Aber anders, als Ihr denkt! Wir sind mittlerweile in Ghana bei den Motorrädern, waren aber zwischenzeitlich in Amsterdam, Lissabon, Guinea-Bissau und dem Senegal. Und sind immer noch nicht mit den Motorrädern unterwegs.
Am 11. Oktober sind wir erstmal über Amsterdam nach Lissabon geflogen. Die drei Stunden Aufenthalt in Amsterdam haben wir zusammen mit den Eigentümern von Sunshine verbracht. Sunshine ist der 47 Jahre alte Volkswagen LT28 Bus, den wir im April/Mai dieses Jahres von Dakar nach Amsterdam gefahren haben. Obwohl wir die beiden vor Abfahrt in Dakar nicht kannten, ist im Laufe der Reise ein intensiver, freundschaftlicher Kontakt entstanden, der uns die Umsteigezeit in Amsterdam versüßt hat.
In Lissabon übernachteten wir über AirBnb bei einem zuckersüßen Rentnerpaar: er Portugiese, sie aus Angola, wir im ehemaligen Kinderzimmer. Unsere Uber-Fahrerin am nächsten Morgen war auch im fortgeschrittenen Rentenalter und uns fiel auf, dass die portugiesischen Rentner, deren Rente nicht reicht, so selbst die Initiative ergreifen statt wie deutsche Rentner in Altersarmut jammernd auf der Couch zu sitzen und Angst vor der Digitalisierung haben, die ihnen mit z.B. AirBnb und Uber die Rente aufbessern könnte. Wir aßen lecker Bacalhau und Camaraos, bissen zum Frühstück in ein Pastel de Nata und hatten eine Miniportion Portugal-Urlaub intus, bevor es weiter nach Guinea-Bissau ging.
Wir hatten aus unterschiedlichen Gründen letztes Jahr in der Hauptstadt Bissau eine Aufenthaltserlaubnis und Wohnsitz beantragt und nun war das erste Mal, dass wir ohne Visum (das es für uns letztes Jahr kompliziert nur in Istanbul gab) als Einheimische einreisen konnten. Herrlich! Nach all dem Zinnober mit den Visa für Nigeria und Ghana tat das unendlich gut. Wir landeten zur Mittagszeit, schleppten unsere 63kg Gepäck (neue Reifen, Öl etc.) in unser Zimmer (da, wo wir den Wohnsitz auch tatsächlich haben) und liefen gleich zu unserem Lieblingscafé (zugegeben: dem einzigen Café der Innenstadt). Wir waren 11 Monate nicht in Bissau und trotzdem war alles so, als wären wir nie weg gewesen. Es war das dritte Mal, dass wir länger blieben und Bäckerfrau, Bedienung und die ganze Crew des Nachbarschaftslädchens freuten sich über unsere Rückkehr.
Nicht nur Wohnsitz, sondern auch Zuhause. Da, wo die Bäckerfrau fragt „Käsebrötchen ohne Butter, richtig?“ und die Bedienung weiß „Cola mit Eis und Zitrone“. Da, wo man im Versicherungsbüro die KFZ-Versicherung für die Motorräder nur verlängert, statt neu abzuschließen, weil man als Stammkunde bekannt ist und es kein Problem ist, dass die Fahrzeugpapiere gerade in Ghana liegen. Da, wo man ohne Karte und Fragerei durch die Hauptstadt navigiert und die Preise des ÖPNV auswendig kennt (gut, das ist in anderen Ländern auch nicht so kompliziert wie das Tarifsystem des deutschen ÖPNV).
Wir genossen das Wochenende „daheim“, trafen unseren Freund Carlos wieder und ließen uns von seiner Frau auf der Terrasse mit Leckereien aus dem Meer verwöhnen und vergaßen unseren Abschiedsschmerz von Bulgarien, der doch diesmal nach dem etwas verhunzten Sommer in Grönland, Island und Färöer ziemlich intensiv war. Dann kam der Dienstag und damit unser Termin auf der Botschaft von Nigeria. Deswegen waren wir in Bissau, denn ein Visum für Nigeria darf man nur dort beantragen, wo man Wohnsitz hat. Es war uns in Europa unmöglich, das benötigte Visum für Nigeria zu bekommen. Trotz drei Anläufen und Botschaften. Warum und wie das auf drei Botschaften schiefging, könnt Ihr im letzten Blogbeitrag nachlesen. Das Visum für Nigeria ist das schwierigste Visum entlang der Westküste Afrikas und bis vor ein paar Monaten war es noch relativ entspannt möglich, es mit ein wenig „Zuzahlung“ in Benin zu bekommen. Doch dort wurde im Juni das Personal gewechselt und seitdem ist es nicht mehr ganz so, wie es war. Deswegen wollten wir unbedingt das Visum in der Tasche haben, bevor wir von Ghana aus weiterreisen.
Egal, wo man das Visum für Nigeria beantragt, man muss zum persönlichen Interview erscheinen und je nach Botschaft diverse Unterlagen bereithalten. In unserem Fall für die Botschaft in Bissau war das ein persönliches Einladungsschreiben aus Nigeria samt Passkopie des Einladenden, ein Wohnsitz in Bissau, ein Empfehlungsschreiben unseres lokalen Arbeitgebers in Bissau und diverse einfache Dinge wie Gelbfieber-Impfzertifikat, ausgefüllte Antragsformulare, Passfoto und Zahlungsbeleg. Wir waren gut vorbereitet und saßen rund eine Stunde im Büro des Botschaftsmitarbeiters, der für seinen Chef von der Visastelle das Interview führte. Er war ziemlich genau (ihm fiel doch tatsächlich eine Diskrepanz zwischen Arbeitsbeginn in Bissau und Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung auf!), aber wir gut vorbereitet. Im Laufe der kommenden Woche rief er noch weitere zwei Mal für Rückfragen an und wir bibberten dem Termin eine Woche später etwas entgegen. Bis dahin ließ ich mich noch gegen Polio impfen (einfacher als in Deutschland), wir trafen nette Reisende, arbeiteten den ganzen Tag, Tag für Tag an den PCs und genossen Zweisamkeit und Bissau.
Der Aufwand, nach Bissau zu fliegen zahlte sich für uns tatsächlich aus. Und das nicht nur in Form eines 90 Tage Business-Visums, gültig ab Ende Dezember, sondern auch finanziell. Das Visum in Bissau ist für uns zusammen nämlich rund 400€ günstiger als in Europa und der Umweg über Bissau hat uns weniger als 200€ mehr an Flugkosten gekostet. Doppelt gewonnen! Bissau ist immer eine Reise wert. Insgesamt verbrachten wir knapp zwei Wochen in unserer liebsten westafrikanischen Hauptstadt und genossen die Zeit in der gemütlichen Stadt, das „Zuhausegefühl“ und die gemeinsame Zeit zu zweit. Seitdem wir Sunshine bei ihren Besitzern in Amsterdam Ende Mai abgegeben hatten, waren wir in viel zu hohem Tempo gereist und quasi nie alleine. Auch in Bulgarien ging das hohe Tempo weiter und wir waren dankbar für diese erzwungene Auszeit in Bissau.
Ewig konnten wir leider nicht bleiben, denn Ende Oktober liefen unsere Zollpapiere in Ghana aus, die wir bis dahin auch verlängern mussten. Von Bissau nach Accra / Ghana zu kommen, ist ein bisschen schwierig, weil Guinea-Bissau in allen verkehrstechnischen Aspekten eine Sackgasse ist und wir mit deutschem Pass ziemlich limitiert sind, was Flugverbindungen mit Stopover betrifft. Eigentlich kommt da nur Umsteigen in Dakar (oder Casablanca, Nairobi oder Lissabon) in Frage, weil man mit deutschem Pass für alle anderen Länder teure und teils nicht ganz so triviale Visa braucht. Also flogen wir letzten Freitag ganz früh morgens nach Dakar.
So früh morgens, dass wir pünktlich zum Frühstück in unserem „Versteck“ bei Millie südlich von Dakar eintrafen und bei allerschönstem Meerblick ihr herrliches Frühstück mit Saft, echtem Kaffee und selbstgemachter Mangomarmelade genossen. Der Norden Senegals gefällt uns grundsätzlich gar nicht, aber wir waren nun schon 4x bei Millie (die wir vor zwei Jahren über AirBnb kennengelernt hatten) im „Paradies“, dass wir dort herrlich die Seele baumeln lassen können. Familienanschluss inklusive, denn Millies Mann ist Franzose und gehört zur großen Rallye-Familie, zu der wir auch gehören.
Die Familie „unserer Strandbude“ freute sich auch, dass wir wieder auftauchten (zuletzt waren wir im April allabendliche Stammkunden dort) und kochte uns unser senegalesisches Lieblingsgericht: Mafé (Gemüse in Erdnusssauce mit Fisch). Auch, wenn wir keine Senegal-Fans sind, ist dieser kleine halbe Quadratkilometer Senegal zwischen Millie, der Strandbude und dem kleinen Lädchen, in dem man uns kennt, unser „Wohlfühlort“. Diesmal waren wir viel zu kurz dort, doch der Zoll in Ghana musste erledigt werden, die Uhr tickte.
Wir landeten gegen Mittag in Accra/Ghana und wuchteten zum allerletzten Mal unsere 63kg Gepäck in Pappkartons in ein Taxi. Unser AirBnb in Osu, unsrem liebsten Viertel Accras, ist wunderschön und hat Platz für unsere Motorräder, die wir keine drei Stunden nach Landung abholten. Die Batterien hatten beide noch 13,2V Ladespannung uns Jans KTM EXC500 sprang sofort beim ersten zarten Streicheln auf den Startknopf an, meine Honda CRF300L ließ sich natürlich bitten. Wir waren wohl beide nicht davon begeistert, die nächsten Monate gemeinsam unterwegs zu sein, die Honda und ich.
Und dann waren wir einfach wieder da. Wenn man so langsam reist wie wir und nicht überall nur durchrauscht, entwickelt man gewisse „Gefühle“ für Städte. Wir bleiben meist mindestens eine Woche in größeren Städten und so war das Zurückkommen nach Accra auch nur ein „weiter wie bisher“. Und das hieß unter anderem: Frühstück in unserem Lieblingscafé. Leider nicht ganz so schön wie sonst, denn Jan brach sich beim Frühstück einen Zahn. Erster Gedanke: „es ist Wochenende!“. Zweiter Gedanke „wir sind nicht in Deutschland“. Und schon saßen wir bei der Zahnärztin um die Ecke, die ganz erstaunt schaute, als sie das Malheur sah: so macht man das in Deutschland? Immer wieder sind außereuropäische Ärzte erstaunt über das, was das deutsche Gesundheitssystem so liefert. Ein Zahn, dessen Nerv in Deutschland vor 11 Jahren gekappt wurde und eigentlich eine Krone gebraucht hätte, war beim Biss ins Toast kollabiert. Gut, dass es in Accra passiert ist und nicht irgendwo „im Busch“ und gut, dass wir hier Zeit dafür haben.
Es war Wochenende und da findet das „social life“ statt und wir fanden uns im Polo Club wieder, wo ein Turnier für den gute Zweck (Brustkrebsvorsorge) stattfand. Für uns das erste Mal beim Polo und obwohl wir nicht alle Regeln verstanden haben, war es spannend, zuzuschauen. Das letzte Spiel fand mit zwei Frauen-Mannschaften statt und die Gastspielerin, eine Rita aus Nigeria, wurde zum Star. Wir lernten, dass Polo nicht ganz ungefährlich ist, denn zwei Reiterinnen stürzten, eine davon so schwer, dass sie bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr aus dem Rettungswagen herauskam. Ein Pferd wurde verletzt und eins flüchtete nach dem Sturz der Reiterin zurück in die Box. Nicht ganz so spaßig für Reiter und Tier wie für uns Zuschauer, schien uns.
In den Pausen laufen übrigens alle Zuschauer aufs Spielfeld und trampeln die von den Pferden mit ihren Hufen herausgerissenen Rasenstücke wieder fest. Das wirkt ein wenig schräg, weil die Zuschauer natürlich alle chic angezogen sind und auch Damen in Pumps und Highheels fleißig Rasen trampeln und mit viel Sorgfalt das Spielfeld wieder zusammenflicken.
Wir hatten einen schönen, interessanten Nachmittag bei einer für uns neuen Sportart und unter interessanten Menschen aus aller Herren Länder – und Ghana. Auch diese Seite eines Gastlandes kennenzulernen gehört dazu, denn Orte wie der Polo Club oder solche Wohltätigkeitsveranstaltungen gehören genauso zu Ghana wie die Elefanten im Nationalpark. Nach dem letzten Polo Spiel fuhren wir mit dem Taxi los, unser Motorrad-Reisegepäck und Motorrad-Ausrüstung abzuholen. Nun hatten wir alles wieder zusammen und konnten damit beginnen, aus all den Kartons, Taschen und Tüten wieder unser Reisegepäck zusammenzubasteln.
Doch weil Wochenende war und man sich da trifft, waren wir erstmal zum Mittagessen zuhause eingeladen (bei einer Bekannten, bei der wir im Februar in der Elfenbeinküste schon zu Gast waren) und wie das so ist, wird aus Mittagessen schnell Kaffeeklatsch und schon war der Sonntag auch vorbei, ohne dass die Motorräder den nötigen Service bekamen. Es ist schön, weltweit liebe Menschen um sich zu haben! Auch das ein Ergebnis unseres langsamen uns intensiven Reisens.
Montag früh waren wir die dritten Besucher beim Hauptzollamt. Unsere Motorräder waren im März mit einem Carnet de Passage (einem internationalen Zolldokument für Reisefahrzeuge, die nur temporär importiert werden) eingereist und in Ghana dürfen Fahrzeuge so lange zollfrei im Land bleiben, wie das Carnet Gültigkeit hat. Und unseres lief am 31.10. ab. Entweder hätten wir vor Ablauf dieser Frist die Motorräder aus Ghana ausführen müssen oder das Carnet verlängern lassen oder das ablaufende Carnet gegen ein neues tauschen. Wir taten letzteres. Es war überhaupt kein Problem, alle Zollbeamten waren super freundlich und hilfsbereit. Nun hatten wir allen Papierkram erledigt: Visa für Nigeria in der Tasche und die Zollpapiere in Ghana in Ordnung gebracht. Jetzt konnten wir aber los, oder? Nein. Noch lange nicht.
Montagnachmittag saß Jan das zweite Mal bei der Zahnärztin. Die war nicht ganz so glücklich, weil der Zahn der Länge nach gespalten war und das bedeutete für uns: Umplanen, denn die Zahnärztin veranschlagte mehrere Termine. Eigentlich wollten wir Mitte November nach Togo ausreisen – und das zusammen mit meiner Schulfreundin Katja, die uns besucht und am 23.11. ab Lomé zurück nach Deutschland fliegt. Weil wir aber schon Flugtickets für den Norden Ghanas gebucht hatten und die Zahnärztin zu einer Fortbildung fährt, ist der 22.11. der nächstmögliche Termin für die finale Krone auf dem Zahn. Aus unserer gemeinsamen Reise nach Togo wird nichts. Ghana hat aber genug für mehrere Monate zu bieten, sodass wir uns bestimmt nicht langweilen werden!
Die ganze Woche verbrachten wir dabei, die Motorräder für die Weitereise gründlich zu servicen: nicht nur neue Reifen und frisches Öl, es war auch Zeit für Ventilspielkontrolle und den Austausch einiger Dinge, die auf den vergangenen 20.000km Afrika den Geist aufgegeben haben: mein Öltemperatursensor, unsere Zusatzscheinwerfer (die allerdings schon 10 Jahre alt und mit uns im Winter am Nordkap waren!), eine breitere Sitzbank für Jans Popo, ein neues Gepäcksystem für die KTM, eine neue Einspritzung für die Honda,… Am Ende müssen die 63kg Gepäck, die wir in fünf Flügen bis Ghana geschleppt haben, ja auch an die Motorräder! Klingt nach viel, aber bei 4 Reifen und 5l Öl ist das Gewicht schnell zusammen.
Wir sind nicht ganz fertig geworden mit dem Service. Ein paar “Baustellen” haben sich erst während des großen Services ergeben und weil wir hier im Innenhof unserer Unterkunft und nicht in einer gut ausgestatteten Motorradwerkstatt schrauben, ist das nicht immer einfach und wir müssen für Unvorhergesehenes (Lenkkopflager Honda bei erst 21tkm) erstmal wieder Werkzeug organisieren. Doch bis Jan seinen letzten Zahnarzttermin hat, parken wir die Motorräder und ziehen zusammen mit Katja als Backpacker durch Ghana. Wir sind da nicht so fixiert auf ein bestimmtes Fortbewegungsmittel… So wie letztens in Grönland:
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