Unsere Erlebnisse der letzten Wochen (Lost Places, Büffelbaby, Haselnüsse, Magnetstrand und Tee) klingen in Euren Ohren sicherlich entspannt, doch was bei uns im Hintergrund lief, könnt Ihr auf den Fotos nicht sehen: wir hatten in Wirklichkeit die letzten Wochen ziemlich Stress, weil nicht nur für Jans Motorrad, welches wir gerade aus Armenien abgeholt haben, sondern auch für unseren VW Bus Kittymobil in Kasachstan die Zollpapiere am 30.9.2021 ablaufen. Da aber alle Länder rund um Kasachstan ihre Grenzen für die Aus-/Einreise über den Landweg für Deutsche geschlossen haben (so viel zum Thema „deutscher Pass = bester Pass“, zu Pademiezeiten ist das anders), ist es für uns unmöglich, Kittymobil bis zum 30.9. aus der eurasischen Zollunion auszuführen.

Wir sind der Meinung, dass Kasachstan das auch weiß und sich auf die Einnahme aus der Verzollung von rund 3000 vor der Pandemie temporär eingeführter Fahrzeuge freut. Die meisten Fahrzeuge, die in Kasachstan feststecken, gehören angeblich armenischen Gastarbeitern. “Warum macht Kasachstan das?” Tja, die arbeiten an ihrem eigenen “Brexit”. Schon vor der Pandemie wurden Ausländer im Zuge der “Kazakhstan 2050 Strategie” (“New Kazakhstan patriotism is basis for success of our multiethnical and multi-confessional society.”) aus dem Land “heraus organisiert”: Arbeitsvisa nicht mehr ausgestellt oder verlängert, Visaregeln verschärft. Die Idee: kein Ausländer soll einem Kasachen mehr den Arbeitsplatz wegnehmen. Das betraf insbesondere Lehrer an internationalen Schulen, Beraterfirmen und Mitarbeiter ausländischer Investoren. Also genau die Arbeitsplätze, die jeder Kasache jederzeit besetzen kann. Nicht. Außerdem soll demnächst die kyrillische Schrift abgeschafft werden und eine eigene, rein kasachische Schreibweise durchgesetzt werden. Bei solchen politischen Ideen kam die Pandemie nur wie gerufen, um Ausländer durch Zollgebühren zu vergraulen. Dass darunter auch “unschuldige” Touristen wie wir sind, ist “Beifang”. Die Kosten, die für Kittymobil anfallen, wenn wir die Ausfuhr bis zum 30.9. nicht schaffen, belaufen sich auf mindestens 3500€ Zoll plus Strafe. Für alle Schlaumeier, die uns in den letzten 1,5 Jahren einen Verkauf von Kittymobil in Kasachstan vorgeschlagen haben: das müsste auch ein potenzieller Käufer an Zoll zahlen. Eine Verschiffung als Fracht kostet rund 4500$, ist also auch nicht billiger.

Natürlich sind wir nicht die einzigen Reisenden in der Situation, aber die meisten glauben an den guten Willen irgendwelcher Zöllner und daran, dass das „alles nicht wahr sein kann“, denn es könne ja kein Staat Unmögliches verlangen, die Grenzen seien schließlich geschlossen! Nun, wir werden sehen, wie deren Geschichte ausgeht. Wir haben in den letzten Monaten intensiv mit diversen Instanzen beim kasachischen Zoll und mit kasachischen Tourismusvertretern in Kontakt gestanden und haben keine Möglichkeit gefunden, die Papiere ein viertes Mal zu verlängern oder eine andere kostensparende Lösung (z.B. Zolllager) mit den Behörden zu finden. Kittymobil muss also definitiv bis zum 30.9. die eurasische Zollunion verlassen haben. Nur wie?

Die einfachste Lösung wäre der Vorschlag der Russen gewesen: sie stellen uns in Moskau eine Sondergenehmigung aus, mit der wir über Land und mit einem Transitvisum von Kasachstan über die Grenze nach Russland und weiter aus Russland heraus reisen können. Diese Sondergenehmigung ist eigentlich Standard, kann aber nicht von uns selbst, sondern muss von der deutschen Botschaft beantragt werden. Und die… Nun ja. Ihr glaubt es eh nicht. Der Botschaft ist das Enddatum 30.9. bekannt, aber… Wir stehen mit einem Paar aus der Schweiz in Kontakt, die diese Genehmigung natürlich bekommen haben. Die Schweizer Botschaft hat für ihre Bürger den Antrag rechtzeitig gestellt.

