Die letzten Wochen waren stressig. Für Daheimgebliebene ist es schwer nachzuvollziehen, dass Reisen ein Vollzeitjob ist. Hat man „neben“ diesem Vollzeitjob auch noch einen Job, bei dem man das Geld verdient, welches man beim Reisen ausgibt, dann braucht man manchmal wirklich Urlaub. Eine Auszeit, bei der man sich nicht darum kümmern muss, wo man die Nacht schläft, wo man isst, Wäsche wäscht, wie man von A nach B kommt, eine Auszeit ohne deutschen Behördenkrieg, ohne DHL, ohne Notar, Visafristen, Zollprobleme und anderen Reise-Alltag.
Wir hatten uns für Lagodheki entschieden, weil wir da 2018 nach einem Trekking in den dortigen Bergen schonmal „versackt“ sind. Der Lagodheki Nationalpark liegt im Dreiländereck von Russland, Georgien und Aserbaidschan, kommt auf der touristischen Landkarte kaum vor und bietet unberührte Natur, herrliche Bergblicke und Ruhe. Wir lieben georgische homestays, wo man im Haus der Gastgeber selbst im Gästezimmer wohnt und von ihnen bekocht und umsorgt wird. Man muss sich um nichts kümmern, außer die Uhrzeiten für das tägliche Schlemmen abklären. Oma macht das dann und verwöhnt nach höchsten Künsten georgischer Kochkunst. Und die Hauskatzen kümmern sich zwischen den Mahlzeiten um das Wohlergehen der Gäste.
Eine ganze Woche haben wir allmorgendlich ein immer anderes Frühstück bekommen, mit frischem Salat, heißem Gebäck und weiteren georgischen Köstlichkeiten. Unser 9€ Zimmer haben wir außer zum Schlemmen nur selten verlassen. Auf dem Campingplatz des Ortes trafen wir deutsche Motorradreisende wieder (die wir schon in Bulgarien und in der Türkei getroffen hatten und von Instagram kennen), lernten schweizer Motorradreisende kennen und kochten zusammen. Oder aßen bei „Oma“ in unserem homestay am sich vor Köstlichkeiten durchbiegenden Tisch in der Gartenlaube. Richtig Urlaub!
Ich habe die Fotos der letzten Wochen sortiert und zu Fotoalben zusammengestellt. Wer sehen möchte, was wir in der Türkei fotografiert und erlebt haben, schaut hier: Fotoalbum Türkei. Was uns im Irak vor die Linse gekommen ist, seht Ihr hier: Fotoalbum Irak. Seit Sommer 2018 dokumentieren wir jedes Bett, in dem wir schlafen. Seit Ende März sind ganze 33 Betten dazugekommen (wir schlafen ja eigentlich in unserem Passat Hans) und wenn Ihr Betten und die dazugehörigen Preise (zwischen 6€ – 45€/Zimmer) sehen möchtet, schaut hier: Wie man sich bettet… Da wir beide „Foodies“ sind, also Spaß an Landesküche haben und regionalem essen als Teil der Kultur des bereisten Landes eine große Bedeutung zusprechen, haben wir seit etwa drei Jahren auch ein Album zum Thema Essen: „Food around the World“ heißt das Album. Jan hat die Auszeit genutzt, um ein neues Video, das erste über unsere Türkei-Reise, fertig zu schneiden. Wenn Ihr sehen möchtet, welche untouristischen persönlichen Highlights (Phrygisches Tal, Ulubey Canyon) wir dort lieben gelernt haben, klickt hier:
Nach einer Woche „bei Oma“ waren wir bereit für Neues und hatten wieder etwas Energie zum Weiterreisen. Wir kamen 47km weit bis Sighnaghi, die geogische „Stadt der Liebe“. Sighnaghi ist eine der kleinsten Städte (1500 Einwohner) Georgiens und so hübsch und mit spektakulärer Lage mit Blick auf den hohen Kaukasus, dass dort rund um die Uhr geheiratet werden kann. Das Standesamt hat tatsächlich 24/7 geöffnet, weil aber derzeit große Hochzeitsfeiern verboten sind, haben wir leider keine Brautpaare gesehen und die „Stadt“ wirkte insgesamt ziemlich verschlafen.
