Eine tierreiche Woche liegt hinter uns. Nachdem wir in der Woche zuvor bei unserer Bootsfahrt weder Seekühe (Manatis) noch Delfine gesehen hatten, war das auch wirklich nett von der Tierwelt, sich uns dann doch zu zeigen!
Wir blieben insgesamt fünf Nächte in Senegambia, DEM Hotspot für europäischen Pauschaltourismus in Gambia. Aber ein Pauschaltourismus der absolut netten Art. Keine Hotelbunker, sondern flache, wirklich nette Hotelbauten in landestypischer Architektur. Der Strand ist mit Palmen und sauber, die Gäste hauptsächlich Rentnerpaare, die lesend die Ruhe und das gute Wetter genießen. Hier und da ein paar Sextouristen, aber wesentlich weniger als erwartet. Die weiblichen Urlauber dieser Art sind meist jünger (U40), die männlichen ziemlich alt (Ü70), sodass die jüngeren Pärchen fast normal wirken, weil der Altersunterschied nicht groß ist. Nur die älteren Herren greifen zu extrem jungem Gemüse…
Die meisten Urlauber sind Holländer, weswegen die Infrastruktur sich auch angepasst hat. Es gibt Bitterballen und Frikandel, viel Bier und eine holländische Strandbar. Bis zur Pandemie gab es das auch für Deutsche, aber nach der Pandemie hat kein einziger deutscher Reiseveranstalter Gambia wieder ins Programm genommen und es gibt auch keine Charterflüge mehr ab Deutschland. Die deutschen Urlauber sind auf 1/3 der Zahlen vor der Pandemie zurückgefallen und uns tun die Einheimischen leid, die nun kein Einkommen mehr haben. Die deutschen Rentner, die hier Ferienwohnungen haben, grundsätzlich hier überwintern oder ganz hier leben, fliegen jetzt ab Holland oder Luxemburg, aber der deutsche Pauschaltourist ist hier ausgestorben. Das macht es für uns aber richtig angenehm, denn das verbleibende deutsche Rentnervolk hier ist eine gesittetere Sorte als das, was oft an der bulgarischen oder mallorquinischen Küste anzutreffen ist…
Wir haben uns jedenfalls trotz Trubel wohlgefühlt, Kaffee und Kuchen und italienische Pizza genossen und Lakritze gefuttert. In unserer schwedischen Unterkunft (aus Schweden kam 1965 übrigens der erste Charterflug nach Gambia!) hatten wir den perfekten Rückzugsort und konnten ein bisschen Europa mitten in Westafrika genießen und von dort aus kleine Ausflüge machen. Zu den Krokodilen zum Beispiel.
Krokodile sind in Westafrika heilig und gelten als fruchtbarkeitsfördernd und glückbringend. Ein Krokodil zu berühren, bringt Glück und macht fruchtbar. Alleine in Gambia, dem kleinsten Land Kontinentalafrikas, gibt es drei heilige Krokodilbecken. Wir sind mit dem Taxi zu dem bei Banjul gefahren. Ein kleiner Tümpel, in dem und um den herum ungefähr 80 Krokodile leben. Achtzig. Das bedeutet: die liegen überall herum und sind teilweise gut versteckt, insbesondere die jungen Krokodile, die noch sehr klein sind und farblich aussehen wie die Steine… Überall hängen Schilder in allen Sprachen (sogar Bulgarisch!), dass man auf einen Mitarbeiter warten soll. Wir kamen eh nicht weit, denn so ein Riesenviech lag auf dem Weg.
Der Mitarbeiter hat dem Urvieh einfach zwei Schuppen am Schwanz zusammengedrückt und schon schlich das Krokodil davon. Gewusst, wie! Ich hatte vor 27 Jahren (!) schonmal ein Krokodil gestreichelt, allerdings in freier Wildbahn im Pantanal in Brasilien und kein heiliges Tier. Die Theorie wusste ich daher, nur fand ich es etwas beunruhigend, dass es einfach so unglaublich viele Tiere waren, man also unweigerlich einigen Mäulern den Rücken zudrehen musste. Wir bekamen aber versichert, dass die Tiere jeden Morgen gut gefüttert werden und man wirklich keine Angst haben brauche. So war es dann auch, wir haben zwei verschiedene Tiere angefasst (darunter auch das berühmte Albino „Charly“) und ich konnte richtig die überraschend schwabbeligen Beinchen abtasten.
