Nach Guilin haben wir Kittymobil die Sporen gegeben und in zwei Tagen ordentlich Kilometer bis Xi’An gemacht. Es hätte unterwegs ja noch den Nationalpark mit dem Canyon gegeben, da uns der Eintritt samt gläserner Brücke dort aber 60$ gekostet hätte, hatten wir uns dagegen entschieden. Brücken mit Glas und besonders tiefe Canyons gibt es viele – doch keine, von der wir wissen, kosten 60$.

Nach einem Zwischentop im Irgendwo mit später Ankunft und früher Abfahrt (tatsächlich haben wir eben beide sehr lange überlegt und gemutmaßt, wo das war und was wir da gemacht haben, ein deutliches Indiz für zu hohes Reisetempo), kamen wir in Xi’An an. Xi’An ist nicht nur eine alte Kaiserstadt, sondern auch das Ende der alten Seidenstraße und dadurch bis heute mit einer großen muslimischen Gemeinde.

In der Altstadt, umgeben von der noch komplett erhaltenen Stadtmauer, befindet sich das muslimische Viertel, in dem es nicht nur eine Moschee gibt, sondern auch einen Basar, der uns sofort „zuhause“ fühlen ließ. Natürlich gibt es in Deutschland keinen Basar, aber da ja mittlerweile die Welt unser Zuhause ist, fühlte sich das richtig heimelig an. Nach all dem doch sehr „Fremden“ in China ist ein muslimischer Basar entspannend heimisch.

Fettgebackene Teilchen aus Khakhi-Fruchtmark: hmmmm!

Außerdem gibt es eine Fressgasse (nein, nicht wie in Mannheim). Sobald es dunkel wird, geht es los: unzählige Straßenstände bruzzeln, köcheln und grillen und jeder Stand hat eine Art „Marktschreier“, der die besten Grillspieße, die besten Nudeln, besten Teigtaschen, Suppen, Brote, Burger, Getränke, Süßkram, Nüsse und mehr auslobt. Es ist höllisch laut und voll. Unsere Mägen waren auch sehr schnell voll und so zogen wir bald den Rückzug ins Bett an, um dem Dauerlärm zu entkommen.

In China ist einfach alles immer laut. Überall. Auch im Park wird man mit Musik beschallt, die aus grünen Lautsprechern tönt, um ja die Vögel und den Wind in den Bäumen nicht zu hören. Auch außerhalb der „Fressgasse“ sind Megaphone allgegenwärtig: egal, ob um in der U-Bahn am Bahnsteig Menschen zum geordneten Einsteigen zu bewegen, bei H&M die Leute zum Klamottenkauf zu motivieren oder um als Tourguide alle anderen Megaphone zu übertönen und der Reisegruppe (oder auch nur 2 Personen) die Highlights herunter zu beten. Im Hotel wird keine Rücksicht auf Zimmernachbarn genommen, da werden Türen geknallt, vor fremden Zimmertüren (und nicht nur da) lautstark herum gerotzt, der Fernseher auf maximaler Lautstärke betrieben und mit den Zimmermädchen vom Rezeptionstresen ins Gästezimmer gefunkt. Und das zehrt an den Nerven. Nicht sofort, aber nach 6 Wochen nun schon.

Langweilig gefüllte Teigtaschen. Erst die (meist lecker scharfe) Sauce, in der man sie tunkt, machen ein kulinarisches Feuerwerk daraus.

Wir sind reisemüde. Das Reisetempo ist viel, viel zu hoch. Das wussten wir im Voraus, wir hatten die Reise schließlich so gebucht, aber weil wir ja vorher schon dank Motorschaden und Schrottmotor vom Händler aus Deutschland ziemlich Stress bei der Anreise hatten, sind wir seit Juli jeden Tag auf 180 (oder mehr), fast jeden Tag an einem anderen Ort und unglaublich ruhebedürftig. Nur, dass es die Ruhe einfach nicht gibt. Wochenende und Sonntage natürlich auch nicht, denn der Reiseplan muss abgearbeitet werden. Ausschlafen unmöglich, ab 9 Uhr gibt’s kein Frühstück mehr – wenn überhaupt nach dem ersten Überfall der Chinesen auf das Frühstückbuffet nach 7:30 dort noch essbares zu finden ist… Wir fühlen uns oft, als würden wir China nur  “abarbeiten”: morgens früh aufstehen, den “Plan erfüllen” (typisch chinesisch), abends ins Bett fallen und an jedem Tag wiederholen. Ein bisschen wie ein Job, den man zwar grundsätzlich mag, wenn der blöde Kollege (auf dem Beifahrersitz) nicht wäre und man nicht ständig 18 Stunden Schichten und am Wochenende arbeiten müsste…

Unser Guide, das „Pandabärchen“ Audrey ist eine zusätzliche, absolut unnötige Zerreißprobe für unsere Nerven. Mittlerweile wissen wir: auch sie wurde ganz kurzfristig gebucht und ist ein Restposten, denn unser deutscher Reiseveranstalter hatte ja erst gezahlt, als wir schon an der chinesischen Grenze standen – und nicht wie laut AGB der Agentur bereits 4 Wochen vorher angezahlt. Dadurch wurden alle Reservierungen storniert und es konnte keiner mit uns planen – und wir müssen nun mit dem letzten Schrott chinesischer Guides auskommen. Und das war Phuphu und ist Audrey. Mit Jeff und Tachi haben wir allerdings erlebt, dass es auch ganz anders (perfekt!) laufen kann, wenn man der Agentur die Möglichkeit gibt, verlässlich planen zu können.

Wir möchten Euch nicht weiter mit organisatorischen Highlights unseres Pandabärchens langweilen, aber es passieren Dinge, da kommt man gar nicht drauf, dass das passieren kann (und könnte das dann verhindern), weil unsere Gehirne einfach nicht so verquer denken können! Wir wundern uns täglich, wie ein so junger Mensch so… nun ja, lest selbst… “rot hinter den Ohren” sein kann. Ein typischer Pandabärchen-Satz war z.B.: „Die großen Firmen wachsen nicht, um den Gewinn zu erhöhen, sondern um mehr Arbeitsplätze für das Volk zu schaffen!“ Ihr ahnt, wie groß der „kulturelle Unterschied“ ist? Nicht einfach, so ein rotes Pandabärchen im Auto sitzen zu haben!

Trotz einer geschätzten halben Million Menschen im Park der großen „Wildganspagode“, hatte Jan einen schönen Abend mit der tollen Show, die dort mit Musik, Tanz, Kamel, Geigern, Fontänen und Laser dargeboten wurde. Da ich nicht wesentlich größer bin als all die Chinesen, habe ich von dem Abend nur wackelige Handybildschirme und Hinterköpfe erlebt. Am nächsten Abend zeichnete sich ab, dass es nicht anders werden würde, sodass wir weiter entfernt im Park saßen, auf die Pagode schauten und einfach nur in (relativer) Ruhe Menschen beobachteten: eine Frau spielte Flöte, eine andere machte Gymnastik, Gruppen machten ihre allabendliche öffentliche Tanzgymnastik und ein Fotograph knipste Kitschfotos einer Chinesin mit diversen, wechselnden Requisiten. Das ist die Seite Chinas, die wir wirklich vermissen werden und die während der gesamten Reise viel zu kurz kam: Menschen im Alltag zu erleben. Denn das haben wir auf dieser Reise so gar nicht, aber das lag an der Organisation. Nächstes Mal wird alles anders!

In Xi’An kostet natürlich auch alles viel Geld: um auf der Stadtmauer zu laufen, den Drum- oder Belltower zu besichtigen, die Pagode zu sehen oder die Moschee hinter Baugerüsten zu erahnen. Wir waren es satt, völlig überhöhte Eintrittspreise zu zahlen und beschränkten uns auf Stadtbummel bei Tag und Nacht. Eins der Highlights dabei: ein Besuch im Katzencafé. Barbara von ride2seetheworld hatte davon berichtet und weil Katzen geschundenen Nerven immer sehr gut tun, mussten wir da hin: 10 Katzen lassen sich dort beschmusen und bespielen. Und wenn die Katzen keine Lust mehr auf Zweibeiner haben, dann verschwinden sie durch eine Katzenklappe in „ihr“ Zimmer. Wir genossen frischen Mangosaft und jeder von uns hatte Glück und eine Katze zum Streicheln auf dem Sessel. Die Katzenplüschtiere und die absolute Ruhe im Café wirkten wirklich super besänftigend auf unsere Nerven: weil keiner die schlafenden Katzen stören möchte, sprechen alle Gäste im Café nur leise, eine echte Wohltat!

Nach zwei Tagen in Xi’An fuhren wir zur Terracotta-Armee. Was alles passierte, bis unser Pandabärchen es schaffte, die für uns hinterlegten Eintrittskarten abzuholen, ist eine andere, leider fast abendfüllende Geschichte. Aber irgendwann waren wir 40$ los für Eintritt, Parkplatz und „Batterieauto“. Happig wie immer in China, aber die Terracotta-Krieger wollten wir unbedingt sehen!

Die Anlage hat 3 große Hallen, die einfach über die Fundorte gebaut wurden. In Halle 3 wird man für das viele Geld so richtig enttäuscht, denn man steht vor Erdhügeln. Erdhügel, unter denen noch einige weitere Kompanien vermutet werden, aber man sieht halt nichts. So viel Geld für Erdhügel? Halle 2 zeigt auch hauptsächlich Erdhügel, aber immerhin in einer Vitrine ein paar Terracotta-Krieger, die man so von nächster Nähe bewundern kann. Es ist einfach unglaublich, wie detailverliebt diese Figuren gestaltet wurden! Knicke und Falten in der Kleidung oder den Schuhen, einzelne Haarsträhnen, sogar die Pferde haben Wimpern!

Und dann steht man in der letzten Halle plötzlich 2000 (von 6000) Kriegern gegenüber. Und plötzlich ist das viele Geld vergessen, denn dieser Anblick macht schon fast die weite Anreise aus Deutschland auf dem Landweg wett! Unglaublich! Wir standen da und staunten: jeder, wirklich jeder Krieger ist ganz anders als sein Kamerad daneben. Man hat wirklich den Eindruck, echten Menschen gegenüber zu stehen, denn jeder ist eine eigene Person in Haltung, Gesichtsausdruck, Frisur, Statur,… Man steht 2000 Personen (im Durchschnitt 1,80m groß!) gegenüber und vergisst fast, dass sie aus Ton sind. Ursprünglich waren sie auch noch lebensecht bemalt und wenn die Armee jetzt ohne Farbe schon so überzeugend wirkt, wie realistisch muss das damals gewesen sein!

Wahnsinnig beeindruckend und wirklich unvorstellbar. Ich hatte bis dahin immer gedacht, die Figuren seien „aus einem Guss“ und nur wenig personalisiert, aber dort standen 2000 verschiedene Charaktere – und weitere 4000 sind noch in Scherben oder werden gerade renoviert. Man konnte im hinteren Teil der Halle sehen, wie die Pferde und Menschen aus Scherben wieder zusammengepuzzelt werden. Wir hatten Glück, dass es zwar „typisch chinesisch voll“ war, aber nicht unangenehm voll. Die Hallen sind groß und die großen Reisegruppen bleiben nicht lange genug stehen, um mit Megaphonen richtig stören zu können. Foto, fertig, weiter!

Wir fuhren auch weiter. Zumindest wollten wir das, aber nicht mit Pandabärchen. Die Idee war eigentlich, nach dem Besuch der Terracotta-Armee noch ein Stück weiter Richtung Peking zu fahren und dort irgendwo nach 30km zu übernachten. Der Gedanke dahinter: nicht im Feierabendverkehr zurück in die 12 Millionen Metrople Xi’An fahren zu müssen. Eigentlich logisch, aber nicht für Pandabärchen und ihre Agentur. Wir fuhren (besser: krochen) im Berufsverkehr 13km stadteinwärts. Es war der Tag vor dem Nationalfeiertag und jeder, wirklich jeder war auf den Beinen. Und wir von den Socken: wie konnte man so planen?

Bis wir am nächsten Nachmittag in Pingyao ankamen, hatte Audrey noch bei einer Polizeikontrolle ihr allerbestes Können gezeigt, sodass die Stimmung in der Fahrerkabine extrem explosiv war, als sich das Pandabärchen auch noch vom Parkplatzwächter (weil in Uniform) zu Idiotien bringen ließ. Wir hielten sie davon ab und bemühten uns, die darauf in der Hotellobby folgende Diskussion sachlich zu halten. Aber mit Fakten kommt man nicht weit, wenn ein roter Pandabär ihre Denke zum Besten gibt…

Pingyao steht unter UNESCO Weltkulturerbe Schutz und das völlig zu Recht: die Altstadt ist komplett erhalten, ein kleines, wirklich bilderbuchhaftes Haus reiht sich an das nächste, umgeben von einer sehr gut erhaltenen Stadtmauer. Jedes Haus hat einen schattigen Innenhof und kunstvoll aus Holz geschnitzte Türen und Fenster. Wunderschön!

Leider kann man nicht ein einzelnes Haus anschauen, sondern muss für alle Häuser ein 20€ Sammelticket kaufen. Sicher lohnt das bei mehr als einem Nachmittag Aufenthalt, aber für uns nicht. Umso ärgerlicher war es, dass uns Audrey am nächsten Tag erzählte, es gäbe einige solcher Häuser, in die man ohne Eintritt hineinkommt, weil im Innenhof Läden sind. Steht wahrscheinlich auf Chinesisch außen dran. Hätte sie uns sagen können. Hat sie aber nicht. Tolle Wurst.

Leider war der 70. Jahrestag der VR China und die Gassen daher extrem voll. Überall Menschen, rote Fahnen und Feststimmung. Und natürlich überall sehr, sehr laut. Denn weil jeder Urlaub hat, gab es auch überdurchschnittlich viele Reisegruppen mit Megaphon, die dann natürlich von den Verkäufern mit ihren Megaphonen wieder überplärrt werden mussten.

Wir sind der Überzeugung, dass der Ort in 2 Wochen zum Dornröschenschlaf zurückgekehrt ist und haben ihn ganz oben auf die „to do Liste“ der nächsten Chinareise gesetzt. Für uns eine der schönsten Altstädte der gesamten Reise! Als wir zurück ins Hotel kamen, waren wir beide etwas angeschlagen: zwei Tage Stress und Ärger mit Audrey, der ganze Lärm überall, die Menschenmassen wegen des Feiertages, Jan mit Kopfweh, ich mit Schwindel – und dann noch ein unsäglich dreckiges Hotelzimmer: beide Kopfkissen gelb vor Fettschmutz vorheriger Gäste, der Teppichboden voll Brandlöcher und Flecken, garniert mit Schalen von Sonnenblumenkernen und Aschehaufen neben dem Sessel, in dem jemand geraucht hatte, ohne einen Aschenbecher zu nutzen. Nach unserer ersten Beschwerde gab es immerhin frische Bettwäsche und nach dem 2. Besuch an der Rezeption kam auch jemand mit Staubsauger. Das ist das China, was ich in Erinnerung hatte: dreckig, laut, rot. Alles andere als nervenschonend! Wir fielen um 21 Uhr völlig fertig ins Bett.

Der Güterverkehr in Pingyao läuft gut, die Signalhörner der Züge funktionieren auch bestens. Davon konnte ich mich die ganze Nacht lang überzeugen (Bahnhofshotel), sodass es richtig „erholt“ nach Peking ging. Audrey hatte seit 2 Tagen Angst vor Verkehrschaos wegen Feiertag, aber es passierte einfach gar nichts. Der einzige, 2km kurze Stau entstand wegen einer Polizeikontrolle. Eine von dreien, bei denen wir versuchten, Audrey vorzuführen. Sie behauptet nämlich, die Polizei würde dort mit unseren Pässen unsere Route „im System“ kontrollieren. Wir haben an dem Tag einfach statt Pässen unsere chinesischen Führerscheine (die nicht nur in unterschiedlicher Fahrzeugkategorien, sondern auch mit falscher Passnummer von den Behörden ausgestellt wurden) gezeigt. Es ist damit also gar nicht möglich, uns zu verfolgen, aber Audrey glaubt weiterhin fest an „das System“. In der “golden week”, die Ferienwoche rund um den Nationalfeiertag, sind übrigens alle Autobahnen mautfrei. Dadurch haben wir gut 70$ gespart, echt super!

Wir sind nun in einem “Regierungshotel” in Peking untergebracht. Bis wir dort im Zimmer waren, hat es auch 1,5 Stunden gedauert, weil Audrey ihren Job so gut kann, aber da wir dieses Zimmer nie hätten beziehen sollen, sind wir uns nun ziemlich sicher, dass es kein „spezielles Ausländerzimmer“ ist. 😊Peking ist voll von chinesischen Urlaubern. Die Parade, die Ihr im Fernsehen gesehen habt, ist nicht der einzige Karnevalsumzug auf dem Platz, wir dürfen direkt miterleben, was Ihr nur in der Tagesschau seht. Und dabei genießen wir 6 Tage ohne Audrey und pflegen unsere reisemüden Nervenkostüme.

Ende nächster Woche reisen wir in die Mongolei aus. Mongolei kann auch anstrengend sein, aber nicht so wie China. Außerdem ist die Mongolei f+r mich, die ich schon 6x dort war, ein wenig heimatlich. Wir sehnen uns nach Ruhe. Danach, morgens irgendwo in der Stille der mongolischen Steppe im eigenen Bett aufzuwachen und nur noch zu zweit unterwegs zu sein. Aber wir wissen jetzt schon, dass wir China auch ein wenig vermissen werden und dass wir wiederkommen. Doch dann planen WIR die Reise und das in unserem Tempo. Da ich schon Mal eine Woche in Peking war, haben wir überhaupt keinen „Sightseeing-Stress“ und genießen, trotz all der Menschenmassen, unsere letzten 10 Tage in China.

BTW: Wir sind immer noch nicht über WhatsApp & Co. zu erreichen, unsere Handys bleiben gesperrt. Wir können sie erst wieder in der Mongolei frei nutzen und sind bis dahin nur über andere Wege (meist Mail oder Facebook) erreichbar!

 

Unterstützt uns! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:

Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken. Mehr dazu ganz ausführlich mit Bildergalerie unserer Unterstützer hier: Unterstützt uns