Nach fünf Tagen im Paradis Principe musste sich Sao Tome ganz schön für uns ins Zeug legen, um uns zu begeistern. Aufgrund unzuverlässiger Flugverbindungen nach und von Principe mussten wir mit dem absoluten Highlight anfangen und dann ist es immer schwer, auf „normal Null“ zurückzukommen. Wobei Sao Tome auch wirklich überdurchschnittlich schön – und insbesondere lecker ist.
Wir flogen im warmen Abendlicht von Principe wieder zurück nach Sao Tome, wo wir dasselbe Zimmer und Bett wie in der vorherigen Woche bezogen und auch noch dieselben Zimmernachbarn hatten – die wir uns allesamt schonmal online in einer Facebook Reisegruppe „gelesen“ hatten. Mit einem der beidem, einem Holländer, gingen wir am Marktplatz essen und es war wie immer in diesem Land, sehr lecker.
Noch vor dem Frühstück bekamen wir unseren im wahrsten Sinne des Wortes „goldigen“ Mietwagen zur Unterkunft geliefert: ein goldfarbener, 26 Jahre alter Suzuki Jimny in unglaublich gepflegtem Zustand. Er strahlte uns frisch geputzt an – wir waren sofort Freunde und fuhren zum Frühstück mit Frau Konsul aus Deutschland. Wir erfuhren persönlich, was wir in Accra schon von Chat GPT gelesen hatten: im Gegensatz zu anderen Ländern zahlt Deutschland seinen Honorarkonsuln weder Gehalt noch Ausgabenpauschalen noch Dienstreisen. Es sei schließlich eine Ehre, für Deutschland arbeiten zu dürfen. Aha. Auch Visitenkarten müssen aus eigener Tasche bezahlt werden. Sehr befremdlich für uns, die wir in Accra vom bulgarischen Konsul erfahren hatten, wie es eines der ärmsten Länder der EU handhabt… deutsches Botschaftspersonal wird von unseren Steuergeldern überbezahlt, Honorarkonsuln tun unter Umständen mehr, bekommen dafür aber gar nichts.
Und dann zockelten wir mit dem kleinen Jimny los in die Berge. Auf Sao Tome kann man mit dem Auto auf über 1000m in die Berge rumpeln, denn schließlich wächst Kaffee gerne in Höhenlagen und auf Sao Tome gibt es Kaffeeplantagen. Und ein Kaffeemuseum, das trotz geöffneter Fenster aber geschlossen hatte, wie eine Frau aus einem der Fenster hinausrief. Nun ja, man muss kein Geld verdienen, wenn man nicht möchte!
In einem erstklassigen Kaffeebetrieb, dessen Kaffee von der portugiesischen Kaffeemarke „Delta“ als Spezialitätenkaffee vermarktet wird, konnte man so richtig schön „Kaffee und Kuchen“ machen. Natürlich Schokokuchen aus eigenem Kakao, der unter denselben Bedingungen wächst wie Kaffee. Auf der Karte standen bekannte Kaffeegetränke zur Auswahl, aber auch Neues. Der Kaffee, den ich probierte, sah aus wie ein Cocktail, war kalt und schmeckte wie ein herber Raf-Kaffee mit Zitrusnote. Unglaublich lecker! Da wir mit Handgepäck reisen und schon mit der 7kg (beziehungsweise 5kg!) Begrenzung zu knabbern hatten, konnten wir nichts einkaufen und mussten den Geschmack in Erinnerung behalten.
Dann rumpelten wir über eine steile, steinige Bergstraße auf 1153m hoch zum botanischen Garten. Auf 2/3 der Strecke kam uns ein Motorrad entgegen. Der Mann in Gummistiefeln hielt uns an und fragte, ob wir zum Botanischen Garten wollten. Ja, wollten wir! Er sei der Guide und wenn keine Gäste da sind, machen sie früher zu, aber für uns drehte er um. Wie nett!

Finger zum Größenvergleich beachten!
Der Garten war klein, aber sehr gepflegt. Es gab diverse, uns schon bekannte zentralafrikanische oder generell tropische Pflanzen, solche, die in Europa als Zimmerpflanzen im Kleinstformat hier üppig gedeihen und endemische Pflanzen, die nur auf entweder einer der beiden großen Inseln des Landes wachsen oder nur auf beiden – aber nirgendwo sonst.
Als wir uns ins Gästebuch eintrugen sahen wir, dass am Vortag kein Besucher da war. Der Guide erklärte, das liege daran, dass jetzt Nebensaison sei, weil es Beginn der Regenzeit ist und das sei schlecht für den Tourismus. Sprach’s und zeigte ins Tal, wo sich unter uns dunkelgraue Wolken türmten und wahrscheinlich abregneten. Wir waren über den Wolken und blieben trocken.
Wir gaben „kürzeste Route“ ins Navi ein, schließlich haben wir mit dem Jimny einen (fast) vollwertigen Geländewagen und der will genauso gerne spielen wie wir. Naja, wir sind und bleiben einfach Motorradfahrer. Solche Strecken sind mit dem Motorrad einfach schnell, locker und flockig erledigt, mit dem Auto, kippt, rutscht und rumpelt man von Stein zu Stein und dank zwei Spuren auch in Spurrillen und Auswaschungen. Wir kamen durch Siedlungen, wo sonst kaum Autos durchrollen und wenn, dann nicht mit Weißen am Steuer. Kurz vor der gebuchten Unterkunft kamen wir wieder auf eine asphaltierte Straße und merkten sofort: Sao Tome ist touristisch. Es gibt Direktflüge von Europa und diverse Pauschalreiseanbieter, die Rundreisen auf Sao Tome anbieten. Fast 19% des BIP werden mit Tourismus erwirtschaftet – und das hat nicht immer nur angenehme Folgen. Auf den letzten 2km zur Unterkunft hingen sich erst Kinder an unseren Jimny dran, um „doce“ (Süßigkeiten) zu fordern und stellten sich kurz vor der Einfahrt zur Unterkunft mitten auf die Straße, um Süßkram zu fordern. Bitte, gebt fremden Kindern keine Süßigkeiten (oder andere Dinge)! Das ist erstens nicht gut für die Kinder und zweitens nervt Ihr damit alle Euch nachfolgenden Reisenden!
Unsere Unterkunft war himmlisch: mitten im Grün direkt neben einem kleinen Wasserfall gelegen, gab es Hütten oder zwei „Dome Zelte“ zu mieten. Die Zelte waren die billigere und unserer Meinung nach tollste Lösung. In Grönland hatten wir schon ein paar Mal in solchen Zelten geschlafen, allerdings hatte der Betreiber des Camps dort sich so ziemlich alles gespart, was sinnvoll gewesen wäre: einen (solarbetriebenen) Ventilator zum Beispiel und eine Isolierung, sodass uns in Grönland unser eigener Atem als Kondenswasser tagtäglich in den Nacken (und auf Daunenschlafsäcke!) tropfte. Das hatte uns dort schlechte Laune gemacht und als wir hier gleich Ventilator und Isolierung entdeckten, war der Tag gerettet.
Wir legten uns aufs gemütliche Bett und genossen den Blick hinaus ins Grüne. Wunderschön! Zum Abendessen gab es das zweitbeste Essen des Jahres (das beste Essen kam noch, deswegen waren wir dort noch überzeugt, das Highlight des Jahres zu essen) direkt neben dem Wasserfall mit Blick auf unser heimelig beleuchtetes Kugelzelt mitten im Grün. Es war einfach herrlich und fühlte sich so sehr nach Urlaub an!
Nach einem Frühstück mit viel frischem Obst zockelten wir mit dem Jimny los gen Süden. Auf dem Weg lagen diverse Rocas: ehemalige portugiesische Plantagen und ihre dazugehörigen Kolonialgebäude. Nach der Unabhängigkeit wurden die Plantagen, wenn überhaupt, mehr schlecht als recht bewirtschaftet und die damaligen Arbeiter und ihre Nachfahren hausen bis heute in den zu Ruinen verkommenen Gebäuden. Einige Rocas sind zu Unterkünften renoviert, andere rotten weiter vor sich hin – und werden von Touristen heimgesucht / besucht. Wir fuhren eine dieser Rocas an, stellten aber sehr schnell fest, dass wir dort Menschen, die in ärmlichsten Verhältnissen hausen, wie Zootiere besichtigen würden. Die Rocas sind eben keine „lost places“, sondern Wohnstätte vieler Menschen in prekären Verhältnissen. Wenn Touristen dort für Fotos herumstreifen, haben diese „Bewohner“ nichts davon. Im Gegenteil: fremde Weiße latschen in ihren Wohnstätten herum und verletzen u.U. mit Fotos ihre Privatsphäre. Wir drehten sofort um. Wir mögen grundsätzlich lost places, aber dazu müssen sie wirklich „lost“ sein.
Ein Beispiel, wo man eine Roca als Tourist besichtigen kann, ohne Menschen zu Zootieren zu machen, ist die Roca Sao Joao, in der ein portugiesischer Starkoch exquisites Essen zaubert und man für verhältnismäßig kleines Geld einfache Zimmer mieten kann. Theoretisch. Wir wollten einfach nur eine Tasse Kaffee trinken, aber die ganze Roca war von Kreuzfahrttouristen „überfallen“, die dort schlemmten. Wir störten nur, also fuhren wir zu einer einfachen Strandbar, in der wir die deutsche Familie wieder trafen, mit der wir in der Woche zuvor schon die Verkostung weltbester Schokolade bei Claudio Corallo genossen hatten.
Der Strand war ganz nett, aber ehrlicherweise haben wir in unserer gesamten Zeit auf Sao Tome keinen Strand gesehen, der so schönen weißen Sand hatte und so unberührt war, wie die Strände, die wir auf Principe erlebt haben. Principe ist und bleibt einfach ein Paradies. Die Deutschen warnten uns schon vor den letzten Kilometern der Straße gen Süden, auch ein Italiener auf Instagram, Freunde aus Köln und nicht zuletzt Frau Konsul hatten uns alle vor dem Streckenabschnitt gewarnt. Kürzlich sind dort auch portugiesische Touristen mit ihrem Mietwagen abgerutscht und zu Tode gekommen.
Bis zur Plantage unserer Freunde von Socfin war die Straße noch in besserem Zustand als deutsche Landstraßen, danach wurde es eine tiefschottrige, teilweise grobsteinige Angelegenheit, aber der kleine Jimny kannte den Weg schon. Mit seinen 26 Jahren war er diese Straße schon öfter gefahren, als man es ihm ansah und als wir diverse Fahrmanöver anderer Touristen sahen (wir überlegen immer noch, wie man sich in eine ganz bestimmte Situation bringen kann…), wussten wir, warum uns alle gewarnt hatten: wer neu auf dem Kontinent und auf unbefestigten Straßen ist, kam tatsächlich leicht in Schwierigkeiten.
Auf dem Weg kommt man am Cao Grande vorbei, dem „großen Hund“ und Wahrzeichen der Insel Sao Tome. Er ist nicht allein, denn es gibt noch den „kleinen Hund“ und auf Principe den um rund 300m höheren, fast 1km hohen „Pico Grande“, den „Pico Papagaio“ und andere.
Entstanden sind alle diese Berge als Folge der Plattentektonik entlang der „Kamerunlinie“, zu der auch der Mount Cameroon gehört. Aufsteigendes Magma erkaltete im Vulkanschlot, welcher durch Erosion verschwand und die „Propfen“ aus härterem Gestein blieben einsam und wunderschön in der Landschaft stehen. Das Gestein ist kein Basalt, sondern Phonolith („Klangstein“), aber das ist für die meisten von Euch „unnützes Wissen“. Frau Dipl. Geo. könnte dazu noch ewig tippen… Ist er nicht unglaublich schön, der große Hund São Tomés? Gäbe es noch 36-er Filme: einen hätten wir damit bestimmt voll bekommen!
In der Nähe des besten Aussichtspunktes kam plötzlich ein Kuhhirte aus dem Gebüsch. Eigentlich liefen seine Tiere am Pistenrand, doch als wir langsam machten und er sah: Touristen, scheuchte er uns zwei Tiere vors Auto, um uns sehr bestimmt um „doce“ anzubetteln. Laune dahin. Wenn man es gewohnt ist, in Regionen zu reisen, wo Touristen mit Hirn (Principe) oder gar nicht unterwegs sind, machen uns solche negativen Folgen von Tourismus immer wütend. Sao Tome ist leider auf dem Weg, zu kippen, weil zum Beispiel mit Kreuzfahrtschiffen und Direktflügen aus Europa zu viele unreflektierte Touristen „angeschwemmt“ werden.
Einerseits macht es uns das Reisen einfach, denn die Auswahl an Unterkünften steigt mit steigenden Touristenzahlen, es gibt Cafés und Restaurants für uns Touristen und macht mit dieser touristischen Infrastruktur das Reisen auch „netter“. Wie oft haben wir in anderen afrikanischen Ländern gedacht: „hier wäre jetzt ein Café / ein Saftstand / ein Getränkeverkäufer schön!“ Und genau an diesen Stellen gibt’s in touristischen Ländern genau das, was das Herz eines Touristen begehrt. So auch in Sao Tome und das tut auch mal gut. Andererseits führt touristisches Fehlverhalten leider auch zu penetrantem Betteln, Süßigkeiten- der Schreibwaren-Gebrülle von Kindern (und Erwachsenen) und teilweise auch Abzocke.
Und leider fühlten wir uns in unserer nächsten Unterkunft abgezockt. Wir wollten einen Bootsausflug zur Insel Rolas machen, durch die der Äquator verläuft und abends ein Schildkrötenprojekt besuchen, um bei der Freilassung von Schildkrötenbabys dabei zu sein. All das wurde von der „Praia Inhame Ecolodge“ aus angeboten. Der Zimmerpreis von 87€ für eine Holzhütte ohne WiFi, mit kalter Dusche und ohne Klimaanlage fühlte sich schon ziemlich falsch an, aber die Bootsfahrt war über das Hotel deutlich günstiger als anderswo, sodass wir uns den Preis schönrechneten.
Die Lage am Strand war auch wunderschön und das Schildkrötenprojekt direkt nebenan. An der Rezeption konnte man Voucher kaufen, um damit das Projekt finanziell zu unterstützen. Wir beschlossen, erst nach dem Besuch die Höhe des Geldbetrages auf dem Voucher zu bestimmen – und kauften am Ende keinen einzigen. Der „Schildkröten-Beauftragte“ begrüßte uns etwa 10 Touristen am Zaun und statt etwas über die Schildkröten, die Nester, die Babys oder das Projekt zu erzählen, schimpfte er in einer Tour auf Portugiesisch über Touristen, die Lügen über ihn verbreiten würden. Wir schauten uns befremdlich an, aber ließen ihn weiter palavern in der Hoffnung, die Schildkröten zu sehen. Die kippte er dann ziemlich schnell auf den Strand und zog sich unbeteiligt ein paar Schritte zurück. Zwei Touristen hatten nichts Besseres zu tun, als ins Meer rennende Schildkrötenbabys zu fangen und gleich zwei Mal fallen zu lassen, doch der Verantwortliche schritt nicht ein. Ich war verwirrt: ging es nicht um den Schutz der Tiere? Am Ende kaufte niemand einen Voucher.
Zum Abendessen spielte ein alter Mann mit Gitarre und Mikrofon ziemlich schrill und schräg kapverdianische Mornas (warum? Wir waren in einem anderen Land!), unser gegrillter Oktopus war eiskalt, der Kellner zuckte auf unsere Beschwerde hin nur wortlos die Schultern und wir verzogen uns bald in unserer überteuerten Hütte, nicht ganz sicher, ob wir Sao Tome wirklich mögen. Wir kamen uns sehr abgezockt vor. Hinterher lernten wir: die Unterkunft ist unter Vertrag der lokalen, monopolistischen Agentur „Navetur“, die einfach Tourist für Tourist und Reisegruppe für Reisegruppe (es war tatsächlich eine große Gruppe da) dort auskippt. Da ist es ja dann egal, ob Preis und Service stimmen, wenn die Touristen sowieso kommen…
Zum Frühstück wurden wir mit lauter Musik belästigt, statt der Natur mit Vögeln und Meeresrauschen zuzuhören, sodass wir schnell fertig wurden und zum Bootsanleger liefen. Jan musste dem Bootsführer noch helfen, das Boot zu Wasser zu lassen, dann setzten wir über zur „Äquatorinsel“.
Auf der Insel Rolas steht das Denkmal mit dem Äquator-Marker nicht wirklich auf der „Null-Linie“, aber an einem sehr schönen Ort auf einem Berg mit wunderschönem Blick auf die Insel Sao Tome. Als wir dort ankamen, waren wir morgens um 9:30 bei der extrem hohen Luftfeuchtigkeit schon so verschwitzt, dass uns der Schweiß brennend in die Augen lief. Aber: wir waren am Äquator! Beide natürlich nicht das erste Mal, aber wir beide gemeinsam das erste Mal und auch das erste Mal auf einer Insel.
Wir haben noch versucht, mit dem GPS die „Reihe Nullen“ in die Anzeige zu bekommen, haben damit aber aufgegeben. Erstens ist jeder von uns in Flipflops in einen anderen Kackhaufen getreten (Jan wahrscheinlich vom Menschen, ich vom Schwein) und zweiten lief uns der Schweiß in Strömen.
Wir fuhren mit dem Boot zurück nach Sao Tome, zogen aus unserer überteuerten Hütte aus und fuhren mit dem goldigen Jimny wieder dieselbe holprige Strecke zurück. Wir machten nochmal an der Strandbar vom Vortrag halt, um eine Kokosnuss zu trinken – und den dortigen Kater zu knuddeln, der ganz wild auf das Kokosnussfleisch war.
Mit unserer nächsten Unterkunft war schriftlich abgeklärt, dass wir Abendessen möchten und wir hatten auch aus drei Vorschlägen etwas ausgewählt und bestellt. Nur, um beim ersten Hungergefühl zu erfahren, dass diese Info „leider“ untergegangen sei und es nichts zu essen gab. Leider ging draußen auch die Welt unter (schließlich hat die Regenzeit begonnen) und unsere Motivation, 7km zurück zum nächstliegenden Restaurant zu fahren, war gleich Null. Irgendwie war Sao Tome gegen uns. Von Touristen Geld nehmen und dann nicht liefern macht einfach keine gute Laune. Ja, das ist Afrika, aber da, wo wir sonst in Afrika reisen, ist das anders. Da gibt’s keine Touristen.
Nach langer Diskussion gab’s dann doch was zu essen und wir müssen ja nicht wiederkommen. Soll vielleicht auch so, keine Ahnung. Unser süßer Jimny hatte seit zwei Tagen einen schleichenden Platten, um den wir uns als erstes kümmerten, bevor wir zurück in die Stadt Sao Tome zu einer „Vanillefabrik“ fuhren.
Wer qualitativ höchstprämierte Lebensmittel und gute Küche mag (so wie wir), ist auf Sao Tome richtig. Hier gibt es nicht nur preisgekrönte Schokolade und Kakao und außergewöhnlichen Kaffee, sondern auch sehr aromatischen Pfeffer und sehr exklusive Vanille, die mit Goldmedaillen prämiert von Micheln-Sterneköchen bevorzugt wird. Wir wollten wissen, wie man das erreicht und wurden von einer Vanille-begeisterten Französin empfangen. Sie und ihr Geschäftspartner kaufen von über 60 Kleinbauern Vanillefrüchte ab, die diese nicht in Plantagen an Stangen, sondern im Wald in Symbiose mit den die Vanillepflanzen umgebenden Pflanzen anbauen. Sie selbst betreiben noch eine kleine Test-Plantage, auf der verschiedene Anbaumethoden erprobt werden. Ihre Vanille ist Bio-zertifiziert und mit so viel Liebe und Leidenschaft gemacht, dass man es einfach schmecken muss – wenn man noch weiß, wie echte Vanille schmeckt und nicht glaubt, dass das, was als „Vanilleeis“ oder „Vanillepudding“ verkauft wird, etwas mit Vanillegeschmack zu tun habe.
Die Vanille (eine Orchidee) stammt aus Mexiko und nur dort gibt es die bestäubenden Insekten. In allen anderen weltweiten Anbaugebieten muss jede einzelne Orchideenblüte per Hand durch Zusammenpressen künstlich bestäubt werden. Allein das ist schon ein hoher Arbeitsaufwand. Wenn die Früchte dann reif sind und geerntet werden, beginnt der Fermentationsprozess. Bei billiger Vanille ist der in ungefähr 4 Wochen abgeschlossen, etwas hochwertigere Vanille wird rund zwei Monate fermentiert und dann verkauft. Hier jedoch werden 11 Monate lang die Vanille“schoten“ in Bündeln luftdicht gelagert und regelmäßig, anfangs täglich, später wöchentlich per Hand „massiert“, damit sich die beim Fermentierungsprozess bildende ölige Flüssigkeit optimal verteilt und die Fermentation perfekt gleichmäßig abläuft. Jede einzelne „Schote“ wird dabei begutachtet und immer wieder neu gebündelt verpackt – von Massage zu Massage.
Nach rund einem Jahr ist die hochprämierte Vanille fertig und wird im „Fabrikverkauf“ in Sao Tome für etwa 11€ pro Stück verkauft. Wie viel dann ein Michelin Sternekoch in den USA oder Paris dafür bezahlt, könnt Ihr Euch selbst ausrechnen. Zum Vergleich: gleich zwei kleine, vergleichsweise mickrige „Schoten“ im Gläschen in bester Bio-Markenqualität kosten in Deutschland 6€ und waren vor unserem Besuch auf Sao Tome unser Maßstab von „gute Qualität“. Die nicht perfekten „Schoten“, die z.B. nicht zum optimalen Zeitpunkt geerntet wurden oder zu kurz oder zu dünn sind, werden zu Vanilleextrakt, Vanillelikör oder Vanillepulver verarbeitet. Natürlich nicht minder lecker, aber eben nicht perfekt. Zumindest nach den Maßstäben derer, die auf Sao Tome höchstklassige Vanille produzieren. Wir fragen uns: können wir nach der Rückkehr von Sao Tome noch irgendwo Schokolade essen, Kaffee trinken oder irgendetwas mit Vanille genießen? Schwierig bei der heutigen Industriekost, insbesondere in Westeuropa und Nordamerika…
Wir hatten nur noch zwei Tage im Land und wollten noch die Nordküste Sao Tomes erkunden. Unser Jimny zockelte los – beziehungsweise düste über beste Kurvenstraßen gen Norden. Hier haben wir dann doch sehr unsere Entscheidung bereut, ein Auto statt Motorräder gemietet zu haben. Jedoch wären zwei winzige indische oder chinesische Motorräder teurer gewesen als unser goldiger Jimny und weil unser Gepäck nicht wasserdicht ist und darin unsere gesamte Elektronik reist, ist bei den derzeitigen Wetterverhältnissen das Auto definitiv die bessere Wahl gewesen. 45€ kostet das süße Ding übrigens pro Tag. Ohne Klimaanlage. Wer Luxus braucht, zahlt mehr.
Die Nordküste ist unglaublich anders als die Südküste: wesentlich trockener, wesentlich rauer, wesentlich offener und nicht so verwunschen wie „Jurassic Park“ im Süden. Die touristischen Highlights (Cao Grande, Äquatorinsel, Schildkrötenstrände, …) befinden sich alle im Süden. Im Norden werden alle Touristen vom bereits erwähnten Monopolisten Navetour in die „Ecolodge Mucumbli“ gekarrt, das war’s. Dort findet dann Touristenbelustigung mit Musik für 90€ die Nacht statt. Wir entschieden uns für eine alte Roca, in der wir die einzigen Gäste waren und von Familienmitgliedern bekocht und verwöhnt wurden. Wir hatten per WhatsApp für 50€ zwar nur das billigste Zimmer reserviert, bekamen aber ein teures Zimmer mit Terrasse und Meerblick zugeteilt und genossen den Ausblick von dort sehr.
Nach einem liebevoll zubereiteten Frühstück mit oberleckerem Brot (Brötchen aus schwerem Sauerteig!), fuhren wir mit dem zuverlässigen Jimny bis ans Ende der Straße die Nordküste ab. Mit jedem Kilometer Richtung Westen wurde es uriger: Wasserfälle rauschten neben der Piste, mal fuhren wir fast direkt auf dem Strand, mal durch kleine Dörfer oder Rocas. Kein Kind schrie nach „doce“, keiner hielt die Hand auf, es war sehr entspannt und wunderschön.
Als wir abends unsere Unterkunft in der Nähe des Flughafens bezogen, waren wir uns einig: der Süden ist natürlich spektakulärer, man rollt von Highlight zu Highlight – aber zusammen mit vielen anderen Touristen. Jetzt in der Nebensaison war das, siehe Kreuzfahrtschiff und Gruppenreisende, manchmal schon etwas viel für uns. Wir sind aber auch sehr Tourismus-entwöhnt, weil wir den Rest des Jahres in Regionen unterwegs sind, in denen wir uns über jeden weiteren Touristen freuen, um endlich mal wieder in Kontakt mit Gleichgesinnten zu kommen. Und das passiert alle paar Monate mal. Und nicht wie auf Sao Tome alle paar Minuten, wenn man will.
Außerdem waren wir natürlich von Principe absolut verwöhnt: dort gibt es extrem wenige Besucher, keine großen Gruppenreisen (nur Kleingruppen), keine Kreuzfahrtgäste und nur Reisende mit Zeit und Muße, die die unberührte, als UNESCO Biosphärenreservat komplett geschützte Insel genießen und den nachhaltigen Tourismus dort mit jedem Atemzug genießen und wertschätzen. Principe ist einfach besonders, Sao Tome trotzdem wunderschön.
Für unseren letzten Abend in diesem schönen Land hatten wir eigentlich nichts Besonderes geplant. Weil wir um fünf Uhr morgens am Flughafen sein mussten, war der Plan, nur schnell in der Stadt etwas zu essen, um früh ins Bett zu kommen. Doch das Restaurant, an dem wir essen wollten, hatte an dem Abend eine Musik-Combo, die furchtbar war: ein völlig schrill abgestimmtes Klavier und dazu eine schräg trällernde Sängerin, die nur wenige Töne traf und das zusammen viel zu laut. Wir standen auf, fuhren um die Ecke und setzten unserem fast zweiwöchigen Aufenthalt im Land ein kleines Krönchen auf…
In einem alten Kolonialhaus mit Charme ist im ersten Stock eine Cocktailbar, im Garten und Erdgeschoss ein Restaurant, in dem so gut gekocht wird, dass man es mit Sternen dekorieren müsste und auch ein portugiesischer Starkoch gelegentlich dort Gastkoch ist. Wir hatten nicht reserviert, doch wir wurden vom Inhaber fast überschwänglich begrüßt. Er lebt die Leidenschaft für die tollen Produkte Sao Tomes in der Küche aus und ist mit Begeisterung Gastgeber. Dabei kommt er gar nicht von Sao Tome & Principe, sondern aus… Trommelwirbel… Guinea-Bissau! Mit nun Sao Tome & Principe ist das ja unser Lieblingsland Afrikas und der Wirt fragte uns, ob wir auf Principe und auch in seiner Heimat auf den Bijagos waren. Ja, waren wir. „Und? Was ist Eure Meinung?“, wollte er wissen.
Wer sich an den Blogbeitrag von letzter Woche erinnert, der weiß es schon: Principe ist das Paradies, aber auf den Bijagos ist es noch besser, noch paradiesischer. Unser Gastgeber formulierte es so: „Principe ist besser als das Paradies – aber die Bijagos sind der Himmel Die Bijagos sind „roh“!“ Wir waren uns einig, jetzt wurde es Zeit für himmlisches Essen zu erschwinglichen Preisen. Alles aus lokalen, handverlesenen und hochqualitativen Zutaten. Der Nachtisch, ein Schoko-Mouse war das beste Mousse, was wir beide jemals gegessen haben. Natürlich aus allerbesten Kakaobohnen von Sao Tome, mit gerösteten Kakaonibs verfeinert und mit Meersalzflöckchen bestreut. Wie unwahrscheinlich lecker das ist, kann man sich nicht vorstellen, wenn man die Qualität der Grundzutaten nie kennengelernt hat.
Nach dieser tollen Erfahrung rollten wir uns doch etwas später als geplant ins Bett, standen ein paar Stunden später wieder auf und verließen schweren Herzens Sao Tome & Principe, ein neues Lieblingsland in Afrika. Wir möchten irgendwann nochmal wiederkommen. Zum Genießen, Erholen, zum Essen. Mit deutschem Pass kann man einfach so 14 Tage einreisen – optimal für „die kleine Pause zwischendurch“. So wie wir es jetzt gemacht haben. Ganz spontan. Und genauso spontan hat sich das Land in unsere Herzen katapultiert. Afrika „light“ für Naturliebhaber und Menschen, die gute Lebensmittel schätzen. Sao Tome – so gourmet!
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