Der Weg ins Paradies ist kein Schneller. Aber er lohnt! Als wir letzte Woche beschlossen, unseren Aufenthalt in Äquatorialguinea abzubrechen, um ins Paradies, nach (São Tomé &) Principe zu reisen, wussten wir nicht, wie schwierig es sein würde, die 260km Luftlinie zu überwinden.
Wir befanden uns in Bata, auf dem Festland Äquatorialguineas. Hätten wir zentralafrikanische Pässe, wären wir einfach in ein paar Minuten nach Libreville geflogen und hätten nach einer Nacht in Gabun den nächsten Stoppelhopser nach São Tomé genommen. Aber mit deutschem Pass ist Gabun schwierig: ist das Visum nicht in Deutschland ausgestellt, braucht man eine gebuchte Tour, bzw. einen Guide, der einen am Flughafen von der Immigration abholt. Den hatten wir nicht – und das Visum hätte es nur in der Hauptstadt Malabo gegeben, die auf einer Insel vor Kamerun liegt – und da waren wir auch nicht. Die einzige Möglichkeit war völlig absurd, aber weil wir uns gerade sowieso in „Absurdistan“ befanden, buchten wir „3x um den Quark bitte“. Bata – Douala – Lome – Libreville – São Tomé – Principe.
Warum wir nicht „später“ nach São Tomé & Principe reisen, wenn es jetzt so umständlich ist? Weil es nicht besser wird. Alternativen wären ein günstigerer Direktflug aus Angola oder aus Südafrika über Angola. Da man aber Fahrzeuge in Angola nur wenige Wochen temporär einführen darf, können wir von dort aus auch keine zwei Wochen wegfliegen – sonst bekommen wir ein Zollproblem mit den Motorrädern in Angola. Von Südafrika über Angola zu fliegen ist visa- und zolltechnisch möglich, aber genauso teuer, wie über Kamerun, Togo und Gabun. Von Europa ist es ganz einfach, aber wir sind nicht in Europa. Außerdem: in Deutschland wurden gerade die Flughäfen bestreikt, also wäre es von dem Schurkenstaat aus auch nicht gegangen. Also wann, wenn nicht jetzt? Wir buchten unseren sowieso gebuchten Flug nach Douala um und verbrachten eine Nacht in der deutschen Seemannsmission.
Am nächsten Morgen flogen wir in die völlig entgegengesetzte Richtung nach Lomé, Togo. Sinnvoll war die Flugroute nicht, aber trotzdem schön. Denn erstens sahen wir den immer in Wolken verhangenen Mount Cameroon von oben, wie er aus der dicken Wolkendecke hinausschaute und zweitens war es schön, die in den letzten Monaten gefahrene Strecke von oben nochmal zu sehen und über die Erlebnisse „dort unten“ nachzudenken. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir seit Weihnachten in Abomey (Benin) keine echten Highlights mehr hatten, sondern die Reise eher „Kilometerfressen“ glich. Sicher, wir haben hier und da „nette“ Dinge erlebt und gesehen, aber emotional „abgeholt“ hat uns seit der Zeremonie im Königspalast von Abomey nichts mehr wirklich. Kano vielleicht, aber das war’s auch. Wir waren sowas von „bereit für’s Paradies“.
Von Lomé aus ging es alles wieder rückwärts, an Douala vorbei, über Äquatorialguinea drüber und zum Zwischenstopp nach Libreville. Ohne Aussteigen, nur deswegen hatten wir diese absurde Flugverbindung gebucht. Außer 13 Taiwanesen und einem englischsprachigen Ehepaar stiegen alle aus der Boeing 737 aus, die dann zügig nach São Tomé abhob. Schon die Einreise nach São Tomé & Principe war herrlich entspannt wie seit Island kein anderes neues Land mehr: kein Ausfüllen von Anträgen, keine Botschaftsbesuche, kein Papierkrieg, kein Interview, keine horrenden Kosten, keine Fingerabdrücke, keine Fotos, keine online-Anträge. Einfach nur ein Stempel in den Pass, gültig für 14 Tage São Tomé und Principe. Vor dem winzigen Flughafen wartete schon unser Taxifahrer, der uns in die Stadt brachte. Die Straße vom Flughafen war schmal, aber asphaltiert und führte entlang eines kleinen, palmenbestandenen Strandes. Ein hübsches Willkommen! Der Taxifahrer arrangierte dann auch noch Bargeldwechsel zu einem guten Kurs und lieferte uns dann in der Unterkunft ab.
Es gab zwar kein Leitungswasser, dafür aber eine nette Gastgeberin, die uns in ihrem zum Gästehaus umfunktionierten Elternhaus begrüßte. Unser erstes Essen war in der Eckkneipe in der Nähe, in der gerade laut Fußball gezeigt wurde, vor der laut Motorräder knatterten, später Musik dröhnte und die Gäste laut feierten. So klingt Afrika! In Äquatorialguinea gab es diese Lautkulisse nicht, was zwar angenehm war, aber es nun wieder um uns zu haben, war dann doch ein „willkommen zurück in Afrika“ Gefühl. Die Musik war auch kein „Festland-Geplärre“ der seit drei Jahren ewig gleichen „afrikanischen Dingeldang-Songs“ auf Französisch, sondern Zouk mit portugiesischen Texten. Zouk kommt aus Brasilien und wird auch in unserem geliebten Guinea-Bissau und meiner ehemaligen zweiten Heimat Kapverden gespielt. Und: es gab weder Huhn noch Reis, sondern Fisch vom Grill mit Bananen. Die ersten Stunden in São Tomé und Principe waren schonmal sehr vielversprechend.
Zum Frühstück fanden wir eine Bäckerei, die leckere Toast mit Salzbutter, Käse oder Schinken, frischen Saft und herrlichen Galao (portugiesischer Milchkaffee) zum Frühstück bot. Wie in Bissau genossen wir portugiesischen Kaffee zum Frühstück – eine Seltenheit in Afrika, etwas anderes als Nescafé serviert zu bekommen. Wir besorgten uns Simkarten, holten bei der Bank mit Western Union Geld ab, weil wir keinen Geldautomaten gefunden hatten, der ausländische Karten akzeptiert und schlenderten durch die Hauptstadt.
Schöne, portugiesische Kolonialarchitektur mit Charakter. Erinnert sehr an die Kapverden (auch sprachlich), wirkt ein wenig an wie Bissau und fühlt sich nach Zuhause an. Wir beide mögen Guinea-Bissau und die verschlafene Hauptstadt Bissau sehr und meine zweite Heimat waren sieben Jahre lang die Kapverden, auf denen ich gearbeitet habe. Bis heute mein Traumjob. Wir schlenderten entspannt durch die Straßen und wurden nirgends „Brancos“ gerufen, keiner bettelte oder laberte uns an – außer einem Geldwechsler, der seine Dienste anbot, aber nicht nachhakte, nachdem wir abgewunken hatten.
Die Kirchen innen wie außen „typisch Portugal“, die Stimmung eine liebenswerte Mischung aus Afrika, Karibik, Portugal und Nostalgie: bröckelnde Kolonialarchitektur neben wunderschön restaurierten portugiesischen Gebäuden, sorgfältig bepflanzte Grünflächen mit Parkbänken neben Schlaglöchern voll Matsch und Wasser vom heftigen Regen des Vortages. Das alles etwas verschlafen und „leve-leve“: São Tomé schlich sich mit jedem Schritt durch die Stadt mehr in unsere Herzen. Am Ende des Tages war unsere „liebste Hauptstädte Afrikas“ Hitliste durcheinandergewirbelt. Bissau hatte eine Position zugunsten São Tomé verloren. Unsere liebsten Hauptstädte Afrikas? Bei Bissau, Malabo und São Tomé sind wir uns einig, Jan hat Lomé sehr gemocht, für mich ist Praia ganz weit oben, da war Jan aber noch nicht. Ja, wir waren auch schon in großen Hauptstädten (bei weit über 20 Ländern Afrikas bleibt das nicht aus), aber wir mögen es lieber nett, klein und portugiesisch oder spanisch.
Der Tag stand bei uns ganz unter dem Motto „Schokolade“. Im Nachhinein etwas zu viel des Guten, aber wir haben intuitiv die richtige Reihenfolge gewählt. Die „beste Schokolade der Welt“ kommt nämlich aus São Tomé. Wer so ein bisschen „Foodie“ ist wie wir, hat das schonmal gehört oder gelesen. Aber stimmt das auch oder ist das nur Marketing? An der Uferstraße reihen sich die Manufakturen der zwei höchstprämierten Schokoladenspezialisten aneinander: Diogo Vaz und Claudio Corallo. Wir hatten bei Claudio Corallo nachmittags eine Verkostung gebucht und kehrten bei Diogo Vaz vorher zum Schlemmen ein.
Im Schokoladenladen vor der „Schaufenster-Manufaktur“ im Garten des Gebäudes kann man nicht nur Schokolade kosten, sondern auch hausgemachte Schokoladenspezialitäten bestellen. Wir entschieden uns für ein Schoko-Erdnuss-Mousse, zwei Brownies und eine heiße Schokolade. Die Mousse war mir persönlich zu süß, die Brownies lecker und die heiße Schokolade herrlich. Schön weich und kräftig zugleich, aber auch für mich zu zuckrig. Der Verkäufer erklärte einiges über die Schokolade und die Auswahl war paradiesisch. Regale voll Schokoladentafeln mit verschiedenen Zutaten und Geschmacksrichtungen. Leider war unser Versuch, zwei Tafeln Schokolade als Mitbringsel-Geschenk von Bata nach Douala zu transportieren (Flugzeit 35 Minuten) schon daran gescheitert, dass kein Flughafen klimatisiert war. Deswegen konnten wir nichts kaufen: in der Hitze hier ist schon der Weg zur Unterkunft problematisch!
Wir liefen zu Claudio Corallo hinüber, wo schon eine dreiköpfige Familie aus Bayern auf die Verkostung wartete. Wir hatten nicht erwartet, vom Meister persönlich empfangen zu werden und es war ein absoluter Glücksgriff. Seit mittlerweile 50 Jahren in Zentralafrika mit Kaffee und Kakao hauptberuflich zugange, lebt Claudio Corallo die Passion für höchstqualitative Produkte in São Tomé voll aus. Obwohl er seit Jahren Interessierte zu Verkostungen empfängt, war seine Begeisterung für Kakao auch in den 1,5 Stunden mit uns zu spüren. Er brachte uns bei, wie man eine Kakaobohne optimal vorbereitet, ließ uns immer wieder kosten und wir erlebten Unglaubliches in unseren Mündern. Ich liebe grundsätzlich schwarze Schokolade und kann mit Milchschokolade wenig anfangen. Bevor ich Lindt Schokolade esse, verschenke ich sie lieber. Ich mag das Herbe, aber weder zuckersüß noch bitter. Und genau das ist das, was eine optimal verarbeitete Kakaobohne ausmacht. Der Satz, der bei uns besonders „hängen geblieben“ ist war „Eine bittere Schokolade mit Zucker ist immer noch eine bittere Schokolade, nur süßer.“ Ist die Kakaobohne optimal verarbeitet, schmeckt selbst eine Schokolade aus 100% Kakao süß, aber kein bisschen bitter. Um das zu erreichen, werden bei Claudio Corallo die Kakaobohnen sorgsam fermentiert und per Hand von Schale und Wurzel befreit. Damit enthält die Bohne dann keinerlei Bitterstoffe mehr und kann zu unglaublich feiner Schokolade verarbeitet werden.
Nach Verkostung mit umfangreicher Wissensvermittlung können wir nun aus vollster Überzeugung sagen: ja, die beste Schokolade der Welt kommt tatsächlich aus São Tomé & Principe. Nicht, dass das Fachjuroren auch schon immer wieder festgestellt hätten – aber das am eigenen Gaumen zu erleben war gigantisch. Leider auch eine Art „lebensverändernde Erfahrung“, denn seitdem wir wissen, dass auch 100% Schokolade süß schmeckt, wenn man die Bohnen richtig fermentiert und vorbereitet und dass handelsübliche Schokolade einfach nur die Bitterkeit unsorgfältiger Prozesse mit Zucker oder Milch versucht, zu übertünchen, können wir wahrscheinlich keine andere Schokolade mehr richtig genießen. Das bei Claudio Corallo erworbene Wissen und die Geschmackserlebnisse waren eine völlig unerwartete Erkenntnis. Stellt Euch vor, Ihr habt rund 50 Jahre lang Schokolade gegessen, von der Ihr dachtet, sie sei lecker und dann kommt sowas an die Geschmackspapillen! Wir können nun nie mehr andere Schokolade essen…
Weil wir an dem Tag so viel Schokolade gegessen hatten, wie mir für eine Woche gereicht hätte, verzichteten wir aufs Abendessen. Am nächsten Morgen ging’s früh los, denn wir flogen nach Principe: die Insel, die 260km entfernt von Bata, Äquatorialguinea, liegt und wohin wir wollten, als wir in Bata entschieden, unsere Planung umzuwerfen und ins Paradies zu reisen. Und da sind wir nun und genießen es sehr. Doch davon nächstes Mal!
Warum wir „reif für die Insel“ waren, zeigt Euch das aktuelle Video von meinem Motorschaden an der Honda CRF300L:
Euch gefällt unser Blog? Schön! Dann unterstützt uns und sagt Danke! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:
- Abonniert unseren YouTube channel: unser YouTube Kanal
- Kauft über unseren Amazon Affiliate Link ein: Amazon.de
- Bucht Reisen und Unterkünfte über unser Booking Affiliate: Booking.com
- Lest oder verschenkt unser EISREISE Buch (und hinterlasst eine Bewertung): unser EISREISE Buch
- Designt über diesen Link T-Shirts und mehr für Euch oder als Geschenk: https://travelove.myspreadshop.de/
- Oder zückt Euer eigenes Portemonnaie und ladet uns virtuell zum Kafee ein. Paypal Spende: https://www.paypal.me/travelove4u
- Möchtest Du uns regelmäßig auf ein Käffchen einladen, schau mal hier: Steady
- Überweisung: Jan-Hendrik Neumann, IBAN: LT81 3500 0100 1111 0216 BIC: EVIULT2VXXX (Bank: Paysera LT, UAB)
- Wir gehen mit der Zeit und akzeptieren auch Bitcoins. 🙂 Unser Wallet: 3PVxaabSZGwfWwzFykxLJqTwV7rYrpqjK8
Als Dankeschön für die Spende gibt’s ein Foto von uns mit Deinem Namen und dem “Investitionsgut”. Du findest Dich dann in dieser Galerie wieder.
Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken.