Nach einer Woche Dakar rollten wir ganze 52km weiter gen Süden. Wir mussten Zeit überbrücken, bis ein Päckchen aus Deutschland ankam. So gut uns Dakar auch gefiel: zum „Aussitzen“ gibt’s bessere Orte!
Wir fanden ein kleines Paradies dank Airbnb: ein älteres französisch-senegalesisches Ehepaar hatte sich eine Oase geschaffen und nimmt in zwei Gästezimmern Fremde bei sich auf. Milli und Philippe öffneten ihre riesige Garage für die Motorräder und führten uns am Pool vorbei in unser Zimmer: Meerblick vom Bett aus und die sauberste Bettwäsche, das sauberste Bad, das sauberste Ambiente seit dem Agriturismo in Italien! Unglaublich! Wir fühlten uns wie im Luxus-Resort. Für 20€ die Nacht.
Der Strand keine 100m entfernt makellos sauber und fast leer (obwohl Sonntag), ein paar kleine zusammengezimmerte Essensbuden mit günstigem lokalem Essen, keine mehrstöckigen Gebäude im Ort, keine Partymeile, keine Moschee hinterm Haus, keine Muridengesänge, kein Autoverkehr, nur Vögel, Meeresrauschen und das Geräusch der Palmwedel im Wind: ein kleines Paradies. Wir hoffen, dass solche Orte auch lange noch so bleiben, weswegen wir wie bei unserem Urlaubsort in Marokko nicht veröffentlichen möchten, wo genau das ist. Wir wissen, dass es nicht einfach ist, solche Orte fern von Massentourismus, ohne Nepper und Schlepper, frei von Müll und Moloch, ganz ohne Lärm und Nerv zu finden und kennen die Klagen Durchreisender, dass es sowas schon lange nicht mehr gäbe. Doch, gibt’s. Wer ernsthaft hin möchte, darf uns gerne fragen.
Wir genossen den Sonnenuntergang am Strand, schlugen uns die Mägen voll mit einer unglaublich riesigen, unglaublich leckeren Portion gebratenem Reis mit Gemüse und einem ganzen Fisch dazu, tranken Bissap (Hibiskusblütengetränk) und genossen unser Glück. Zurück in der Unterkunft luden uns Milli und Philippe noch auf Snacks und Getränke auf ihre Terrasse ein und wir waren, mal wieder, durch Zufall mitten in der großen, weltweiten Rallye-Familie gelandet. Phlippes Bruder war in den 1980ern gleich 3x bei der Rallye Paris-Dakar mit dem Motorrad dabei. Mit einer… Ténéré und einer DR! Unser eigener Fuhrpark quasi! Sein erster Schwiegervater fuhr 2x mit dem LKW mit und ein guter Freund schaffte sogar mit dem Motorrad einen Etappensieg von Nouakschott nach Atar! Die Nachbarn kamen vorbei und es wurde der Ausflug im März zum Zieleinlauf der Africa Eco Race an den Lac Rose geplant – der aber leider dieses Jahr nicht stattfindet, wie ich leider erklären musste. Die Rallye ist wegen angeblich schlechtem Wetter abgesagt. Mal kurz vor die Tür geschaut: nein, wird andere Gründe haben.
Mein Verdauungstrakt, der mich in Dakar einen Tag ins Bett gezwungen hatte, war nicht ganz so damit einverstanden, nach zwei Tagen Schonkost die Riesenportion fettigen Reis verdauen zu müssen und quälte mich wieder einen halben Tag lang. Und kaum dass ich von “Kotzeritis” geheilt war, fing Jan damit an. Gut, dass wir sowieso zum Anhalten und Ausruhen gezwungen waren, um auf das Päckchen zu warten. Wir hatten beide das Bedürfnis nach etwas Ruhe und Erholung. Wenn man keine Motivation hat, das nächste Ziel anzusteuern und ständig krank ist, dann ist es höchste Zeit, Pause zu machen. Dafür hatten wir den perfekten Ort gefunden! Mauretanien hat uns zwar verzaubert, aber auch einiges an Kraft abverlangt. Es war nicht einfach (weil wir Benzin organisieren mussten und zu Orten fernab jeglicher touristischer Infrastruktur gereist sind) und unser Reisetempo ziemlich hoch, weil die Entfernungen so groß sind. Dazu noch schlechter Schlaf und Mangelernährung aus Chips, Weißbrot und Mangolimo oder Couscous mit wässriger Hammelsauce und wir fühlten nach rund zwei Monaten ein wenig „Raubbau am Körper“. Ein paar Tage „Urlaub am Meer“ waren nötig und so war das „Warten aufs Paket“ wirklich willkommen.
Reisen ist schließlich nicht Urlaub. Reisen ist ein Vollzeitjob, denn ständig muss man den nächsten Schritt planen: wohin fahren wir? Was machen wir da? Welche Route nehmen wir? Welche Infrastruktur gibt’s da? Tankstelle? Unterkunft? Essen? Geldautomat? Wo übernachten wir da? Die Unterkunft muss gefunden werden (hier ist erstaunlich wenig über booking.com verfügbar: also WhatsApps, Mails etc. ein paar Tage im Voraus schreiben oder/und herumtelefonieren) und das nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch (Adressen oft ungenau). Wo parken wir da? Und wenn wir dort sind: wo gibt’s Essen? Und kaum dort, fängt man wieder von vorne an: wohin als nächstes? Ein ewiger Kreislauf an Organisation, erschwert dadurch, dass wir uns meist von den ausgetretenen Pfaden fernhalten und eben in solchen Paradiesen landen möchten statt im Massentourismus der senegalesischen Küste. Wer allen anderen hinterher fährt, hat es aber mittlerweile dank Apps wie iOverlander recht einfach.
Der eigentliche Job (der, mit dem das alles bezahlt wird) muss schließlich auch erledigt werden und der „normale Wahnsinn“ des Alltags kommt noch dazu: das deutsche Finanzamt schickt Schreiben, die auf telefonische Nachfrage hin dann doch irrelevant sind, auf aktuellen Fotos von unserem Haus im Schnee Bulgariens hängt ein Kabel verdächtig schlapp vorm Hoftor, jemand hat uns außerdem ein Paket dorthin geschickt und die Postfrau möchte gerne wissen, was sie damit tun soll, unser Krankenkassenbeitrag ist fällig, die Stromrechnung auch (sowas geht in Bulgarien Gott sei Dank per App!) und Wäsche muss auch gewaschen werden. Per Hand natürlich, die Waschmaschine fürs Motorradgepäck ist noch nicht erfunden worden. Ein Zahlungsdienstleister hat unsere Konten “aus Sicherheitsgründen” auf Lebenszeit gesperrt, weil wir “plötzlich” eine senegalesische (statt deutsche) IP Adresse haben und wir müssen eine Alternative finden, um weiterhin (im Senegal, wahnwitziger Weise) zahlen zu können. Und dann brauchen wir Visa zur Weiterreise, die Motorräder Ölwechsel, neue Reifen und andere Verschleißteile – und wo gibt’s das nun wieder hier alles? Muss auch organisiert werden. Der nächste Louis oder Polo Laden ist zumindest nicht im Senegal. Und weil wir in Dakar niemanden gefunden haben, der einen Adapter zum Wuchten von Motorradreifen hat, musste Jan das mit seinen neuen Reifen auch selbst erledigen: mit zwei Stühlen auf der Terrasse mit Meerblick. Geht natürlich nur, wenn man Wuchtgewichte (zum Aufschrauben) dabeihat. Haben wir. Muss man nur machen!
Wir wollen nicht klagen, jeder wählt seinen Lebensstil selbst, aber wir wissen, dass Euch unsere Fotos und Videos (die übrigens auch alle paar Tage sortiert, editiert, archiviert oder zu YouTube Filmen geschnitten werden müssen) suggerieren, dass wir seit rund fünf Jahren nur Urlaub machen und auf der faulen Haut liegen. Fotos und Videos (ein YouTube Video bedeutet rund 25 Stunden Arbeitszeit!) zeigen aber nur das, was interessant ist zu zeigen. Ihr zeigt schließlich auch nicht Euren Arbeitsplatz, die nervigen Kollegen, den Dreckwäscheberg, den Einkauf oder die Steuererklärung. Ach, die Steuererklärung! Ja, die müssen wir auch noch… in Deutschland. Das alles in einen nomadischen Lebensstil reinzupressen ist nicht immer einfach und kann (klassischerweise nach drei Monaten) schnell zum Reise-Burnout führen. Deswegen sind Pausen wichtig und während ich das hier schreibe überlegen wir schon, ob wir nicht noch länger verlängern sollen. Aber ich glaube, das verschieben wir auf Gambia, dort haben wir einen Tipp bekommen, der ähnlich gut klingt wie das Örtchen, wo wir jetzt sind… Übrigens: die Fotos aus Mauretanien sind mittlerweile alle online: Mauretanien Album
Bis wir 50km weiterfahren, um das Paket abzuholen, schlafen wir ordentlich und bis zu 10 Stunden nonstop, ungestört von Muezzin, Muridensingsang und… Schafen. Kein Witz. Irgendwie hatten wir immer mindestens ein dauerblökendes Schaf vor dem Fenster. Auch in Dakar. Määäääh! Wir essen allabendlich ausgewogen in der Strandbar (es gibt sogar Obst!) und arbeiten weiter die To-do-Listen ab. Und dann holen wir uns die nächsten To-Dos mit dem Päckchen ab, denn der Kram darin will ja verbaut werden. 🙂
Ihr fragt uns immer, wie wir Sachen, die wir unterwegs nicht kaufen können, zu uns schicken lassen. Wir vertrauen da keinem Paketdienstleister oder Kurierunternehmen, wir machen das (außer beim Versand eines ganzen Motors nach Armenien, der dank Schenker ja auch völlig in die Hose ging, hier nachzulesen: 1 Motor, 1 Monat) grundsätzlich mit Privatpersonen. So reisten unsere ersten Carnets de Passage von Armenien nach Deutschland mit Urlaubern zurück statt mit DHL Dokumentenexpress (der 70€ verlangt und alles andere als „Express“ ist), unsere Pässe mit Russlandvisa wurden von einem Unbekannten aus Stuttgart nach Shanghai geflogen, wo ein anderer damals noch Unbekannter die Pässe übernahm und nach Peking brachte, wo wir uns letztendlich alle trafen und zusammen Peking Ente schlemmten. Der damals Unbekannte heißt Bernd und wir sind heute noch in Kontakt: Danke, Bernd! Ein anderer Unbekannter nahm für uns ein Päckchen mit Einspritzdüsen mit in die Mongolei, wo wir es in Ulan Batar abholen konnten und auch wir agieren für andere Reisende als Kuriere: von Kasachstan sind wir mit 98kg Gepäck zurückgeflogen. Darunter ein Fahrrad, viele Weihnachtsgeschenke, Reisegepäck von Fremden und nur Handgepäck von uns. Ich habe schon aus und in die Mongolei geliefert, wir haben Medikamente nach Marokko und Deutschland gefahren, Funkgeräte in den Iran gebracht und Kleinigkeiten (Kühlschrankmagnete z.B.) besorgt und verschickt. Die Kontakte finden sich über Facebookgruppen und meist muss man nicht lange suchen. Als ich Anfang Januar feststellte, dass ich in Afrika wohl mehr Benzinfilter für die Benzinpumpe der Honda brauchen würde als ich dabei hatte, gab es schon drei Angebote von lieben Menschen, diese Filter nach Dakar zu fliegen, bevor die Filter überhaupt geliefert waren.
Wir haben noch ein paar Sachen mehr ins Päckchen gepackt, die es hier nicht gibt (Nahtdicht, spezielle Karabiner, Rucksackschnallen, ein wasserdichtes Kameragehäuse etc.) und eine liebe polnische Urlauberfamilie aus Neuwied hat Kurier gespielt. Das von vielen Deutschen verschriene „Social Media“ ist nicht nur wichtig, um solche privaten „Kuriere“ zu finden, wir nutzen Facebook und Instagram auch intensiv, um uns von Fotos ungewöhnlicher Ziele locken zu lassen. So auch unser nächstes Ziel, doch davon erzählen wir Euch nächste Woche…
Bis dahin genießt unser letztes Video aus Mauretanien. Wüstenkrokodile und eine letzte Kanisterbetankung…
Euch gefällt unser Blog? Schön! Dann unterstützt uns und sagt Danke! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:
- Abonniert unseren YouTube channel: unser YouTube Kanal
- Kauft über unseren Amazon Affiliate Link ein: Amazon.de
- Bucht Reisen und Unterkünfte über unser Booking Affiliate: Booking.com
- Lest oder verschenkt unser EISREISE Buch (und hinterlasst eine Bewertung): unser EISREISE Buch
- Designt über diesen Link T-Shirts und mehr für Euch oder als Geschenk: https://travelove.myspreadshop.de/
- Oder zückt Euer eigenes Portemonnaie und ladet uns virtuell zum Kafee ein. Paypal Spende: https://www.paypal.me/travelove4u
- Möchtest Du uns regelmäßig auf ein Käffchen einladen, schau mal hier: Steady
- Überweisung: Jan-Hendrik Neumann, IBAN: LT44 3500 0100 111 0300 BIC: EVIULT2VXXX (Bank: Paysera LT, UAB)
- Wir gehen mit der Zeit und akzeptieren auch Bitcoins. 🙂 Unser Wallet: 3PVxaabSZGwfWwzFykxLJqTwV7rYrpqjK8
Als Dankeschön für die Spende gibt’s ein Foto von uns mit Deinem Namen und dem “Investitionsgut”. Du findest Dich dann in dieser Galerie wieder.
Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken.