Ein riesiger Vorteil davon, mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs zu sein ist, dass man in Regionen fahren kann, die man mit dem ÖPNV oder klassischen Reisegruppen nie erreichen würde! So wie der äußerste Westen Tibets, durch den wir die vergangenen 5 Tage gekurvt sind.

Schon morgens um 9 erfuhren wir: unser von der Agentur übersandte Reiseprogramm hat nichts mit dem zu tun, was unser Zwangsguide Phuphu in den Händen hielt. Und am Abend wussten wir: auch sein Programm hatte nichts mit der Realität zu tun. Die ersten 280km fuhren wir noch auf einer Autobahn, dann hätten wir laut unserem Programm ankommen sollen. Doch Phuphu erklärte, das für uns gebuchte Guesthouse sei weitere 300km durch die Taklamakan Wüste entfernt. Okay…

Die erste Wüste für Kittymobil! Nicht der Erg Chebbi oder Ksar Guilane, Kittymobil fängt gleich mit der Taklamakan an. 😊 Doch dort hin mussten wir erst einmal kommen, denn wir wurden von einem der vielen Checkpoints aufgehalten. Checkpoints an sich sind nicht schlimm: man hält an der Schranke, der Guide zeigt Permts, Päse und Kennzeichen, bekommt einen Stempel – oder auch nicht – und die Schranke öffnet sich wieder. Nicht so in dieser Kleinstadt.

Wir wissen nicht so genau, wer dafür verantwortlich war, dass wir über 2 Stunden in einer Kleinstadt von Polizeistation zu Polizeistation geschickt wurden, zwischendrin in einer künstlichen Burganlage landeten – nur um am Ende wieder an der ersten Polizeistation heraus zu kommen, die von all dem Hickhack wegen Schichtwechsel nichts wusste und uns passieren ließ. Mittlerweile sind wir ziemlich überzeugt: unser Guide Phuphu hatte da nicht gerade die hellsten Momente seines Lebens…

Als wir abends um 8 endlich in dem Ort ankamen, in dem wir laut Phuphus Unterlagen übernachten sollten, stellte sich heraus: da dieser Ort die Grenze zu Tibet darstellt, dürfen dort seit Neuestem keine Ausländer mehr übernachten! Jan und ich hatten das schon befürchtet, da wir das am Vorabend von der Motorrad-Reisegruppe aus Deutschland erfahren hatten, aber ändern konnten wir daran nichts. Wir mussten weiter.

Die Straße wurde schmaler, verlor ihre Asphaltdecke – und es wurde dunkel. Beste Voraussetzungen also, um über den ersten knapp 5000m hohen Pass zu fahren! Wir fahren ja nicht im Dunkeln. Nie. Aber wir reisen ja jetzt mit Kittymobil – und Kittymobil kann auch das. Nachmittags die erste Wüste durchfahren und im Dunkeln dann zum ersten Mal an die 5000 Höhenmeter fahren. Ohne Zusatzscheinwerfer und ohne Allrad. Aber weil Kittymobil alles kann, erreichten wir den Ort problemlos und fielen nach einem sehr langen Fahrtag nach 14 Stunden hinterm Steuer in unser eigenes Bett, geparkt zwischen LKW, Bagger und Baustelle auf „nur“ 3800m. Phuphu fand ein Bett in einer Truckerunterkunft. Gegessen hatten wir seit dem Frühstück: nichts.

Das Frühstück am Truckstop bestand aus einer kleinen Portion Instantnudeln, serviert im Plastikbecher von einem sich im Suff zerstrittenen Ehepaar in einer extrem dreckigen Bude. Wir fuhren los und weil das geplante Programm nun so oder so hinfällig war, beschlossen wir mit Phuphu, nicht wie ursprünglich geplant in 125km wieder zu übernachten, sondern einfach einen Tag zu überspringen und rund 300km zu fahren. Die Landschaft war sofort nach dem Aufwachen spektakulär: um uns herum schneebedeckte Berge, strahlend blauer Himmel und weiße Wattewolken!

