Mittlerweile sind Jan und ich zurück in Accra (Ghana) und Katja in Lomé (Togo). Eigentlich wollten wir auch in zwei Tagen in Togo sein, doch wie immer: es kam anders.

Wir waren mit meiner Schulfreundin Katja 2,5 Wochen zusammen in Ghana unterwegs. Damit sie besonders viel von ihrem Urlaub hat, haben wir ein Reisetempo an den Tag gelegt, das nichts mit „Reise“, sondern mit „Urlaub“ zu tun hat und so war keine Zeit für die übliche „Sonntagslektüre“, den wöchentlichen Blogbeitrag und auch nicht für Videos und zeitnahe Foto-Posts auf Social Media. Das holen wir jetzt nach, denn unsere Weiterreise wurde gerade eben ausgebremst…

Nach unserem Krankenhausbesuch ging es Katja mit ihrem Typhus mit jeder Tablette besser und wir verließen Kumasi, um einen erholsamen Tag am Bosomtwe See einzulegen. Der See entstand durch einen Meteoriteneinschlag und ist ungefähr 10km im Durchmesser und 80m tief. Bei dem Einschlag wurden die dadurch entstandenen „Glassplitter“ (Frau Dipl. Geo. nennt das „Tektite“) bis zu 1000km weit geschleudert – bis auf das Gebiet der heutigen Elfenbeinküste.

Im Laufe der Million Jahre (und das ist nicht lange, wenn man in geologischen Zeiträumen spricht) stieg der Wasserspiegel des abflusslosen Sees durch Niederschlag auch schonmal so hoch, dass das Wasser über den Rand schwappte und man heute versteinerte Fische hoch oben auf dem Kraterrand (und auf den Hängen dahinter) findet. Wir haben keine gefunden, denn wir haben uns nur damit beschäftigt, den See aus verschiedenen Blickwinkeln vom Ufer oder Sofa zu betrachten: ein Tag Nichtstun und die wunderschöne, friedliche Aussicht genießen.

Der nette und ehrliche Taxifahrer, den wir ein paar Taxe zuvor dank Uber in Kumasi „aufgegabelt“ hatten, machte uns ein attraktives und letztendlich unschlagbares Angebot, uns nicht nur vom See wieder abzuholen, sondern auch direkt rund 200km weiter an einen Strand zu fahren, der mit ÖPNV nicht erreichbar ist. Sein mini Autochen (so groß wie ein VW Lupo) war zwar eher ein Stadtflitzer, aber da wir alle drei nur Handgepäck haben, passte alles und er brachte uns sicher ins Paradies: Ko-Sa.

Weder Nescafé noch Milchpulver: echter Genuss!

Zwei weltreisende Holländer haben sich vor fast 20 Jahren in ein schon bestehendes Beachresort verliebt und es übernommen, verbessert und erweitert. Heute bietet es Unterkunft in diversen Zimmerkategorien von Luxus bis Budget allen Reisenden einen traumhaften Aufenthalt am palmenbestandenen Strand mit gutem Essen – weit entfernt von „chicken & rice“ und Nescafé. Es fühlte sich nach „Urlaub“ an. Auch im Billigzimmer ohne Bad und ohne Klimaanlage: traumhaft schön!

Katja und ich ließen Jan mit und an seinem Laptop alleine im Paradies, wir zwei fuhren alleine los, die Umgebung zu erkunden. Jan und ich waren im März dieses Jahres schon dort, sodass Jan nichts verpasste und es für mich Wiederholung war. Aber manche Dinge sind so gut, dass man sie auch mehrmals machen kann: den Baumwipfelpfad im Kakum Nationalpark zum Beispiel!

Eigentlich eine sehr touristische Angelegenheit, weil sämtliche amerikanische Reisegruppen aus Cape Coast und alle Schulklassen aus Ghana auf den Pfad „gescheucht“ werden, aber Katja und ich hatten Glück: unsere Gruppe bestand nur aus uns beiden und einem britischen Ehepaar und nachdem wir eine Gruppe stark übergewichtiger Touristen beim Aufstieg abgehängt hatten, waren wir auch komplett alleine auf dem gesamten Baumwipfelpfad. Erst auf dem Rückweg kamen uns die Massen (an Körperfülle und Amerikanern) entgegen.

Spontan entschieden wir uns, noch zum internationalen Zentrum für stachellose Bienen zu fahren. Die Bienen können, mangels Stachel, nicht stechen, aber beißen und als Jan und ich im Frühling dort waren, wurden die an sich freundlichen Tierchen durch einen Schwarm stacheliger Bienen „aufgemischt“ und Jan wurde überall gebissen, ich nicht. Als ich mit Katja zu zweiten Mal dort auftauchte, erinnerte sich der junge Imker sofort an mich und den „little accident“, den es da gegeben hatte. Diesmal waren wirklich alle Bienen freundlich zu uns und die mit Stachel blieben im Wald.

Es war ein ziemlich heißer Tag und wir beschlossen, trotzdem noch nach Elmina zu fahren, um die dortige Festung zu besichtigen. Jan und ich haben mittlerweile vier Forts an der ehemaligen Goldküste (heute Ghana) besichtigt und das von Elmina gefällt uns immer noch besonders gut: sehr gut erhalten, nette Führung im Eintrittspreis inklusive und keine amerikanischen Reisegruppen.

Auch diesmal war es so – nur dass Jan und ich damals nach der Führung noch „stundenlang“ alleine durch die verschiedenen Räume gestreunert sind und Katja und ich an dem Tag entschieden, den restlichen Nachmittag lieber im Strand des holländischen Paradieses zu verbringen als im alten Gemäuer.

Nachts gingen ein heftiger Sturm und zwei wütende Gewitter direkt über uns herunter und verwüsteten ein wenig den Hotelgarten und warfen eine der wunderschönen Palmen am Strand um. Wir hoffen, dass das der letzte Regen für de nächsten Monate gewesen ist. Mit demselben Fahrer vom Vortag fuhren wir nach Accra. Weil ich nach Klimaanlage gefragt hatte, erschien der Fahrer mit einer Schrottkarre, dessen Abgase in den Innenraum zogen und dessen Fahrwerk so kaputt war, dass der Fahrer bei jeder Kurve und Unebenheit richtig kämpfen musste. Da mir schien, dass er die Auswirkungen seiner Fahrweise in Kombination mit dem inexistenten Fahrwerk nicht zu verstehen wusste, hatte ich ernsthafte Bedenken, sicher in Accra anzukommen. Aber wir schafften es!

60€ für uns drei mit fünf weiteren Schnarchnasen.

Leider hatten wir zu kurzfristig nach einer Unterkunft gesucht und so war alles halbwegs Bezahlbare ausgebucht. Die billigste Option war ein 8er Schlafsaal für 20€ das Bett, immerhin inklusive Frühstück. Westafrika ist nicht nur wegen der Visa teuer, auch bei Unterkünften muss man tiefer in die Tasche greifen. Im Juni hatten wir beide im 6er Schlafsaal eines Hostels in Nürnberg noch weniger gezahlt! Es war unser vierter Aufenthalt in Accra und so wie überall, wo wir nicht nur kurz übernachten, haben wir mittlerweile auch in Accra ein soziales Umfeld. Wir verbrachten einen schönen Abend bei unserem Lieblings-Thai zusammen mit Chloe und ihrem Sohn, bevor wir uns etwas später in den Schlafsaal zurück schlichen, wo schon kräftig gesägt wurde.

Am nächsten Morgen hatte ich das Gefühl, mir als Ausgleich für die unverschämten 20€ pro Bett und vernachlässigter Ausstattung (kein Licht in den Bädern, mangelnde Hygiene und Sauberkeit), den Bauch beim Frühstück mit Zuckerzeug vollschlagen zu müssen und verschlang auf leerem Magen ein wenig zu viel süße Pfannkuchen, Saft und Obst. Gleich vom Frühstückstisch aus wurden wir von unserem Guide, Hamzah, abgeholt, den ich für eine etwas andere Stadtführung engagiert hatte. Wir kamen nicht weit, denn die mitreisende Ernährungstante hatte sich mit dem zuckerbasierten Frühstück ihren Blutzuckerspiegel zerschossen und landete unterzuckert und schwindelig am Kühlregal einer Tankstelle, wo ihr von der mitreisenden Apothekerin Apfelsaft aufgenötigt wurde, um aus dem Zuckerloch wieder herauszukommen. Der Schuster hat definitiv immer die schlechtesten Schuhe…

Damit hatte nun jeder von uns dreien in der gemeinsamen Reisezeit ein Wehwehchen: Katja Typhus, Jan Dehydrierung und ich Unterzucker. Solange wir uns noch schmerzfrei bewegen können und nicht über Krankheiten erzählen, sind wir aber trotzdem noch nicht alt. 🙂 Die Stadtführung konnte beginnen und Hamzah führte uns in „sein“ Viertel Nima. Bis vor wenigen Jahren war das Viertel noch ein verschrienes „Ghetto“ aus Zuwanderern, nun hat es sich einen besseren Ruf erarbeitet und Hamzah zeigte uns den kleinen Markt und den Alltag der Leute im Viertel.

Getrocknete Chamäleons für Voodoo.

Für uns fast normal: es gibt nur kostenpflichtige, öffentliche Toiletten, die privaten Wohnstätten haben keine eigenen Toiletten – es gibt ja auch kein Abwasser – außer die offenen Kanäle zwischen den Häusern, in denen das milchige, müffelnde Abwasser steht. Für „kleine Geschäfte“ und Eimerdusche gibt es kleine Verschläge, die sich einige Bewohner teilen. Das ist auch der Ort, an den man in Westafrika immer geführt wird, wenn man nach einer Toilette fragt: eine Art gemauerte Duschkabine mit kleinem Abflussloch in der Wand. Die Plastikkanne zum Säubern liefert dann meist ein eilig geschicktes Kind. Wir hatten kein Bedürfnis, um die von Hamzahs Familie genutzte „Räumlichkeit“ zu nutzen.

Dieser Teil der Stadtführung war mehr für Katja gedacht die neu in Westafrika war. Ich freute mich auf den nächsten Programmpunkt: den Bestatter. In Ghana gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die ihre Verstorbenen in besonders kunstvoll gestalteten Särgen bestattet. Die Särge beziehen sich dabei auf das Leben des Verstorbenen und so entstehen Särge, die aussehen wie ein Fisch, eine Chilischote, ein Schuh, Telefon, Geldbündel, Krabbe, Flugzeug oder Krebs – oder was auch immer der Tote in seinem Leben so gemacht hat.

Die Handwerkskunst der Bestatter aus Ghana ist weltweit bekannt und die besten Schreiner (eigentlich: Künstler) haben schon auf internationalen Kunstausstellungen ihre Werke präsentiert und es gibt auch Museen in aller Welt, die besonders schöne Exemplare ausstellen.

Der Bestatter, zu dem Hamzah uns brachte, war gerade nicht vor Ort, aber eine Nachbarin brachte den Schlüssel zu seinem „Ausstellungsraum“. In einem zum Schrank umfunktionierten Sarg konnte man weitere Miniaturmodelle möglicher Särge anschauen, darunter auch eine Zigarette oder eine Bierflasche. Da stellte sich uns doch die Frage, ob sich das dann auf das Leben des Menschen als Getränke- oder Tabakhändler bezieht oder doch eher auf die Todesursache…

Während Katja in einer Kunstgalerie in der Nähe die Toilette nutzte, sprach ich mit dem dortigen Mitarbeiter über einen ausgestellten Bronzestuhl. Die Kunst (und Thematik) der Bronze kommt eigentlich erst in Benin und Nigeria auf uns zu, doch schon hier schlugen die Emotionen etwas höher, als ich mich als Deutsche outete. Das Material für die Metallgießerei kam als Handelsgut aus Deutschland und wurde gegen Sklaven getauscht. Die fertigen Kunstwerke raubten die Kolonialmächte dann wieder und bis heute befinden sich noch über 1000 solcher Artefakte in Deutschland. 2022 hat sich Deutschland gegenüber Nigeria verpflichtet, die Raubkunst wieder zurückzugeben, bisher ist aber noch nicht viel geschehen – außer Kritik und Unmut, denn die 22, symbolisch zurückgegebenen Figuren wurden von Deutschland nicht den Familien zurückgegeben, denen sie vorher geraubt wurden. Nein, Frau Baerbock hat sie dem nigerianischen Staat übereignet. Der nigerianische Staat jedoch hat jedoch beschlossen, die Kunstwerke den ursprünglichen Eigentümern zurückzugeben und weil das den Deutschen nicht gefällt, finden derzeit keine weiteren Rückgaben statt – sehr zum Unmut des Galeristen, aus dem es nur so heraussprudelte weil ich vergessen hatte, in solchen Situationen aus Bulgarien statt aus Deutschland zu kommen… Ich bin gespannt, wie wir das Thema (und unsere Nationalität) erleben, wenn wir vor Ort sind.

Hamzah brachte uns dann noch in die „Altstadt“ Accras, sofern man hier von einer „Altstadt“ sprechen kann, denn viele Gebäude aus Kolonialzeiten sind im Stadtteil Jamestown nicht übrig geblieben. Halbwegs erhalten sind noch der Leuchtturm und die Ussher Festung, in der wir eine Führung bekamen. Die Festung war ehemaliges Sklavenhandelsfort und diente dann bis 1993 als Gefängnis, bevor sie zum UNESCO Weltkulturerbe wurde. 2005 brachte der Staat in den damaligen Gefängniszellen Flüchtlinge aus dem Sudan unter, die mit der noch bestehenden Infrastruktur des Gefängnisses versorgt werden konnten.

Heute ist die gesamte Festung in einem miserablen Zustand. Viel wurde mutwillig zerstört und zerschlagen, was nicht kaputt gemacht wurde, zerfällt von selbst. Wie so wahnsinnig oft erlebten wir, dass allein die Tatsache, dass etwas zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, nicht bedeutet, dass es auch erhalten wird. Es gibt einfach kein Geld. Mit dem kärglichen Eintrittsgeld kann hoffentlich zumindest der motivierte Guide bezahlt werden – Touristen verirren sich selten dorthin.

In einem Teil der Festung war früher auch eine Polizeiwache untergebracht und in den ehemaligen Polizeiräumen befindet sich jetzt eine kleine Ausstellung zum Sklavenhandel, wo auch unser „alter Bekannter“ Jan Conny / Johannes Conrad abgebildet war, den wir schon aus der deutschen Sklavenfestung Groß Friedrichsburg kannten. Er arbeitete als Verbündeter beider Seiten: einerseits schusterte er den Deutschen als Einheimischer Sklaven zu und versorgte die Preußen mit frischer menschlicher Ware, andererseits kollaborierte er aber auch mit den Einheimischen, verriet ihnen Strecke und Zeitpunkt der „Warenanlieferung“ und gab so vielen zukünftigen Sklaven die Möglichkeit der Flucht durch organisierten Überfall. Smarter „Doppelagent“!

Von der Terrasse der ehemaligen Polizeiwache aus sah man direkt auf den kleinen Fischereihafen unterhalb der Mauern – und direkt in den Müll aus Europa. Europäische Altkleiderspenden werden nach Westafrika verkauft und landen hier im Müll. Eigentlich sollten Zwischenhändler (wie Remondis in Deutschland) die Bekleidung vorsortieren und nur brauchbare Textilien weiterverkaufen, doch wie sonst auch, ist Westafrika kein Handelspartner, sondern Müllhalde. Die Textilballen enthalten immer mehr „fast fashion“ minderwertiger Qualität, die schon kaputt, zerlöchert und zerrissen in den Altkleidercontainern landet und von den „Recycling-„Firmen dann nicht wie vereinbart aussortiert, sondern ungesehen nach Westafrika exportiert wird. Die Marktfrauen hier können den Schrott nicht mehr verkaufen, bezahlen aber weiterhin denselben Preis pro Ballen Textilien wie zuvor. Der Altkleider-Müll wird dann auf Müllhalden entsorgt und bei jedem Regen mit den Wassermassen Richtung Meer gespült. Und dann wieder angeschwemmt, sodass Strand und Hafen in schwimmenden Altkleidern ersticken. Mehr lest dazu bitte hier: Afrikas Textilmüllproblem

Wir standen eine ganze Weile da und schauten den Wellen zu, die die europäischen Altkleider hin und her schaukelten. Europa rettet ja derzeit die Welt mit den Plastikverschlüssen an Flaschen und den verbotenen Trinkhalmen. Die wahren Umweltprobleme jedoch entstehen nicht durch die drei Europäer, die aus Versehen ihren Flaschendeckel nicht ordnungsgemäß entsorgen oder deren Strohhalm vom Wind in die Natur gepustet wird. Die wahren Umweltprobleme Europas finden nicht auf dem europäischen Kontinent statt, sondern hier in Afrika. Für uns bei jedem Deutschlandaufenthalt immer sehr schwierig Leuten zu begegnen, die davon überzeugt sind, dass das Strohhalmverbot und Deckeldekret die Welt rettet – aber ihre H&M Klamotten „für Afrika“ spenden – und sie über Altkleidercontainer in Westafrika ins Meer kippen…

Unsere Reise mit Katja ging noch weiter, aber ich möchte Euch nicht zu lange mit dem Lesen aufhalten oder mit unbequemen Fakten ärgern. Wie es weiter ging, lest Ihr nächste Woche. Wir bleiben ja noch ein bisschen länger als gedacht in Ghana… Und bevor ich Euch den höchsten Wasserfall Westafrikas zeige, schaut doch das nächste Video von Island an, was Jan fertig gemacht und online gestellt hat. Dann habt Ihr nächste Woche den Vergleich und könnt mitreden:

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