Schon mal beim Wandern eine Horde Paviane überrascht oder eine Kobra gesehen? Wir schon! Wir waren letzte Woche in der Region Fouta Djallon in Guinea wandern. Bevor wir zum Wandern „ins Funkloch“ fuhren, verbrachten wir drei Nächte in Pita und erkundeten die dortige Umgebung. Und dort erlebten wir dann auch die negativen Seiten dieses Landes, von denen wir Euch genauso berichten möchten wie von der wunderschönen Natur.
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch daran: als wir im April nach rund zwei Monaten den Senegal verlassen haben, hatten wir beide eine riesige Hasskappe auf die muslimischen Bruderschaften im Senegal, die den Alltag der (auch christlichen) Menschen im Land sehr dominieren und die (eigentlich säkuläre) Politik erfolgreich unterwandern. Es war uns im nördlichen Teil des Landes nur schwer möglich, den monotonen, überall laut plärrenden Gesängen der Mouriden zu entgehen. Da eine solche Bruderschaft im Senegal den Transportsektor beherrscht, dröhnt dieser Gesang dort von LKWs, Bussen und aus Taxis und wenn gerade kein Fahrzeug in der Nähe ist, ist ein Gemeindezentrum mit „Life-Musik“ nicht weit.
Ein weiteres Problem nicht nur im Senegal sind die Koranschulen, in die Eltern ihre Kinder schicken, wenn sie nicht genug Geld haben, um Schulmaterialien (Hefte, Stifte etc.) für ihre Kinder zu zahlen – oder sie gar nur zu ernähren. In diesen Koranschulen wird Arabisch gelernt (aber nur das, was im Koran steht) und keine Allgemeinbildung vermittelt und die Kinder müssen für sich und ihren „Lehrer“ täglich betteln gehen. Talibés heißen diese Kinder. In Guinea-Bissau sind Koranschulen verboten und die Mehrheit der Bevölkerung ist sowieso christlich, da konnten wir insgesamt sieben Wochen entspannen.
Doch die Region Fouta Djallon ist traditionell sehr muslimisch geprägt. Bis die französische Kolonialmacht dem Treiben ein Ende setzte, gab es dort sogar gleich zwei muslimische Theokratien nebeneinander! Und wir wachten in Pita jeden Morgen im Morgengrauen zu genau dem Singsang-Geplärre auf, das wir mit dem Verlassen des Senegals eigentlich hinter uns gelassen haben wollten. Der Einfluss der muslimischen Bruderschaften scheint auch in Guinea so langsam Fuß zu fassen. Leider damit verbunden auch ein gewisser Menschenschlag, der es weder mit der Sauberkeit noch mit der Ehrlichkeit so genau nimmt. Das Sprichwort, was wir in der christlichen Casamance im Senegal gelernt hatten, trifft in ganz Afrika den Nagel auf den Kopf: „Wo Schweine sind, ist’s sauber.“

Die Müllmänner kratzen den Dreck dann vom Boden.
Wir haben beide mindestens 95 Länder bereist und können uns nicht ganz entscheiden, ob Mauretanien oder Guinea das dreckigste, „mülligste“ Land ist, das wir jemals erlebt haben. Insbesondere in Pita war es echt extrem: der Müll wurde während der Regenzeit in die Erdstraßen „einbetoniert“ und wartet in den offenen Abwasserkanälen darauf, mit dem nächsten Regen weggespült zu werden. Als wir auf dem Weg zur Stadt Mali in einem Örtchen unterwegs eine Trinkpause gemacht haben, erklärte mir der Ladenbesitzer, bei dem ich gerade einen Beutel Wasser gekauft hatte, ich solle den leeren Beutel einfach auf die Straße werfen. Das war mir noch nie passiert: die Leute werfen den Müll vor die eigene Haustür! Noch kurioser: es gibt Mülleimer und es gibt auch dreirädrige mini-LKW, die Müllabfuhr machen. Der Müll wird dann außerorts verbrannt. Die Infrastruktur ist also da, aber die Menschen werfen sich trotzdem den Abfall selbst vor die Füße. Wo Schweine sind, ist’s sauber. Und das liegt nicht etwa daran, dass Schweine Plastik fressen würden…

Auch eine Art von „Schwein“ 🙂
Das zweite Problem, was wir in „schweinefreien“ Gegenden Afrikas haben, ist das mit der Ehrlichkeit. Wir wollten wie schon in der Woche zuvor, den Ausflug zum nächsten Wasserfall wieder mit einem Mototaxi machen. Wir selbst hatten uns ein Preislimit von 150.000 GF gesetzt. Die Angestellten unserer Unterkunft wussten auch einen Fahrer, der schonmal mit einem ausländischen Übernachtungsgast zum Wasserfall ist. Den riefen sie an. Als er kam, vereinbarten wir tatsächlich 150.000 GF und alle Anwesenden nickten zustimmend. Doch dann schaute uns der Fahrer ins Gesicht und verlangte: „Pro Person!“. Den Jungs, die uns den Fahrer gerufen hatten, fiel so ziemlich alles aus dem Gesicht. Sie waren sichtlich von der Unverschämtheit geschockt. Wir auch und ließen den Typen einfach in der Einfahrt stehen. Wir wandten dann wieder die Taktik von Labé an: der Inhaber des Restaurants, in dem wir an jenem Abend zum wiederholten Mal aßen, organisierte uns einen Fahrer: für 130.000GF.
Am nächsten Morgen erschien der Fahrer auch pünktlich und wir tuckerten los. Wieder zu dritt auf einem 150er Motorrad. Der Restaurantbesitzer und alle Leute in der Unterkunft hatten uns erklärt, man müsse 20.000GF pro Person Eintritt zahlen. Als wir am „Zahlpunkt“ ankamen, lauerten dort schon zwei Männer auf uns und verlangten 40.000GF pro Person. Wir wussten von vielen anderen Reisenden von diesen Nervtötern und hatten insbesondere deshalb die Anfahrt mit dem Mototaxi gewählt. Denn diese Nervtöter versuchen nicht nur abzuzocken, sondern lügen auch „ich schwöre bei Allah“, man müsse mit einem Guide pro Person dort hin. Leider saßen wir ja schon zu dritt auf dem Motorrad und der Fahrer konnte den Nervtötern versichern, dass er den Weg kennt. So wie wahrscheinlich jeder Mensch im Umkreis von 50km. Wir schworen „bei unserem Gott“, den Nervtötern, auf dem Rückweg zu zahlen, wenn sie ein Ticket mit der geforderten Summe vorweisen könnten.
Zunächst brachte uns der Fahrer zu einem Aussichtspunkt mitten im Gestrüpp entlang eines Trampelpfades, von dem aus man die Kambadaga Fälle super beobachten kann. Der Wasserfall fällt in zwei Stufen über dunkles Gestein inmitten tiefgrünem Dschungel rauschend in ein enges Tal: wunderschön! Im Hintergrund ein Tafelberg, über uns blauer Himmel: traumhaft!
Danach führte er uns direkt auf die obere Steinstufe des Wasserfalls. Wir standen nur wenige Zentimeter entfernt von der Kante, über die das Wasser in die Tiefe donnerte. Wow! Auch der Mototaxi Fahrer hatte sichtlich Spaß dort und fotografierte, machte ein Videotelefonat und genoss den Ausflug mit uns. In jedem anderen Land wäre der Wasserfall großflächig abgesperrt gewesen, damit man nicht aus Versehen mit dem Wasser in die Tiefe fällt, aber wir waren mal wieder die einzigen Menschen dort und für uns drei lohnt kein Absperrgitter.
Ich wollte dann noch zur Seilbrücke, die zur Regenzeit als Abkürzung ans andere Ufer des Flusses führt. Jetzt in der Trockenzeit kann man den Fluss furten, noch vor 8 Wochen gab es dazu keine Chance. Die nächste befahrbare Brücke ist 50km entfernt und so wird von Fußgängern theoretisch die Seilbrücke genutzt. Doch nur noch in der Theorie: die dünnen Drähte waren alle rostig und die Metallplatten, auf denen man laufen sollte, löchrig verrostet. Unser Fahrer sagte, es sei zu gefährlich und wir vertrauten ihm.
Was er nicht zu gefährlich fand (Jan aber schon), war der Zugang zur Brücke. In Guinea ist es üblich, dass Höhenunterschiede mit einer Art „Stockleiter“ überbrückt werden: ein Bündel langer Äste wird mit Lianen zusammengebunden und gegen eine Felswand etc. gelehnt. Dann klettert man von „Lianenschnur“ zu „Lianenschnur“ nach oben (oder unten) und kann so quasi senkrecht in Canyons hinunterklettern oder Felsstufen überwinden. Oder eine Brücke über einen Fluss erreichen. Zugegeben: es fehlten ein paar „Lianenschnüre“ und einige Äste waren gebrochen, aber da der Fahrer und ich jeweils unter 60kg wiegen, war es noch ausreichend stabil.
Als wir auf der Rückfahrt wieder bei den Nervtötern vorbeikamen, hatten sie die Zeit genutzt, um Eintrittskarten zu basteln, auf die sie per Hand 50.000GF geschrieben hatten. Dass wir „nur 40.000GF“ zahlen müssten, sei ein „Geschenk“. Wir gaben ihnen 2×20.000GF, weil uns jeder Einheimische das so gesagt hatte, und die Diskussion ging wieder los, bis der Mototaxi Fahrer den Nervtöter anfauchte und losfuhr. Es gibt auch ehrliche Menschen in Regionen ohne Schweinezucht, aber sie sind deutlich weniger als in Regionen mit Schweinehaltung. Das macht es für uns nicht ganz einfach, die Menschen in Guinea (und z.B. Ägypten) zu mögen. Im Nachbarland Guinea-Bissau hält man mehrheitlich Schweine und wir hatten nie ein Problem. Auch nicht mit Müll.
Wir waren nach drei kurzen Nächten (dank des penetranten Singsangs ab Morgengrauen) irgendwie froh, morgens aus dem Dreckloch Pita weg zu kommen. Wir fuhren über eher Fußwege als Fahrwege ins klitzekleine Dörfchen Aïguel. Solche Mini-Siedlungen sind hier immer mit einem Zaun, einer Hecke oder Dornengestrüpp umgeben. In einem solchen „Kraal“ gibt es nur Trampelpfade, auf denen maximal Motorräder fahren können. Autos und Tiere dürfen und können nicht durchs „Gartentörchen“. Es gibt aber auch keine Autos, dafür aber viele Tiere (Schafe, Kühe und Ziegen), die sich allabendlich auf der anderen Seite des „Gartentörchens“ versammeln. Im Dörfchen sind noch viele Häuser traditionelle runde Lehmbauten.
In Aïguel angekommen (wir fuhren durch das Gartentörchen mitten auf den Dorfplatz) musste man erst die einzige Frau rufen, die Französisch sprach. Das Erste, was sie sagte, war „Aber es ist doch Mittwoch!“. Ich verstand nicht. Sie erklärte: Mittwoch ist Markttag in der nächstliegenden Ortschaft und da ist fast niemand im Dorf. Ihr Onkel kümmere sich immer um Gäste, aber es sei halt Mittwoch. Im Dorf gibt es keinen Handyempfang und so schickte man ein Kind mit Mutters Telefon los, den Onkel anrufen. Der kam dann auch (klischeehaft mit uraltem Gewehr über der Schulter) und kümmerte sich: wir bekamen ein Hüttchen zugewiesen und kurz nachdem wir uns aus den Motorradklamotten geschält hatten, stand der Onkel, genannt „Dix“, als unser Guide für die erste Wanderung vor unserer Tür. Es ging sofort los!
Wir hatten „Dix“ gebeten, uns die beiden schönsten Wanderungen auszuwählen. Die Aufgabe fand er schwer, denn „hier gibt es genug zu sehen für fünf Tage, warum bleibt Ihr nur zwei?“. Weil wir noch in ein anderes Dorf zum Wandern wollten, weil wir Touristen für dieses riesige Land nur 30 Tage haben und weil wir glauben, dass es sich irgendwann dann doch ein wenig wiederholt.
Als erstes führte uns „Dix“ zur „Brücke Gottes“, einer natürlichen, völlig geraden Brücke über einen Fluss, unter dem das Wasser in kleinen Kaskaden fließt. Fast zu waagrecht, um von der Natur erschaffen worden zu sein, doch die Brücke ist wirklich „von Gott so erschaffen worden“, versicherte uns „Dix“. Wir glaubten ihm.
Dann ging’s weiter durch die Savanne und rund 2m hohes Gras zu einem der vielen, vielen Wasserfälle der Region Fouta Djallon. Jan nutzte die Gelegenheit für ein Bad im Wasserfall, mir ist das Wasser hier auf rund 1000-1500m einfach zu kalt. Das Klima ist zum Reisen und Wandern ideal: tagsüber um die 30°C, nachts um die 15°C. So kommt man tagsüber nicht ins Schwitzen und nachts kühlt es sich schön ab für erholsamen Schlaf.
„Dix“, unser Guide, erklärte uns Pflanzen, entdeckte Tiere wie zum Beispiel eine Herde von uns völlig überraschter Paviane, flinke süße Colobus Äffchen, bunte Vögel und große Raubvögel. Immer mit einer Steinschleuder in der Hand, lief er in strammem Tempo vorneweg, ständig den Blick durch die Umgebung schweifend, um für uns Interessantes zu entdecken. Da ich früher selbst als Reiseleiter gearbeitet habe, schätze ich sowas immer sehr und kann den Mehrwert eines Guides nur unterstreichen.
Wir können beide nicht verstehen, wie manche Reisende Guides grundsätzlich verteufeln. Sind sie gut, sind sie ein echter Mehrwert und jeden Cent wert! „Dix“ kostete uns pro Tag 30€ und sein Engagement hörte nicht mit der Rückkehr ins Dorf auf: er brachte uns zu seiner Familie, wo es zwei Runden Tee gab (aufgeschäumt, wie in Mauretanien) und sorgte dafür, dass uns eine Frau aus dem Ort mit leckerem vegetarischem Essen versorgte. Nicht, weil wir Vegetarier sind, sondern weil es einfach das ist, was jeder im Dorf isst: Fleisch gibt’s nur selten. Wandergäste wie wir werden vom ganzen Dorf umsorgt und das ganze Dorf profitiert davon: „Dix“ verdient als Guide, eine Frau kocht für uns, eine andere Frau sorgt für eine saubere Unterkunft und zwei Männer besserten gerade die Hütte aus. In einer solchen Dorfgemeinschaft zu übernachten und zu wandern bedeutet, das Geld an der richtigen Stelle auszugeben.
Am nächsten Morgen holte uns „Dix“ wieder ab. Unser Ziel war „einer der drei schönsten Wasserfälle des Landes“. Ich greife ein wenig vor: „Dix“ hatte mit der Behauptung natürlich recht. Wir marschierten los. Das hohe Gras war noch ganz nass vom Morgentau, die Natur wachte auf und wir stiefelten in einen wunderschönen Tag hinein. „Dix“ lief wieder mit der Steinschleuder in der Hand vorneweg und blieb plötzlich stehen: eine Kobra!
Eine wirklich riesige Kobra lag, kräftige Männer-Oberarm-dick und 2,5-3m lang lag auf einem Felsen und wärmte sich in der Morgensonne. Wow! Was für ein fetter Brocken! Wir waren fasziniert, Jan hätte gerne gefilmt, doch die Kobra hatte uns schon entdeckt und „Dix“ sie auch. Er schoss einen Stein mit seiner Steinschleuder in die Richtung der Kobra und sie schlängelte blitzschnell davon. Uns wurde erst da so richtig bewusst: wir kletterten schon den zweiten Tag über Stock und Stein und fassten überall hin, um uns Felskanten hochzuziehen oder abzustützen. In jeder Felsspalte, hinter jedem Stein hätte so ein Tier (oder ein kleineres Exemplar) lauern können…
Irgendwann hörten wir es schon in der Ferne rauschen und wir bogen von der steinigen Savanne ab in das grüne Dickicht, das sich um den Wasserfall gebildet hatte. Überall floss Wasser, wuchs Moos, hingen Bartflechten von den Urwaldbäumen, die Steine wurden glitschig und ich rutschte natürlich ab und wanderte ab da mit einem völlig durchnässten linken Schuh.
Wir schlugen uns durchs Dickicht und plötzlich standen wir davor: ein feenhafter Wasserfall, zart und doch kräftig fiel das Wasser direkt über uns über das schwarze Gestein, überall hellgrünes Moos, Sprühnebel und üppige, tropische Vegetation, im Hintergrund eine Felswand und um uns nur Natur. Außer „Dix“ und uns war niemand da. Während unseres gesamten Aufenthaltes rund um Aïguel trafen wir keine anderen Wanderer oder Reisende. Keine Zeit, keine Zeit, ist das Motto der heutigen Zeit. Beispiel gefällig? In Labé trafen wir zwei Briten, die von England nach Ghana in nur zwei Wochen fuhren. Zwei Wochen, nicht Monate. Oder eine Deutsche, die wir völlig erschöpft trafen, als sie erklärte, die Fahrtage seien so furchtbar lang und die Straßen so furchtbar schlecht und sie wolle nach 4 Tagen Guinea noch am selben Tag nach Sierra Leone ausreisen. Was für eine Geldverschwendung, denken wir da nur.
„Dix“ hatte natürlich Recht, dass dieser Wasserfall einer der schönsten des Landes ist. Für uns ist er auch in den Top drei der Wasserfälle Guineas. Trotzdem liefen wir noch zum nächsten Wasserfall weiter. Der wahrscheinlich Platz vier ist, denn auch der war zauberhaft: von einer schwarzen Felswand fiel das Wasser in einen kleinen Teich, der malerisch umgeben von runden Felsen eine Art Oase mitten im Grün bildete.
Dort machten wir Rast, aßen Baguette mit marokkanischen Sardinen (aus Safi, wo wir letzten Herbst frische Sardinen selbst gekocht hatten) und konnten uns kaum satt sehen an der Natur: im kleinen See lebten riesige Krabben, die man im kristallklaren Wasser vom Felsen aus beobachten kann, „Dix“ lockte einen ganzen Schwarm Fische mit ein paar Brotkrümeln an, um uns herum schwoll das Insektenkonzert zu einem fast ohrenbetäubenden Krach an und Schmetterlinge flatterten durch die Luft. Ziemlich kitschig schön! Hier war nicht der Wasserfall das Highlight, sondern das „Gesamtarrangement“. Wir machen unter uns immer Späße, dass Guinea wirklich tolle Landschaftsarchitekten beauftragt hat, um solch einmalige Szenen zu entwerfen.
Ab dann ging es wieder zurück Richtung Dorf, allerdings nonstop bergauf und meist ohne Weg. Teilweise anstrengend, aber es gibt ja genug Möglichkeiten, sich zu erfrischen! Jan und „Dix“ badeten in einem der vielen kleineren Wasserfälle und Kaskaden, mir war das Wasser ja zu kalt. Etwas erschöpft, aber glücklich brachte uns „Dix“ zurück zu unserer Hütte, wo wir von der Dorfköchin ein richtig leckeres Abendessen gekocht bekamen.
Wir schliefen ein wenig länger und machten uns nach dem Frühstück auf ins nächste „Wander-Mekka“: Doucki. Doch weil es in diesen mini-Dörfchen keine Läden und nur Brunnenwasser gibt, mussten wir einen Umweg fahren, um im nächstgelegenen Dreckloch im Laden Trinkwasser zu kaufen. Die voll verschleierte Verkäuferin war richtig frech und verlangte 9000 (statt 6000) pro Flasche Wasser und ließ auch nicht mit sich handeln. Macht immer wieder Spaß, in solchen Regionen nur einfachste Dinge wie Wasser kaufen zu erledigen. Nicht. Im Laden um die Ecke war der Preis okay und wir kauften gleich 9 Liter.
Das Dörfchen Doucki lebt rund um ein Unikat: Hassan Bah, ein 61-jähriger Wander-Enthusiast, dessen Vater aus Doucki kommt, er selbst aber ging in Sierra Leone zur Schule, fuhr jahrelang zur See, lebte auf den Kanaren und in Norwegen und spricht daher fließend Englisch und Spanisch. Beides besser als Französisch, was in Guinea gesprochen wird. Rund um ihn und seine Familie hat er sich einen Ruf aufgebaut, von dem wir schon letztes Jahr gelesen hatten: wenn wandern, dann mit Hassan! Wir waren gespannt.
Wir kamen an (nach einem intensiven Austausch über WhatsApp) und wurden sofort herzlich aufgenommen: ob wir Hunger hätten? Kaltes Brunnenwasser möchten? Heißen Zitronengrastee (jaaaa!) mit leckerem Honig serviert und dann ungefragt einen Platte Reis und einen Topf Erdnuss-Sauce mit Okra hingestellt bekamen. Aus Hassan sprühte eine Begeisterung und Gastfreundschaft, die dafür, dass er täglich Wandergäste empfängt und wir nicht alleine bei ihm waren (drei Schweizer mit Handgepäck), absolut beeindruckend war. Er fragte interessiert, was wir die letzten Tage schon „erwandert“ hatten, fand das „hart“ und versprach, uns „etwas ganz anderes“ zu zeigen.
Wir hatten schon etwas müde Knochen, aber meine Bitte nach einem „weniger harten Tag“ verhallte ungehört. Wahrscheinlich wusste er, was er alles mit uns anstellen konnte, nachdem er wusste, was wir die zwei Tage zuvor gemacht hatten. Das gepaart mit seiner unbändigen Motivation, jedem seine Region ins Herz zu katapultieren, führte letztendlich dazu, dass aus einem „weniger harten Tag“ gleich vier Halbtageswanderungen zusammengefasst wurden. Plus weitere 5km zum Markt, auf den ihn seine Frau geschickt hatte.
Wir kraxelten als erstes zum „Indiana Jones Canyon“, den wir auf Facebook schon empfohlen bekommen hatten: eine enge, sehr tiefe Klamm, die mit Lianen und anderen Schlingpflanzen dicht bewachsen ist und durch die unzählige Bächlein plätschern. Ideal für Indianer, Klettermaxe und Tarzane!
Hassan kletterte vorneweg, schwang sich von Liane zu Liane, kletterte über Lianen Felswände entlang, schaukelte in Lianen über Felspalten und motivierte uns, es ihm gleich zu tun. Natürlich machten wir mit und hatten richtig Spaß!
Hinter jeder Ecke verbarg sich ein neues Micro-Abendteuer: extrem schmale Felsspalten, durch die wir uns quetschten, tolle Erosionsformen, verwunschene Natur, stachelige Baumfarne (seitdem ich 1998 beim Ausrutschen mal in einen hinein geraten bin, habe ich einen riesigen Respekt vor den Dingern) und überall Lianen zum Klettern, Schaukeln und spontane Akrobatik-Einlagen. Etwas ganz Besonderes!
Auf Geheimwegen tauchten wir dann wieder aus der engen, dunklen Klamm auf und standen plötzlich mitten in der Steppe inmitten wunderschöner Gesteinsformationen. Alle hatten sie irgendwie Namen und alle Namen trafen zu. Wir sahen den „Ninja Stein“, den „Hyänen-Felsen“, einen „Hai“, „Pinguin“, eine „Ruinenstadt“, eine „Prinzessin“ und noch so viele tolle Felsen mehr.
Hassan hatte sein Versprechen gehalten: er zeigte uns eine ganz andere Landschaft als die, die wir nur 30km Luftlinie entfernt in Aïguel erlebt hatten. Natürlich gibt es auch in Laufweite von Doucki Wasserfälle, aber Hassan wusste, dass wir schon die großen Highlights kannten, und begeisterte uns mit tausend anderen Dingen.
Mit Höhlen zum Beispiel. Mir ging das alles etwas zu schnell. Ich erkunde als Dipl. Geo. gerne aufmerksam und ausführlich die Geologie der Natur, in der ich mich bewege und erarbeite mir dann selbst die Entstehungsgeschichte. Hassan ist Wanderfreund und Seemann, ihm war wichtig, dass wir in jeder der vielen Höhlen auch das Besondere sehen: „Schau, da oben ist ein Fenster zum Himmel!“ oder „Hier fällt das Licht als heller Strahl durch die Luft“ und „Schau die Säulen, wie in einer Moschee!“. Uns schwirrte fast der Kopf vor so vielen kleinen tollen Dingen, auf die uns Hassan so begeistert hinwies, als sei er gerade selbst zum ersten Mal dort.
Wir machten kurze Mittagsrast in einer kleinen Oase oberhalb eines Wasserfalls, von dem wir erst dachten „nicht schon wieder Wasserfall“, der sich dann aber als außergewöhnlich romantisch erwies. Stellt Euch den perfekten Wasserfall vor, um eine Werbung für Shampoo oder Duschgel zu filmen: ein weißer Strahl Wasser fällt über Gestein in üppiger Dschungelvegetation in einen kleinen Teich, in dem eine Traumfrau unterm Wasserstrahl ihre langen Haare wäscht. Oder so. In dem Fall saß mein Traummann Jan unterm Wasserfall und gönnte sich eine kühlende Schultermassage, während Hassan irgendwo im Grün zum Beten verschwand.
Als Jan wieder angezogen und Hassan fertig mit Beten war, mussten wir ja auch noch den „Grand Canyon Westafrikas“ sehen. Hassan sprintete vorneweg, zeigte hinter jedem Baum oder Busch begeistert auf schön geformte Felsen, lauschte den Affen und versuchte sie durch Rufe anzulocken, zeigte uns Vögel und war nicht zu bremsen. Plötzlich standen wir direkt an der Kante des Canyons auf einem überhängenden Felsen direkt über dem Abgrund. Hassan bat uns, uns vorsichtig auf den Bauch zu legen und über die Kante zu linsen: da fiel doch tatsächlich unter uns ein Wasserfall in die unglaubliche Tiefe!
Der Canyon war wirklich beeindruckend, nur leider war die Sicht wie überall rauchig. Es wird hier nicht nur auf offenem Feuer gekocht, derzeit werden auch viele Grasflächen um Dörfer herum prophylaktisch (mehr oder weniger kontrolliert) abgebrannt, um dem Feuer im Ernstfall die Nahrung zu nehmen und es noch vor Erreichen des Dorfes zu stoppen. Dadurch sieht man derzeit viel verbrannte Erde und die Luft ist rauchiger als üblich. Trotzdem: ein atemberaubender Blick, den man auf dem Überhang liegend hat!
Dann war der Punkt, an dem es uns eigentlich reichte. Wir hatten sieben Stunden in wunderschöner Landschaft erlebt und vier Halbtageswanderungen miteinander kombiniert und hätten jetzt eigentlich zurücklaufen können. Insbesondere ich war müde, aber Hassans Frau hatte noch eine Einkaufsliste mitgegeben und der Markt war „noch mindestens eine Stunde“ (bergauf natürlich) entfernt. Hassan flitze vorneweg, zeigte weiterhin auf tolle Felsen, kraxelte wie eine Bergziege „Abkürzungen“ entlang, wurde nicht müde uns hier einen netten Bach, dort eine schöne Aussicht zu zeigen und rannte dem Markt entgegen.
Ich lief im „Notlaufprogramm“ hinterher. Hassan hatte uns das mit der Einkaufsliste nicht gesagt, aber wir wussten es, denn den ganzen Tag lang machte er uns den Markt schmackhaft. Dort gäbe es ganz tolles Rindfleisch, was seine Frau abends kochen wollte. Wir hatten angegeben, Vegetarier zu sein, wie wir das in Regionen ohne Strom für Kühlschränke oft tun, aber so wie wir Hassans Einkaufspläne durchschaut hatten, hatte er uns durchschaut: das Rindfleisch war natürlich für uns. Und außerdem gäbe er uns eiskalte Limo aus, wenn wir denn auf dem Markt seien.
Auf dem Weg zum Markt sprachen Jan und er über den Müll, der in größeren Siedlungen und Städten ein wirklich abstoßendes Problem ist. In den Winzdörfchen ohne Strom und fließend Wasser, in denen wir die letzten vier Nächte verbracht hatten, war es ziemlich sauber, aber kaum war das Dorf größer, versank es im Müll. Hassan fand das Müll-Thema in Hinblick auf Tourismus wichtig und führte uns im völlig in Müll erstickenden Markt-Ort zum Ortsvorsteher, um das Thema anzusprechen. Der ältere Herr lächelte freundlich, aber alles was er zu sagen hatte war „Inshallah“. So Gott will. Scheinbar will dieser Gott nicht.
Kurz vor der kalten Limo sprach Hassan einen Vertreter der „Dorfjugend“ an und thematisierte den Müll nochmal mit ihm. „Wir sollten da vielleicht mal ein Projekt zu machen. Inshallah“, war die Antwort. Dieser Gott hier ist scheinbar ein sehr unwilliger, was dieses Thema betrifft… Hassan „parkte“ uns bei eisiger Limo und verschwand im Marktgetümmel. Eine halbe Stunde später kam er mit dick gefülltem Rucksack zurück und wir mussten Gott sei Dank nicht auch noch 7km zurücklaufen, sondern stiegen alle in diverse Transportmittel um: Jan und ich auf ein Mototaxi, Hassan in ein Sammeltaxi.
Ein langer, aber trotzdem wunderschöner Tag lag hinter uns. Das Rindfleisch war wirklich vorzüglich und wir bekamen das lokale Mikrogetreide „Fonio“ dazu serviert, welches uns Hassan während der Wanderung gezeigt und erklärt hatte. Zufrieden und glücklich fielen wir in erholsamen Schlaf und fuhren am nächsten Tag zurück in die Zivilisation. Zurück in eine Welt mit Strom und Steckdosen, aber nicht mit fließend Wasser.
Weil wir von den zurückliegenden rund 1000km etwa 700km auf sehr staubigen Erdstraßen verbracht hatten, ließen wir unsere Motorräder samt Gepäck waschen: mit Hochdruckreiniger aus einem großen Wassertank. Wir fuhren mit sauber glänzenden Motorrädern noch bis Dalaba, bezogen das Zimmer mit der saubersten Bettwäsche des Landes aber mit Wassereimern im Bad statt Leitungswasser und genossen dort den warmherzigen Empfang des Monsieur Koffi. Was wir bei ihm erlebt und entdeckt haben, erzählen wir Euch nächste Woche.

Falls es mal Leitungswasser gäbe, wäre alles da.
Weil wir letztes Wochenende ja offline wandern waren, sind in unserer „Abwesenheit“ gleich zwei Videos bei YouTube online gegangen. Schaut Euch an, wie wir nach einem halben Jahr Standzeit in einer feuchten Regenzeit die Motorräder wieder flott gemacht haben:
Unser Willkommen in Guinea war zunächst überraschend, dann landschaftlich spektakulär. Schaut, wie hier Gold gewaschen wird und unseren ersten, extrem spektakulären Wasserfall in Guinea entdeckt haben:
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Hey, toller Bericht,
wir sind auch gerade auf dem Weg ins Fouta Djalon, allerdings als Backpacker.
wie habt ihr die Reise geplant? alles selber arrangiert? oder mit Hilfe eines Guides oder Agentur?
LG Mia and Willy
Hallo Ihr beiden, das haben wir selbst organisiert. Nur zum Wandern haben wir jeweils einen Guide genommen. In Douki und in Aiguel.