Nach unserer sehr intensiven Zeit mit den sehr speziellen Erlebnissen im Königspalast und viel authentischem Voodoo in Abomey brauchten wir erstmal eine kleine Pause, die wir uns rund um Weihnachten nahmen. Manchmal sind Kopf und Herz von den Erlebnissen der Reise so voll, dass man nicht mehr aufnahmefähig ist. Dann weiter zu reisen bedeutet, einen „Reise-Burnout“ zu bekommen. Klingt an den Haaren herbeigezogen, aber klassischerweise tritt er nach drei Monaten auf, wenn man in Urlaubstempo reist. Reisen ist definitiv kein Urlaub und wir achten darauf, unsere Entdeckungslust und Reiselust immer aufrecht zu halten, was nur durch bewusstes „Bremse Ziehen“ gelingt.

Drei Tage blieben wir noch in Abomey ohne Programm, dann bewegten wir uns 116km weiter nach Ouidah. Die Sehenswürdigkeiten von Ouidah kann man eigentlich in einem halben Tag „abhaken“, wir nahmen uns drei Tage Zeit und verbrachten viele entspannte Stunden mit dem kindle und Krimis statt Reiseführern. Ouidah ist bekannt als die Stadt in Benin, in der alljährlich Anfang Januar das große Voodoo Festival stattfindet, zu dem dieses Jahr angeblich 200.000 Gäste erwartet werden. Um diese Massen zu vermeiden, haben wir unsere Reiseroute angepasst.

Installation „Promesse“

Ouidah ist ein wirklich hübsches Städtchen mit kolonialem Flair, aber weil derzeit die gesamte Innenstadt mit Kopfsteinpflaster versehen wird, herrscht absolutes Verkehrschaos. Mit dem Motorrad noch halbwegs machbar, aber wir hatten schnell raus, wo wir gut parken können, um besser zu laufen. Als erstes sind wir zur Fondation Zinsou, in einer wunderschönen kolonialen Villa, die so auch auch in Brasilien stehen könnte. Viele in Brasilien freigelassene Sklaven kehrten nach Ouidah zurück und bauten Häuser im brasilianischem Stil. Die Zinsou Stiftung ist ein Kunstzentrum, in dem man alle drei Monate eine neue Ausstellung afrikanischer Künstler entdecken kann.

Aufpassen, dass das Versprechen nicht verwelkt und vergeht!

Man bekommt eine Führung, denn die Installationen erschließen sich nicht ohne. Wir besuchten die Ausstellung „Promesse“, in der es in Zusammenarbeit mehrerer afrikanischer Künstler um Versprechen ging. Jede Installation war so groß, wie ein Zimmer der Villa und mit der Führung wurde Raum für Raum jeder Aspekt rund um Versprechen klar. Am Ende durfte jeder Besucher sich selbst ein Versprechen machen, das auf einen Zettel schreiben und in Kisten werfen, die in 10 Jahren als Schlusspunkt des Projektes geöffnet werden. Spannend!

Unsere Idee, zum Sonnenuntergang an den Strand zum „Tor ohne Wiederkehr“ zu fahren, entwickelte sich als Schnapsidee, denn wegen der Pflasterarbeiten war die Zufahrtsstraße zum Meer gesperrt und Baustellen-LKWs, Autos und Motorräder quälten sich mühsam über eine schmale, einspurige Piste. Endlich am Strand angekommen, wühlten Bagger laut lärmend herum, denn der Torbogen, der symbolisch für den Abschied der Sklaven von ihrem Kontinent steht, befindet sich neben dem neuen Stadion für das Voodoo Festival und der Strand muss einem Parkplatz weichen.

Ouidah ist auch bekannt für den „Python Tempel“, der unter Anhängern des „Python Kults“ für Fruchtbarkeits-Zeremonien besucht wird. Im Tempel selbst leben derzeit 155 Pythons, die hauptsächlich auf einem Haufen, der einem Berg verknoteter Taue ähnelt, im Tempel liegen. Allerdings sieht man, wenn man genau schaut, dass die Tiere überall im Tempel sind. Oft so ineinander verschlungen, dass man nicht weiß, welcher Kopf zu welchem Schwanz gehört.

Die Schlangen werden nicht gefüttert, sondern ein Mal pro Woche aus dem Tempel gelassen. Dann dürfen sie bis zu zwei Tage durch die Nachbarschaft kriechen, um sich ihr Futter (Mäuse, Ratten etc.) selbst zu fangen. Die Anwohner bringen Schlangen, die nach zwei Tagen immer noch außerhalb des Tempels herumschleichen wieder zurück. Königspythoms werden in Westafrika nicht getötet, weil auch Menschen, die nicht diesem speziellen Kult angehören ihren Nutzen als „Nagerschreck“ schätzen. Die Königspythons sind relativ ungefährlich. Erstens sind es Würgeschlangen und beißen nicht und zweiten ist es die kleinste Art der Pythons und sie wird sehr selten 2m lang, die meisten sind nicht viel länger als 1m.

Wer mag, darf sich eine heilige Schlange vorsichtig um den Hals legen lassen. Das wollten sogar die kleinsten Kinder (etwa 2 Jahre) der Familie, mit der wir uns den englischsprachigen Führer teilten. Weil die Schlangen für solch kleine Hälse dann doch zu schwer sind, durften nur die älteren Kinder die lebende Kette um den Hals legen, aber der Kleinste durfte immerhin anfassen. Anhänger des Python Kults tragen charakteristische Ziernarben und je mehr wir über Ziernarben erfahren, desto häufiger sehen wir sie und können daraus lesen. Mittlerweile kennen wir auch die Ziernarben auf dem Oberkörper initiierter Voodoo Gläubiger und wissen andere Zeichen (wie Arm- und Fußbänder mit Kaurimuscheln) richtig zu deuten.

Deswegen war für uns der Besuch im „heiligen Wald“ von Ouidah nicht ganz so spannend wie für andere Touristen, die in Ouidah zum ersten Mal mit Voodoo in Kontakt kommen. Der größte Teil des Waldes ist heilig und darf nur von Menschen betreten werden, die den Initiierungs-Ritus abgelegt haben. Der öffentlich zugängliche Bereich des Waldes ist eher ein Park, in dem diverse Götter als Statuen dargestellt sind und ein Guide den Besuchern anhand der Statuen einen kurzen Überblick über die Religion gibt.

Für uns waren die Flughunde in den riesigen Bäumen wesentlich interessanter, was unseren Guide (der sich online selbst Deutsch beigebracht hat und es echt gut spricht!) etwas irritierte. Er konnte nicht wissen, dass das unsere letzte Voodoo Station in Benin war, denn nach den intensiven „Voodoo Studientagen“ in Abomey wirken die für Touristen sonst interessanten Orte für uns langweilig, weil wir zu tief in das Thema eingestiegen sind. Der Wald ist übrigens deshalb heilig, weil ein lokaler König während einer kriegerischen Auseinandersetzung plötzlich „verschwand“ und in einen Baum verwandelt wurde.

Nach drei sehr entspannten Tagen fuhren wir ganze 44km weiter nach „Grad Popo“. Buchstäblich „am A… von Benin“, denn der Ort befindet sich im nur 1km breiten Zipfel Benins, der 21km lang in Togo hineinragt. „Klein Popo“ (heute: Aneho) auf der anderen Seite der Grenze war übrigens die deutsche Hauptstadt von Togo, bevor sie nach Lomé verlegt wurde. Wir zogen in eine unglaublich süße Hütte am Strand ein. Allerdings entpuppte sich die „Komposttoilette“ als 20l Eimer.

Den Nachmittag verbrachten wir zum ersten Mal seit Ewigkeiten (wahrscheinlich Zebrabar im Senegal im Januar 2023) unter anderen Overlandern aus Deutschland und Österreich, bevor wir am nächsten Tag zu einem ganz kleinen Schildkrötenprojekt fuhren. Dort bemüht man sich, die Meeresschildkröten rund um Grand Popo zu schützen. Die Nester werden aus dem Strand ausgegraben und in Holzkisten umgefüllt, um die Eier vor Räubern auf zwei oder mehr Beinen zu schützen.

Wenn die Babys schlüpfen, werden die starken Babys sofort ins Meer begleitet, die schwachen Babys kommen in einen riesigen Bottich, in dem sie drei Tage ausruhen und fressen können, bevor auch sie zum Meer begleitet werden. So will man die Überlebensrate auf den ersten „Lebensmetern“ der Tiere steigern, denn nur eins von 1000 Schildkrötenbabys wird die Geschlechtsreife erreichen und für Nachwuchs sorgen.

In anderen Becken werden erwachsene Schildkröten aufgepäppelt. Solche, die sich in Müll oder Fischernetzen verheddert haben, von Außenbordern oder Wilderern verletzt wurden oder zum Beispiel eine schwimmende Plastiktüte mit einer Qualle verwechselt haben und Hilfe brauchen, um wieder fressen zu können. Die bei unserem Besuch anwesenden beiden Schildkröten waren etwa sieben und acht Jahre alt und somit noch weit entfernt von der Geschlechtsreife. Je nach Schildkrötenart beginnt diese erst nach 25 bis 35 Jahren. Das Projekt ist auf die finanzielle Hilfe und tatkräftige Unterstützung Freiwilliger angewiesen und weil wir beide Schildkrötenfans sind, haben wir eine Finanzspritze dagelassen.

Und dann war Silvester. Unsere Unterkunft hatte damit geworben, ein Buffet am Lagerfeuer und Lifemusik (Trommler) zu bieten. Die drei anderen Overlander, wir beide und noch zwei andere Gäste sagten zwei Tage vorher zu, erfuhren aber am späten Nachmittag, dass es kein Buffet gäbe und wir aus drei Gerichten wählen sollten. Okay… Musik gab es dann auch keine (nicht mal vom Band) und das Lagerfeuer am Strand wurde genau dann angezündet, als alle Gäste gleichzeitig auf der Terrasse das Essen serviert bekamen. Weil dann alle aßen und keiner am Feuer saß, wurde kein weiteres Holz mehr aufgelegt und wir verbrachten einen Abend ohne Buffet, ohne Lagerfeuer und ohne Musik auf der Terrasse. Auch fast ohne Getränke, denn die Crew hing schläfrig hinter der Theke und wir mussten jeden Tropfen selbst organisieren. Na dann: Prost Neujahr!

Am Morgen des dritten Tages war unsere „Komposttoilette“ (der Plastikeimer) fast randvoll und da wir mittlerweile mittbekommen hatten, dass diese Eimer auf demselben Gelände nicht weit von der Hütte in ein Loch im Sand gekippt wurden, verabschiedeten wir uns und fuhren nach Cotonou, der Hauptstadt von Benin. Zwei Tage am Strand sind aber auch grundsätzlich genug für uns! Wir haben beide jeweils eine Akkuladung vom kindle mit Krimis „leergefressen“ und waren wieder erholt genug für Neues.

Seit Mittwoch sind wir nun in der Hauptstadt, die uns angenehm überrascht hat: der Verkehr rollt flüssig, es gibt extra Fahrspuren für Motorräder, getrennt von den Autospuren, es ist ziemlich sauber und ordentlich und es gibt die für Hauptstädte übliche internationale Restaurant-Szene. Das bedeutet für uns: es gibt endlich wieder echten Kaffee, die nach Bissau Anfang Oktober lang ersehnte Pizza und eine wesentlich bessere Infrastruktur als in Lomé zum Einkaufen. Wir vermuten, dass wir Benzin mit etwas Wasser getankt haben (an einer Tankstelle), denn die Honda springt nach Stehzeiten schlecht an, ohne dass wir dafür andere Gründe finden könnten. Das in Cotonou gekaufte Additiv wird es hoffentlich richten!

Nach zwei Tagen intensiv rauchender Köpfe haben wir nun einen ungefähren Plan für die nächsten Monate und Visa. Es ist kompliziert, weil wir langsamer und intensiver reisen als andere. Das bedeutet, dass Visa, die nur zu 7 oder 14 Tage Aufenthalt berechtigen, für uns nicht in Frage kommen. Weil wir so langsam sind, können wir auch nicht Visa dort beantragen, wo alle anderen das tun, weil bei unserem „Entdeckerschneckentempo“ die Gültigkeit des Visums schon abgelaufen ist, bis wir an der entsprechenden Grenze stehen. Außerdem sind wir so „schneckig“ unterwegs, dass wir nun schon zum dritten Mal in Afrika in die Regenzeit geraten und uns Gedanken machen müssen, wo wir die Motorräder parken und wo wir in der Zwischenzeit reisen – und welche Visa wir für diese Zeit wo und wie bekommen. Aber das ist alles „in der Mache“…

Mitte nächster Woche reisen wir nach Nigeria ein. Dort wird unser Reisetempo recht hoch sein und die Internetabdeckung niedrig. Daher wird wahrscheinlich nächste Woche Pause auf Blog und YouTube herrschen. Seit gestern ist das zweite (und somit letzte) Video unserer Zeit in Togo online: wunderschöne Pisten durch die Berge, spaßige Kurvenhatz auf bestem Asphalt, deutsches Kolonialerbe und mein liebstes Motorrad (Spoiler: keine Honda):

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