Für Einheimische gab es eine Art „Badezimmer“, in dem sich Frauen mit einem Eimer Tümpelwasser duschen können. Weil die Krokodile ja die Fruchtbarkeit fördern, ist das Wasser, in dem 80 Krokodile leben, besonders wirksam. Zurück im Taxi freute sich unser Taxifahrer für uns, denn weil wir das Albinokrokodil berührt hatten, hätten wir jetzt besonders viel Glück. Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen!
Der Fahrer chauffierte uns mit einer E-Klasse in Vollausstattung. Überall am Straßenrand, in Höfen, auf Brachflächen etc. stehen hier Autos herum. Überall. Und teilweise in richtig gutem Zustand! Das brachte uns mit dem Taxifahrer ins Gespräch, wie man hier ein Fahrzeug kauft. Von den Motorradfahrern aus dem Senegal hatten wir ja schon erfahren, dass im Ruhrgebiet auf Bestellung geklaut und nach Dakar geliefert wird. (Details im letzten Blogpost Mit den Autos ist es nicht anders, erklärte der Taxifahrer. Wenn man eins haben wolle, schaue man online auf den europäischen Onlineportalen für Gebrauchtfahrzeuge. Dann sucht man sich (wie beim Motorrad) aus, was man haben möchte und „bestellt“. Ist das Fahrzeug „besorgt“, geht es direkt in den deutschen oder holländischen Hafen und jede Woche legt ein Schiff nach Dakar ab. „Versandkosten“ für die E-Klasse in der wir saßen: 700€. Hat man Glück, sind sogar Papiere dabei. Wenn nicht, kann man das regeln, das haben ja auch die senegalesischen Motorradfahrer erklärt. Die E-Klasse hatte nicht ganz so saubere Papiere, gab der Fahrer zu, deswegen habe er auch keine Versicherung, aber wir könnten ja sehen, wie vorsichtig er fährt!
Die vielen, vielen Autos am Straßenrand sind die, für die die Reparatur teurer ist als ein neues Fahrzeug aus NRW zu bestellen oder die, bei denen es mit den Papieren schwierig wurde oder die, die aus dem Senegal abgeschoben wurden, weil man dort nur maximal 7 Jahre alte Fahrzeuge neu anmelden darf. Jan hat schon eine Geschäftsidee: eine Schrottpresse hier runter verfrachten und die Autos zu Würfeln formen und als Rohstoff zurück nach NRW schicken. 😊Und ich schaue all die schönen VW-Busse an und würde gerne so einen kaufen. Damit über die Grenze zu kommen, ist allerdings ein Problem…
Unser Plan ist ja, während der Regenzeit nicht mit den Motorrädern weiter zu reisen. Die Straßen werden zu Schlammschlachten und der Schlamm kriecht in die Lager, frisst Bremsbeläge und schmirgelt die Antriebskette. Unnötiger Verschleiß. Die hohe Luftfeuchtigkeit führt zu Schimmel im Gepäck und sich über Schlammpisten quälen machen wir dann doch lieber auf Sportenduros mit Startnummern drauf. Heißt dann Breslau Rallye und nach ner Woche Spaß im Schlamm gibt’s ne Generalüberholung der Motorräder, wie wir es hier in Afrika nicht realisieren könnten. Also warum die Motorräder unnötig strapazieren, die Verletzungsgefahr steigern und mit Schimmelgepäck weiterreisen, wenn man nicht muss?
Deswegen sind wir auf der Suche nach einer Unterstellmöglichkeit für ungefähr vier Monate Regenzeit. Je nach Land werden dafür auch Zollformalitäten fällig, zum Beispiel in Gambia. Ein traditionsreicher Campingplatz unter Pfälzer Leitung bietet das an: Langzeitparken und Zollservice. Das wollten wir uns anschauen. Weil wir im Senegal ja schon eine richtig negative Erfahrung mit einem alteingesessenen Overlander-Campingplatz (unter Schweizer Leitung) hatten, waren wir diesmal gleich in der schwedischen Lodge und nicht auf dem deutschen Campingplatz. Und das war goldrichtig! Die lange, lange Preisliste ergab letztendlich eine Preisdifferenz von 50 Cent zwischen „am Popo der Heide auf dem Boden im Zelt schlafen, ein Gemeinschaftsbad gegen Gebühr nutzen, keine Sitz- und Kochgelegenheit haben und nur zu bestimmten Zeiten WiFi nutzen dürfen“ und „tolles Bett, Privatbad, Küche und WiFi rund um die Uhr in Laufweite vom Strand“.
Die Preisgestaltung dort ist wirklich 1990er Jahre deutsch-vorsintflutlich kurios wie auch das Englisch. In einen englischsprachigen Land hätte man Korrektur lesen lassen können und dann wäre aus “eingesperrt” (locked in”) ein “eingeloggt” (logged in”) geworden… Wie früher eine „Bahnsteigkarte“ gab es „Tagesbesucherpreise“ von 2,50€ pro Person. Wir waren uns nicht sicher, ob die 2 Zigarettenlängen Gespräch mit dem Pfälzer schon zu lang waren und wir hätten zahlen müssen? Auch zwei Sekunden Internet kosten dort schließlich den vollen Tagespreis. Internet aber nur von 10 bis 22 Uhr, trotz Kostenpflicht. Kostenpflichtiges Internet in Unterkünften ist auch so ein Relikt der deutschen 1990er.. Überall hingen Zettel in einem furchtbar respektlosen Tonfall. Man solle beispielsweise nicht erwarten, dass wenn man für 5€ den Wäscheservice in Anspruch nimmt, man zwei Tage später duftende und fleckenfreie Wäsche zurückbekommt. Das ginge nämlich nur, wenn die Gäste täglich frische Kleider trügen und da sie das als Reisende schließlich nicht täten, könne eine 5€ Wäsche auch nicht helfen. Handtücher für Gäste der Gästezimmer und Bungalows werden als „kostenpflichtiges Upgrade“ verstanden, Telefonieren darf man nur an der Bar, Bezahlung nur in Euro oder zu unvorteilhaften Wechselkursen in Landeswährung. Überall Schilder nach dem Motto „Ich zocke Dich ab und Du bist an allem Schuld“. Dazu ellenlage Erklärungen zu Allem und Nichts, zum Beispiel warum der Flughafentransfer so viel kostet (ordentliche 8€ mehr als sonst wo) und dass man keine Hilfsorganisation sei und schließlich Geld verdienen müsse. Ganz schlimme Stimmung. Ob Atmen auch kostet? Kurzzeitaufenthalte werden mit „1-2 Euro“ bestraft, wobei wir uns fragen, woran man festmacht, wann die Strafe zwei und wann nur einen Euro beträgt. Das Bücherregal war abgeschlossen mit weiteren wilden Schildern, denn Büchertausch ist dort kostenpflichtig. Sowas haben wir noch nie gesehen! Ein Tisch wurde „Shop“ genannt und dort gab es sämtliches ausrangiertes Übergepäck ehemaliger Gäste zu abenteuerlichen Preisen: Zurrgurte, Sicherungen, Werkzeug,… Fairerweise muss man sagen, dass Toilettenpapier wohl nicht extra kostet und der Inhaber nett war. Nur seine Frau grenzwertig. Wahrscheinlich ist sie die Urheberin der ganzen Schilder. Wir haben uns dort so unwohl gefühlt, dass wir dort keinesfalls parken werden.
Die darauffolgenden beiden Tage haben wir uns gefühlt alle fünf Minuten gegenseitig versichert, wie gut die 50 Cent Preisunterschied in die „Schwedische Lodge“ investiert sind. Unsere Hoffnung, auf dem legendären Campingplatz andere Reisende zu treffen, war leider auch umsonst: verständlicherweise gab es keine Gäste. Wir trafen uns abends mit einem Bekannten von Jan aus Köln und verbrachten einen schönen gemeinsamen Abend an einer Strandbar. Dass wir in Westafrika nur sehr selten andere Reisende treffen (und wenn, dann meist soziale Grenzfälle), ist wirklich schade und so war der Abend doppelt schön.
An unserem letzten Tag in Serekunda erlebten wir das genaue Gegenteil vom Campingplatz: ein privat organisiertes, monatliches deutschsprachiges „Büchercafé“, wo man deutsche Bücher tauschen kann und sich zum Deutschsprechen trifft. Wir hatten nichts zum Tauschen (wir lesen digital mit kindle unlimited Familienaccount), durften aber trotzdem mitmachen. Die Anwesenden allesamt weit über 70 und völlig zufrieden und in sich ruhend wirkend. Wir haben uns sehr wohl gefühlt. Nicht nur die deutschen Rentner, auch das gesamte internationale Publikum (auch im Durchschnitt Ü70) auf der „the strip“ genannten Touristenmeile mit Restaurants wirkte grundzufrieden und glücklich. Keine Spinner, keine Säufer, keine Auffälligkeiten. Viele alte Ehepaare Hand in Hand schlendernd, sich beim Essen liebevoll ansehend, kein übermäßiger Alkoholkonsum, Tischmanieren, frohe, strahlende Gesichter überall (Ausnahme: ein deutsches Ehepaar U 60). Eine grundsätzlich sehr gesittete, glückselig-lebenslustige Atmosphäre. Egal ob an Strand, Pizzeria, Konditorei oder Flaniermeile. Die wenigen „ungleichen“ Paare (hauptsächlich vom Typ „alter Mann mit junger Einheimischen“) fallen nicht negativ auf. So eine harmonische Stimmung gibt es unter den Expat-Rentnern in Bulgarien nicht. Da herrscht doch zu viel Alkohol im nicht ganz so hochleistungsfähigen Oberstübchen… Ob wir in 30 Jahren als „Silberrücken“ auch mal in Gambia überwintern?
Es war Zeit, die Küste zu verlassen und wir quälten uns Richtung Osten aus dem Agglomerationsraum Serekunda heraus. Es lagen 255km vor uns. 255 langweilige Kilometer geradeaus, Erdnussplantagen links und rechts der Straße. Die fehlende natürliche Vegetation ließ die Temperatur auf über 43°C steigen. Es war, als führen wir durch einen Backofen. Der Fahrtwind kühlte nicht mehr, er heizte auf. Wie hielten unterwegs zwei Mal an kleinen Lädchen in Dörfern, um jeder rund einen Liter zu trinken und im Schatten auszuruhen. Das machen wir gerne. An der Straße hocken und gucken, was so im Dorf passiert. Mit jedem Kilometer weiter ins Landesinnere wurden die Betonbauten weniger und die Lehmhütten mit Strohdach mehr. Und wir sahen Paviane! Guinea Paviane haben ein recht kleines Verbreitungsgebiet und sind daher gering vom Aussterben bedroht. Und vor uns lief eine ganze Horde über die Straße! Wie im Bilderbuch: Affenmamas mit ihren Babys unterm Bauch und der dicke Pavianpapa als Letzter hinterher. Leider viel zu schnell und spontan, um zu fotografieren! Paviane hatte ich noch nicht in freier Wildbahn gesehen! Andere Affen schon. Colobus Äffchen beispielsweise gibt’s in Afrika so viele wie in Europa Eichhörnchen. Nur viel mehr. Nur dass die viel frecher sind als Eichhörnchen und man immer aufpassen muss, nichts herumliegen zu lassen, was die flinken Kletteraffen klauen.
Unser Ziel war der Gambia River Nationalpark im Osten des Landes. Dort leben auf drei Inseln Schimpansen als erfolgreiches Ergebnis eines Rehabilitationsprojektes aus den 1970er Jahren. Das Projekt ist so erfolgreich, dass die Inseln des Nationalparks mittlerweile von Schimpansen etwas überbevölkert sind und die nun 142 Tiere in Nahrungskonkurrenz zu den anderen dort lebenden Affen stehen. Deswegen werden die Schimpansen zugefüttert. Die Ranger werfen wöchentlich Futter auf die Inseln, denn Menschen dürfen den Nationalpark nicht betreten, um beispielsweise keine Krankheiten einzuschleppen. Das Füttern führt dazu, dass die Schimpansen keine große Scheu vor Menschen haben und gut zu beobachten sind. Die einzige offizielle Lodge des Nationalparks kostet 125€ pro Person und Tag und es gibt am anderen Flussufer nur eine einzige günstige Alternative in der Nähe des Nationalparks. Und das war unser Tagesziel.
Leider nicht nur unseres. In Europa sind gerade „Skiferien“ und hier Hochsaison: die Unterkunft war komplett ausgebucht und mit Ach und Krach ergatterten wir noch ein Zimmer und auch nur für eine einzige Nacht im alten Trakt bei den Guides mit Gemeinschaftsbad. Das Essen gab’s nur als teure und schlechte (Kartoffeln+ Nudeln mit Tomatensauce für 8€) Massenverpflegung mit den Reisegruppen aus Holland, England, der Schweiz und Spanien gemeinsam. Inklusive dem Krach, den so viele Menschen auf einer Terrasse eben so machen. Irgendwie hatten wir uns das anders vorgestellt, aber keine andere Möglichkeit, wenn wir Schimpansen sehen wollten. Es gab auch wegen all der Reisegruppen keine freien Boote mehr und es war nicht möglich, bei einer Reisegruppe ins Boot zu steigen und sich an den Kosten zu beteiligen. Ich war selbst jahrelang Reiseleiter und hatte das auch nicht anders erwartet. Das geht schlicht und einfach reiserechtlich nicht.
So hatten wir am nächsten Morgen den Luxus eines Bootes nur für uns zwei. Der Fluss lag spiegelglatt vor uns und wir holten einen Ranger des Nationalparks an Bord, der uns über das Rehabilitationsprojekt informierte und in der Nähe des Ufers Schimpansenrufe machte. Wir fuhren fast zwei Stunden alle drei Inseln ab und der Ranger rief und rief, aber keiner antwortete ihm. Auch die Nilpferde zeigten sich nicht und die Krokodile hatten sich genauso unsichtbar gemacht. Außer zwei Colobus Äffchen („Eichhörnchen“, nix Besonderes), zeigte sich kein Tier. Dem Bootsführer tat es leid und er versprach, mit dem Manager unserer Unterkunft zu sprechen, ob es doch noch ein Bett gäbe und vielleicht eine Möglichkeit, nochmal später ein Boot zu bekommen. Es war möglich, wir durften im Zimmer bleiben. Gut für uns, aber als ehemaliger Reiseleiter weiß ich ganz genau, was das bedeutet: ein Guide, ein Reiseleiter schlief in dieser Nacht im Auto, auf der Ladefläche eines Pickups, im Bus, auf dem Boden, in der Garage, bei Einheimischen im Bretterverschlag oder in der Besenkammer. Wie oft mir das als Reiseleiter passiert ist, passt auf keine Kuhhaut und nun war ich dafür verantwortlich, dass quasi ein „Kollege“ eine ungemütliche Nacht verbringt. Fühlt sich unfair an, wenn man weiß, was im Hintergrund passiert. Der Tourist weiß das nicht, ich durfte das auch nie verraten. Und Euch wird es auch kein Guide, kein Reiseleiter gegenüber zugeben, denn erstens sichern sich die Veranstalter vertraglich dagegen ab (ernsthaft!) und zweitens soll der Tourist ja ein gutes Gefühl und gute Laune haben und niemals auf die Idee kommen, selbst für unwürdige Bedingungen verantwortlich zu sein.
Am Nachmittag teilten wir uns das Boot mit einer Familie aus England und hatten mehr Glück: zwei Schimpansen kletterten fröhlich am Ufer herum. Einer schaute von einem Baumstamm aus aufs Wasser, als ob er sichergehen wolle, für unsere Fotos auch hübsch genug zu sein. Was für wunderschöne Tiere! Der Ranger und Bootsmann freuten sich mit und für uns, dass es bei unserer zweiten Bootsfahrt dann doch noch mit den Schimpansen geklappt hat und für uns war es wirklich etwas ganz Besonderes, diese uns Menschen so ähnlichen Tiere in freier Wildbahn beobachten zu können!
Leider ist unsere Fotoausbeute sehr mager. Von einem auf dem Fluss schwankenden, mit der Strömung treibenden Boot mit dem Tele scharfe Fotos von sich bewegenden Tieren machen, ist nicht einfach. Aber wir haben die Tiere gesehen und werden nicht vergessen, was wir in unseren Herzen gespeichert haben: so menschliche Wesen, die von Menschen gejagt wurden, sodass dieses Rehabilitationsprojekt nötig wurde, weil der Mensch seinen engsten Verwandten fast ausgerottet hat… Die 2,50€ Tagesticket pro Person für den Nationalpark haben wir gerne gezahlt. Ja, Wildtiere sehen in Afrika muss nicht teuer sein. Im südlichen Afrika und in Ostafrika werden Preise verlangt, die unbezahlbar sind. Aber es gibt Alternativen wie hier. Zwei Stunden Bootsfahrt mit Ranger an Bord kosten auch nur 25€ pro Boot. Und unsere Unterkunft mit Frühstück 16€ die Nacht. Wildtiere in Afrika Gucken ist also nicht zwangsläufig nur für Millionäre! Man muss es nur tun…
Der Ranger zeigte uns auch noch Nilpferde, aber weil wir die beide schon von Kopf bis Fuß in freier Natur gesehen hatten und diese hier nur mit dem Kopf aus dem Wasser schauten, war das für uns nur nettes Beiwerk. Ebenso die vielen, vielen Colobus Äffchen, die natürlich auch wieder überall herumsprangen („Eichhörnchen“) waren süß wie immer, aber wir hatten mit den Schimpansen unser großes emotionales Highlight.
Das Landesinnere Gambias ist heiß, auch am Flussufer sind um die 40°C normal, sodass wir früh aufstanden, um morgens um 8 Uhr schon an unserem nächsten Ziel, den Steinkreisen von Wassu, zu sein. Bloß dass die Öffnungszeiten 8-17 Uhr rein theoretisch sind. Man muss schon Touristengruppe mit Voranmeldung sein, damit jemand kommt und aufschließt. Aber es ist ja Hochsaison und nach 45 Minuten Wartezeit im Schatten kamen Kassiererin, Guide und Touristengruppe. Die Steinkreise bei Wassu sind die mit den höchsten Stelen im gesamten Verbreitungsgebiet. Sie stehen unter UNESCO Weltkulturerbeschutz wie viele andere Steinkreise in Senegal und Gambia.
In einem kleinen Museum hängt eine interessante Landkarte mit Steinkreisen weltweit: es gibt sie in Afrika, Europa und Asien, jedoch nicht in den Amerikas. Irgendwer, wahrscheinlich die Afrikaner, hat diese Form des Begräbnisses erfunden und dann erfolgreich über Land exportiert. Zum Beispiel nach Armenien (da haben wir uns 2018 solche Steinkreise angeschaut, hier nachzulesen: Armenien schläft noch) oder nach England (Stonehenge) und vielen, vielen andere Orten.
In Wassu gibt es 11 solcher Steinkreise aus roten Laterit-Säulen, die größtenteils in einer Linie aufgereiht und mit den größten Stelen gen Osten ausgerichtet sind. Außerhalb der Kreise gibt es noch weitere Steine. Man vermutet, dass diese zu bestimmten Daten in Kombination mit Sonnenstand oder Sternenbildern eine Symbolik haben, man weiß es aber nicht wirklich. Die Eisenzeit ist einfach sehr, sehr lange her und Afrika ein Stiefkind jeglicher Forschung. Das meiste, was wir vor Ort auch vom Guide erfahren haben, sind Mutmaßungen. Aktuelle Forschungen gibt es keine. Die Steine auf den Steinen stammen aus neuester Zeit, weil Touristen glauben, es bringe Glück, einen Stein drauf zu legen. Naja…
Wir haben den lieben Leuten dort noch Sprite und Cola abgekauft, bevor wir weiterfuhren. Der Gambiafluss ist die Lebensader des Landes, der sich entlang der Ufer erstreckt und doch gibt es nur eine einzige Brücke und die erst seit 2017 und fast in der Mitte des Landes, um mit dem „Trans Gambia Highway“ die beiden Teile Senegals, die Gambia „umklammern“ auf dem kürzesten Weg zu verbinden. Wir jedoch waren im fernen Osten von Gambia und mussten eine der vielen kleinen Fähren nehmen. Angeblich sollte man da abgezockt werden, aber wie solche Geschichten passieren, obwohl Preislisten (in sogar zwei Währungen!) aushängen und die Tickets digital erstellt werden, können wir uns nur mit dem deutschen Sprichwort vom Wald erklären: wie man in den Wald hineinruft… Respektloses Verhalten weißer Touristen gegenüber den Menschen ihres Gastgeberlandes ist leider Alltag. Auch die britische Familie, mit der wir die Schimpansen sahen, hatte ein ziemlich koloniales, herablassendes Verhalten. Das tut weh zu sehen und macht wütend. Aber so schaffen sich Reisende ihre Probleme selbst. Auf Englisch wird das mit „attitude“ kommentiert und das ist es wohl auch: Attitüden.
Wir hatten zwar mit unserem Gepäck Fracht auf dem Motorrad, wurden aber nur als „Motorrad mit Fahrer“ abgerechnet. Total nett! Auf der anderen Seite des Flusses wollten wir eine Unterkunft nehmen und das war schwierig. Die ganze Straße voll Unterkünfte, aber die Lodge am Ufer, die 125€ pro Person im Safarizelt verlangt, schien die Preise im Dorf kaputt gemacht zu haben. Das Schärfste war ein holländisch-gambisches Pärchen, was ihre noch im Bau befindlichen Zimmer für 25€ ohne Frühstück (und ohne Strom oder Wasser) vermieten möchte. Camping kostet 16€ für zwei. Danke auch! Uns lief bei über 40°C der Schweiß unterm Helm, als wir wie Maria und Josef von Unterkunft zu Unterkunft zogen. Letztendlich wurden wir für 20€ fündig: hübsch, hell, mit privatem Bad, Strom, Wasser, aber auch ohne Frühstück. Zwar mehr als sonst und für im Landesinneren deutlich überzogen, aber bei den Temperaturen möchten wir weder große Strecken fahren (260km bis zum nächsten Ziel), noch zelten.
Der ganze Ort war komisch. Im Reiseführer (Bradt Guide) wurde es britisch-höflich umschrieben mit „es fühlt sich an, als sei täglich Feiertag“. Heißt in Klardeutsch: das ganze Dorf liegt täglich im Suff oder anderem Rausch. Keiner konnte nachmittags um 2 noch geradeaus gucken und als wir ab 18 Uhr versuchten, Abendessen zu finden, wurde es schwierig. Wir betraten ein „Restaurant-Snackbar-Fastfood“. Ooooh… Eeeessen? Ja, was gibt es denn? Jaaa, aaalsooo… Eeeessen? Hmmmm. Fleisch iiin deeer Tiiiefküüühltruuuhe. Okay, vielleicht Reis dazu? Raaaais? Ooooh… neee… kann auch niiiix kauuufen… Laaaden zuuu… Er rief seine Frau an. Die hatte noch ein paar Reste Reis, die könne sie bringen. Danke, nein. Der Laden gegenüber hatte geöffnet, aber der Inhaber schlief auf seiner Tiefkühltruhe (aus der hier in Läden Getränke verkauft werden). Okay. Nächster Versuch. Noch ein „Restaurant“: ein Hinterhof voll Müll, Schrott und Dreck, aber ein motivierter Koch, der uns binnen 1,5 Stunden tatsächlich ein leckeres frisches Abendessen zauberte und uns Nachschlag aufnötigte. Je länger wir saßen, desto mehr Männer kamen in den Hinterhof gewankt, um dort mit eigener Musikanlage gegen die Reggaemusik des „Restaurants“ anzutönen und weiter dem Drogenkonsum zu frönen. Als wir in unserer Unterkunft das Frühstück klären wollten, war dort auch niemand mehr nüchtern und in der Lage, sich verständlich zu artikulieren. Der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen: „als sei täglich Feiertag“.
In Gambia sind Drogen grundsätzlich verboten, aber es scheint ein paar Ecken im Land zu geben, da kümmert sich niemand drum. Dieser Ort offensichtlich und auch eine Insel im Norden des Landes. Ihr gegenüber auf dem Festland war es auch sehr schräg und wir schienen die einzigen „Nichtraucher“ zu sein. Die „Raucher“ bauen ihren Stoff auf der Insel selbst an (weswegen auch eine gewisse Art Touristen dort hängen bleibt), die meisten Einheimischen halten nichts davon. Als wir in der Nähe der Insel sichtlich irritiert nach „unvernebelten“ Gehirnen suchten, erklärte uns ein netter Mensch, das sei dort schwierig. Und die Führerin der Festung in der Nähe erklärte uns, dass das Betreten der Insel Unglück brächte für alle, die nicht mitmachen. Polizisten zum Beispiel, die dort hin übersetzten, seien alle hinterher gestorben oder schwer krank geworden. „Da geht man besser nicht hin“.
Das mit der Kommunikation ist auch mit nüchternen Menschen hier schwierig ist. In Gambia spricht man Englisch. Zumindest sind die Menschen, die mit uns sprechen auch überzeugt, das zu tun. Im Fernsehen läuft BBC und andere englischsprachige Sender und natürlich wird auch alles auf Englisch geschrieben. Wir sind beide fließend in Englisch und trotzdem verstehen wir wenig. Eine Unterhaltung kann mit „Wetto“ beginnen. „Wetto“ heißt „Where are you going to“ (wohin des Weges). Die Wegbeschreibung, die wir erhielten, enthielt das kreative Wort „Block Fence“ (Betonsteinzaun), also Mauer. Und wir haben einen Tag lang auf sämtlichen Karten nach der Stadt „Makatti“ gesucht. Es handelte sich um „Mc Carthy Island“. Auch Grundnahrungsmittel sind nicht einfach. Im Laden „Water“ zu verlangen, klappt nicht. Auf die Flasche Wasser zeigen, jedoch schon. Heißt nämlich „Fatta“!
Wir sind nun auf dem Rückweg gen Küste und treffen immer und immer wieder dieselben Vogelkundler. Gambia ist ein berühmtes Paradies für Vogelliebhaber und auch wir haben Freude an den vielen, vielen bunten Vögeln überall. Wie die „Morning Dow“ ruft, kann ich schon perfekt nachahmen (nur daher weiß ich, wie sie heißt, weil ich den Vogelkundlern etwas vorgezwitschert habe) und weil wir die Namen der anderen Piepmätze nicht kennen, erfinden wir sie. Der „Alarmvogel“ zum Beispiel ruft nur an der Küste. Der „Autolackvogel“ schimmert wie eine grün-türkis schillernde Metallic-Sonderlackierung. Aber trotz all der wirklich hübschen Vögel war unser Highlight ganz klar die Beobachtung der Schimpansen…
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