Wir hatten weiße Weihnachten. Logisch, denkt Ihr? Dachten wir auch, als wir vor 5 Jahren schonmal zu Weihnachten in Finnland waren und im tristen grauen Regenwetter hockten. Jetzt war es anders! Wir fanden einen schönen Stellplatz an einem See in der Nähe von Jyväskylä und machten es uns gemütlich. Wir waren an dem Tag gerade mal 30km gefahren, um viel Zeit für uns zu haben, nachmittags in unserem VW Bus Kittymobil selbstgebackenen Stollen zu essen, Lebkuchen Latte dazu zu trinken und in aller Ruhe bei Aussicht in den traumhaften Winter mit unseren Lieben zu telefonieren.

Später haben wir lecker gekocht und uns auf dem Sofa vor unserem Weihnachtsbaum zusammengekuschelt. Unser zweites Weihnachten in Kittymobil und das bei exakt gleichen Temperaturen: -23°C waren es diesmal in Finnland, -25°C waren es vor zwei Jahren an Heiligabend in der Mongolei. Unseren Weihnachtsbaum, das Kerzengesteck und die Weihnachtsdeko in der Fahrerkabine ist immer noch die aus Irkutsk, denn schließlich hat auch Kittymobil einen „Keller“, in dem wir solche Dinge aufbewahren (und über mehrere Kontinente kutschieren). Der einzige Unterschied zu Weihnachten in der Mongolei: der finnische Schnee ist schnöder, europäischer, nasser Schnee. Auch bei -23°C. In Sibirien wird mit dem Laubbläser der staubtrockene Schnee von den Gehwegen gepustet, hier kratzt man wie in Deutschland mit Schneeschiebern das schwere Zeug herum. Und genau das wurde in der Heiligen Nacht zu unserem Problem.

Wir haben an unserem Ausbau nichts verändert. Gar nichts. Insbesondere nicht die Heizung die uns noch im September von einem offiziellen Autotherm Einbaupartner wieder fachgerecht eingebaut wurde. Genauso, wie wir sie auch nach dem Kauf von einem offiziellen Autotherm Einbaupartner mit Garantie hatten einbauen lassen und nie Probleme mit Schnee hatten. Deswegen kamen wir auch nicht auf die triviale Lösung des Problems, welches uns nach Mitternacht aus dem Schlaf riss: unser Gasalarm ging los, weil die Diesel-Standheizung weiß qualmte. Wir schlafen immer, auch bei -23°C, mit leicht geöffneter Tür, sodass die „falschen“ Abgase unseren Gasalarm buchstäblich alarmierte und uns aus dem Bett warf. Gerade rechtzeitig, um noch weiße Abgase sehen zu können, bevor die Heizung ausging und den Fehlercode „13“ anzeigte. Das bedeutete für uns in der Vergangenheit „verrußte Brennkammer“ (durch mongolische Winteradditive) und war nicht so schnell zu lösen, wie man handeln muss, wenn Temperaturen unter -20°C herrschen, denn sobald die Temperaturen unter -20°C fallen, hat das weitreichende Folgen:

Der Ladebooster, der dafür sorgt, dass der Strom, den die Lichtmaschine während der Fahrt generiert, die Batterien richtig und schnell lädt, arbeitet nur bis -20°C. Laut Bedienungsanleitung. Unserer Erfahrung nach spinnt er schon kurz vor -20°C. Und ohne Strom keine Heizung. Solar kann man im Winter in diesen Breitenkreisen vergessen. Da wir nie auf Campingplätzen stehen, stand uns natürlich auch nicht 220V zur Verfügung.

Auch sogenanntes „Wintergas“ (Propan) bleibt nur bis -20°C brennfähig. Ohne Gas können wir auch nicht unseren Schamottestein erhitzen, mit dem man notfalls dem Ladebooster höhere Temperaturen vorgaukeln könnte. Und ohne Gas kein Kochen, kein Heißwasser, kein Essen. Bei Temperaturen unter -20°C friert auch alles extrem schnell ein: Trinkwasser, Lebensmittel, Kosmetika, … Schonmal Zahnpasta oder Haarspülung nach dem Gefrieren benutzt? Funktioniert nicht mehr. Und ein durch Eis geplatztes Glas Tomatensauce möchte wohl niemand im Küchenschrank haben! Da wir die Schiebetür öffnen müssen, um auszusteigen, fällt die kalte Luft wie ein Raubtier in den Wohnraum und sorgt für eine ziemlich schnelle Schockfrostung, bei der man sehen kann, wie sich der Eiszapfen aus dem Wasserhahn schiebt, wenn man nicht rechtzeitig die Leitung und Pumpe trockenlegt.

Wir mussten also sehr schnell dafür sorgen, dass wir den Innenraum weiter beheizen! Schwierig, nachts am einsamen See! 70 lange Kilometer weiter fanden wir einen Truckstop, an dem wir für 10€ die Nacht parken und für 5€ für 24 Stunden 220V beziehen konnten. Es war nachts um drei, als wir, inmitten von LKW, beim Pusten unseres russischen 1,8Kw Heizlüfters wieder einschliefen. Fröhliche Weihnachten!

Am nächsten Morgen waren wir ausgeruht und entspannt, um klar denken zu können: wir hatten extra synthetischen Diesel getankt. Erstens, um sauberer zu verbrennen und mit der Standheizung auf Nummer sicher zu gehen und zweitens, um Kittymobil ein Weihnachtsgeschenk zu machen. Wir waren aber so durch den andersartigen Diesel der Mongolei auf „Verrußung“ konditioniert, dass wir in der Hektik der Nacht nicht darauf kamen, dass der Fehlercode 13 ja auch „fehlende Luftzufuhr“ bedeuten konnte. Und genau das war der Fall: der europäische, nasse, klebrige Schnee, der so wunderschön über die Weihnachtsfeiertage um uns herum leise rieselte, hatte den gesamten Schalldämpfer der Ansaugung der Verbrennungsluft innen ausgekleidet und verklebt. Die Heizung ist uns schlichtweg erstickt. Die Lösung war einfach: kräftig gegen die Luftansaugung treten, mit dem Finger den Pappschnee herauspulen und die Heizung wieder anschalten. Problem gelöst, wir konnten weiter Weihnachten feiern.

Das Problem des nassen, europäischen Schnees in der Luftansaugung begleitete uns ab da ständig. Nicht während der Fahrt, denn da wirbelt der Fahrtwind die bösen Schneeflocken unter dem Auto durch, aber im Stand, wenn die Heizung die Schneeflocken unter das Auto heransaugt. Aber nun wissen wir ja: regelmäßig Schnee abschütteln oder herauspulen hilft! Eigentlich wollten wir, nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt, eine 7km lange Eisstraße über einen See fahren. Für Euch klingen die Temperaturen hier ziemlich kalt, für uns, die Finnen, Russen und Zentralasiaten sind sie jedoch ziemlich warm. Dementsprechend war die Eisstraße nicht geöffnet, der See noch nicht einmal komplett zugefroren, was sich durch ganz Finnland, auch jenseits des Polarkreises, so weiter zieht. Es ist einfach zu warm. Mit den Motorrädern hatten wir hier bis zu -37°C, da sind die jetzigen Temperaturen, obwohl zweistellig im negativen Bereich, noch sehr weit von entfernt.

Wir fuhren entlang der russischen Grenze gen Norden. Wie gerne wären wir jetzt in Russland, in der Kälte Sibiriens mit trockenem Schnee und knackigen Temperaturen! Aber Deutsche haben pandemiebedingt schlechte Karten für die Überland-Einreise nach Russland. Wir müssen weiter in Finnland bleiben. Viele von Euch kennen die Region ähnlich gut wie wir, weswegen wir nur das anfahren, was wir noch nicht kennen und was im Winter geöffnet und darüber hinaus faire Preise hat.

So wie das „stille Volk“, the silent people. Eine Installation des finnischen Künstlers Reijo Kela, der hunderte Figuren aus Holz mit Strohkopf wie eine Armee in die Landschaft gestellt hat. Diese Figuren werden zweimal jährlich umgekleidet und so waren sie jetzt alle in Jacken und Mänteln der Jahreszeit angepasst gekleidet. Die Interpretation des Kunstwerks überlässt der Künstler den Betrachtern.

Unser Übernachtungsplatz in der Nähe war wie im Schloss der Eiskönigin: überall glitzerte und funkelte es auf den dick eingeschneiten Bäumen, als hätte jemand unzählige winzig kleine LED Lämpchen überall im Schnee verteilt. Es flimmerte und glimmerte, strahlte und blitzte überall. Wir lagen Arm in Arm gekuschelt bei offener Schiebetür im warmen Bett und waren mittendrin im Winterzauber. Da die Temperaturen mit rund -10°C so unglaublich mild sind, konnten wir das richtig lange genießen und glücklich den Winterzauber in uns aufsaugen. Deswegen waren wir hier, deswegen sind wir nicht den Lemmingen auf der Flucht in den Süden gefolgt. Das ist die Art Zauber, die alle verpassen, die den wahren Winterzauber nicht kennen (lernen wollen). Pure Glückseligkeit und Magie!

Auch am nächsten Morgen beobachteten wir wieder bei offener Schiebetür das Schauspiel der Natur. So muss der Weihnachtsbaum mit den vielen Lichtlein darauf erfunden worden sein: um sich den Zauber, den Glanz, die Magie ins eigene Heim zu holen! Zum Frühstück bei geschlossener Schiebetür ergänzten wir das Schauspiel vor dem Heckfenster durch den Weihnachtsbaum, bevor wir uns das „schweigende Volk“ anschauten. Wir konnten uns kaum trennen von dem Ort des Glitzerns, denn als die Sonne es ein kleines bisschen über den Horizont schaffte, wurde alles zusätzlich in goldenes Licht getaucht.

Der Tag, der so zauberhaft begonnen hatte, verwöhnte uns weiter. Kaum dass wir uns dann doch losgerissen hatten, tauchten Rentiere neben der Straße auf! Sie buddelten im Schnee nach Futter und wurden erst spät auf uns aufmerksam und verschwanden im Wald. Später sahen wir noch ein Rentier auf der Straße und lernten: hat ein Rentier im Winter kein Geweih, ist es ein Männchen, denn diese werfen ihr Geweih schon im Herbst ab. Im Sommer haben die Männchen ein Geweih, denn die Weibchen werfen ihres im Frühjahr ab. Da man als Otto Normalbürger mittlerer Breiten Rentiere nur im Sommer sieht, weiß man das nicht und auch Rudolph mit der roten Nase ist daher eine Rudolfine: sie trägt ihr Geweih im Winter!

Wir genossen es sehr, dank unserer russischen Snow Cross Spikereifen auch relativ gefahrlos (Tiere gibt’s ja überall…) auf kleinen Nebenstraßen unterwegs sein zu können. Auch die Hauptverkehrsachsen im Norden sind nur grob geräumt, bestehen aber aus festgefahrenem Schnee und „black ice“: sieht aus wie Asphalt, ist aber Eis. Ohne Spikes ist man dort ein großes Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer und sich selbst und verliert im Falle eines Unfalls u.U. die Haftung im doppelten Sinne: wegen der Witterung unangepasster Reifenwahl wird die Versicherung nicht zahlen… Die kleinen Nebenstraßen und Ortschaften sind komplett aus festgefahrenem Schnee und Kittymobil beißt sich mit den Reifen da durch wie wir es mit keinem mitteleuropäischen Reifen gewohnt sind. Kein Wunder, die sibirischen Reifen sind für genau solche Straßen bei -40°C konzipiert und haben mit dem Profil und der Gummimischung europäischer Winterreifen wenig zu tun. Die Reifen sind ja auch der Hauptgrund, warum wir hier sind: in Skandinavien sind sie legal, im Rest Europas nicht. Also möchten wir damit nochmal einen dritten Winter Spaß haben.

Während der Fahrt kam die Idee auf, doch einfach am Polarkreis zu übernachten. Google Maps Satellitenansicht zeigte einen etwas versteckten Parkplatz in Sichtweite. Perfekt, also weiter! Wir fuhren im Dunkeln und sahen das Denkmal am Polarkreis schon von Weitem strahlen: golden in der Nacht am Straßenrand! Nachts viel schöner als bei Tageslicht. Aber direkt am Polarkreis zu übernachten und auch noch an einem beruflichen Zoom Meeting teilzunehmen ist schon nicht alltäglich!

Am Morgen schnell noch ein paar Fotos des bei Tageslicht nüchtern wirkenden Denkmals, dann war Kittymobil endlich auch mal über den Polarkreis gefahren. Unser Kittymobil, das so anders ist als andere VW Busse. Der deutsche Durchschnittsbus fährt als Highlight seines Lebens über den Polarkreis und zum Nordkap und wenn er in die Wüste fährt, dann ist das in Marokko. Kittymobil fuhr erst über den Wendekreis des Krebses und dann über den Polarkreis und kennt als Wüste nur die Taklamakan in China und die Gobi in der Mongolei. Wir sind aber dabei, Kittymobil zu resozialisieren und fahren daher nicht nur über den Polarkreis, sondern auch ans Nordkap. Macht man doch so als VW Bus, oder?

Soweit zum etwas langfristigeren Plan. Vielleicht schaffen wir es ja, mit Kittymobil auch am exakt selben Datum am Nordkap zu sein wie vor fünf Jahren mit den Motorrädern. Mit dem Polarkreis hat es zumindest zufällig genau auf den Tag geklappt. Der kurzfristige Plan ist der, mit meiner Freundin und ehemaligen Reiseleiter-Kollegin Uljana in Inari Silvester zu feiern. Sie hat dort gerade eine Reisegruppe zu betreuen und wir haben uns ganze vier Jahre nicht gesehen. Für uns geht ein wirklich schönes Jahr zu Ende. Unser viertes Jahr in Freiheit und unterwegs, trotz Pandemie. Wir sind 2021 Hausbesitzer geworden, haben uns aber vom Haus nicht fesseln lassen und sind weiterhin Vollzeit unterwegs, haben mit unserem bald 31 Jahre alten Passat „Hans“ den Irak (Region Kurdistan Irak) erkundet, sind intensiv monatelang durch die Türkei, Georgien und Armenien gefahren, haben mit Kittymobil das gefühlt hundertste Mal Russland durchquert und sitzen nun inmitten wunderschöner finnischer Natur im Winterwunderland. Wir sind gesund und unsere Familien auch. Die Pandemie hat uns auch im zweiten Jahr nicht aufhalten können, die Welt zu unserem Zuhause zu machen. Und so wird es weiter gehen. Auch 2022 wird ein tolles Jahr für uns, so wie es 2021 auch war. Wir wünschen Euch, dass auch Ihr das kommende Jahr zu dem macht, was es für Euch persönlich toll macht. Lasst Euch nicht aufhalten, Eure Träume zu verwirklichen… Bleibt gesund und macht was draus!

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