Als wir gerade durch das Stadttor fahren wollten, sahen wir zwei deutsche Motorräder parken: Franzi und Robert, mit denen wir in Lagodheki gekocht hatten! Was wir erst für einen Zufall hielten, war gar keiner: sie hatten spontan im selben homestay wie wir gebucht, als sie erfuhren, wohin wir fahren. Kaum saßen wir zusammen auf der Terrasse, tauchten auch noch Benni und Roger auf, die beiden Schweizer. Natürlich auch kein echter Zufall, die vier wollten uns überraschen und brauchten nach ihrer nur 37km langen Tagesetappe auch “dringend” Pause.
Wir verbrachten einen schönen Tag zusammen in Signaghi und wurden von unserer Gastgeberin am Morgen mit einem opulenten Frühstück „gemästet“. Die Vier schafften es danach tatsächlich 100km weiter bis Tiflis, wir waren noch nicht bereit für die Weiterreise und zogen ganze 5m weiter in ein anderes Zimmer im selben homestay. In unserer Matratze hauste nämlich eine süße Mäusefamilie! Wir bekamen ein mäusefreies Zimmer und wurden am nächsten Morgen wieder mit leckersten Köstlichkeiten (hausgemachter Joghurt, kandierter Kürbis, Blinis mit Smetana, Khatschapuri, Salat etc.) verwöhnt bis auch wir die “weite” Reise bis Tiflis schafften.
In Tiflis hatten wir gehofft, unsere Wahlunterlagen abholen zu können. Aber nicht nur wir haben das vergeblich gehofft, auch Franzi und Robert. Als Auslandsdeutsche ist man wahlberechtigt, aber muss seinen Willen zu wählen kompliziert kundtun und durch einen Paragraphendschungel reiten. (Das “Roadbook durch den Paragraphendschungel” gibt’s hier zum Nachlesen: Bundeswahlleiter) Da wir zur Europawahl 2018 den Weg durch den Dschungel schon genommen hatten (aber auch damals nicht zum Ziel, den Wahlunterlagen, kamen), hatten wir große Hoffnung, diesmal unser Wahlrecht wahrnehmen zu können. Man muss dazu einen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen. Das geht in Deutschland natürlich nicht digital: der Antrag muss unbedingt handschriftlich ausgefüllt und per Schneckenpost verschickt werden. Fax oder Mail ist nicht erlaubt. Weil 2018 eine Antragsfrist von 2 Monaten vor der Wahl als „zu kurzfristig“ schien, haben wir diesmal schon im April die Anträge eingereicht. Eine Bestätigung, ob dem Antrag stattgegeben wird, bekommt man übrigens nicht. Man muss hoffen.
Zuständig ist das Amt des letzten Wohnsitzes. Das war 2018 Krefeld. Damals hat es mit dem Antrag weder bei uns, noch bei einem Freund aus den VAE geklappt, der den Antrag auch in Krefeld gestellt hat. Wir dachten, die Krefelder sind vielleicht etwas unkoordiniert und waren diesmal guter Dinge, da aufgrund anderen behördlichen Unsinns nun die „Weltstadt“ Hamburg für uns zuständig war. Doch auch in Hamburg arbeitet man nicht. Oder nicht so, wie man soll. Zumindest erfuhren wir nach mehrfachen Telefonanrufen und Gesprächen mit pampigen Beamten, dass unsere Anträge aus unerklärlichen Gründen schon wieder nicht bearbeitet worden waren. Das hieß also: wir dürfen wieder nicht wählen, wie mindestens 3,4 Millionen andere Auslandsdeutsche weltweit, die ihr Wahlrecht aufgrund deutscher Unfähigkeit und trotz deutscher Steuerpflicht (ja, wir zahlen immer noch für den Mist!) wahrscheinlich nicht wahrnehmen können. „Nicht so schlimm“, meint Ihr? Oh doch: Das macht am Ende mindestens rund 6% der Wahlbeteiligung aus. (Quellen: 60,4 Mio Wahlberechtigte, +/- 70% Wahlbeteiligung) Und wir sind sicher, diese 6% wählen nicht gerade braune Suppe, denn 76% aller deutschen Auswanderer haben einen Hochschulabschluss (Quelle: NZZ) und 2013 kehrten 22.000 Deutsche weniger zurück, als Deutsche auswanderten.” (Quelle, hier & OECD) Das nennt man “Brain Drain”… Wer das alles nicht glaubt, der führe sich folgende Artikel zu Gemüte, aber vielleicht vorher Baldriantee kochen…
- “Goodbye Wahlrecht!” (Spiegel, 8.8.2021)
- “Herr Thiemann will wählen – doch Deutschland lässt ihn nicht” (Spiegel+, 31.8.2021)
- “Deutsche Wähler im Ausland: vergessen von der Politik” (DLF, 16.8.2021)
Wir kennen übrigens niemanden persönlich, der für die kommende Wahl und für vergangene Wahlen jemals als Auslandsdeutscher die Wahlunterlagen bekommen hat, sind aber in intensivem Austausch mit vielen Deutschen in gleicher Situation und ähnlich hohem Frustrationslevel. Die Wahlfrist für Auslandsdeutsche läuft am 10.9. ab und egal ob Reisende gerade in Budapest, Tiflis, Dubai, Abu Dhabi oder sonstwo bei den Botschaften versuchen, jemanden zu erreichen: es gibt keine Wahlunterlagen, weil die deutschen Ämter… Ach, lassen wir das, glaubt uns ja eh wieder keiner.
In Tiflis saßen wir mit insgesamt 9 deutschsprachigen Motorradreisenden zusammen. Tommy aus Karlsruhe, dem wir mit seinem Vergaser geholfen hatten, Franzi und Robert (D), Benni und Roger (CH), Heike und Gerd (CH) und wir (BG). Weil hier Restaurants um 22 Uhr schließen müssen, war der Abend viel zu kurz, wie immer, wenn man Gleichgesinnte an einen Tisch setzt.
Tiflis haben wir genutzt, um nochmal ein wenig wegzuarbeiten, mit diversen Behörden (bei der Botschaft in Moskau ist tatsächlich jemand ans Telefon gegangen und sogar zuständig) zu telefonieren, an unserem kasachischen Zollproblem zu arbeiten, Papierkram zu erledigen und einen Visumsantrag für Abchasien zu stellen.
Der wurde übrigens wegen „Grippe“ abgelehnt. Soso, ist nur ne Grippewelle gerade, glaubt dort der Mitarbeiter der Visastelle des Außenministeriums. Verschwörungstheoretiker auf staatlichem Posten…
Unser Coworking Space liegt übrigens in „Neu Tiflis“. Ende des 19. Jahrhunderts gab es 45.000 deutsche Siedler im Südkaukasus und die haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die Parallelstraße unseres Hotels ist die „Michelstraße“ und führt zum „Saarbrücken Platz“. Die Deutschen haben hier in Georgien insgesamt 23 Siedlungen mit deutschen Namen (Marienfeld, Elisabethal, Traubental, Steinfeld, …) gegründet, wurden durch harte Arbeit jedoch so erfolgreich (hauptsächlich in der Landwirtschaft und im Weinbau), dass der Neid auf deren Wohlstand zu Ressentiments führte und Stalin später alle Deutschen nach Sibirien deportiert hat. 2018 waren wir ein paar Tage im aserbaidschanischen Annenfeld. Wer mehr davon erfahren möchte, kann unsere Erlebnisse von damals hier nachlesen: Zu Besuch bei den deutschen Siedlern in Aserbaidschan
Wir machen uns nun (langsam) auf den Weg gen Westen. Es soll nächste Woche regnen und so werden wir eine weitere kleine Reisepause einschieben. Der letzte Regen, den wir erlebt haben war irgendwann im Juli drei Stunden in der Türkei und davor Ende Mai auf der Galipoli Halbinsel, sodass uns das nicht sonderlich stört. Wir müssen ja nicht reisen, wenn das Wetter nicht passt, schließlich ist Georgien da sehr entspannt: man darf 365 Tage ohne Visum im Land bleiben. So lange planen wir das natürlich nicht, aber was bedeuten schon unsere Pläne? Was wir nach dem Regen machen, wissen wir noch nicht. Auch nicht, was wir im Winter machen. Danke der Nachfrage 😊
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