Aus der Reihe: „Was ich schon immer mal machen wollte“.

Nachdem wir mit dem Nachtzug aus Sofia in Varna angekommen waren, fuhren wir direkt zu unserem liebsten Strandrestaurant, wo es Gott sei Dank endlich „Tsatsa-Saison“ war: frittierte ganze Sprotten. Für mich Inbegriff eines Sommers in Bulgarien. Mit der ersten Portion Tsatsa des Jahres war der Sommer nun für uns Ende Mai richtig eröffnet. Bevor wir uns an „unserem“ Strand in Hans einkuschelten, fuhren wir noch „zu Oma“, um Muscheln von der Muschelfarm zu essen. Wahrscheinlich ist die Frau gar nicht Oma, aber sie erinnert mich mit ihrer Herzlichkeit sehr an die Mutter einer Freundin.

So eine Nacht in Hans, unserem VW Passat, am Strand entschleunigt unglaublich: nur das Meeresrauschen, Wildblumen und wir. Dazu unser kuscheliges Bett keine 50m vom Meeressaum entfernt. Herrlich! Der „deutsche Stress“ fiel mit jeder Welle mehr von uns ab. Zwischen Sofia und Varna hatten wir mehr herzliche Begegnungen mit Wildfremden als in den zwei Wochen zuvor. Der Seelenfrieden war wiederhergestellt. Morgens in der Sonne am Meer zu frühstücken, trägt natürlich auch sehr dazu bei 😊

Und weil wir schonmal da waren, sind wir die paar Kilometer noch nach Rumänien gefahren, um in „unserer Strandbude“ in Vama Veche Kaffee zu trinken und am Strand entlangzuflanieren. Da der Strand, an den wir auf bulgarischer Seite immer fahren, keinerlei Infrastruktur hat, ist es mittlerweile schon fast ein Ritual, nach Rumänien für einen Kaffee am Strand zu fahren. Ist ja gleich um die Ecke. Schnell noch im rumänischen LIDL Brot und Salz gekauft (es war Sonntag), um es unseren ehemaligen Nachbarn, die nun im ersten Ort vor der rumänischen Grenze wohnen, zum Einzug zu bringen. Aus „nur mal kurz Hallo sagen“ wurden ein paar gemütliche Stunden, leckeres Chili zum Abendessen und ein viel zu langer Abend. Denn wir mussten am nächsten Morgen um 8 an unserer Base, unserem Haus an den bulgarischen Bergen sein. Als wir um 21:30 an der rumänischen Grenze los fuhren, lagen noch 311km vor uns. Und davon zur Hälfte Landstraße.

Nach 200km fing es um uns herum an zu blitzen und gewittern. Wir entschieden, die nächstmögliche Übernachtungsmöglichkeit zu nehmen: der Parkplatz eines stillgelegten Fabrikgeländes. Das ist das Tolle an unserer Art zu reisen: unser Bett ist immer dabei.

Etwas unausgeschlafen kamen wir pünktlich an unserer Base an und freuten uns über die Fortschritte am Wiederaufbau der Scheune, an der der Maurer und sein Gehilfe die Wochen unserer Abwesenheit wunderschöne Arbeit geleistet hatten: wir lassen alles an unserer Base im alten Stil und mit Naturmaterialien wieder aufbauen, beziehungsweise renovieren und der Maurer ist ein Meister seines Fachs!

Die Woche über ließen wir die Tastaturen glühen, um die Reisekasse weiter zu füllen und gingen jeden Abend mit viereckigen Augen und plattgetippten Fingern ins Bett. In Hans natürlich, denn warum sollten wir eingesperrt zwischen Steinwänden schlafen, wenn wir auch zwischen lauter Glühwürmchen unterm schönsten Sternenhimmel schlafen können? Draußen, wo wir beim Aufwachen aus dem Bett heraus den Bergblick genießen können und allmorgendlich vor Glück dahinschmelzen, wenn die Berglandschaft bei Sonnenaufgang in rosa weiches Licht getaucht wird, die Vögel (ziemlich zahlreich und ziemlich laut) zwitschern und singen und die Natur um uns herum erwacht…

Am Samstagnachmittag machten wir uns auf den Weg zum Rosenfest in Kazanlak. Ich liebe den Duft der Rosa Damascena, die in Bulgarien, der Türkei und dem Iran zur Produktion von Rosenöl und Rosenwasser angebaut wird. 2019 waren wir frühmorgens im Iran bei der Rosenernte und standen zu Sonnenaufgang im Duft eines Rosenfeldes. Auch, wenn man bei Rosenöl eher an den Orient denkt, so liefert Bulgarien 70 (siebzig!) Prozent der Weltproduktion an Rosenöl. Jedes Jahr wird das Ende der Rosenernte Anfang Juni mit einem großen Rosenfest in Kazanlak gefeiert. Und da wollte ich schon immer mal hin. Unsere Gesamtsituation aus Wartezeit auf das US Visum, Wartezeit auf das neue Weltreisemotorrad und Wartezeit auf das Versiegeln von Kittymobils Unterboden ist für uns zur Zeit zwar etwas unbefriedigend, da wir uns dadurch nie wirklich weit von Holland (Motorrad) Bulgarien (US Botschaft) und Deutschland (Oldtimer Spezialist) entfernen können, aber zumindest konnten wir endlich mal zum Rosenfest in Kazanlak!

Wir erreichten zum Sonnenuntergang das „Ufo“ Buzludzha und kuschelten uns durch eine Herde wilder Karakachan Gebirgspferde (Danke an Hanna für die Recherche!), die dort gelegentlich grasen. Wunderschöne Tiere mit vielen Fohlen und sehr neugierig: sie kamen auf und zugelaufen, als wir uns vorsichtig näherten und einige ließen sich ganz entspannt kraulen. Die einzigen bis heute noch existierenden reinen Bergpferde Bulgariens werden aufgrund ihrer Einzigartigkeit wissenschaftlich begleitet und sind daher zutraulich. Ähnlich magisch, wie die wilden „Ponys“ (es sind Pferde) in der Mongolei!

Wir verbrachten die Nacht an „unserem“ Stellplatz mit bester Aussicht hinunter ins Rosental und starteten früh die Abfahrt hinunter ins Tal. Wir hatten gelesen, dass das Rosenfest dieses Jahr besonders beliebt sein sollte, weil die gelockerten Einreisebedingungen es auch Gästen aus Fernost ermöglichte, zum Fest zu kommen. Und tatsächlich: ein ganzer Reisebus voll Asiaten rauschte heran und lauter lustige, mit Kameras behängte, gut gelaunte und dauerlächelnde Touristen stellten sich wie wir an die Straße, wo morgens Tänze stattfinden sollten.

Wir beide mögen Folklore, wenn sie nicht gespielt ist und von Herzen kommt. Und wir wissen, dass jedes Dorf in Bulgarien, auch „unseres“, eine Folkloretanzgrupe hat. Und dass jeder Bulgare, jeder (!), Horo tanzen kann. „Horo“ heißen die bulgarischen Volkstänze, die im Kreis getanzt werden. Jedes Jahr treten die Tanzgruppen in Turnieren gegeneinander an und auf jedem Dorffest werden diese Tänze bis heute getanzt.

Der erste Versuch, Horo zu tanzen. 2012

Mir war das nicht bewusst, bis ich im Sommer 2012, ziemlich übermüdet nach einer langen solo-Fahrt mit dem Auto im Dunkeln in einem Bergdorf bei Samokov aus dem Passat stieg und mitten in einem Dorffest landete. Die Dorfbewohner schnappten mich an den Händen und ich verknotete meine Beine und stolperte über meine Füße bei dem Versuch, im für mich ungewohnten Rhythmus wie z.B. 11/16 Takt mitzuhalten. Doch der Zauber der gelebten Folklore hatte mich gefasst, ich bewunderte neidisch die bestickten Blusen der Frauen und hatte Ehrgeiz, Horo tanzen zu lernen.

Der zweite Versuch, Horo zu tanzen. 2013

2013 nahmen mich Freunde mit zum Tanztraining in Sofia und ich begann, meine Füße zu entwirren. Letztes Jahr begann ich ernsthaft damit, Horo zu lernen und träume bis heute von den dazu passenden Klamotten. So wussten wir also, dass das, was wir am Rosenfest zu sehen bekamen, keine für die Touristen aus Fernost gespielte Folklore war, sondern aus dem Herzen derer gelebt wurde, die auf der Straße zwischen den Rosenfeldern mit Rosen im Haar und in Tracht tanzten. Es war einfach nur die Folkloregruppe des nächsten Ortes. Beim Rosenfest in Kazanlak finden zwei Wochen lang fast jeden Tag in der Nähe eines anderen Dorfes solche Tänze mit jeweils lokalen Tanzgruppen statt und wir waren Zuschauer bei einer von vielen Tanzdarbietungen. Wunderschön!

Die bulgarischen Frauen unter den Zuschauern trugen alle „irgendwas mit Rosen“: ein Kleid mit Rosenmuster, Rosenketten um den Hals und hauptsächlich Rosenkränze (aus Rosenblüten oder Plastik) auf dem Kopf. Ich war unvorbereitet, hatte aber immerhin ein T-Shirt mit bulgarischer Stickerei an und konnte einen Kranz aus frischen Rosenblüten für meinen Kopf kaufen. Der Tag war für deutsche Verhältnisse mit knapp über 30°C ziemlich heiß (im Rosental wird es im Sommer um die 45°C) und die bulgarische Frühlingssonne ließ die Blüten auf meinem Kopf intensiv duften. Ich war den ganzen Tag umhüllt von traumhaftem Rosenduft!

Nachdem die Tanzgruppe fertig getanzt hatte, war die „Tanzfläche“ (Landstraße) frei für das Publikum. Wildfremde fassen sich an den Händen und tanzen zusammen im Kreis. Und ich mittendrin. Ohne Beine Verknoten, ohne Stolpern, ohne als Ausländer aufzufallen. Der vielleicht schönste Moment des Rosenfestes: mittendrin statt nur Zuschauer mit Kamera!

Nachmittags gab es noch den längsten Festumzug Bulgariens, zu dem viele Tanzgruppen in Tracht aufmarschierten, Kindergärten mit als Rosenkinder oder Blumen verkleidete Kinder mitliefen, sämtliche Vereine der Region auftraten und die Rosenkönigin von ihrem Thron aus eine kleine Rede hielt. In der Innenstadt gab es alles rund um Rosen zu probieren und zu kaufen, es wurde weiter getanzt und gefeiert und wir waren irgendwann müde. So müde, dass Jan während ich unter der Dusche stand im Haus einfach einschlief und wir die erste Sommernacht zwischen den Steinwänden unserer Base statt in der Freiheit mit Bergblick verbrachten.

Am nächsten Morgen waren wir immer noch von den Erlebnissen der vergangenen zwei Tage ganz verzaubert: der Zauber der Gebirgspferde, der Zauber der Horo Tänze, der Zauber der Rosen und des Rosendufts überall. Ich wollte schon immer mal zum Rosenfest in Kazanlak und wurde trotz hoher Erwartungen doch noch überrascht. Es war sicher nicht unser letztes Rosenfest in Kazanlak!

Mittlerweile waren wir schon wieder in Rumänien und auch in der Türkei. Die Zeit rennt. Hoffentlich finde ich ein paar Stunden, um Euch davon nächstes Wochenende zu berichten!

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