Vor einer Woche sind wir aus Mauretanien in den Senegal eingereist. Und wir hätten es zum Einstieg nicht besser treffen können als mit unserer Unterkunft in Saint Louis. Und trotzdem hat es noch nicht „klick“ gemacht mit dem Senegal und uns…

Wir sind über den Grenzübergang von Diama in den Senegal eingereist. Ganz entspannt 45km Piste durch den Nationalpark, über das Stromwehr und rein in den Senegal. Da wir alle Papiere haben (Carnet de Passage) und auch nicht über das Eintrittsgeld des Nationalparks mit dem Ranger dumm rumdiskutieren, haben wir völlig unaufgeregt und schnell die Länder gewechselt. Dass das oft anders ist, hat uns ein Pärchen aus Wuppertal direkt vor uns an der Grenze vorgeführt, die meinten, ohne Carnet de Passage und einem Fahrzeug älter als 8 Jahre in den Senegal einreisen zu können.

Vielleicht stehen sie heute noch da und diskutieren und verbreiten das „Schwarmwissen“, dass Afrikas Grenzübergänge ganz furchtbar kompliziert sind… Wir schämen uns immer für sowas, denn leider scheint es an der senegalesischen Grenze die Mehrheit der Reisenden zu sein, die um Ausnahmen bettelt. Siehe obigen Screenshot aus einer WhatsApp Gruppe nur einen Tag später…

Reiseforen, Overlander Apps und Facebookgruppen sind voll mit „guten Ratschlägen“, wie man die 8€ Eintrittsgeld für den Nationalpark unterschlagen kann, wie man ohne Carnet de Passage und ohne Ausnahmegebühr von 250€ weiter kommt und wie man den Zoll belügt, um nur 50€ statt 150€ für den (im Ernstfall verpflichtenden) Konvoi zu zahlen.

Und wenn man andere Reisende trifft, ist das eines der großen Themen: wie komme ich ohne zu zahlen überall hin, obwohl ich meine Papiere nicht in Ordnung habe. Welche Gebühren kann man „ausdiskutieren“ oder „aussitzen“? Schnell stellen die Reisenden sich als „Kämpfer gegen Korruption“ dar, obwohl sie gar nicht wissen, dass man Quittungen bekommt, wenn man zahlt… Es ist nicht einfach zu ertragen und uns tun die Einheimischen, in dem Fall Gastgeber, leid, solch undankbare Gäste im Land zu haben…

Von der Grenze aus waren es noch 30km bis zur ersten Stadt in Senegal: Saint Louis. Landschaftlich hatte sich nichts geändert. Ein Affe rannte über die Straße, aber Verkehr war kaum, der Grenzübergang ist klein. Aber als wir durch Saint Louis rollten, kamen wir in einer anderen Welt an: es gab Restaurants, Bürgersteige, Obststände, Essensstände, Supermärkte, Cafés, Pferdewagen statt Eselskarren, Mofas und Motorräder (also: Benzin!) und viele Touristen.

Saint Louis ist, wie so viele Orte in Mauretanien auch, UNESCO Weltkulturerbe. Eine Altstadt auf einer Insel zwischen Senegal Fluss und Haff, deren Straßenbild in schönster, bunter französischer kolonialer Architektur erhalten blieb – und erhalten wird. Verschnörkelte, schmiedeeiserne Balkone, Holzfensterläden, hier und da ein bisschen Stuck, rechtwinklig angelegte Straßen. Alte Lagerhallen sind zu “Kunstgalerien”, Werkstätten und Cafés umfunktioniert. Eine Brücke, bei der Gustave Eiffel seine Finger im Spiel hatte, verbindet die Insel mit dem Festland und die Altstadt mit dem quirligen Leben der „Neustadt“. Dort gibt’s französische Infrastruktur (wie ein Auchan Supermarkt mit bulgarischem Joghurt im Sortiment!) und andere Konsumtempel, wie wir sie seit Marokko nicht mehr gesehen haben.

In der Altstadt reihen sich Cafés und Restaurants sowie Hotels und Gästehäuser aneinander, Touristen werden in Pferdekutschen durch die Straßen gekarrt, Reisebusse parken am Flussufer und Verkäufer breiten ihr Kunsthandwerk auf Bürgersteigen aus oder bitten in ihre Läden. Saint Louis ist eine stark islamisch geprägte Stadt und Frankreich gelang es auch damals nur über den „Umweg Islam“, sich als Kolonialmacht zu etablieren. Heute noch gibt es um die 50 Koranschulen in Saint Louis und die Stadt ist dadurch sehr konservativ geprägt. Es gibt im Senegal zwar Bier (Senegal ist schließlich keine islamische Republik), aber nicht in Saint Louis im Laden. Nur im französischen Auchan Supermarkt und in touristischen Einrichtungen. Saint Louis ist definitiv sehr konservativ-muslimisch.

Leider scheinen das viele Touristen nicht zu wissen oder wissentlich zu ignorieren und so sieht man Urlauber beider Geschlechter in kurzen Hosen und ziemlich nackten Beinen durch die Straßen stolzieren oder in luftigen Strandoutfits vor bunten Häusern posieren. Natürlich muss man sich als Urlauber nicht komplett verschleiern (das tun Senegalesen auch nicht!), aber sich weniger freizügig zu kleiden (Beine und Schultern bedeckt) wäre einfach nur ein respektvoller Umgang mit den Gastgebern. Wir schämen uns mal wieder. Es irritiert und stört uns, denn schließlich sind wir auch Gäste hier und möchten nicht wegen der Respektlosigkeit anderer in denselben Topf geworfen werden… Übrigens sind mittlerweile auch wieder Chinesen in der Welt unterwegs. Seit dem 8. Januar dürfen sie wieder reisen. Allerdings trifft man die nicht in Strandbekleidung…

Die vielen Koranschulen in der Stadt führen auch zu vielen „Bettelkindern“ am Morgen. Sie heißen „Talibés“ und sind Schüler der Koranschulen, jedoch nicht freiwillig, sondern weil ihre Eltern vom Land oder umliegenden Ländern sie aus Armut dorthin geschickt haben. Die Kinder leben unter extremen Bedingungen in Behausungen unter Obhut des Marabouts, der seine Zöglinge mit dem erbettelten Geld oder erbettelten Lebensmitteln im Sinne des Korans erzieht. Gläubige Muslime (und Hilfsorganisationen) unterstützen die Kinder am Morgen durch eine kleine Geldspende oder einen Einkauf von Lebensmitteln im nächsten Lädchen. Manchmal gibt’s auch eine Portion Essen in die Plastikeimerchen oder Konservendosen, mit denen die kids betteln. Das gibt es in Mauretanien nicht und auch wir mussten uns auch erstmal erkundigen, woher diese vielen Bettelkinder kommen. Saint Louis ist wesentlich muslimischer als die leichtbekleideten Touristen wohl glauben…

Unsere Unterkunft jedoch war eine Art Oase: wir waren zu Gast in einem Kulturzentrum, welches im Palast des ehemaligen mauretanischen Gouverneurs eingerichtet ist: ein Altbau mit unglaublich viel Charme und kreativen Köpfen. Jeden Abend finden wochentags Tanzkurse statt, es gibt Aufführungen und Ausstellungen, Konzerte, Workshops und eine Sitzecke auf der Terrasse, wo sich Gäste und Kreative treffen. Es gibt vier Gästezimmer, mit denen die Gäste das Kulturzentrum direkt unterstützen, denn alle Einnahmen fließen direkt in das Projekt.

Wir genossen die tolle Infrastruktur, die wir in Mauretanien fast 7 Wochen nicht hatten: ein richtiges Bett mit Decke und sauberer Bettwäsche, Wasser aus dem Wasserhahn und das sogar warm, WiFi, Strom ohne Generator und absoluten Luxus: eine Waschmaschine! Und eine Hauskatze, die jede Nacht bei uns verbrachte und spätestens dann in unserem Bett lag, wenn der allabendliche Tanzkurs für zu viel Trubel im Haus sorgte.

Weil es in Mauretanien mit dem Internet nicht wirklich geklappt hat, hatten (und haben immer noch) wir einen riesigen Haufen „Büroarbeit“ aufgelaufen, den wir dringend abarbeiten mussten. Wir blieben eine Woche im „Chateau“, starrten die meiste Zeit auf unsere Bildschirme, aber liefen zu Frühstück und Abendessen mit Freude durch die Gassen der Altstadt. Das Essen im Senegal ist herrlich! Gewürze und kein Hammel, überall verfügbar und von guter Qualität. Natürlich sind die Restaurants der Altstadt für Touristen ausgelegt, aber auch das Streetfood ist lecker. Wir haben richtig Nachholbedarf und auch eine Konditorei gefunden, in der es unglaublich guten Kaffee gibt.

Im Senegal trinkt man übrigens „Cafe Touba“. Ein Filterkaffe, der zu 20% aus Pfefferschoten besteht, die mitgeröstet und mitgemahlen werden und dem fertigen Getränk einen leicht scharfen, muskatig-pfeffrigen Geschmack verleihen. Richtig lecker! Aber eigentlich ist im Moment alles lecker…

Was nicht so “lecker” ist, sind die EU-Milchexporte. Seitdem 2015 die Milchquoten in der EU wieder fielen, sitzt Europa auf einem “Milchberg”. Aber wie bei Hühnchenfleisch, kann man die Milch auch in Afrika entsorgen. Ein kleiner Teil kommt als H-Milch nach Westafrika: aus Deutschland (Zeven) und Frankreich (Bridel). Der Hauptanteil EU-Milch ist Milchpulver – und zwar Magermilchpulver, denn das gute Milchfett behalten die Europäer für sich. Um aus dem Magermilchpulver wieder “Vollmilch” zu machen, wird das Milchfett einfach durch billiges Palmöl ersetzt. Die “Verklappung” von EU Milch nach Afrika hat eine vorher nicht vorhandene große Nachfrage nach Palmöl geschaffen, die dazu beiträgt, dass Urwälder abgeholzt werden und Orang-Utans aussterben. Im Bewusstsein der Europäer sind allerdings nur die Hersteller von Nutella und Schokoriegeln als “Palmölsünder” gebrandmarkt. Wäre ja auch doof, wenn die Europäer wüssten, wer das größere Problem ist: die Nutella oder das Milchpulver? Böser Nestlé Konzern und tolle EU mit ihren Elektroautos (nächstes Kapitel…), oder? Jaja…

Auf Deutsch gibt’s wieder mal wenig dazu, aber wer auf Englisch googelt, kann sich in das Thema tief einlesen. Die Eckdaten: 1kg Milchpulver kostet 1,30€. Daraus kann man 6-7l “Milch” machen. Für die 20cent pro Liter kann auch kein afrikanischer Milchbauer seine Milch produzieren und so zerstört die EU nicht nur die Lebensgrundlage der Fischer (durch die Fangquoten) und die Geflügelindustrie, sondern auch die Milchwirtschaft auf dem Kontinent…

Als wir von Marokko aus nach Mauretanien eingereist sind, waren wir schon nach wenigen Stunden (während der Suche nach einem funktionsfähigen Geldautomaten in Nouadhibou) schockverliebt. Mauretanien hat sich sofort in unsere Herzen gesetzt und ist dort fest verankert. Trotzdem hatten wir große Sehnsucht nach Dingen wie gutes Essen, ein wenig Infrastruktur. Das haben wir alles im Senegal gefunden, doch noch ist der Funke zwischen uns und dem Land nicht übergesprungen. Vielleicht liegt es an Saint Louis, eine Stadt, die sehr auf Touristen fokussiert ist und in der dadurch so vieles arrangiert wirkt. Vielleicht haben wir auch einen kleinen Kulturschock hier, weil wir aus dem völlig authentischen Mauretanien kommen, in dem so gar nichts touristisch ist. Wir lassen das neue Land mal weiter langsam auf uns zukommen, verlassen zum Wochenende das süße Städtchen und arbeiten uns langsam Richtung Dakar vor. Das Land ist gefühlt winzig und die Distanzen kurz. Unser nächster Stopp ist nur 25km entfernt…

Während wir uns weiter gen Süden voran tasten, könnt Ihr unser Mauretanien Fotoalbum anschauen. Es erzählt mit Bildunterschriften von unserer Reise durch ein mystisches Land, von dem nur wenige eine wenn auch nur vage Vorstellung haben. Vielleicht motivieren Euch die Bilder und Geschichten dazu, selbst mal nachzuschauen, wie toll es da ist?

Das nächste Video aus Mauretanien ist auch online: unsere Fahrt zur mystischen Wüstenstadt Tichitt, bis heute nur über 250km Sand per Geändewagen zu erreichen und ohne Anschluss an den ÖPNV. UNESCO Weltkulturerbe und im Vergleich zu hier eine völlig andere Parallelwelt…

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