Also mussten wir parallel eine andere Lösung finden, denn auf deutsche Botschaften ist kein Verlass. Wochenlang arbeiteten wir also an mehreren Möglichkeiten: Möglichkeit a) die Botschaft hält Wort stellt rechtzeitig den Antrag und wir können aus Kasachstan in die EU fahren. Möglichkeit b) wir schaffen es, die Zollpapiere nochmal zu verlängern. Möglichkeit c) Kittymobil kommt in ein Zollager. Möglichkeit d): Jemand fährt uns mit Kittymobil entgegen. Jetzt, Monate später, ist nur noch Möglichkeit d) übriggeblieben: jemand kommt uns mit Kittymobil entgegen. Und genau das ziehen wir jetzt durch.

Ein Bekannter fährt uns Kittymobil durch Kasachstan an die russische Grenze. Das dürfen aber keine Privatpersonen, sondern nur Firmen. Also haben wir einen Vertrag mit einer Firma gemacht, die unseren Bekannten als Fahrer mit einer Vollmacht von uns mit Kittymobil auf die Reise schickt. Wir holen Kittymobil an der russisch-kasachischen Grenze ab und fahren aus Russland raus. Der kürzeste Weg wäre 600km nach Georgien, doch Russland lässt Deutsche derzeit nicht nach Georgien ausreisen, die Georgier würden uns aber von Russland aus hereinlassen. Unlogisch, aber wahr: wir müssen nach Finnland fahren. Liegt ja um die Ecke von Kasachstan. Nicht. Deutsche dürfen allerdings nur mit einem Direktflug von Deutschland nach Russland einreisen. Wir sind hier zwar 300km von der russischen Grenze entfernt, aber der deutsche Pass… nun ja. Wir brauchten ja auch erstmal ein Visum.

Da die Zeit rennt, haben wir dank DHL Express und viel Geld (558€, um genau zu sein) Expressvisa beantragt (und bekommen), müssen aber tatsächlich „mal eben schnell“ nach Deutschland, um von dort nach Russland zu fliegen. Das darf aber nicht mit einem Umsteigeflug passieren, weswegen wir unsere Herkunft aus Georgien verschleiern müssen. Wir fliegen also (bzw.: saßen im Flieger, wenn Ihr das hier lest) mit Pass A für je 55€ von Georgien nach Dortmund. Übernachten eine Nacht in Deutschland, fahren dann nach Düsseldorf und fliegen dann mit Pass B für 239€ direkt nach Jekaterinburg. Dort fahren wir dann gleich vom Flughafen abends noch mit einem Mietwagen los zur 600km entfernten kasachischen Grenze, an der dann nach Plan am Sonntagmorgen von kasachischer Seite unser gelbes Zuhause anrollt. Von dort fahren wir mit Kittymobil in wenigen Tagen nach Helsinki, wo unser Heim bei einem Freund wieder auf uns warten muss, denn unser Passat “Hans” und Jans Motorrad Oskar warten ja noch auf uns in einer Halle in Kutaisi, Georgien!

Wir fliegen am 4.10. für je 25€ von Helsinki über Riga zurück nach Georgien, atmen erstmal tief, ganz tief, durch und fahren dann mit Auto und Motorrad hintereinander zurück nach Bulgarien. Kittymobil darf sechs Monate in Finnland bleiben. Aber wer uns kennt und weiß, dass wir 4 Spikereifen im „Keller“ (sowas hat Kittymobil natürlich auch, schließlich handelt es sich dabei ja um ein Haus!) liegen haben, könnte eventuell ahnen, was wir weder für Ideen haben…

Doch erstmal muss unser Plan klappen! Unsere zig Vollmachten und Verträge, die wir in den letzten Wochen haben erstellen, übersetzen, beglaubigen und mit Apostille versehen lassen haben, müssen funktionieren und erst, wenn wir wieder zurück in Georgien sind ist Zeit, weitere Pläne ernsthaft ins Auge zu fassen. Bis dahin drückt uns die Daumen!

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