das Wasser und als es dann noch anfing, zu regnen, entstanden überall kleinste Wasserfälle die steilen Felswände hinunter.
Doch die Sicht war grau durch den Regen und erst kurz vor Ankunft in Dorud klarte es etwas auf, sodass wir nochmal kurz die Schönheit der Landschaft in uns aufnehmen konnten. Wer auch von Dorud nach Andimeshk mit dem Zug fahren möchte, sollte darauf achten, dass der Zug einer der alten Züge ist, dessen Fenster sich zum Fotografieren öffnen lassen. Das sind auch wahrscheinlich die, die einem am Infoschalter genannt werden.
Als wir in Dorud zurück waren, sahen wir, dass auch hier ein Unwetter gewütet hatte und wie lieb die Angestellten unsere beiden Motorräder davor geschützt hatten: Lenker und Cockpit sowie Sitzbank und Blinker waren mit Müllbeuteln, Paketklebeband und Seil vor Regen geschützt! So süß! Und wenn wir die beiden wieder ausgepackt haben, fahren wir nach Isfahan.
Und dann dauert es etwas, bis wir uns aus dem Iran wieder melden, ich fliege nämlich von Isfahan aus in die Mongolei, Jan schneidet in der Zwischenzeit fleißig Videos, wie zum Beispiel dieses von heute:
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Hello, I am Iranian, I live in Dorud, Lorestan. Thank you for your good writing. Our city Doroud is very beautiful in spring, hope to introduce our city to your tourist friends. And especially the villages of “T” and “Pir Abdullah”