Wir sind geimpft! Mit Biontech / Pfizer. Und das, ohne uns vorgedrängelt zu haben, ganz einfach im Impfzentrum und kostenlos. Wie konnte das passieren, wo doch in Deutschland immer noch nicht alle Ü80 streng nach Impfreihenfolge geimpft sind? Ganz einfach: wir sind nicht in Deutschland.
Schon im Dezember begannen wir, unsere Fühler nach der Impfung auszustrecken. Wir wollten unbedingt geimpft werden und das grundsätzlich nur mit Biontech/Pfizer oder Moderna und waren bereit, dafür auch Geld auszugeben oder in ein Land zu reisen, in dem das möglich ist. Alternativ hätten wir auch noch Sputnik V genommen. Aber nun ist es gekommen, wie wir es uns erträumt haben und in unserem Blut schwappt fröhlich Biontech. Ich (Silke) bin zwar Risikopatient, aber in Deutschland wurden nur die Menschen zu Risikopatienten erklärt, die pauschal an Volkskrankheiten leiden. Wählerstimmen halt, nicht medizinisch durchdacht. Und in Deutschland sind junge Menschen wie wir noch lange nicht an der Reihe. In Bulgarien saßen wir Anfang Januar beim Hausarzt und erkundigten uns: jeder, der in Bulgarien ins staatliche Gesundheitssystem einzahlt, war im Januar dazu aufgerufen worden, sich beim Hausarzt auf eine Liste setzen zu lassen, nach der der Arzt dann impft. Ab Februar und unabhängig vom Alter. Nun, wir zahlen nicht ins bulgarische Gesundheitssystem ein. Der Weg kam nicht in Frage.
Die Impfreihenfolge in Bulgarien war anders als die in Deutschland. Zuerst wurde das gesamte medizinische Personal des Landes geimpft, denn schließlich sind es ja die Menschen, die man braucht, wenn man in einer Pandemie steckt. Danach wurden alle anderen geimpft, die „den Laden am Laufen halten“: Polizei, Lehrer, Erzieher, Kirche, Wahlhelfer (an Ostersonntag ist Wahl) etc. Die älteren Mitbürger schützt man seit einem Jahr mit „Einkaufskorridoren“: bis 10:30 Uhr dürfen Menschen unter 65 nicht einkaufen und das wird streng überwacht.
Seit Februar sind die Prioritätsgruppen weitestgehend (wer will, es besteht auch hier keine Impfpflicht!) geimpft, sodass seitdem Jedermann vom Hausarzt geimpft werden kann. Zumindest theoretisch, denn Bulgarien hat dank der EU-Einkaufspolitik wie in jedem EU-Land kaum Impfdosen bekommen. Zusätzlich öffneten im Februar Krankenhäuser „grüne Korridore“ ab 14 Uhr und an Wocheneden, zu denen nicht verimpfte Impfdosen an diejenigen verimpft wurden, die vorbeikamen und Glück hatten.
Hier wurden keine Impfdosen entsorgt, nur um die Impfreihenfolge nicht außer Kraft zu setzen. Voraussetzung ist aber: bulgarischer Aufenthaltstitel oder gesetzlich krankenversichert in Bulgarien. Im Internet wurden unter Expats wie uns, die diese Kriterien nicht erfüllten, Tipps weitergegeben, wo welcher Hausarzt trotzdem impft, weil dieser Arzt der Meinung ist, dass jeder Geimpfte wichtig ist. Sollten wir zu so einem Arzt in die Berge fahren mit dem Risiko, doch nichts zu bekommen, weil die EU mal wieder nichts zu liefern hat? Unsere Köpfe rauchten.
Ende Februar lasen wir dann, dass am 3.3.2021 ein staatliches Portal online freigeschaltet werden sollte, in dem man Impfstoff, Impfzentrum und Impftermin wählen konnte. Allerdings auch das nur mit gesetzlicher Krankenversicherung oder Aufenthaltstitel. Und beides hatten wir nicht als Touristen. Aber was nicht ist, kann werden! In Rekordzeit netzwerkten wir, was das Zeug hält. Um den bulgarischen Aufenthaltstitel zu bekommen, braucht man als EU-Bürger einen mindestens 6 Monate, besser unbefristeten Mietvertrag oder Wohneigentum, die Bestätigung vom Vermieter, notariell beglaubigt oder ein Auszug aus dem Grundbuch, Nachweis über eine gültige Krankenversicherung und pro Person rund 4000€ auf einem vorzugsweise bulgarischen Konto. Bis auf die private bulgarische Krankenversicherung hatten wir Ende Februar nichts davon.
Exakt drei Tage später hatten wir alle Unterlagen in der Hand. Alle. Das bulgarische Konto ist nur eine bulgarische IBAN bei einer lettischen online-Bank und wie wir an den Rest der Papiere gekommen sind, bleibt unser bulgarisches Geheimnis. Die Dame auf dem Amt versprach, die Unterlagen binnen drei Tagen zu prüfen und uns dann einen Expressantrag stellen zu lassen, wenn die Unterlagen in Ordnung sind. Unsere Unterlagen sind wasserdicht, also durften wir drei Tage später die bulgarische „Litschna Karta“ beantragen: eine Art Personalausweis mit Aufenthaltsrecht in Bulgarien. Wie lange diese Karte gültig ist, hängt von vielerlei Faktoren ab und schwankt zwischen wenigen Monaten bis zu 5 Jahren. Wir hatten den Joker gezogen: 5 Jahre Aufenthaltsrecht in Bulgarien! Somit können wir, egal welche Umstände herrschen, jederzeit in dieses Land zurück. Dass das funktioniert, haben wir auf der Rückfahrt von Tunesien schon ausprobiert. Ohne „Litschna Karta“ wären wir aufgrund der verschärften Einreisebestimmungen letzte Woche nicht nach Bulgarien eingereist. Und das Wichtigste: wir können uns online für die Impfung registrieren!
Als am 3.3. das Portal freigeschaltet wurde, saßen wir am Laptop und meldeten uns an. Die Digitalisierung ist hier so weit fortgeschritten, dass man sich mit Tippfehler nicht anmelden kann, denn die eingegebenen Daten werden sofort auf Richtigkeit überprüft. Wir wählten ein Impfzentrum in Veliko Tarnovo, mRNA als Impfstoff und bekamen den 11.3. als Impftermin vorgeschlagen. So schnell hatten wir nicht damit gerechnet, den Termin mussten wir ändern, denn am 11.3. waren wir ja in Tunesien. Wir wählten den 25.3. aus. Weil die EU mal wieder nicht so lieferte, wie sie sollte, wurde uns per Mail in Tunesien mitgeteilt, der Termin habe sich auf den 1.4. verschoben. Uns fiel ein Stein vom Herzen: die Fähre fuhr nämlich auch später und den 25.3. hätten wir niemals geschafft.
Trotz Impftermin in der Tasche fuhren wir Anfang März spontan ins Impfzentrum. Mal gucken, ob was da ist. Wir fanden nur eine frustrierte Krankenschwester, die nichts Besseres zu tun hatte, als den ganzen Tag allen Leuten zu sagen, dass es keinen Impfstoff mehr gab. Sie tat uns leid.
Nachdem wir aus Tunesien zurück waren, kam wieder eine Mail vom Impfzentrum: wenn wir wollten, könnten wir schon am 30.3. kommen, dann gäbe es allerdings nur AstraZeneca. Wir lehnten ab. Für uns kommt dieser Impfstoff ganz unabhängig von sämtlichen Diskussionen aus drei ganz anderen Gründen nicht in Frage:
- Ist die Wirksamkeit eines mRNA Impfstoffs wesentlich höher, (siehe Gelbe Liste und das ZDF hat das super und leicht verständlich auf seiner Webseite erklärt: ZDF Erklärbär)
- Ist der Abstand zwischen den beiden mRNA Impfungen um ein Drittel kürzer (siehe Gelbe Liste) und ermöglicht uns ein baldiges Weiterreisen und
- Ist der Schutz vor der südafrikanischen Mutation bei AstraZeneca so gut wie nicht gegeben (siehe pharmazeutische Zeitung), beim mRNA Impfstoff jedoch bis zu 91% (reuters).
Wir sind der Meinung, es wird noch weitere Mutationen geben und ein mRNA Impfstoff kann damit besser umgehen – und auch schneller angepasst werden. Die „deutsche Ansicht“ Ende 2020, dass die südafrikanische Mutation nicht nach Deutschland komme und wenn, sei sie dort “nicht ausschlaggebend” und so wie auch die britische Mutation “kein Problem” (Drosten im Dezember 2020 in der ARD), klang in unseren Ohren so wie im Frühjahr 2020 die Annahme, der Virus verbleibe in China (so Spahn noch am 2.3.2020!) und in Deutschland sei das Risiko extrem gering (siehe Drosten, der damals im „Standart“ die chinesischen Sterberaten anzweifelte und die hohen Zahlen für „systembedingt“ hielt). Daher war für uns schon im Dezember klar, dass wir uns nach einem Impfstoff umsehen, der auch das kann. Mitte März hat die südafrikanische Mutation im Saarland übrigens schon 15% erreicht, siehe Süddeutsche, (die britische Variante liegt n Deutschland bei 90%, sagt das ZDF). Immerhin hat Deutschland diese Woche, über ein Jahr nachdem die WHO die Pandemie ausgerufen hat, eine Testpflicht zur Einreise auf dem Luftweg eingeführt. Allerdings muss es kein PCR Test sein (kein Aprilscherz, nachzulesen beim Bundesgesundheitsministerium) und auch nur auf dem Luftweg. Man muss auch nach einem Jahr nicht gucken, wie andere Staaten das machen…
Verena und Edgar, die mittlerweile in Bulgarien ein Haus gekauft haben und darin wohnen, hatten ihren Impftermin am 30.3. in Sevlievo, angeblich mit Biontech und so entschieden wir spontan, die 40 Minuten nach Sevlievo zu fahren und ab 14 Uhr nach „Resten“ zu fragen. Im dortigen Impfzentrum waren alle sehr nett, aber es gab nur AstraZeneca, das auch Verena und Edgar ablehnten. Aber die Ärztin notierte meine Handynummer und versprach, sich zu melden, sobald es wieder Biontech oder Moderna gibt. Und das tat sie wirklich!
Gründonnerstag war es so weit: wir bekamen zunächst einen Schnelltest gemacht. Während der „einwirkte“, musste man draußen warten und drinnen wurde der Papierkram erledigt. Das Formular zum Unterschreiben konnte man schon im Onlineportal herunterladen, ausdrucken und mitbringen. Wir waren beide (wie immer) negativ, durften also geimpft werden. Wir waren um 14 Uhr eine Gruppe aus 12 Impfwilligen, denn aus 2 Fläschchen Impfstoff kann man 12 Leute impfen. Es lief wie am Fließband. Wir waren die letzten Impflinge, die Ärztin war sehr sanft und schon war es vorbei.
Und für uns ändert sich jetzt viel! Studien aus den USA und Israel zeigen: wer mit Biontech geimpft ist, steckt zu rund 90% niemanden mehr an (Quelle: Spiegel) und schon nach der ersten Impfung ist man durch Biontech besser geschützt, als man es mit Vektorimpfstoffen selbst nach zwei Spritzen wäre (Quelle: tagesschau). Wir sind nicht nur selbst vor einer Erkrankung geschützt, wir sind auch kein Infektionsrisiko mehr für andere, falls wir asymptomatisch infiziert werden sollten. Wir vertrauen dabei auf aussagekräftigen Studien mit ganzen Populationen (Israel, USA) und nicht auf sonderbare Einzelfälle (wie auch bei AstraZeneca) aus Deutschland.
Das macht das Leben, insbesondere auf Reisen, unglaublich entspannt. Wir sind im vergangenen Jahr, in dem Reisen angeblich nicht möglich war, viel gereist und haben unsere Pässe weiter mit Visa und Stempeln gefüllt: Usbekistan, Lettland, Kasachstan, Türkei, Rumänien, Bulgarien, später diverse Transitländer in Europa, auch Italien und schließlich Tunesien. Wir sind auch viel mit dem Flugzeug gereist, allerdings hauptsächlich zu Zielen außerhalb Europas, die für Flugpassagiere schon seit einem Jahr einen negativen PCR Test vor dem Boarding verlangen. Ich komme auf 11 Flüge 2020, Jan auf 13. Weil wir Mitte Dezember einen Antikörpertest haben machen lassen, der keine vergangene Infektion nachweisen konnte und seitdem sechs Mal negativ getestet wurden, können wir stolz von uns sagen: wir haben gut auf uns aufgepasst! Sehr geholfen hat uns da auch, dass wir zu Beginn der Pandemie in Asien waren und dort „pandemietechnisch sozialisiert“ wurden, also Infektionsschutz auf wesentlich höherem Niveau erlebt und verinnerlicht haben, als es in Europa jemals umgesetzt wurde. Daher bleiben wir auch in Zukunft wachsam, insbesondere was Mutationen anbelangt und sind weiteren Impfungen gegenüber aufgeschlossen.
Aber all das, worauf wir im letzten Jahr verzichtet haben, insbesondere die spontanen Begegnungen mit Menschen, haben wir sehr vermisst und wir freuen uns nun sehr darauf, wieder zu dem Reisestil zurückzukehren, den wir lieben: nicht das im eigenen Fahrzeug sich selbst isolierende Aussiedlerdasein (das für viele Reisende normal ist), sondern von Begegnung zu Begegnung mit spannenden Menschen unterwegs zu sein. Wenn wir ab jetzt eine Waschmaschine oder schnelles WiFi zum Arbeiten brauchen, können wir auch wieder in günstige Hostels gehen und müssen nicht mehr teure Doppelzimmer oder Ferienwohnungen mieten, um diese Dinge ohne Menschenkontakt zu erledigen. Wir können wieder Einladungen von Einheimischen annehmen, nach Herzenslust in Restaurants essen, andere Reisende treffen, Zug fahren und ÖPNV nutzen und vielleicht auch weitere Vorteile beim Reisen nutzen, weil wir geimpft sind. Natürlich nicht in Europa, da kommt ein „travel free pass“, wie ihn israelische Geimpfte schon haben, vielleicht erst im Juni. Vielleicht aber auch nicht. Und so lange müssten wir trotz Impfung und trotz negativem PCR Test bei einem Heimatbesuch in Quarantäne. Da wir uns an die Regeln halten möchten, wenn wir ein Land bereisen, kommt das Land für uns daher nicht in Frage. Meinen neugeborenen Neffen werde ich also erstmal nicht kennenlernen.
Gerüchten zufolge könnte Georgien demnächst die Einreise über Land für Geimpfte gestatten. Dann könnten wir endlich nach Armenien fahren, um Motorrad und Ausrüstung einzusammeln! Anderen Gerüchten zufolge soll es Russland demnächst für Geimpfte möglich machen, ein Visum beantragen zu dürfen. Dann könnten wir mit unserem VW Bus Kittymobil weiterreisen. Doch erstmal müssen wir noch den zweiten Impftermin abwarten, erst dann machen wir Pläne, denn bis dahin kann sich in der Welt so viel ändern…
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Das bulgarische Geheimnis, laß‘ mich raten: Bestechung und Schmierung, richtig? Und dann fahrt ihr in eins der ärmsten Länder der EU, ertrickst euch eine kostenlose Impfung die ja gedacht war für die doch eher armen Bulgaren. Weil ihr es eich leisten könnt. Und nehmt sie damit ja auch jemandem weg und seit auch noch stolz darauf.
Ich finde nicht das dies eine erzählenswerte Geschichte ist….
Da urteilst Du mit typischen Vorurteilen. Wir haben niemanden bestochen und niemanden geschmiert. Würden wir auch niemals tun, auch nicht an Grenzen oder auf Botschaften. Wir haben eine weiße Weste und distanzieren uns ganz klar von solchen Praktiken! Es gibt einfach Dinge, die wir nicht jedem sofort unter die Nase reiben möchten, weil auch wir eine Privatsphäre haben. Und solche privaten Dinge können auch zu einem Aufenthaltstitel führen, der zu einer Impfung berechtigt. In Bulgarien haben wir niemandem den Impfstoff “weg genommen” und wir sind dazu auch nicht extra nach Bulgarien gefahren. Nur weil Du in Deutschland andere Regeln zur Impfstoffverteilung kennst, bedeutet das nicht, dass es andere Länder nicht anders machen. Jeder hat hier freien Zugang zum Impfstoff. Die Priorisierung verlief hier anders. Und ob ich als steuerzahlender EU Bürger den Impfstoff im nächsten Jahr in Deutschland oder jetzt schon in Bulgarien bekomme, ist egal. Pack also bitte Deinen Neid und Deine dummen Vorurteile ein und unterstelle uns nicht Bestechung. Bevor Du Menschen öffentlich solche Unterstellungen an den Kopf wirfst (nennt sich übrigens “üble Nachrede” und ist strafbar), frag einfach nächstes Mal ganz nett in einer Mail. Vielleicht hätten wir Dir ja auch was verraten?