Es ist ja „Allgemeinwissen“ unter Overlandern, dass es „in Westafrika keine Tiere“ gibt. Wir finden komischerweise immer ganz viele Tiere und freuen uns daran, sie ohne Massentourismus erleben zu dürfen – allerdings täte es dem einen oder anderen Tierschutzprojekt wirklich gut, wenn mehr Besucher kämen. Wir haben Katja mitgebracht, die uns aus Deutschland besucht und derzeit mit uns reist.

Nach einem ruhigen Sonntag in Accra sind wir in den Norden Ghanas geflogen, denn wie steigt man als Afrika-Neuling besser in den Kontinent ein, als mit einer Safari? Jan und ich waren im April schon im Mole Nationalpark, aber man kann nicht oft genug Elefanten gucken. Wir hatten Glück, denn „unser“ Taxifahrer, der uns schon im April luxuriös mit seinem VW zum Nationalpark kutschiert hat, stand wieder vor dem Flughafen und wir freuten uns alle sehr, uns wiederzusehen. Nach einem kurzen Snack brausten wir los.

Schon im April hatten wir in Larabanga schlechte Erfahrungen gemacht. Man ließ uns damals Eintritt für die älteste Moschee Ghanas zahlen, um dann frech zu erklären, dass wir als „Ungläubige“ natürlich nur von außen gucken dürften, aber trotz Eintrittskarte nirgendwo eintreten dürften. Diesmal wurde der weiße VW mit uns darin (trotz abgedunkelter Scheiben, die unsere Hautfarbe versteckten) direkt ab dem Abzweig von einer Meute junger Männer verfolgt, die sich sofort auf uns stürzten, sobald wir die Autotüren öffneten. Die Meute verlangte aggressiv „Eintritt“sgeld von uns. Völlig genervt sprangen wir wieder ins Auto – willkommen im muslimischen Norden des Landes! Da klappt nichts so, wie es soll, denn auch der am Vorabend beauftragte Taxifahrer erschien nicht am Flughafen und schickte drei Stunden später eine verlogene Nachricht. Beim Tor zum Nationalpark wurde von uns Eintritt für 3 Erwachsene kassiert – aber eine Familie mit Kind im System eingebucht – der Rest ging in die Tasche des Kassierers. Typisch Nordghana, typisch Guinea, typisch Senegal.

Wir bezogen unser Dreierzimmer und liefen sofort los zum Informationszentrum, wo wir Glück hatten, noch auf ein Safariauto buchstäblich aufzuspringen. Kaum waren wir losgefahren, liefen schon zwei Elefanten vor uns ins Gebüsch. Wir durften aussteigen und aus nächster Nähe zuschauen, wie sich einer der beiden Elefanten mit Staub und Schlamm bewarf und aus einer Pfütze mit Wasser duschte.

Wir waren im April am Ende der Trockenzeit im Nationalpark. Dann, wenn es nur sehr wenige Wasserlöcher gibt, um die sich die Tierwelt sammelt und sehr einfach zu finden ist. Dann, wenn das Gras braun verbrannt am Boden liegt und man auch kleinere Tiere sehen kann. Jetzt waren wir zu Ende der Regenzeit dort und überall stand das Wasser, überall Matsch und hohes, saftiges grünes Gras, in dem sich die Tiere wunderbar verstecken können. Und trotzdem sahen wir bei Katjas erster Safari schon viele Tiere.

Am nächsten Morgen gingen wir gleich auf zweite Safari. Im Mole Nationalpark sind Safaris extrem billig. Man zahlt eine Gebühr von rund 2,25€ pro Person für die Safari und teilt sich dann die 25€ Kosten für das Safariauto samt Fahrer mit allen anderen Besuchern. Es gab nicht viele Besucher, aber bis auf 1x haben wir uns bei den fünf Safaris immer die Kosten teilen können, sodass wir meist um die 5€ pro Person und Safari gezahlt haben. Safaris sind teuer, jaja…

Bei der frühen Morgen-Safari zeigte sich kein Elefant, dafür aber eine tolle Herde Antilopen und viele, viele andere Tiere. Die Elefanten haben zu dieser Jahreszeit Paarungszeit und da mögen sie es lieber etwas „privater“ und verstecken sich hinter den Bäumen. Bei 600 Elefanten im Nationalpark, die jeden Tag je 300kg pro Tier fressen müssen, ist die Wahrscheinlichkeit aber trotzdem hoch, Jans Lieblingstiere zu sehen.

Zur Mittagshitze sind Elefanten gerne in Matsch oder Wasser, um sich abzukühlen. Der Ranger, mit dem wir schon im April unterwegs waren, brachte uns bei der „Mittags-Safari“ zu so ziemlich allen per Auto erreichbaren Wasser- und Matsch-Stellen, doch nirgendwo badete ein Elefant im Schlamm oder duschte sich ab. Die anderen Tiere versteckten sich gut im Schatten und warteten auf die Kühle des späteren Nachmittags.

Am späten Nachmittag waren noch zwei Holländer an Bord, die auch auf „Elefantenjagd“ waren und der Ranger gab sein Bestes. Er fand ganz, ganz frische Spuren und lief ihnen durch den Morast nach – bis er den Elefanten fand, der eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hatte. Er ließ uns durch den Fahrer ausrichten, wir sollten kommen – bloß dass wir im Gegensatz zum Ranger keine Gummistiefel trugen und das Gelände sehr morastig war. Als mein linker Fuß im Schlamm versank, drehte ich um. Ich habe in meinem Leben schon so viele Elefanten gesehen, dass ich nicht durch knöcheltiefe, mit Elefantenpipi verfeinerte Matsche latschen muss, um – vielleicht – einen Elefanten zu sehen.

Die Entscheidung war richtig. Jan, Katja und die Holländer kamen matschig und müffelnd zurück aus dem Dickicht, einen Elefanten hatten sie nicht gesehen. Der kommt in dem rutschig-matschige Terrain einfach schneller vorwärts und war schon weg. Es war mittlerweile richtig spät geworden und unser Fahrer gab ordentlich Gas – sehr zum Ärger von „Nash“, einem 50 Jahre alten Elefanten, der neben der Piste im Gebüsch stand und plötzlich neben uns herjagte…

Jan und ich kannten „Nash“ schon: ein eigentlich freundlicher Elefant, den wir im Frühling schon beobachten konnten. Doch diesmal war er sauer, weil wir definitiv schneller als die erlaubten 40km/h unterwegs waren. Um sich abzureagieren (und die für ihn leckeren Wurzeln zu fressen), riss er einfach mal einen Baum aus und beruhigte sich dann. So kamen wir dann doch noch zu einem Elefanten – und das ganz kitschig bei rosa Sonnenuntergang…

Am nächsten Morgen standen wir zu unserer fünften und letzten Safari früh auf und hofften natürlich nochmal auf einen Elefanten. Der Ranger wusste, wo die Riesen in der Nacht herumgetrampelt waren und führte uns dorthin. Doch wieder waren wir den Elefanten ein paar Schritte hinterher und sie waren schon weg. Dann klingelte das Telefon: ein anderer Safarifahrer hatte einen Elefanten gesichtet und wir düsten los, um nicht wieder zu spät zu sein. Und tatsächlich: dort stand ein Elefant im überschwemmten Gebüsch und frühstückte. Wir erkannten ihn als genau den Elefanten wieder, den wir damals im April als allererstes gesehen hatten – ein kreisrundes Loch im linken Ohr und ein fehlender linker Stoßzahn machen ihn unverwechselbar. Ein schöner Abschluss unseres Aufenthaltes im Mole Nationalpark!

Unser Fahrer, der uns vom Nationalpark hätte abholen sollen, erklärte mir am Vortag, als ich die Fahrt rückbestätigen wollte, er sei in Accra und könne nicht kommen. Der dann vom Nationalpark organisierte Fahrer verlangte schon am Telefon 1/3 mehr, aber was sollten wir tun? Kaum hatten wir den Nationalpark verlassen, forderte der Fahrer nochmal mehr, weil er die Klimaanlage angeschaltet hatte. Danke, nein, wir kennen die Benzinpreise in Ghana und uns ist kein Auto bekannt, was so viel Benzin für die Klimaanlage verbraucht. Wir ließen ihn buchstäblich schwitzen. Und schwitzten mit, Jan und ich froh, bald wieder aus dem muslimischen Norden entkommen zu sein, in dem kein Tag ohne Ärger mit Einheimischen vergeht.

Natürlich hatte der Fahrer, obwohl er das 2x versichert hatte, keine Ahnung, wohin wir wollten, nahm aber von Katja, da Frau, auch keine Anweisungen entgegen, obwohl sie mit ihrem Handy genau zur GPS-Koordinate navigieren konnte. Eigentlich hatten wir noch darüber nachgedacht, auf dem Weg einen Wasserfall zu besuchen, aber dazu hätten wir unser Gepäck im Auto lassen müssen und das Vertrauen zum Taxifahrer war nicht da.

Endlich am Zielort, einem Dorf am Ende einer Lehmpiste, angekommen, waren wir wieder im Christentum gelandet. Alle waren absolut herzlich und hilfsbereit und es stellte sich heraus, dass der von uns ursprünglich georderte und dann nicht aufgetauchte Fahrer einen über doppelt so hohen Eintrittspreis für das Affen-Schutzgebiet verlangt hätte. Die ständigen Betrugsversuche gewisser, eindeutig definierter Bevölkerungsgruppen in Westafrika geht uns seit mittlerweile zwei Jahren furchtbar an die Nerven, aber es ist Europäern schwer vermittelbar, ohne als Rassist wahrgenommen zu werden – richtig?

Das Boabeng Fiema Affen Schutzgebiet ist ein nur vier Quadratkilometer großes Gebiet, in dem Affen absoluten Vorrang haben. Die dort lebenden Menschen müssen sich mit den Affen arrangieren und nicht umgekehrt. Von den rund 1000 dort lebenden Affen sind etwa 2/3 Mona-Meerkatzen und 1/3 die bedrohten schwarz-weißen Colobus Affen, die wir bisher nur aus dem Zoo kannten. Letztere fressen hauptsächlich Blätter und halten sich deswegen eher in den Baumkronen auf, sodass sie schwerer zu sehen sind.

Wir kauften von den Frauen des Ortes kleine Tütchen Erdnüsse und liefen mit einem Ranger in den Wald. Noch auf dem Weg dahin wurde Jan Opfer eines Raubüberfalls: ein Affe riss ihm ein Tütchen aus der Hand und verschwand auf einem Busch, wo er es öffnete und Jan einen Teil des Inhalts wieder vom Boden aufsammeln konnte. Die Monas wissen ganz genau, was die menschlichen Affen für sie in der Hand haben!

Die Kunde, dass Besucher mit Erdnüssen da waren, verbreitete sich rasend schnell im Wald und die Affen saßen plötzlich überall um uns herum in den Bäumen. Man konnte sie mit einzelnen Erdnüssen füttern, die sie, meist ganz zart und vorsichtig, mit ihren kleinen Fingerchen aus unseren Fingern klaubten. Manche mutigen Affen sprangen uns auch auf die Schultern, um einen besseren Blick in die Hand mit den Erdnüssen zu bekommen.

Ein Äffchen saß ganz nah an meinem Kopf auf meiner Schulter und sein Fell war katzenweich und katzenwarm. Trotzdem: es sind Wildtiere und keine zahmen Haustiere. Katja bekam das deutlich zu spüren, als ein Affe der Meinung war, sie solle ihre Hand mit den Erdnüssen öffnen und sich durch Beißen gewaltsam Zugang verschaffte. Auch ich wurde gekratzt, als sich zwei Affen nicht einig wurden, wer jetzt die eine Erdnuss aus meiner Hand nimmt und wer nicht. Ja, wir sind gegen Tollwut geimpft: alles gut!

Bevor jetzt wieder alle Tierschützer Alarm schlagen: das Projekt ist von diversen europäischen Universitäten, deren Forschungsteams und der EU unterstützt und kein „afrikanischer Zoo mit fragwürdigen Methoden“. Die Ausflüge, bei denen Besucher gegen Geld im Wald Affen füttern dürfen, dienen dazu, der gesamten Community ein Einkommen zu verschaffen, das lehrt: ein lebendiger Affe ist mehr Geld wert als ein toter im Kochtopf.

Apropos „Kochtopf“: auch unser Abendessen wurde von einer Frau im Dorf zubereitet, in deren Hof wir aßen und so noch mehr Geld dank der Affen in die kleine Gemeinde kam. Die Übernachtung im Gästehaus des Projektes, in dem sonst Forscher nächtigen und das Frühstück ebenso. Als ich morgens im Nachthemd auf dem Weg zur Toilette war, wurde ich gleich von einer Horde Affen begrüßt – obwohl ich keine Erdnüsse hatte und nicht im Wald war.

Der nette Ranger hatte uns noch einen Fahrer organisiert, der uns in die nächste größere Stadt, Kumasi, bringen sollte. Angeblich wusste der, wohin wir wollten: zum Stadion. In Wirklichkeit wusste er das natürlich nicht, sprach nicht mal die Landessprache Englisch und wir merkten seine Planlosigkeit erst, als er schon wirr in die völlig entgegengesetzte Ecke der zweitgrößten Stadt Ghanas gelandet war. In Kumasi befindet sich der größte Markt Westafrikas und da das Marktgebäude gerade neu gebaut wird, findet dieser gigantische Markt auf den Straßen statt – und unser Fahrer steuerte dort mittenrein. Wir wussten es auch nicht besser und verbrachten 1,5 Stunden in der Mittagshitze im quasi parkenden Auto mitten im Marktgewimmel. Gut, damit hatten wir unseren ersten Besichtigungspunkt schon bei der Anreise abgehakt…

Endlich angekommen, bezogen wir unsere Betten im Schlafsaal des Hostels. In Westafrika gibt es eigentlich keine Hostels (mangels Touristen), nur in Ghana gibt es solch touristische Infrastruktur, denn das Land ist aufgrund relativ guter öffentlicher Infrastruktur und englischer Landessprache beliebt unter Backpackern. Für uns war es eine absolute Oase: unter holländischer Leitung zur Finanzierung eines Projektes, das Kindern gute Schulbildung und Müttern Einkommen als Näherin ermöglicht.

Wir treffen in anderen Ländern Westafrikas so gut wie nie andere Reisende und es war schön, die typische Hostel-Atmosphäre wieder zu genießen, die wir so zuletzt in… Kairo hatten. Und Katja genoss es umso mehr, denn bei ihr lag die letzte solche Erfahrung… 29 Jahre zurück: damals, als wir zusammen durch Lateinamerika gereist sind. Viele unserer gemeinsamen Erlebnisse von damals sollten sich in den kommenden Tagen wiederholen.

Mein optisch männlicher Assistent definiert sich als Katze namens “Princess”

Kumasi ist das Zentrum der Ashanti Kultur aus lokalen Königshäusern und wir fuhren zum Nationalen Kulturzentrum, um im dortigen Museum bei einer Führung alles darüber zu erfahren. Viele kulturelle Dinge sind hier sehr ähnlich wie in anderen westafrikanischen Kulturen oder Gesellschaften, das Besondere ist aber, dass die Ashanti ziemlich großen Widerstand gegen die britischen Kolonialmächte geleistet haben und es sehr lange geschafft haben, nicht von ihnen „unterworfen“ zu werden.

Schon auf der Fahrt zum Museum ging es Jan schlecht und während der Führung sah ich, dass er sehr mit dem Kreislauf kämpfte und in kaltem Schweiß gebadet war. Als sich die zuckersüße Museumsführerin von uns verabschiedete, fragte ich sie, wo das nächste Krankenhaus sei, weil wir einen Malariatest machen wollten. Sicher ist sicher. Wir nehmen zwar Prophylaxe, aber 100% Schutz gibt es nicht und es gibt einige schwere und auch tödliche Malariafälle unter Reisenden in Westafrika, zu denen wir nicht gehören möchten. Das nächste Krankenhaus war zufällig auf der anderen Straßenseite und auf dem Weg dorthin meinte Katja, sie denke darüber nach, auch mal einen Arzt zu sehen, da sie seit vier Tagen Durchfall habe. Spontan baten wir sie, uns ihre Zunge herauszustrecken und ärgerten uns dann, das nicht schon früher getan zu haben: eindeutige Typhus-Zunge! Ab zum Arzt! So, wie Katja 1995 mit mir in Honduras ins Krankenhaus ging, weil ich Dengue hatte, ging ich nun mit ihr in Ghana ins Krankenhaus, weil sie Typhus hatte.

Gesagt, getan. Im Krankenhaus bekamen beide erstmal eine digitale Gesundheitskarte ausgestellt. Dann ging es zur Voruntersuchung (Blutdruck, Blutzucker etc.) und weiter zum Arzt. Die Ärztin war super nett und schickte beide Patienten mit unterschiedlichen Aufträgen zur Probenentnahme. Alles natürlich digital auf der Gesundheitskarte gespeichert. Etwa eine ¾ Stunde später waren die Ergebnisse der Labor Untersuchungen auf dem Server und wir saßen wieder bei der Ärztin, die am PC die Daten ablas: Katja hatte wirklich Typhus und Jan Gott sei Dank keine Malaria, sondern nur Dehydrierung und eine leichte Mandelentzündung. Sie schickte uns mit der Gesundheitskarte in die Apotheke, wo die Daten ausgelesen wurden und jeder mit seinem Tütchen Medikamente ausgestattet wurde. Gesamtkosten der ganzen Aktion: 16€

Nein, das war kein privates Krankenhaus, sondern einfach ein x-beliebiges städtisch-staatliches Krankenhaus mit optisch maroder Einrichtung, aber technisch top-aktuellem Labor, in das Katja und ich hineindurften, weil Katja als Apothekerin sich in der Wartezeit mit einem Kollegen angefreundet hatte. Warum Katja Typhus bekommen hat und Jan Mineralstoffmangel? Trotz Impfung und Ernährungsberaterin als Ehefrau? Weil die Typhus-Impfung nur maximal 60% Schutz gibt, aber für einen milderen Verlauf sorgt. Deswegen war Katja trotz Typhus-Erkrankung noch verhältnismäßig fit und nicht krankenhausreif, wie es ohne Impfung gewesen wäre. Und Jan? Nun, die Vorstellung von Europäern über tropische Früchte im Überschuss und tolles Obst und Gemüse den ganzen Tag hat mit der Realität in Westafrika nichts zu tun. Das ist in Südostasien und Südamerika so, hier aber nicht. Die Realität sieht so aus, dass es morgens süßes Toastbrot mit Ei zu Nescafé gibt und abends in Öl ertränkten Reis mit europäischem Hühner-Müll zu gereinigtem Leitungswasser. Egal, in welchem Land man ist. Möchte man etwas anderes essen, gibt es noch in Palmöl zu Tode gekochte Blätter zu Reis. Das war’s dann auch. Kein Obst, keine Säfte, kein Gemüse. Mangelernährung. Wenn man dann noch wie Jan viel schwitzt (und am Vortrag waren wir dank der Orientierungslosigkeit des Fahrers ja im Auto quasi gegrillt worden), sind die Mineralien weg und man hat kaum Chance, sie schnell genug wieder „aufzuladen“. Westafrika ist wortwörtlich kein „Zuckerschlecken“…

Zurück im Hostel fand das „internationale Dinner“ statt, zu dem jeden Freitag Expats aus Kumasi zum Abendessen kommen. Einer davon pötterte mit einer wunderschönen Yamaha XT600Z Ténéré 1VJ heran: ein Holländer, der hier für eine holländische Firma gearbeitet hat, die in Ghana Bambus anbaut, um daraus in Holland „umweltfreundliches“ Toilettenpapier herzustellen. Unglaublich: Toilettenpapier in Holland aus Bambus aus Ghana. Umweltfreundlich ist daran gar nichts, aber Vergackereierei ganz viel… Am nächsten Morgen ging es den beiden Patienten schon viel besser. Jans Körper hatte die Elektrolyte aus der Apotheke aufgesaugt und Jan war wieder aufgeblüht, Katjas Typhusbakterien starben zügig vor sich hin, sodass unsere kleine Reisegesellschaft wieder fit genug war, um die nächsten Tiere zu treffen: kleine Tiere.

Wir ergatterten einen netten Taxifahrer, der sich bereiterklärte, uns den ganzen Tag zu fahren. Auf unsere Frage, was das koste, antwortete er „da werden wir uns schon einig“. Katja war ganz irritiert und fragte hinterher: „Warum habt Ihr Euch bei ihm darauf eingelassen und bei anderen Fahrern vor der Fahrt alles ausdiskutiert?“ Jan und ich waren uns einig: weil der Fahrer Georg hieß und ehrliche Augen hatte. Hier in Afrika läuft viel Information über den Vornamen und auch wir haben gelernt, das zu erkennen: wer Georg, Michael, Robert oder Vincent heißt, dem kann man trauen. Wenn dann noch eine nackte Frau in der Handyhalterung klebt oder ein Rosenkranz am Rückspiegel baumelt, ist alles gut. Und so war es auch: am Ende eines schönen Tages wurden wir uns ohne Diskussion einig und hatten immer noch weniger als 1/3 von dem Preis ausgegeben, den ein anderer Fahrer (wahrscheinlich ohne Nacktbild im Cockpit) uns angeboten hatte.

Wir fuhren über eine holprige, ausgewaschene Piste tief in den Wald, mitten in ein Schmetterling-Schutzgebiet hinein. Unser Fahrer war auch noch nie dort und er schloss sich unserem Grüppchen an. Zu dem sich spontan noch vier Amerikaner in feinstem Zwirn gesellten. Sie waren, die Herren in Anzugshose, weißem Hemd und Krawatte, die Damen in edlem Kleid und Kostümrock eigentlich auf dem Weg zu einer Veranstaltung, aber dann spontan abgebogen, als sie den Wegweiser mit den Schmetterlingen gesehen hatten. Lachend und Röcke raffend liefen sie durch den Tropenwald und meinten, man müsste die neue Sportart „dress-hiking“ bei YouTube publik machen.

Der Ranger lief vorneweg in Gummistiefeln, der Rest der Gesellschaft in eleganten Sandaletten mit Absatz, polierten Lederschuhen, Flipflops oder Turnschuhen hinterher. Keiner hat sich die Haxen gebrochen, alle haben wir die Urwaldriesen bestaunt, die uns der Ranger erklärt hat. Wir waren schon so oft im tropischen Wald und doch ist es jedes Mal aufs Neue schön, den „Lärm“ des Waldes um sich zu haben: überall zirpt, summt, brummt, zwitschert und: flattert es.

Im Schutzgebiet gibt es 600 verschiedene Schmetterlinge, die überall um uns herumflatterten. Bis wir mitten in den Schmetterlingen waren, mussten die Amerikaner wieder los und wir drei waren allein unter den flatternden Schönheiten. Eigentlich zur falschen Jahreszeit, denn die meisten Schmetterlinge gibt es zwischen März und Juni, aber es war trotzdem toll, wie viele Schmetterlinge um uns herum waren. Ob man zwischen März und Juni dann überhaupt atmen kann, wenn es noch mehr flattert?

Schon in Gefangenschaft ist es schwer, Schmetterlinge zu fotografieren. Wenn diese dann einen ganzen Wald zur Verfügung haben, ist es noch schwieriger. Außerdem: welcher Schmetterling ist der Schönste? Alle! Später, beim Sortieren der Fotos fiel Katja und mir auf: auch das war ein Erlebnis, was wir vor 29 Jahren schonmal hatten. Ob wir uns 29 Jahre älter fühlen? Nö! Nur weiser. Damals hatte ich nämlich eine haarige Raupe angefasst, die aber giftig war und an meinem Arm einen heftigen Hautausschlag verursacht hatte. Das 29 Jahre ältere Ich verzichtete nun auf solche Experimente. Lesson learned! Später, im Hostel, erklärte uns eine Dame beim Abendessen, sie sei leider schon zu alt für unseren Reisestil. Später rechneten wir nach: sie war 20, als sie mit ihrer ersten Tochter schwanger war, zu deren 30. Geburtstag sie anreisen wollte… Alter ist definitiv im Kopf! Wir saßen mit einer Gleichaltrigen am Tisch!

Unser Fahrer, der auch Spaß im „Schmetterlingswald“ hatte, brachte uns dann noch in eines der Dörfer, die in Ghana berühmt für die spezielle Art der „Kente“-Weberei sind. Die Dorfgemeinschaft betreibt ein kleines Tourismusprojekt, in dem man als Tourist gegen kleines Geld (2€/Person) „Touren“ buchen kann: Weberei, Kakaoproduktion oder Dorfgemeinschaft. Wir waren nur wegen der Weberei da, entschieden uns aber spontan, uns noch durch das Dorf führen zu lassen. Mit dem Erlös dieses „Ökotourismus“ unterstützt man Infrastrukturmaßnahmen des Dorfes.

Das Konzept ist toll: in einem kleinen Haus bekommen die Gäste zunächst die Theorie des Spinnens und Webens erklärt und dürfen dann selbst ausprobieren. Ich musste als „Versuchskaninchen“ herhalten, weil Katja der Überzeugung war, die „1000 Fäden“ (in Wahrheit nur 300) sofort zu verknoten und ich zugegebenermaßen auch selbst schon auf kleinen und großen Webstühlen gewebt habe.

Nach Theorie und Praxis ging es in eine größere Halle, in der fleißige Männer in Rekordtempo lange, lange Streifen mit teils komplizierten Mustern webten. Jedes Muster hat seine Bedeutung und jede noch so kleine Änderung daran muss vom König der Community genehmigt werden. Jede Community wird von einem König regiert und verwaltet, dessen Rechtsprechung auch im staatlichen Rechtssystem Gültigkeit hat. Man kann sich entscheiden, ob man Konflikte vor dem stattlichen oder lokalen, königlichen Gericht klärt. Wer den königlichen Weg wählt, bekommt dabei zusätzlich geistliche Unterstützung des animistischen Gottes, der über den Priester der Community mit zurate gezogen wird.

Bei der Dorfführung durften wir den Schrein sehen, an dem der Dorfpriester Tiere opfert und um geistige Unterstützung in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens bittet. Wir durften auch den Innenhof des Königshauses betreten und sehen, wo zwei Mal wöchentlich Versammlungen abgehalten werden, um die Dinge der Community zu regeln. Auch, wenn die Einheimischen das Gebäude „Palast“ nennen: es war im Endeffekt nur ein größeres, afrikanisches Wohnhaus in Betonchic mit Wandreliefen und nicht das, was man sich unter „Palast“ so vorstellt. Nach vier Nächten in Kumasi ziehen wir nun weiter durch Ghana. Mal sehen, was wir als nächstes entdecken! Jan war noch fleißig und hat die nächsten Videos des Sommers online gestellt: Island!

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