Nachdem wir Lagos gen Norden statt gen Osten verlassen haben, sind wir auf Abwegen, denn Nigeria wird unter Overlandern auf kürzester Strecke durchquert. Der Grund: die volatile Sicherheitslage im Land, die auch von uns eine sehr genaue Planung erfordert, um nichts zu riskieren.

Als erstes fuhren wir nach Abeokuta, ganze 113km nördlich von Lagos. Zwischen Lagos und Abeokuta war kaum Landschaft, aber so kennen wir das aus dem Ruhrpott. Ein Freund von Ade aus Lagos hatte uns ein Hotel empfohlen, was wirklich komfortabel, sicher und preiswert war. Für uns ist insbesondere bei den Hotels die Sicherheit wichtig und größere Hotels in Nigeria gleichen Gefängnissen: ein oder zwei bewachte Tore, Stacheldraht überall, Gitter vor den Fenstern und Wachpersonal mit und ohne Waffen. Und mit Restaurant, damit wir abends im Dunkeln nicht mehr raus müssen.

Schräg. 🙂

Weil es in diesen Restaurants aber immer nur „Huhn mit Reis“ gibt, versuchen wir wenigstens in größeren Städten in der näheren Umgebung des Hotels zu Fuß oder weiter weg per Taxi App Restaurants zu finden, die zumindest laut Fotos der Gäste, die auf Google das Restaurant bewertet haben, auch etwas anderes servieren. So liefen wir am ersten Abend in Abeokuta los zu einem Restaurant, das die Gerichte von der Speisekarte auch tatsächlich servierte. Ich bestellte „Nudeln mit Gemüse“, Jan wählte Rindfleischtopf. Geliefert wurden Rindfleischtopf (mit Reis) und Nudeln mit Würstchen (das „Gemüse“) in Scheiben und… Chicken Wings. Leider war das einzig richtige Gemüse an dem Essen Chili – und davon so viel, wie ich es noch nie geschafft habe, zu essen. Aber weil ich am Vorabend schon kaum gegessen hatte und das Frühstück der vorherigen Tage aus einem Dessertschälchen Tapiokabrei bestand, zwang ich mich, die Nudeln zu essen. Erst brannte mein Mund, dann die Lippen, die Nase lief und als ich anfing, zu weinen, hatte ich schon fast aufgegessen. Auf dem Rückweg zum Hotel brach mir der Schweiß aus, mein Mund wässerte wie verrückt und mein Kreislauf machte schlapp. Es war dunkel und wir zwei Weißen schleppten uns die Straße entlang. Sofort wurde uns von allen Seiten Hilfe angeboten: ich bekam einen Stuhl und Wasser gereicht, man sorgte sich um mich. Wäre das in Deutschland auch so nett und hilfsbereit abgelaufen, wenn im Dunkeln ein Schwarzer taumelnd die Straße entlangläuft?

Am nächsten Morgen wurden wir von Wura und ihrer Freundin abgeholt. Wura ist die Frau eines Freundes von Ade und die beiden Frauen zeigten uns ihre Heimatstadt Abeokuta. Ich hatte mich im Vorfeld nicht mehr getraut, Ade nach Kontakten zu fragen, weil es in Kano ja schon so perfekt lief, aber als Wura anbot, uns in eine traditionelle Textilfärberei zu bringen, war ich begeistert: genau das hatte ich erfolglos gesucht! Abeokuta ist berühmt für die Färbereien, die mit Maisbrei (!) Muster schaffen.

Dazu wird Maisbrei mit Metallschablonen auf den Stoff aufgetragen und dann in der Sonne getrocknet. Beim anschließenden Färbebad nimmt der Maisbrei die Farbe anders auf als die Baumwolle und so entstehen einfarbige Muster. Nach dem Färben und Auswaschen werden die Reste des Breis abgekratzt und die Stoffe in der Sonne getrocknet. Sehr interessant!

Bei der „Tie&Dye“ Technik werden die Stoffe kunstvoll gefaltet und geschnürt und dann in verschiedene Farben getaucht, um recht komplizierte Muster zu erzielen. Wir würden das „Batik“ nennen, aber es waren sich alle außer uns einig: Batik ist das nicht! Batik ist nur mit Maisbrei oder Wachs! Okay….

Der klassische „Wachsdruck“ findet tatsächlich mit Kerzenwachs statt. Die Muster sind aus Schaumstoffbrocken herausgeschnitzt, die dann in das heiße Wachs getaucht und auf den Stoff gestempelt werden. Dann wird gefärbt und hinterher in großen Kesseln auf offenem Feuer das Wachs wieder ausgekocht.

Egal, mit welcher Methode die Stoffe gefärbt und gemustert wurden: am Ende werden sie in ein Stärkebad getaucht und zum Trocknen glatt in der Sonne ausgebreitet. Das gesamte Viertel war mit solchen Stoffen und Textilien „dekoriert“, überall lag etwas zum Trocknen aus.

Leider sind mittlerweile die Chinesen drauf gekommen, dass Westafrikaner solche Stoffe gerne tragen und kopieren die Designs mehr oder weniger erfolgreich auf dünnen Synthetik Stoffen. Der Stoffverkäufer, dessen Färberei wir uns ansehen durften, hatte solche Chinaware im Laden und erklärte uns den Unterschied. Das Schöne ist: in Nigeria (und Ghana, Benin, Togo) tragen die Leute noch ihre traditionellen Stoffe. Der Stoff wird beim Stoffhändler oder bei der Weberei direkt gekauft und dann beim Schneider zu wunderschönen Kleidungsstücken verarbeitet. Auch Wura trug an dem Tag Batikstoff aus Abeokuta. Nur Menschen, die es sich nicht leisten können, tragen die Altkleider aus Europa.

Wura und ihre Freundin brachten uns dann zum Wahrzeichen ihrer Stadt: der Olumo Rock. Ein riesiger Felsen, der hoch über der Stadt Abeokuta thront, und ihr den Namen gab, denn „Abeokuta“ bedeutet übersetzt „Unter dem Stein“. Und damit jeder AUF den Stein kann, hat man hässliche Aufzüge an den Felsen drangebaut, die das Ganze ziemlich optisch verschandeln. Aber so kann jeder, der „unter dem Stein“ in Abeokuta wohnt, auch auf den Stein.

Wir entschieden uns für den Fußweg, denn zu Fuß kommt man weiter als mit dem Aufzug. Die erste „Etappe“ (und bis dahin geht der Aufzug) führt zu der Stelle unter dem Stein, wo 1830 quasi der Grundstein für die heutige Stadt Abeokuta gelegt wurde: auf der Flucht vor einer rivalisierenden Fula Ethnie (oder den Sklavenjägern, je nach Quelle) versteckten sich die Menschen unter dem Stein und bauten dort mit Lehm ein Versteck, in dem sie ganze drei Jahre ausharrten.

Dann kletterten sie in die Ebene und bauten rund um die dort „herumkugelnden“ Granitfelsen ihre Häuser und die Stadt „unter dem Stein“, Abeokuta, entstand. Wir krabbelten und kraxelten wir weiter den Stein hoch. Aufzüge gibt es da nicht mehr, dafür aber Treppen. Wir entschieden uns für den Klettersteig und Wura mit ihren Pantoffeln machte mit!

Ein paar Leitern und Metalltritte in die Felsen gestellt – schon ist der Klettersteig fertig. Wir hatten Glück, dass es an dem Tag ziemlich bewölkt und deswegen nicht ganz so heiß war wie sonst.

Auf der nächsten „Ebene“ dachten wir schon, wir seien angekommen und genossen die Aussicht, machten Fotos, filmten – doch es ging noch weiter hoch. Diesmal über den nackten Fels, ohne Geländer, ohne Stufen, ohne Leitern. In Europa völlig fernab von Gut und Böse, hier Spaß – für Schwindelfreie und Menschen ohne Höhenangst. Und auch für Wura, die es in ihren Schläppchen auch wagte und schaffte. Sie war schon so oft oben, dass sie gar nicht mehr wusste, wie oft. Als Profi kann man das dann natürlich in Sommerkleid und Schlappen machen.

Die beiden fuhren uns noch ein bisschen durch die Stadt. Hier die älteste Kirche, dort die erste Polizeistation, hier das Haus der berühmten Frauenrechtlerin und Gründerin der „Nigeria Women’s Union“, dort wohnt der Nobelpreisträger Wole Soyinka, da wuchs Fela Kuti, der Musiker und politische Aktivist auf. Die alten Häuser in Abeokuta sind wirklich schön, aber leider in jämmerlichem Zustand wie eigentlich alles in Nigeria.

Nach zwei Nächten in Abeokuta kämpften wir uns 212km weiter nach Oshogbo. Es gibt eine kürzere Strecke, aber die soll gefährlich sein, waren sich alle sofort unisono einig. Unser Plan, vor jeder Fahrt Einheimische nach der Sicherheitslage zu befragen, macht absolut Sinn. Wir fuhren also den Umweg von 30km quälendem nigerianischen Harakiri-Verkehr und auf einem Streckenabschnitt standen alle 500-1000m Militär, Polizei oder wer auch immer in dicken, gepanzerten Fahrzeugen mit Waffen an der Straße. Im Internet propagiert gerade ein deutsches Pärchen Nigeria als „wir haben uns absolut sicher gefühlt“ und wir fragen uns, wie man so ignorant sein kann. Diese Uniformierten stehen nicht da, weil es ein sicheres Land ist, sondern um ein Minimum an Sicherheit zu gewährleisten. Zusätzlich zu den unzähligen Kontrollen, die mit Nagelbrettern und Schikanen alle Verkehrsteilnehmer zum Anhalten zwingen. Die beiden Deutschen propagieren auch, in Nigeria gäbe es „keine Korruption“, wir aber sehen doch das eine oder andere Scheinchen an Kontrollposten (und auch schon an der Grenze) den Besitzer wechseln. Es ist schon merkwürdig, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind, wenn man Scheuklappen aufsetzt, das eigene Auto nicht verlässt und keine Recherchen betreibt…

10€ für ein sauberes Bett hart wie ein Brett.

Wir kamen in Oshogbo an, fanden ein Hotel im ruhigen, sicheren Villenviertel und nahmen uns für zwei Tage ein Zimmer für 10€. Das Hotelpersonal war nett, bemüht – und durch die Bank extrem langsam im Kopf. Es war schwierig. Es gab natürlich „chicken & Rice“ zum Abendessen, das aufs Zimmer serviert wurde. Das Zimmer war jedoch so winzig, dass wir auf dem Bett sitzend zähes Huhn mit Reis aßen, um nicht mit leerem Magen ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen um 8 polterte der Kellner an der Tür und servierte ein Frühstück. Eins. Weil bis zwei zählen schwierig ist. Wir hatten zwei bestellt (allerdings nicht für 8 Uhr im Bett serviert).

Mehr Schein als Sein: das Hotel sieht chic aus.

Als ich gerade anfing, im Bad Wasser in den Eimer laufen zu lassen, um Wäsche zu waschen, klopfte die Rezeptionistin und sagte, wir müssten jetzt in ein teures Zimmer umziehen, sie hätte eben unser Zimmer an jemand anderen vergeben. Es dauerte lange, bis sie mit Hilfe ihrer ebenso langsamen Vorgesetzten verstand: wir sind hier, haben gestern zwei Nächte vereinbart und reisen auch nicht vorher ab. Wir wunderten uns: da muss was im Wasser sein, dass in Oshogbo alle so „langsam“ sind!

Der verseuchte Fluss Osun

Wir googelten ein wenig und tatsächlich: in Oshogbo ist der Fluss verseucht. Durch illegale Minen im Oberlauf ist der Fluss voll mit Quecksilber, Blei, Cyanid und anderen Giften, die der Entwicklung und dem Erhalt einer gesunden Gehirnaktivität entgegenstehen. Das Grundwasser ist dementsprechend ähnlich ungesund und weil der Fluss der Yoruba Göttin Osun geweiht ist und darin rituelle Waschungen stattfinden und beim jährlichen Festival daraus getrunken wird, war uns klar, warum wir in Oshogbo solche „Kommunikationsprobleme“ hatten.

Eingangstor zum Heiligen Hain

Von der kreativen Stadt der 1960er Jahre, in der sich dort das wahrscheinlich größte Künstlerkollektiv Westafrikas bildete, ist nichts mehr übriggeblieben. Die hellen Köpfe sind mit Schwermetallen verdunkelt – nur eine Zweigstelle der „Nike Art Gallery“ in Lagos und der mittlerweile zum UNESCO Weltkulturerbe gehörende „Heilige Hain der Göttin Osu“ zeugen noch davon.

Der „Heilige Hain“ war schon immer ein Waldgebiet mit Tempeln und Schreinen der Göttin Osu rund um drei Mäander des heiligen Flusses. Susanne Wenger, eine österreichische Künstlerin des Künstlerkollektivs, konvertierte zum Yoruba-Glauben und fand, man müsse im Heiligen Hain nicht nur für die Göttin Osun, sondern auch für alle anderen Yoruba-Götter Statuen errichten, um „allen Gottheiten ein Zuhause zu geben“.

Sie schuf mit ihren Künstlerkollegen einen ganzen „Skulpturenwald“ und führte damit zu einer Erstarkung des Yoruba Glaubens. Bis heute gehen die Gläubigen in den Wald, um vor diesen Statuen die betreffenden Gottheiten um Hilfe zu bitten. Es gibt auch eine Gottheit für Zwillingsgeburten. Unser Guide, der als PHD in Religionswissenschaften richtig was auf dem Kasten hatte, fragte uns drei Frauen der Führung, ob wir nicht auch gerne Zwillinge hätten. Ich war die Einzige, die den Kopf schüttelte und damit Entsetzen erntete: „Keine Zwillinge? Zwillinge sind heilig!“ Ich dachte nur: Zwillinge sind doppelte Arbeit, doppelte Kosten, Zwillingswagen etc. Aber ich bin auch keine Yoruba.

Wir kamen an den Fluss und eine der beiden Frauen bat darum, kurz alleine zum Fluss zu gehen, um zu Osun zu beten. Kein Problem, waren sich alle einig, sie zog ihre Schuhe aus und hüpfte los. Am Fluss stehen zwei Statuen und sie tänzelte auf die falsche Skulptur zu, sodass unser Guide ihr hinterhersprang, um sie zur richtigen Statue zu leiten. Sie drehte sich Richtung Fluss – und „der Geist fuhr in sie“. Von einer Sekunde auf die andere krampfte sie, schrie, weinte, zitterte, brüllte und war nicht mehr sie selbst. Jan überlegte, ob wir besser einen Krankenwagen rufen sollten, aber der Guide reagierte super und führte sie zu den Priesterinnen, um sie dort auf einer Matte auf dem Boden zu betten. Die Priesterinnen kümmerten sich um sie, während wir die Führung weiter machten.

Wir kamen nicht weit. Eigentlich kann man über eine Hängebrücke noch in den Wald auf der anderen Seite des Flusses gehen, aber im Fluss hielten gerade zwei Nackte eine rituelle Waschung ab und unser Guide bat uns, die Führung beenden zu dürfen, um sie nicht zu stören. War okay für alle. Die Frau, „in die der Geist gefahren war“, war mittlerweile wieder bei sich und wir liefen zurück, begleitet von vielen, neugierigen Mona-Äffchen überall um uns herum. Natürlich wissen wir, dass natürlich nicht der Geist der Göttin Osun in die Frau gefahren ist, sondern dass die sympathische junge Frau in einer psychischen Ausnahmesituation war. Der Guide war auch richtig sauer und brüllte ihren Begleiter an, dass er es zugelassen hatte, sie in eine solche Situation zu bringen. Nachdem wir das jetzt erlebt haben, können wir verstehen, wie solche Beschreibungen „eine Besessene“ oder „der Geist ist in sie gefahren“ entstanden sind.

Wir verzichteten auf ein „chicken&rice“ Abendessen und aßen leckeres nigerianisches Erdnussgebäck mit Chili und Ingwer: Kuli-Kuli. Am nächsten Morgen stand der Kellner schon um 7:40 mit dem Frühstück bei uns im Zimmer. Mit einem Frühstück. Weil das Zählen ja so schwer ist wegen den Schwermetallen im Wasser. Aber wir helfen gerne beim „Zählen im Zahlenraum von 1 bis 10“ und dann klappt das auch in Oshogbo.

Es lagen nur 134km vor uns, doch die hatten es in sich. Wir fahren ja nicht wie der Rest der Overlander die große Transit-Strecke entlang der Küste, sondern um teils 200km versetzt landeinwärts auf Nebenstraßen. Und die erinnern uns stark an Guinea: eine Bodenschwelle nach der anderen. Beim Harakiri-Fahrstil der Nigerianer macht das auch absolut Sinn, denn man damit wird versucht, den Verkehr ein wenig zu verlangsamen, aber weil selbst teure Geländewagen dieser „Pömpel“ mit einer Vollbremsung begegnen, ist das für uns extrem nervig. Dazu kommt, dass die Straßen in Nigeria genauso zerlöchert sind wie in Guinea. Das, was man in Deutschland als „Schlagloch“ bemeckert, ist hier nicht der Rede wert. Die Schlaglöcher hier verschlucken halbe Autos, wenn sie nicht aufpassen. Und hier passt keiner auf, denn wer bremst, verliert und wer langsam fährt ist kein Nigerianer. Das führt dazu, dass Fahrzeuge aus dem Gegenverkehr unvermittelt Haken schlagen, um im Renntempo einem Schlagloch auszuweichen. Egal, ob auf der Gegenfahrban jemand ist (wir z.B.), oder nicht. So muss man ständig nach möglichen Fluchtwegen in den Graben Ausschau halten, dabei selbst in kein Schlagloch fallen und auch nicht einem vorausfahrenden Geländewagen bei plötzlichem „Pömpel-Bremsen“ hinten rein rauschen.

16€ „Hotel am Platze“. Funktioniert nur leider nix.

Wir waren nach 134km furchtbar genervt und kamen in Idanre ziemlich erschöpft an. Dort gibt es keinen Fluss mit Schwermetallen, aber die Hotelbediensteten agierten genauso. Wir sahen die Zündschnüre des jeweils anderen beide gefährlich nahe an der Explosion, doch wenn man bedenkt, dass diese Menschen nichts dafür können und eigentlich lieb sind, findet man doch noch ein bisschen Geduld. Wir googelten, dass Nigeria ein Problem mit der Bildung hat: durch das schnelle Bevölkerungswachstum sind die Schulen völlig überlastet und das Bildungsniveau sinkt ins Unterirdische. Aus diesem unterirdischen Schulsystem werden Lehrer ausgebildet, die natürlich nicht wirklich irgendetwas gelernt haben, was man den Kindern beibringen könnte. Nigeria wird als „failing state“ bewertet – und das ist überall zu spüren. Beim „Fragile State Index“, liegt Nigeria auf Platz 15 und ist nur 0,4 Punkte vom Höchstwert entfernt. Dann rutscht Nigeria in die Kategorie „failed state“ und ist in stolzer Gemeinschaft mit u.a. Somalia, Sudan, Afghanistan und anderen gescheiterten Staaten.

Viel in Nigeria erinnert uns an Guinea: die Lethargie und Bildungslosigkeit im völligen Tal der Ahnungslosen der Menschen, die nicht vorhandene Infrastruktur, die Korruption, der Straßenverkehr etc. Im Unterschied zu Guinea ist Nigeria aber keine Militärdiktatur und das Bildungsproblem nicht wie in Guinea unterwandert durch von Saudi-Arabien finanzierte Koranschulen, sondern hausgemacht. Als wir unser Zimmer bezogen, war es auch ähnlich wie in Guinea: es gab kein Leitungswasser (und der Eimer war leer), nur eine Steckdose funktionierte (mit hauseigenem Solarstrom immerhin!) und außer der Bettwäsche war wenig sauber. Aber das mit der Bettwäsche ist ein großer Vorsprung vor Guinea!

Wir ließen uns von der wirklich netten, fröhlichen Köchin des Hotel „rice&beef“ servieren. Das Beef war absolut unkaubar. Ich gab nach einem Bissen auf, Jan säbelte mit stumpfem Messer Stücke, die er herunterbekam. Das Problem: die Köchin war so lieb, dass wir das Essen natürlich nicht stehenlassen konnten!

Wir waren zum Wandern in Idanre. Oder besser gesagt: Bergsteigen. Denn Idanre befindet sich in einem Tal zwischen riesigen Granitfelsen, die eine unglaublich malerisch-spektakuläre Landschaft bilden. Einfach wow!

Wir fuhren nach einem frühen Frühstück los, um den Aufstieg zu „Idanre Hills“ dann zu machen, wenn die Sonne noch nicht über die Granitberge gekrabbelt ist. Am Einstieg wartete auch ein netter Guide, die Eintrittskartenfrau war verspätet, wir sollten bei der Rückkehr zahlen und besser gleich loslaufen, wegen der Hitze. Vor uns lagen 682 Treppenstufen, um auf ein Plateau zu kommen, in dem das verlassene Dorf „Idanre Hills“ liegt. Die Treppenstufen sind erst vor rund 20 Jahren gebaut worden, vorher war es eine Kletterpartie über wollsackverwitterte Granitfelsen. Entgegen unserer Vorstellung war der Aufstieg trotz 682 Stufen easy und oben angekommen hatten wir eine unglaublich schöne Aussicht. Natürlich wie überall getrübt vom Rauch der Holzfeuer, Abgase und vielleicht auch ein bisschen Harmattan. Das Lärmen Afrikas war allerdings auch dort oben omnipräsent: was in Westeuropa das überall wahrnehmbare „Grundrauschen“ des Straßenverkehrs ist, ist in Afrika das Hupen, Hundegebell, Rufen und ohrenbetäubende Musik.

Unser Guide kannte jeden Pfad und zeigte uns das Dorf, das 1932 aufgegeben wurde und nun ein lost place ist: die ehemalige Grundschule steht mit offenen Türen und Fensterläden da, das gesamte Inventar wurde 1932 ins Tal in die neue Grundschule geschleppt.

Das Dorf wurde von den Bewohnern freiwillig aufgegeben, um an der Zivilisation teilzunehmen, Dinge wie Fahrräder zum Transport zu nutzen (statt mühsam über Steine zu krabbeln), Wasser dauerhaft zur Verfügung zu haben und auch eine bessere Anbindung an die nächste Stadt.

Die Felder, die auf der Hochebene zwischen den dekorativen Granitfelsen angelegt wurden, werden bis heute genutzt und wir sahen einige Bewohner, sie bearbeiten. Die Häuser stehen alle leer, werden aber 1x im Jahr zu einem großen Fest von den Familien bewohnt, sodass einige Häuser sogar neue Dächer haben, obwohl sie in einem Geisterdorf leer stehen.

Der Guide zeigte uns auch den versteckt zwischen vier riesigen Felsen liegenden ehemaligen Palast des Oba, in dessen Innenhof noch die geschnitzten Dachpfosten und der Thron gut erhalten sind. Der aktuelle Oba hat einen neuen Palast im Tal.

Als wir uns an den Abstieg machten, war die Sonne schon weiter über den Horizont und es war extrem „schwitzig“. Mittlerweile war auch de „Eintrittskartendame“ am Arbeitsplatz erschienen und verlangte zunächst mürrisch dann plärrend den doppelten Eintrittspreis. Doppelt so hoch wie das, was der Guide uns morgens erklärt hatte und doppelt so hoch wie die Preisliste online. Welcome to Nigeria, wo Schummeln Volkssport ist. Wir gaben dem Guide unser Eintrittsgeld und ließen ihn mit seiner tobenden Kollegin zurück. Bis dahin war der Tag wirklich perfekt und wir im siebten Himmel, aber diese Frau hat uns wieder auf den Boden der nigerianischen Tatsachen geholt.

Im Hotel angekommen, war zufälligerweise gerade Wasser da und wir konnten uns „entkleben“. Zum Abendessen gab es wieder „chicken&rice“, wobei das Huhn uralt und mindestens drei Mal in der Fritteuse aufgebacken und somit steinhart war. Aber die Köchin war nett und lachte viel mit uns, was sollten wir tun? Essen, kauen, schlucken, lächeln. Sie sind ja alle grundsätzlich lieb und wir kommen uns in Nigeria manchmal vor wie Sozialarbeiter, die ihre Schützlinge in der Berufseingliederung begleiten. Und da wir keine Sozialarbeiter sind, ist das sehr, sehr anstrengend.

Nach einer gemeinsamen Fotosession am Morgen mit dem weiblichen Hotelpersonal in vielen Posen machten wir uns auf, 230km nach Benin City zu bezwingen. Und da sind wir jetzt und gönnen uns eine Auszeit, die zwar – welcome to Nigeria – nicht ganz so verläuft, wie gedacht, aber der Seele ein bisschen guttut. Spoiler: auch im Viersternehotel gibt’s trotz 20 Seiten Speisekarte nur „chicken&rice“…

Wir sind jetzt in Benin City. Benin City ist nicht das Land Benin, aber es besteht ein Zusammenhang, den wir Euch nächste Woche erklären. Im Land Benin gab es übrigens besseres Essen – und eine schwimmende Stadt. Schaut selbst:

Euch gefällt unser Blog? Schön! Dann unterstützt uns und sagt Danke! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:

  • Abonniert unseren YouTube channel: unser YouTube Kanal
  • Kauft über unseren Amazon Affiliate Link ein: Amazon.de
  • Bucht Reisen und Unterkünfte über unser Booking Affiliate: Booking.com
  • Lest oder verschenkt unser EISREISE Buch (und hinterlasst eine Bewertung): unser EISREISE Buch
  • Designt über diesen Link T-Shirts und mehr für Euch oder als Geschenk: https://travelove.myspreadshop.de/
  • Oder zückt Euer eigenes Portemonnaie und ladet uns virtuell zum Kafee ein. Paypal Spende: https://www.paypal.me/travelove4u
  • Möchtest Du uns regelmäßig auf ein Käffchen einladen, schau mal hier: Steady
  • Überweisung: Jan-Hendrik Neumann, IBAN: LT81 3500 0100 1111 0216 BIC: EVIULT2VXXX (Bank: Paysera LT, UAB)
  • Wir gehen mit der Zeit und akzeptieren auch Bitcoins. 🙂 Unser Wallet: 3PVxaabSZGwfWwzFykxLJqTwV7rYrpqjK8

Als Dankeschön für die Spende gibt’s ein Foto von uns mit Deinem Namen und dem “Investitionsgut”. Du findest Dich dann in dieser Galerie wieder.

Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken.