Silke und Jan essen Eis

Die erste Woche im März verbrachten wir bei unseren weltumsegelnden Freunden an Bord Ihrer SY „Piccolina“ und entspannten vom Stress der vergangenen Wochen. Es tat gut, unter Gleichgesinnten zu sein, denn unser soziales Umfeld hatte auf unsere Behörden- und Versicherungsprobleme nur mit Unverständnis reagiert und man gab fast uns die Schuld am neuen deutschen Meldegesetz. Denn schließlich, wenn man als „rechtschaffender Bürger“ brav daheim hinterm Herd bleibt, hätte man ja gar keinen Stress mit Behörden, richtig?

Silke und Jan vor einer Schlucht

Zwei Tage düsten wir mit einem Mietwagen über die Insel, die Anfang März noch ein wenig verschlafen wirkte und sich für die Touristenmassen rüstete, die ab Ostern über die Insel wälzen würden. Eine sehr erholsame Zeit, während der in Deutschland die Tagestemperaturen wieder über 0°C kletterten und Kittymobils Abwasserschlauch wieder auftaute. Nach einer Woche Gran Canaria flogen wir zurück nach Deutschland und begannen unsere große „Abschiedstournee“. Weil unsere beiden Weltreisemotorräder schon in Bulgarien waren uns unser Motorradreisegepäck bereits im Februar per Kurier dort hin gereist war, hatten wir viel Zeit, das winterliche Frühlingswetter dazu zu nutzen, endlich Mal „alle“ Freunde zu besuchen.

van am Meer

So „tingelten“ wir mit Kittymobil durch die Republik, fuhren dann tatsächlich auch nach Dänemark und verbrachten schöne Abende mit vielen lieben Menschen. Zwischendrin brauchten wir immer wieder Tage, in denen wir irgendwo im Wald, am Rhein, an der Fulda oder im Odenwald standen und versuchten, so viele Dinge zu organisieren und „abzuarbeiten“, die durch unser neues Leben so kompliziert wurden. Beispiel Hausratversicherung: ohne Wohnung kein Versicherungsgegenstand mehr, also Sonderkündigungsrecht. Da ein ordentlicher deutscher Sachbearbeiter nicht verstehen kann, dass es Menschen gibt, die keine Wohnung haben, war das trotz Übergabeprotokoll unmöglich. Weil schließlich müssten wir doch irgendwo wohnen? Den Versicherungsvertrag auf 6qm Wohnfläche VW Bus wollte er dann aber auch nicht reduzieren, das ginge nun auch wieder nicht. Nach 8 Wochen war auch dem dümmsten Allianz Mitarbeiter klar, dass auch nicht die Wohnung von Jans Eltern, deren Postadresse wir für den Papierkrieg nutzen, Versicherungsgegenstand war.

Oder meine private Rentenversicherung: ohne Meldebescheinigung keine Post. Und wenn ich nicht bis zum Tag X eine Meldebescheinigung für die von mir angegebene Korrespondenzadresse bei meinem Vater brächte, ginge die Post „wegen Geldwäschegesetz“ eben wieder an die alte Adresse. Sehr sinnig, die Wohnung stand ja leer. So schlugen wir uns monatelang mit Irrsinnsdiskussionen herum, bis heute (Juni 2018) sind immer noch einige solcher Fälle ungelöst, weil man eben als guter Deutscher doch nicht einfach sein Land verlässt!

Und schon beim Tippen höre ich Euch Leser sagen „aber Ihr könnt Euch doch einfach bei den Eltern anmelden! Selbst schuld!“. Nein, wir können uns nirgendwo „pro forma“ anmelden. Es gibt in Deutschland ein neues Meldegesetz, nach dem man sich wirklich abmelden muss. Bleibt man bei z.B. den Eltern gemeldet, kostet das die Eltern bis zu 50.000€ Strafe. Und ja, es gibt Ermittlungsgruppen des Ordnungsamtes, die nichts anderes tun, als den ganzen Tag falschen Meldebescheinigungen auf der Spur zu sein. Und ja, das betrifft nicht nur „osteuropäische Sozialschmarotzer“, sondern auch Reisende, wie wir aus Erfahrungsberichten aus einer Langzeit-Reisegruppe wissen.

Schreibtisch im Wohnmobil

Da ich auch in unserem neuen Lebensabschnitt arbeite, brachte das zusätzliche Schwierigkeiten. Mit der Abmeldung aus Deutschland wurde mir mein Gewerbe zwangsenteignet, meine Umsatzsteuernummer gelöscht und mir mein Einkommen verwehrt. Denn, so erklärte man mir auf dem Gewerbeamt, ein Gewerbe brauche eine Meldeadresse als Betriebstätte und ein VW Bus sei keine Betriebsstätte, denn darin könne man nicht arbeiten. Da wusste also jemand richtig Bescheid im Leben! Mit dem Verlust meiner Selbstständigkeit rutschte ich auch zu Jan als Ehefrau in die Familienversicherung, was auch nicht so glatt ging, wie angenommen, da dabei auffiel, dass ich vier (4!) Rentenversicherungsnummern hatte. Noch ein Problem, das wir nicht verursacht hatten, aber lösen mussten.

Silke und Jan grunden eine Firma in Estland

Der deutsche Staat will folglich keine Steuern von Menschen, die ohne Wohnsitz Geld verdienen! Gut, dass Jan bereits im Sommer 2017 in Estland „E-Resident“ geworden war und dort eine Firma gegründet hatte! Die Esten finden es völlig normal, dass Menschen ortsunabhängig leben und arbeiten und haben genau die richtige Lösung dafür. So bekommen nun bald die Esten unsere Steuern und ich kann unter estnischer EU- Adresse weiter arbeiten.

Am 16.3. rannte ich in Hektik mit dem Laptop in der Hand zwischen Stuhl und Couchtisch bei Jans Eltern in Hamburg, blieb mit dem rechten Fuß am Tischbein hängen und flog, den Laptop immer noch fest in der Hand, mit verdrehtem Knie aufs Gästebett. Autsch! Ich konnte noch auftreten und war noch guter Dinge, als wir gen Süden aufbrachen. Auf einem Autobahnparkplatz bei Göttingen konnte ich dann nicht mehr auftreten, weswegen wir ins Uniklinikum Göttingen in die Notaufnahme fuhren. Was sich dort abspielte ist mittlerweile Ermittlungsgegenstand der Staatsanwaltschaft Göttingen und hatte mit „ärztlicher Behandlung“ nichts zu tun. Was in Göttingen kein Arzt fähig war, herauszufinden, war ein durch das Verdrehen des Knies eingeklemmter Meniskus.

Erst eine Freundin in Tübingen, zu der wir im Schneesturm 800km durch die Nacht flohen, löste am nächsten Morgen durch kräftigen Zug am Fuß den Meniskus aus seiner misslichen Lage und ich konnte wieder schmerzfrei auftreten. Wir verbrachten zwei Nächte bei den Freunden, bevor es in die Schweiz zu Dani, dem Jurtenkönig, ging, der mit uns eine Jurte aufbaute.

Silke und Jan mit harten Hüten bei einem Jurtenbau

Es war Jans erste Jurte und dann auch noch gleich eine riesen, riesengroße Jurte, die von der Kirchengemeinde Kloten zu einem Bistrot umgewandelt wurde. Weil der „Designer“ auf dieser Baustelle wichtiger war als sämtliche anderen Handwerker (Zimmerleute, Elektriker, Klempner, Gartenbauer, Jurtenbauer), war nicht nur die gesamte Jurte in pastelloliv gestrichen, sondern es herrschte ein furchtbares Chaos. Schon am ersten Tag konnte man sich kaum darauf einigen, wo die Tür der Jurte hin zeigen sollte! Am Ende der Woche stand die Jurte jedoch und ich fand es schade, dass Jans erste Jurte nicht den Spaß brachte, den der Jurtenbau sonst macht. Nachdem auch die Jurten im Zoo Zürich wieder „frühlingsfrisch“ gemacht waren, setzten wir unsere „Abschiedstournee“ fort.

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