Die WRC Rally Sweden fand in der Vergangenheit wesentlich weiter südlich statt, doch weil es dort in den letzten Jahren zu wenig Schnee und Eis gab, dieser winterliche Untergrund aber Vorrausetzung für die Weltmeisterschaft ist, zog die Rally dieses Jahr zum ersten Mal nach Umeå. Sehr zu unserer Freude, denn Südschweden stand nicht auf unserem Plan. Unter anderem aus genau dem Grund: Mistwetter da!

Bis die Rally startete, nutzten wir die Zeit in der Stadt für Erledigungen und verbrachten einen ganzen Tag im WiFi bei IKEA am PC, denn schließlich muss die Reisekasse ja konstant gefüllt werden. Wir beide lieben Motorsport, aber mögen mehr solche Veranstaltungen, bei denen Tag für Tag mehrere hundert Kilometer mit schwieriger Navigation zurückgelegt werden müssen. Sowas wie die Rallye Dakar: Fahrzeuge aller Klassen fahren schnell über unwegsames Terrain, müssen den Weg selbst finden und folgen dabei nicht immer Pisten und befestigte Straßen gehören niemals dazu. Die WRC Rallys dagegen sind, verglichen mit solchen Veranstaltungen, an denen wir selbst jahrelang mit Motorrädern teilgenommen haben, ein bisschen wie Kindergarten, aber die Lobby und das Theater drumherum sind riesig.

Wir kauften uns einen Tagespass für den günstigsten Rallyetag: 35€ pro Person plus 10€ Rallyemagazin um an alle Informationen zu Streckenverlauf, Zuschauerpunkten, Programm etc. zu kommen. Puh! Bei „unseren“ Rallyes (auch der Dakar) ist der Eintritt kostenlos. Aber wir wollten dabei sein. Für Jan war es die erste WRC Veranstaltung, für mich die dritte. Nach langem Studium der „Rallyekarte“ fuhren wir im Dunkeln raus an die Strecke, um dort in unserem VW Bus Kittymobil zu übernachten. Mit der Idee waren wir nicht allein und reihten uns ein in die Wohnmobile im Wald.

Früh am nächsten Morgen stiefelten wir los an die Strecke. Wir hatten nur Sitzkissen und etwas Proviant mit, die Schweden, Finnen, Esten und anderen Rallyebegeisterten zogen auf Schlitten eine ganze Ausrüstung aus Brennholz für Lagerfeuer, Grill, Grillgut, Musikanlage, Schaufeln, Isomatten, Fahnen und Kameras durch den tiefen Schnee. Wir fanden morgens um 7 einen perfekten Platz nach einer Kurve und standen dann ziemlich lange wartend im Wald, bis um 8:42 Uhr das erste von 42 Autos startete.

Naja. Und dann fahren halt 42 Autos ganz schnell an einem vorbei und das war’s dann. Da bei WRC Veranstaltungen die Strecke vorher bekannt und abgebandelt ist, gibt’s auch keine Navigationsfehler und überraschend auftauchende Kurven wie bei „unseren“ Rallyeveranstaltungen, sodass es eigentlich, ehrlich gesagt, etwas langweilig ist. Aber die Zuschauer machten ein Volksfest daraus im Wald und das war fast lustiger zu beobachten.

Nach den 42 WRC Autos kamen noch 16 „historic cars“. Das älteste Auto von 1961, die jüngeren Autos würden in Deutschland noch ganz normal zum Straßenbild gehören, hätte es dort dank der Auto-Lobby nicht die Abwrackprämie gegeben: Opel Kadett, Suzuki Swift, Peugeot 205 oder Ford Escort. Und die hier in Skandinavien an jeder, wirklich jeder Straßenecke vorhandenen Volvo 900. Publikumslieblinge waren natürlich alle Volvos, egal wie alt und auch wir waren begeistert!

Wir hätten dann wie die „Profi-Rallye-Zuschauer“ weiter im Wald am Lagerfeuer hocken können, um die nächste Runde abzuwarten, aber wir fuhren zum Servicepark. Bei WRC Veranstaltungen darf dieselbe Strecke bis zu 2x am Tag gefahren werden und das wird natürlich auch gemacht. Die Fahrer kennen dann schon jeden Stein und dann wird’s für uns noch uninteressanter.

Im Service Park werden die Fahrzeuge gewartet. Bei „unseren“ Rallyes normalerweise nur am Ende eines viele hundert Kilometer langen Fahrtages, bei WRC dürfen die Fahrer nach ihren niedlich kurzen Sonderprüfungen (an dem Tag war die längste SS süße 27km lang) zurück in den Servicepark und irgendwas an ihren Kisten schrauben. Wir wissen wirklich nicht, was man nach maximal 27km schon wieder an Wartung machen muss, aber irgendwie waren alle furchtbar beschäftigt und ganz ernsthaft bei der Sache. Wir haben uns belustigt gewundert und amüsiert, aber „jedem Tierchen sein Plaisierchen“. Wichtig scheint auch zu sein, dass die Fahrzeuge hochglänzend zu den nächsten gefühlten drei Kilometer aufbrechen, denn in jedem „Schrauberabteil“ wuselten Leute mit Glasreiniger-Spray und Lappen um die Fahrzeuge herum.

Bei den historischen Fahrzeugen ging es entspannter zu. Die kamen in den Servicepark, betreut von teils Freunden und Familienmitgliedern mit ebenfalls recht „historischen“ Servicefahrzeugen wie VW T4 oder uralten, rostigen Sprintern. Man freute sich, wenn wir Fotos von den schönen Fahrzeugen machten, sprach uns (auf Schwedisch allerdings) an und hatten den Spaß, den auch wir als Rallye-Teilnehmer hatten: entspannt um die goldene Ananas um die Wette durch den Wald rasen.

Abends liefen wir in die Arena. Dort waren Schneehaufen zu Sprunghügeln aufgebaut, ein schwedisches Popsternchen trällerte und es gab eine Red Bull Stuntshow mit Salti schlagenden Schneemobilen. Bevor die Rallyefahrzeuge in ihre Sage und Schreibe 8,8km lange letzte Sonderprüfung des Tages starteten, sangen die Massen inbrünstig die schwedische Nationalhymne. Der Text besingt den schönen Norden – und da können wir nur zustimmen. Dann sausten wieder schnelle Autos an uns vorbei, aber da nach den ersten Autos die Kameras ausfielen und man auf der Leinwand keine Zusatzinfos bekam, beendeten wir den langen Rallyetag in der Kälte und fielen hundemüde ins Bett. WRC Rallyes sind und bleiben in unseren Augen einfach „putzig“!

Die Rally war unser letztes Erlebnis dieses Winters in Schweden, wir wollten zurück nach Finnland und hatten die Fähre von Umeå nach Vaasa gebucht. Dass dort die derzeit modernste Passagierfähre der Welt verkehrt, erst 6 Monate im Dienst und mit Erd-/Biogas sowie Elektroantrieb, das wussten wir. Dass die „Aurora Botnia“ auch Eisklasse „1A super“ ist, hatten wir gelesen, aber was wussten wir schon über Eisbrecher? Wir wollten ja nur Fähre fahren! Und so standen wir dann im Hafen und warteten. Die Fähre hatte Verspätung wie die deutsche Bahn. Wie konnte das sein im ach so tollen Schweden? (Siehe: „Bullerbü Syndrom“) Wir verschenkten unser 10€ Rallyemagazin, machten ein wenig Hausputz, nutzten die sanitären Anlagen des Fährgebäudes und surften im Internet.

Irgendwann wurde uns klar, dass es sich um eine der nördlichsten ganzjährigen Fährverbindungen der Welt handelt und dass wir ja gerade erst selbst mit Kittymobil auf der Ostsee auf tragfähigem Eis herumgefahren waren… „Eisklasse 1A“ ist das stärkste, was Europa so zu bieten hat und bedeutet, dass das Schiff Fähre und Eisbrecher (bis 1m dickes Eis) in einem ist! Und das war auch der Grund für die Verspätung: die Abfahrtszeiten hatten sich in den vergangenen Tagen immer wieder, für uns ziemlich verwirrend, geändert und nun dämmerte es uns: die Fähre musste sich durch die zugefrorene Ostsee kämpfen!

Irgendwann war sie dann da und wir legten geräuschlos ab. In Küstennähe und in Häfen fährt die Fähre elektrisch. Bald kam ein Geräusch: das Klirren von Eis. Als wir auf See waren, warf der Kapitän den gasbetriebenen (aber immer noch sehr leisen!) Motor an und brach sich den Weg durch das weiße Eis, dass es unter dem Rumpf rumpelte und die Fähre eine Fahrrinne aus Eiswürfeln zurückließ.

Wir standen gebannt auf Deck oder am Fenster, um das zu beobachten: Wahnsinn! Da haben wir Fähre gebucht und Eisbrecher bekommen! Ein absolut cooles Erlebnis, mit einem Schiff stundenlang durch eine weiße Ebene zu rumpeln, das Eis an sich vorbeiziehen und in schönstem Sonnenschein glitzern zu sehen! Und Geld gespart haben wir bei dem Erlebnis auch noch: Eine Touristenfahrt mit einem Eisbrecher ab Kemi kostet 275€/Person, wir haben für die exakt gleiche Fahrtzeit (3,5hr) mit Kittymobil 134€ gezahlt! Der Winter hat uns hier schon wieder völlig unerwartet mit einem neuen Erlebnis überrascht!

In Finnland angekommen, nutzten wir sofort die in Finnland perfekte Infrastruktur: es gibt Waschsalons! Außerhalb von Stockholm ist diese Erfindung in Schweden noch nicht verbreitet und in Lappland auch in Finnland nicht vorhanden. Und wir hatten Wäscheberge! Seitdem wir in Saariselkä vor fast 4 Wochen die Ferienwohnung verlassen hatten, haben wir nur 1x kurz dank Heike und Gerd Unterwäsche gewaschen. Gut, dass wir nicht mehr mit Handgepäck unterwegs sind, denn das müsste in Lappland nur mit Unterhosen gefüllt sein…

Vaasa selbst hat außer dem Waschsalon wenig zu bieten, wir fuhren am nächsten Morgen nach Jakobstad, dessen Altstadt aus lauter kleinen, bunten Holzhäusern besteht. Im Gegensatz zu touristisch hergerichteten Kirchenstädten Schwedens sind diese Häuschen bis heute bewohnt und der ganze Stadtteil lebt. Weil Touristen und Wohnmobilisten Finnland ja „langweilig“ finden und die Finnen nur in Lappland gelernt haben, Touristen abzuzocken, gibt es hier keinerlei touristische Infrastruktur. Einfach nur süße bunte Holzhäuschen im Schnee und nette Finnen, die sich freuen, weil wir uns über ihre Häuschen freuen.

Ein idealer Ort, um vier Jahre Freiheit, vier Jahre Reise, vier Jahre Nomadentum zu feiern! Am 27.2.2018 sind wir aus unserer Wohnung in Krefeld ausgezogen und in Kittymobil eingezogen. Seitdem sind wir mit wechselnden Fahrzeugen so lange gen Osten gefahren, bis nur noch Wasser da war (das Südchinesische Meer) und so lange gen Norden gefahren, bis nur noch Wasser da war (das Beringmeer). Wir haben uns von keinem Motorschaden, keiner Pandemie und anderen Widrigkeiten abhalten lassen, weiter durch die Welt zu ziehen. Und das werden wir weiter tun, denn ein Ende dieses „Vagabundenlebens“ ist nicht geplant. Warum auch? Wir sind ohne Ende glücklich!

Auch die Altstadt von Kokkola besteht aus lauter kleinen bunten Holzhäusern, fast noch niedlicher als in Jakobstad und ist genauso lebendig und bewohnt von netten, lächelnden Finnen. Einfach entspannt hier, so ganz ohne Touristentrubel! Wenn es nirgends, weder in Jakobstad noch in Kokkola, irgendwo inmitten der Häuschen einen Souvenirladen, ein Besucherzentrum, ein Café oder Kunsthandwerkladen gibt, auch gar keinen größeren Parkplatz, dann ist klar: man erwartet keine Massen! Genau unser Geschmack!

Nachdem ich in Schweden zwei Wochen lang auf der Suche nach einem Friseur war, der mir ohne wochenlange Vorlaufzeit einen Termin gibt, hatte ich auch da in Kokkola Glück: endlich befreite mich jemand vom langen Zopf, der seit Wochen mehrmals täglich im Reißverschluss des Mantels hängen blieb und mich unendlich nervte! Das letzte Mal war ich 2020 in Kasachstan beim Friseur, es war also wirklich nötig…

Und dann kam der erste März. In Bulgarien wird an dem Tag „Baba Marta“, Frühlingsanfang, gefeiert und als wir morgens aufwachten und uns gegenseitig mit bulgarischen rot-weißen Bändchen beschenkten, wartete der Frühling tatsächlich schon vor der Tür: über Nacht waren die Temperaturen rasant gestiegen und als wir die Schiebetür öffneten, strahlte uns die Frühlingssonne bei +2°C an. Das war’s mit dem Winter, Hallo Frühling!

Es war Faschingsdienstag und da essen Skandinavier süße, mit Kardamom gewürzte Hefebrötchen, je nach Land entweder mit Marmelade (Finnland) oder Mandelpaste (Schweden), aber immer mit ganz viel Sahne gefüllt! In Schweden heißt der Tag „Fettisdagen“ und das Gebäck „Semla“. Die Finnen haben dafür ein komplizierteres Wort: „Laskiaispulla“. Schmecken tut es, egal wie man es nennt. Wir haben in den letzten Wochen heimlich geübt und die Einheimischen beobachtet: man benutzt den Deckel als Löffel, um damit Biss für Biss die Hälfte der riesigen Portion Sahne zu essen. Dann nimmt man das Unterteil mit Sahne und Füllung und beißt hinein. So schafft man es, ohne Sauerei und „Maulsperre“.

Während wir im Café saßen, überlegten wir: was machen wir jetzt mit diesem Frühling? Vor ihm flüchten oder ihn annehmen und die nordische Winterreise für beendet erklären? Wir entschieden uns für den Frühling. Wir hatten rund drei Monate Winterzauber und wenn wir jetzt vor dem Frühling flüchteten, würden wir doch nur Pappschnee bei einstelligen Minustemperaturen finden. Der Zauber der Pastellfarben der Wintersonne war vor Wochen schon erloschen, richtig knackige Wintertemperaturen um die -30°C hatten wir sowieso nur wenige Tage, unter -20°C würden wir tagsüber nirgendwo mehr finden. Wir akzeptierten das Ende unseres Winterabenteuers und beschlossen, Kittymobils Schnauze konsequent gen Süden zu richten. Und damit begannen wir direkt nach dem Cafébesuch und es fühlte sich richtig an.

Abends im Bett installierten wir die Reiseführer für das Baltikum auf dem kindle und in der kindle App und löschten „Finland“, „Sweden“ und „Scandinavia“. Jetzt müssen wir nur noch unsere eingelagerten Sommerreifen bei Helsinki abholen, Freunde besuchen und die Fähre nach Tallinn buchen. Und dann sehen wir Mal!

Euch gefällt unser Blog? Schön! Dann unterstützt uns und sagt Danke! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:

  • Abonniert unseren YouTube channel: unser YouTube Kanal
  • Kauft über unseren Amazon Affiliate Link ein: Amazon.de
  • Bucht Reisen und Unterkünfte über unser Booking Affiliate: Booking.com
  • Lest oder verschenkt unser EISREISE Buch (und hinterlasst eine Bewertung): unser EISREISE Buch
  • Designt über diesen Link T-Shirts und mehr für Euch oder als Geschenk: https://travelove.myspreadshop.de/
  • Oder zückt Euer eigenes Portemonnaie und ladet uns virtuell zum Kafee ein. Paypal Spende: https://www.paypal.me/travelove4u
  • Möchtest Du uns regelmäßig auf ein Käffchen einladen, schau mal hier: Steady
  • Überweisung: Jan-Hendrik Neumann, IBAN: LT44 3500 0100 111 0300 BIC: EVIULT2VXXX (Bank: Paysera LT, UAB)
  • Wir gehen mit der Zeit und akzeptieren auch Bitcoins. 🙂 Unser Wallet: 3PVxaabSZGwfWwzFykxLJqTwV7rYrpqjK8

Als Dankeschön für die Spende gibt’s ein Foto von uns mit Deinem Namen und dem “Investitionsgut”. Du findest Dich dann in dieser Galerie wieder.

Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken.