Die Idee von Audrey, unserem Guide,  war, zu einem wirklich wunderschönen Wasserfall, den der Grenzfluss zwischen Vietnam und China bildet inmitten von subtropischem „Ur“wald zu fahren. Man kennt den Wasserfall von diesen kitschigen, sich bewegenden und blinkenden Wanddekorationen in Chinarestaurants. Diese Bilder, in denen das Wasser einen Wasserfall herunter zu fließen scheint. Ein Wasserfall, der zu schön aussieht, um wahr zu sein. Doch es gibt ihn und wir wollten hin.

Weil Audrey mittlerweile weiß, dass wir allergisch auf chinesische Abzockerpeise reagieren, hatte sie auch schon recherchiert: Eintritt für zwei etwa 25€. Für einen Wasserfall ganz schön happig, aber für China ein Schnäppchen. Also fuhren wir los. Wir folgten nicht den Straßenschildern, sondern fuhren auf einer verwunschen kleinen Straße die Karstberge hoch und wieder runter, um sie herum und mitten durch den Wald. Wunderschön subtropisch, grün und verwunschen! Das Dorf, in dem wir herauskamen, war genau das Dorf des Wasserfalls. Dort gab es auch einen großen Parkplatz mit typisch südostasiatischem Flair mit Garküchen und Lädchen und es hätte alles gut sein können.

Trumpchi… ein Fake – Trump? 🙂

Wenn wir nicht in China gewesen wären, sondern in Vietnam. Aber wir waren ja in China, also war nichts gut. Um die Eintrittskarten für den Wasserfall zu kaufen, mussten wir 8km weiter fahren und passierten dabei einige Schranken in der Gegenrichtung. 8km später erreichten wir einen Parkplatz und lernten: man darf nicht einfach die Tickets kaufen und mit dem eigenen Fahrzeug zurück zum Dorf fahren! Man muss das Auto kostenpflichtig parken, dann für viel Extrageld eine Busfahrkarte kaufen und mit dem Bus zu dem Parkplatz fahren, auf dem wir 8km zuvor schon standen. Deswegen auch die Schranken, um irrwitzige Individualtouristen mit ihren Privatfahrzeugen ohne Reisebus aufzuhalten. Insgesamt hätten wir dann 37€ für den Wasserfall gezahlt. Kurz gegoogelt: auf vietnamesischer Seite kostet der Eintritt umgerechnet 1,56€ pro Person zuzüglich Grenzpermit für 8€ für 10 Personen. Da fiel die Entscheidung sehr leicht: wir schauen uns das Ding von der anderen Seite an. Nicht jetzt, aber irgendwann ganz bestimmt!

Audrey war ziemlich perplex. Dass das auf der anderen Seite so viel billiger und einfacher sei und überhaupt andere Länder günstiger sind und weniger „Geldgewinnungsmechanismen“ einsetzen, konnte sie sich nur schwer vorstellen. Audrey ist zwar mittlerweile wirklich aufgetaut und tut ihren Job, aber irgendwer scheint ihr eine kräftige Gehirnwäsche verpasst zu haben. Mit unseren letzten Guides konnten wir immer herzhaft über die „Kopierwut“ der Chinesen lachen, aber Audrey ist überzeugt „we don’t copy cars!“ Nein, Range Rover hat sich den Evoque bei der chinesischen Qualitätsschmiede Landwind abgeschaut! War doch so, oder? Wenn Euch die Autos nichts sagen, schaut mal hier: Range Rover / “copycat” Landwind Das ist nur ein besonders gutes Beispiel, wir sehen täglich so viele schlechte Kopien mehr… Aber „we don’t copy cars!“ 😊 Schaut Euch das Video an und entscheidet selbst, ob Audrey sich auf dem internationalen Automarkt auskennt:

 

Der Wasserfall war nun also für ein anderes Land aufgeschoben, jetzt mussten noch 300km abgerissen werden. Natürlich Autobahn, sonst ist das nicht zu schaffen, denn obwohl wir durch wunderschöne Karstlandschaft fuhren, ist diese entlang der Landstraße eigentlich eine einzige Ortschaft mit immer wechselnden Namen und ziemlich zersiedelt. Aber wann immer wir die Chance hatten, von der Autobahn herunter zu fahren (zum Beispiel zum Wasserfall), schworen wir uns: wir kommen zurück nach China, aber mit mehr Zeit. Und dann lernen wir all die Orte, Dörfer und Menschen kennen, an denen wir nur vorbei rauschen. Wir fühlten uns wie Chinesen, die eine Europa-Rundreise in einer Woche schaffen. Deutschland = Heidelberg + Neuschwanstein, fertig!

Ziemlich geplättet und enttäuscht kamen wir abends im Dunkeln (ja, trotz Autobahn!) im Hotel an und aßen noch in der Garküche gegenüber lecker zu Abend. Wir fragen uns manchmal, warum manche Städte als Zwischenstopp geplant wurden und warum wir da 10km durch den Stadtverkehr zum Hotel müssen (und am nächsten Morgen wieder raus), statt am Stadtrand einfach ein Bett zu nehmen. Aber da wir vom deutschen Veranstalter nie ein detailliertes Reiseprogramm erhalten haben und auch Audrey ahnungslos ist, werden wir das wohl nie erfahren.

Der nächste Fahrtag war kurz und eine gute Idee von Audrey. Bis Shenzen/Hongkong standen keine touristischen Highlights mehr auf dem Plan, also hatte sie vorgeschlagen, einen Fahrtag etwas zu verlängern und dafür einen Strandtag in Beihai einzulegen. Super Idee, also auf zum Meer! Und plötzlich stand Kittymobil am Strand, vor uns das südchinesische Meer und wir waren am Ende des Kontinents angekommen. Ganz schön komisch, diese riiiiiesige Landmasse Eurasiens hinter sich liegen und mit dem VW Bus, unserem Schneckenhaus, einfach abgefahren zu haben!

Gaaanz außen rechts der rote Punkt: da liegt Beihai! Lächerlich klein, Europa, oder? Deutschland ist noch nichtmal verzeichnet. Das relativiert so manche Weltansicht…

Leider fing es direkt nach dem Foto an, zu gewittern und zu schütten, sodass es nichts mit einem Bad im südchinesischen Meer wurde. Macht nix, hatte ich eh schon (1998 in Vietnam), wäre aber nett gewesen. Audrey entschuldigte sich schon im Vorfeld dafür, dass unser heutiges Hotel „etwas einfacher“ sei. Wir waren eh schon genervt von den Sterneschuppen, in die man Ausländer zwangsverfrachtet, sodass wir uns darauf freuten. Und uns erwartete das schönste Zimmer seit der Ecolodge bei Mashad im Juni im Iran!

Es gab kein echtes Badezimmer, sondern Toilette und Dusche in Wandnischen im Zimmer selbst, aber alles so liebevoll eingerichtet, dass wir uns sofort unglaublich wohl fühlten! Da war der Regen gar nicht schlimm! Auch perfekt: es gab Waschmaschinen und Trockner zu freien Nutzung für Gäste! Yippieh! Die erste Waschmaschine seit über 5 Wochen! Was ein Luxus! Es gibt in China nämlich keine Waschsalons, Waschfrauen oder Wäschereien. Eine einfache Toplader Waschmaschine kostet hier ab 40$ („made in China“), sodass sich das jeder leisten kann.

Beihai war früher ein portugiesischer Hafen und es gibt noch eine Straße, in der wirklich jedes Haus noch aus portugiesischen Kolonialzeiten stammt. Nach der negativen Erfahrung in Dali mit der zu „Malle“ degradierten Altstadt, wären wir fast im schönen Hotelzimmer geblieben, doch eine kurze Internetrecherche ergab: lohnt! Im Hotel waren die Leute furchtbar besorgt, dass wir nicht zurückfinden könnten, denn in China spricht ja niemand Englisch (sie selbst ja auch alle nicht) und wie sollten wir das schaffen? Tja, wie haben wir das die letzten 19 Monate geschafft, obwohl wir kein Farsi, Georgisch, Armenisch, Arabisch etc. sprechen oder lesen können? 😊 Die Hotelangestellten waren so süß, dass sie Audrey anriefen, damit diese uns helfe. Audrey schickte daraufhin per sms einen Text auf Chinesisch. Eins vorneweg: wir haben ohne diesen Text ganz einfach wieder zurückgefunden, obwohl wir 8km vom Hotel entfernt waren… Und wieder der bittere Gedanke, durch dieses Land mit so vielen lieben Menschen einfach nur durchzurasen, ohne die Menschen wirklich kennen zu lernen. Klar wussten wir, worauf wir uns bei der Reise einlassen, aber was man nicht kennt, muss man halt ausprobieren, um zu entscheiden: schmeckt oder schmeckt nicht. China schmeckt ganz gut, aber die Art des Durch-Ra/eisens gar nicht. Aber auch da hätte man bei guter Planung so einiges noch verbessern können. Lag nicht in unserer Hand, da Pauschalreise aus Deutschland, das machen wir in Zukunft wieder selbst – und dann besser. Und vielleicht sollte ich wieder anfangen, als Reiseleiter zu arbeiten. Oder Pandabärchen zu schulen.

 

In der portugiesischen Straße gab es einen Haufen Leckereien, die wir alle probieren mussten. Zum Beispiel die aus frischem Reisteig gedämpften Teigblätter für Mini-Frühlingsrollen. Oder Fischbällchen. Oder handgeschabtes Mangoeis. Überfordert waren wir mit den Krabbenfladen: Teig mit Schalotten drin wird auf eine Metallplatte gegossen, frische Krabben hinein gestreut und dann im Fett schwimmend ausgebacken. Das roch so lecker! Problem: die Krabben waren „ganz“, also mit Schale. Die Einheimischen bissen davon krachend Stücke ab, wir konnten es uns nicht vorstellen, ungepulte Krabben zu essen.

Dafür aßen wir ganz viele Shrimps mit scharfer Sauce, gegrillten Tintenfisch und einen ganzen Topf voll Muscheln mit Ingwer. Herrlich! Der Tag war so ganz nach unserem Geschmack: kurze Fahrt, schöne Gegend, nette Einheimische und ganz viel streetfood und lokale Leckereien zum Ausprobieren! Dafür war der Folgetag doof. Dass wir knapp 500km fahren mussten, das wussten wir vorher, das war ja der Preis für den tollen Tag in Beihai gewesen. Dass aber 2 Autobahnen gesperrt waren und wir im Einzugsgebiet von Shenzen/Hongkong damit voll durch den Moloch mussten, war nicht geplant. Abgesehen davon hatten wir trotz der Sperrungen 30€ Maut bezahlt und nicht das Gefühl, dafür auch einen Gegenwert bekommen zu haben. Aber wie auch im Stone Forest: in China wird oft für etwas bezahlt, was man nicht bekommt, aber keiner findet das komisch. Außer wir Deutschen. Dass es in Deutschland so etwas (theoretisch) nicht gibt, findet Audrey ja auch komisch. Sie findet: “Wenn man Reis mit Fisch bezahlt, aber nur den Reis bekommt, dann hat man doch trotzdem etwas auf dem Teller, warum sollte man die Hälfe vom Geld zurück bekommen?” Auch eine Art, die Dinge (vielleicht sogar positiver?) zu sehen…

Das Hotel war mal wieder 10km innerorts einer nichtssagenden Stadt und 6km entfernt von der einzigen Sehenswürdigkeit: der Stadtmauer. Drum herum Reifenhändler und Ölwechselstationen. Kittymobil baucht weder Reifen noch Öl. Gar kein Öl. Wir werden es nie verstehen, wie solche Stationen in den Reiseplan kommen können, wenn 70km weiter geniale Wohn- und Wehrtürme zu besichtigen wären… Aber gut, Deutschland ist richtig weit weg von China und wenn man mit dem Finger auf der Landkarte von dort aus plant, passiert sowas halt.

Schräg gegenüber des Hotels war jedoch ein super Restaurant, in dem es riesige Fischpfannen zum Selberbrutzeln gab. Wie in den meisten solchen „Hot Pot“ Restaurants, bekommt man einen Zettel zum Ankreuzen mit allen Zutaten hingelegt. Auf Chinesisch natürlich. Manchmal (wie zuletzt in Beihai) bitten wir mit der Baidu Übersetzungs-App den Kellner, uns einfach das zu bringen, was ihm persönlich besonders gut schmeckt (er brachte Shrimps in scharfer Sauce) oder laufen durch das Restaurant, gucken den Leuten auf die Teller und zeigen dann auf das, was gut aussieht. Das ist immer lustig für alle, manchmal fordern die Gäste, auf deren Teller dann man so schaut, einen auch auf, zu probieren. Das funktioniert aber nicht, wenn man ein doppelseitiges Din A4 Blatt vor sich liegen hat und Kreuzchen setzen soll. Selbst die Salatzutaten wurden einzeln aufgeführt! Mit Baidu und Google Übersetzungs-Apps konnten wir einige Dinge ausschließen, die wir nicht wollten (Lunge, Galle, Hühnerfüße roh oder geräuchert…) und konnten die beiden fröhlichen Bedienungen dann doch überzeugen „Bringt, was Ihr selbst gerne mögt“. Sie verschwanden lachend in der Küche, kamen aber schnell wieder zurück und hielten das Handy hin: „Chili o.k.?“ Oh, ja, sehr o.k.! Chinesen müssen irgendwo gehört haben, dass Ausländer keine scharfen Gewürze essen. Wir sind schon oft gefragt worden, ob „Chili o.k.“ und ernten für unser „o.k.“ dann immer strahlendes Lächeln.

Unser Tischgrill mit dem riesigen Fisch darin kam – und er war überhäuft mit Chilischoten. Wow! Absolut lecker! Dazu warfen wir Sojasprossen, diverse Sorten Pilze und grüne Blätter in den Sud und schlemmten uns die Bäuche voll. Definitiv das Highlight eines langen Tages! Wenn wir wieder mehr Zeit haben, füllen wir auch unser Fotoalbum “Food around the world” wieder mit den Fotos der vergangenen Monate. Aber das wird erst “zu Hause” in der Mongolei sein… Am nächsten Morgen erzählte Audrey, sie wäre allein zur beleuchteten Stadtmauer gefahren. Als Reiseleiter hätte ich ja meine Gäste gefragt, ob sie mitkommen wollen, aber Audrey erklärte, sie sei kein Reiseleiter, sondern Local Guide. Aha. Na gut. Ich glaube, ich sollte wirklich wieder in dem Job arbeiten. Als Reiseleiter natürlich.

Clecia St. hat uns mit ihrer Spende einen Tag Autobahn in China finanziert. Danke! Megr dazu unter: Unterstützt uns!

Gut, dass wir den Besuch bei den Wehr- und Wohntürmen wegen horrender Eintrittspreise abgeblasen hatten, denn die Autobahn dort hin war sowieso gesperrt und das bescherte uns 30km Umweg. Man kann hier als Faustformel rechnen, dass 10km Autobahn 1€ kosten. Bei unseren Tagekilometern (meist um die 300km) kommt da ein ordentlicher Batzen an Kosten dazu. Der Liter Diesel ist hier mit 1$ ganz okay (Kittymobil braucht bei großem Durst ja auch nur 8l, meist hält der Durst sich aber sehr in Grenzen), aber die Eintrittsgelder samt zwangsverpflichtender Zusatzkosten fressen einem die Haare vom Kopf, siehe Wasserfall. Bei der Planung der nächsten Wochen schlossen wir gleich aus, die größte Glasbrücke der Welt zu besichtigen und darüber zu laufen. Sie wurde über einen Canyon gebaut und das Darüberlaufen kostet für uns zwei zusammen – Achtung, Luft anhalten – 60$! Ohne weitere noch zu erwartende Zwangs-Zusatzkosten (Parkplatz, Shuttlebus etc.). Audrey verstand unsere Frage „Was gibt es dort außer der Brücke noch für das Geld?“ nicht. Aber sie behauptet ja auch, alle Menschen in Hongkong hätten eine Gehirnwäsche hinter sich, in Xingjang hätten alle Uiguren Waffen und es ist daher dort wahnsinnig gefährlich (komisch, dass wir überlebt haben), alte Menschen seien grundsätzlich reich und China hätte so gar keine Probleme. Wer ist da wohl „gehirngewaschen“? Ihr merkt: Audrey liefert nun einigermaßen, wofür sie bezahlt wird, aber Freunde wie mit den vorherigen Guides Jeff und Tashi sind wir nicht geworden. 😊

Kittymobil steht nun in einer Tiefgarage in Shenzen, morgen früh steigen wir in einen Zug nach Hongkong. Dort haben wir für 3 Nächte ein einfaches Guesthouse reserviert und freuen uns schon darauf, mal wieder ein paar Tage an einem Ort und auch ganz unter uns zu sein. Ohne gehirngewaschenes Pandabärchen auf der Doppelsitzbank. Und auch in gewisser Weise ohne China. Die vielen Scania LKW (statt ausschließlich chinesischer Klapper-LKW) mit Kennzeichen aus Hongkong haben uns schon gezeigt: in Hongkong tickt die Welt anders! Und falls Ihr Euch Sorgen macht, weil das Wochenende bevorsteht und es am Wochenende im deutschen Fernsehen immer Horrornachrichten aus Hongkong gibt: auch als wir die 6 Monate im Iran waren, habt Ihr Euch Sorgen gemacht, weil die Medien bei Euch bis heute täglich den morgigen Kriegsbeginn berichten…

 

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