Unsere Begeisterung vom Vorabend, mit Kittymobil über knapp 5000m gerollt zu sein, legte sich schnell, denn wir erreichten über wesentlich höhere Pässe eine Hochebene, die zwischen 5100 und 5300m hoch war. Wir dachten ja, das Everst Basecamp sei mit 5200m ein buchstäblicher Höhepunkt der Reise, aber nun wissen wir: lächerlich! Auch unsere Sorge, Kittymobil könnte die Höhe nicht mögen, war völlig unbegründet. Kittymobil schnurrt die Berge hoch, als wären wir an der Nordsee. Um uns herum karamellfarbene Wildesel, filigrane Hirsche und lauter kleine Hamster, die über die Ebenen flitzten.

Nach einem sehr spaßigen Schotterpass mit engen, sandigen Kehren, durch die Kittymobil im Drift flitzte (da lacht das Herz!), erreichten wir einen weiteren von vielen Checkpoints, an dem Phuphu einen Zettel bekam. Auf unsere Frage, was das für ein Zettel sei, sagte er, den müssten wir am nächsten Checkpoint abgeben, mehr nicht. Dort stellte sich dann heraus: auf dem Zettel stand, dass wir für die Strecke zwischen zwei Checkpoints mindestens 30 Minuten brauchen müssen. Und wir waren angeblich in 20 Minuten her geflitzt. Kittymobil kann zwar viel, aber Raketenantrieb hat der VW Bus nicht – wir waren nämlich zwischendrin noch in 2 Läden Getränke kaufen. Phuphu hatte weder den Zettel gelesen, noch die Zeit darauf kontrolliert. Ich war ziemlich sauer auf ihn – und die Polizei mit uns „Rasern“. Es war nicht das erste Mal, dass er an Checkpoints und in seinem Job Fehler gemacht hatte.

Aber die Landschaft bügelte alle Nerven wieder glatt. Auch 14km übelste Piste im Staub schneckiger LKW und diverse weitere Checkpoints ließen unsere Laune nicht weiter sinken. 125km vor dem anvisierten Tagesziel, Jan fuhr gerade auf einem welligen Stück Asphalt bergab, verlor Kittymobil plötzlich Antrieb und wir rollten aus. Für uns war klar: ein Problem mit der Antriebswelle! Die hatten wir zwar vor rund 30.000 rechts und 15.000km links tauschen lassen, aber etwas anderes kam nicht in Frage. Wir mussten nur zur nächsten Werkstatt und zur Not die Welle schweißen lassen. An sich gar kein Problem. Das Problem war Phuphu.

Der verlor komplett die Nerven und erklärte, für Diesel gäbe es keine Ersatzteile. Er hörte nicht zu, als wir erklärten, dass es 1. Kein Problem mit dem Diesel sei und wir 2. Kein Ersatzteil bräuchten und 3. Polizei und diverse Taxiflotten Volkswagen fahren und so ziemlich jeder 3. Privatwagen auch ein VW ist. Wir wären so gerne allein gewesen. Ich hätte mich an die Straße gestellt, hätte ein Zugfahrzeug angehalten und uns bis zur nächsten Werkstatt schleppen lassen. Doch nicht mit Phuphu.

Der hielt zunächst ein Militärfahrzeug an. Die Soldaten darin waren natürlich alle absolute Experten und Phuphu sorgte dafür, dass sie sich um das „Diesel Problem“ kümmerten. Ich wurde echt schlecht gelaunt und nahm ihn zur Seite mit der Bitte, mir endlich zuzuhören: kein Diesel Problem, keine Ersatzteile, keine „Experten“! Ab da war ich Luft.

Phuphu behauptete auch, in Tibet gäbe es keine Abschleppwagen und rief bei der Polizei an. Die sollten ein „Auto“ schicken, um uns abzuschleppen. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass ein VW Bus kein Kleinwagen ist und dass das „Auto“, das uns zieht, daher etwas kräftiger sein müsse. Er hörte nicht zu (ich war ja Luft), plärrte wild herum – und es erschien eine Truppe Polizisten mit einem mickrigen China-Pickup.

Der Pickup schaffte es, uns ins 25km entfernte nächste Dorf zu ziehen, hatte an Anstiegen ordentlich zu kämpfen und die netten Polizisten sahen schnell ein: Kittymobil ist zu schwer für ihr Chinafahrzeug. Es war mittlerweile dunkel und wir entschieden, im Dorf auf 5200m zu übernachten und am Morgen mit dem von der Polizei genannten Abschleppdienst (gibt es natürlich…) zur Werkstatt in die nächste Stadt zu fahren. Ich gab nochmal zu bedenken, dass Kittymobil kein Kleinwagen sei und ob der Abschlepper auch Sitzplätze für uns alle hätte, aber ich war ja Luft. Es tauchten wieder „Experten“ auf, die das „Diesel Problem“ lösen wollten. Ich schloss mich in Kittymobils Fahrerkabine ein und sah dem Irrsinn vor der Frontscheibe zu.

Die Polizei hatte Sorge um uns, weil es nicht gesund für Ausländer ist, auf 5200m zu schlafen. Die Jungs waren wirklich sehr nett und wir tranken in einer Truckerbude noch Buttertee zusammen, bevor wir uns im eigenen Bett einrollten. Gegessen hatten wir außer den paar Instantnudeln kurz nach Sonnenuntergang den zweiten Tag auch nichts. Der Wind heulte wild um unser gelbes Haus auf Rädern und ich verbrachte eine wunderschöne Nacht auf 5200m unter dem allerschönsten Sternenhimmel seit Langem. Jan nicht.

Ihm bekam die Höhe nicht. Als ich aufwachte, konnte ich mich nicht satt sehen an den schneebedeckten Gipfeln ringsum, doch Jan ging zur Dorflatrine und erbrach sich. Was tut man da? Abstieg! Phuphu hatte am Abend gesagt, der nächste Ort liege auf 3800m, da wäre Jan sicher besser aufgehoben als auf 5200m. Doch Phuphu erschien erstmal 45min zu spät zum Frühstück, reagierte auf den Vorschlag, Jan mit einem der Trucker zur nächsten, tieferliegenden Polizeistation zu schicken mit Aggression und behauptete, der Abschlepper sei sowieso gleich da. Als ich meinte, ich sei mir sicher, dass er nicht „zwischen 9 und 10“ da sei, wurde unser Zwangsbegleiter noch böser auf mich. Er sei schließlich Tibeter und ich Ausländer und ich hätte keine Ahnung! Der Abschlepper kam um 12:15…

Bis er kam, hatten wir keine gute Zeit. Die liebe Tibeterin vom Truckstop versorgte uns mit Buttertee und Gerstenbrei „Tsampa“, Phuphu schrie uns an. Angeblich sei es verboten, im Auto zu übernachten (am Abend zuvor war das aber noch o.k. und die Polizei hatte dem auch zugestimmt) und wir würden nun von der chinesischen Polizei befragt werden und könnten sogar damit rechnen, des Landes verwiesen zu werden. Die Polizei sei nämlich ganz ganz böse und man muss Angst vor ihr haben! Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weglaufen sollte. Sprach er von den jungen Männern, mit denen wir ein paar Stunden zuvor Buttertee geschlürft hatten? Die uns mit dem mickrigen Chinapickup abgeschleppt hatten? Was hatte der Kerl geträumt? Er brüllte herum, hörte nicht zu, war völlig von Sinnen. Und ich auch fast, als der Abschlepper eintraf, ungläubig auf Kittymobil schaute und frage „WIE schwer ist der?“. Aber ich bin ja Luft…

Weil (natürlich!) in der Fahrerkabine vom Abschlepper kein Platz für vier Passagiere war, mussten wir in der Fahrerkabine von Kittymobil sitzen. Das war erstens ziemlich wackelig und zweitens war Jan mittlerweile über 24 Stunden auf über 5200m und erbrach sich nach wenigen Kilometern noch einmal. Er tat mir so leid! An der nächsten Polizeikontrolle mussten wir natürlich aussteigen, denn auch in China dürfen keine Passagiere auf der Ladefläche eines Abschleppers reisen. Aber ich hatte ja nicht danach gefragt, ich war ja Luft… Phuphu hatte sich in ein Problem manövriert.

Aber die böse, böse Polizei, vor der man so viel Angst haben muss (und die uns natürlich nie zu irgendwas befragt hat), war so nett, uns mit dem Privat-PKW eines der Polizisten zum nächsten Dorf zu fahren, wo uns ein weiterer Polizist in seinem Privatwagen gegen Spritgeld in die 125km entfernte Stadt brachte. So böse ist die Polizei nämlich! Weitere Anekdoten zu Phuphus Verhalten im Laufe des Tages erspare ich Euch. Wir hatten die größte Hohlbirne des Landes erwischt und im eigenen Auto sitzen.

Wie findet man in einer fremden Stadt (übrigens auf 4200m und nicht auf 3800m, wie von Phuphu wegen Jans Höhenproblemen angekündigt) eine vertrauenswürdige Werkstatt? Jan und ich würden jemanden fragen, der sich auskennt. Die Polizei zum Beispiel, die VW fährt. Oder den Taxifahrer in dessen VW wir gerade saßen (und in dem uns Phuphu „vergaß“ und sitzen ließ). Oder die VW Hotline anrufen, deren Nummer wir hatten. Nein, Phuphu konnte all diese Dinge nicht tun, wir fuhren zu einer Werkstatt, die in einer chinesischen Suchmaschine gut bewertet war. Nun gut! Kittymobil stand in der Halle, wir starben mittlerweile den dritten Tag den Hungertod und fragten Phuphu, ob er wisse, wo ein Restaurant sei. Diese Frage brachte ihn völlig aus der Fassung, er schaffte es aber nach 3 Anläufen uns in eine Nudelküche zu setzen und zu verschwinden. Wir schlürften Nudeln und beschlossen: wir tauschen den Guide!

Am nächsten Morgen musste Phuphu Gott sei Dank ein Permit organisieren, sodass wir allein in der Werkstatt waren und ohne Phuphu „Filter-Übersetzung“ mit den Mechanikern kommunizieren konnten. Es stellte sich schnell heraus: die Antriebswelle war nicht defekt, die war nur aus der Verzahnung gesprungen und musste ganz einfach wieder eingehängt werden. Warum, weiß kein Mensch. Bis Phuphu kam, hatten wir auch noch die Luftfilter ausgebaut und ausblasen lassen und den Mechaniker gebeten, noch schnell den Dieselfilter zu wechseln. Wenn wir schonmal da waren…

Leider vergaß der nette Mechaniker dann, den Filter vor dem Einbau mit Diesel zu füllen, sodass gute 500ccm Luft ins Kraftstoffsystem gelangten. Das dauerte eine Zeit, bis das wieder draußen war! Aber auch das war irgendwann erledigt und wir wurden von der gesamten Werkstatt-Crew zum Mittagessen eingeladen. Das und der Milchtee in der 5200m hohen Truckerbude mit den Polizisten waren unsere schönsten Erlebnisse bisher!

Den Rest des Tages verbrachten wir in unserem luxuriösen Hotelzimmer (man beachte das Sauerstoffgerät zwischen den Betten), baten die Agentur um Austausch des Guides und wussten nicht so viel mit dem Luxus anzufangen, der uns staatlich verordnet wurde. In China dürfen nicht alle Unterkünfte Ausländer beherbergen und weil wir uns in einer Region befanden, die touristisch so gar nicht erschlossen war, gab es nur den Sternebunker für uns in Shiquane. Wir waren genau 18 Monate „ohne festen Wohnsitz“ und verbrachten passenderweise einen wunderschönen und lustigen Abend zu zweit in einem Hot Pot Restaurant.

Unsere nächste Tagesetappe war kurz und nass und eigentlich wollten wir noch nachmittags die Anlage des Guge Königreichs besichtigen, aber wir verbrachten einige Stunden mit großen Diskussionen mit Phuphu, der nicht einsehen wollte, warum wir um einen neuen Guide gebeten hatten. Wie es nun weiter geht, wissen wir nicht. Gebucht hatten wir, dass der Guide im Auto der deutschen Reiseleitung sitzt. Nun sitzt eine Hohlbirne bei uns im Auto und wir müssen uns nicht nur kümmern, sondern auch anbrüllen lassen. Wir kommen in China besser klar, wenn kein Phuphu mit seinen zu wenigen grauen Hirnzellen dazwischenfunkt, brauchen aber von Gesetz her einen Guide, der auch wirklich wertvoll sein kann, wenn er was auf dem Kasten hat. Ich habe selbst einige Jahre als Reiseleiter gearbeitet und erwarte nicht viel, nur Ehrlichkeit – und dass ich nicht angebrüllt werde. Ob wir wohl einen neuen Guide bekommen und er mehr von seinem Job versteht?

 

 

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