Wir verbrachten vier Tage in der Altstadt von Antalya. Unser Hotel lag in einer ruhigen Gasse mit gutem Internet. Wir hatten das extra so gebucht, um tagsüber zu arbeiten und abends durch die Altstadt zu flanieren. Wir waren sehr produktiv und haben Antalya mit seiner osmanischen Architektur und Altstadt voll Charme wirklich genossen. Jan hat ein weiteres Video fertiggestellt. Es zeigt, wie schön Winter in Bulgarien ist. Ein Land, das Viele immer noch nur mit Strand verbinden, obwohl dort Ski-Weltcuprennen stattfinden!
In Antalya verabschiedeten wir uns von der Küste und fuhren ins kühle Inland. Bis wir die Stadt verlassen konnten, gönnten wir Hans dem Passat noch eine Wäsche und besorgten eine neue Starterbatterie. Im Mai hatte die Alarmanlage öfter gesponnen und behauptet, wir wollten unser eigenes Auto klauen. Wir haben dann kurzerhand das ganze Alarmsystem deaktivieren lassen, ohne weiter nachzudenken, ob vielleicht etwas anderes dahinterstecken könnte als eine spinnende Alarmanlage, die bei einem 30 Jahre alten Auto sowieso kein Mensch mehr braucht. Jan kam irgendwann in den letzten Wochen auf die Idee, den Batteriewächter (heute läuft sowas ja per App und Bluetooth ganz bequem vom Beifahrersitz aus) im Auge zu behalten und der meldete abnormales Verhalten und die Batterie war tatsächlich nicht mehr wirklich fit. Da der Vorbesitzer von Hans über alles Buch geführt hatte, fanden wir schnell heraus: nach 90.000km darf die Batterie schlapp machen! Hans hat jetzt eine neue, etwas stärkere, VARTA Batterie unter der Motorhaube. Diese wurde uns ohne Aufpreis eingebaut, dabei an Hans alle Flüssigkeiten kontrolliert und etwas aufgefüllt (kostenlos) und wir währenddessen im klimatisierten Wartezimmer der Werkstatt mit Tee und Kaffee bewirtet. Jetzt spinnt keine Elektrik mehr, aber die Alarmanlage bleibt trotzdem deaktiviert.
Die Nacht verbrachten wir auf kühlen 1400m in einem Steineichenhain und fuhren dann weiter in die Berge, bogen ab auf eine „weiße“ Straße ohne Verkehr und erreichten dann das Dörfchen Taskale. Wer durch die Türkei nur durch fährt, verlässt die „orangenen“ Straßen nicht und kennt tausende Kilometer über Hochebene, durch Steppe und heiße staubige Ebenen. Wer sich treiben lässt, fährt durch tiefe Canyons wie Westernlandschaften und schraubt sich steile Bergstraßen hoch und wieder herunter. Natürlich braucht man für 100km dadurch ziemlich lange, aber wir sind ja nicht auf der Flucht, sondern auf Entdeckungsreise!
In Taskale befindet sich eine bis heute genutzte, fünfstöckige Höhlensiedlung in Bestzustand! Die Menschen leben mittlerweile im Dorf unterhalb des Höhlen-„Hochhauses“ in schönen Lehmhäuschen, aber nutzen die Höhlen weiterhin als Lager für Getreide, Saatgut und als Vorratskammer. Wir machten Halt im Ort und es klopfte an der Fensterscheibe. Eine alte Frau stand da, lachte und reichte mir ein selbstgebackenes Fladenbrot hinein. Ich sollte probieren! Es war himmlisch! Jan bekam auch einen Fladen überreicht, dann lächelte die alte Dame und lief davon. Wir hatten einfach so auf offener Straße selbstgebackenes Brot geschenkt bekommen! Uns ging das Herz auf, so viel Gastfreundschaft!
Rund um das Örtchen ist die ganze Steilwand von einem Höhlensystem durchzogen und man kann darin nach Herzenslust herumklettern, denn es sind Metallleitern installiert, um weniger riskant im Felsinneren von einem ins andere Stockwerk klettern zu können. Der Tourismus in der Region ist noch nicht angekommen, obwohl begonnen wurde, ein Besucherzentrum anzulegen. Die Toiletten funktionieren schon. 😊
Auf der Weiterfahrt hielten wir an, um Gözleme zu essen. Die Auswahlmöglichkeiten der Füllungen waren eine lange Liste und außer Spinat, Käse, Wurst und Kartoffeln verstehen wir noch nicht genug Türkisch, um aus wirklich allen Zutaten wählen zu können. Man kann natürlich immer nur bestellen, was man kennt. Man kann aber auch mit der ewig strahlenden Köchin vor dem Kühlschrank in ihrer Bretterbude stehen und sich von ihr alle Tupperdosen zeigen lassen, begleitet von viel Lachen, Redeschwall und ihren teigverklebten Händen in meinen. Schon bevor der heiße Fladen in unseren Mägen landete, breitete sich ein warmes Gefühl im Bauch aus. Erst die „Brot-Oma“ im Dörfchen, nun die Gözleme-Bäckerin in der Bretterbude! Es sind solche Begegnungen, die das Reisen nicht nur zu einer „Besichtigungstour“ verkommen lassen. Das sind die Erlebnisse, wo wir uns als willkommene Gäste fühlen und nicht als Touristen auf der Durchreise.
Am späten Nachmittag erreichten wir das Ihlara Tal: ein Canyon, in dem 104 Kirchen und Kapellen sowie unzählige Wohnungen in die Steilwände gegraben wurden! Auf einem nur 1km langen Abschnitt kann man 14 Kirchen besichtigen! Dabei läuft man in einem grünen Tal entlang des Flusses, begleitet von Vogelgezwitscher und dem Plätschern des Wassers. Nicht von Touristen, denn die fahren nur nach Kappadokien. Wir waren schon in Kappadokien.
Dort ist es landschaftlich extrem anders, denn das Ihlara Tal fühlt sich tropisch an, so grün ist es. Möchte man in Kappadokien bunt bemalte Kirchen sehen, muss man sich mit Touristenmassen durch das enge Freilichtmuseum quälen, hier wandert man allein bis zu 4km durch das traumhafte Tal und entdeckt Kirchlein für Kirchlein auf eigene Faust. Mit absolut beeindruckenden Fresken im Inneren!
Wir fanden einen Schlafplatz inmitten golden wogender Getreidefelder mit Blick auf den 3235m hohen Vulkan Hasandagasi. Am Ende dieses perfekten Tages packte dann auch noch die Natur ihre letzten Trümpfe aus und präsentierte ein spektakuläres Gewitter vor dem Vulkan, inklusive Regenbogen, welches wir im Trockenen vor herrlicher Kulisse beobachten konnten. Das sind Tage, an denen wir abends im Bett liegen und das Herz platzt vor Glück: im Steineichenhain aufwachen, durch herrliche Landschaft fahren, Höhlen erkunden, Brot geschenkt bekommen, mit einer Fremden ihren Kühlschrank entdecken, durch ein traumhaftes Tal wandern, wunderschöne Felsenkirchen erkunden und dann mit Blick auf ein Naturschauspiel zu Abend essen und inmitten goldener Natur einschlafen.
Leider bot der Schlafplatz nur Kulisse, keinen Schatten. Und so brachen wir morgens um sieben schon auf, um einen schattigen Platz für Frühstück und Bulgarisch-Unterricht (per Zoom) zu suchen. Das war richtig schwer und so landeten wir unter Bäumen auf dem Gelände einer Tankstelle. Der Tankwart brachte sofort Tee und kam gelegentlich zur Zigarettenpause bei uns vorbei. Wir teilten unsere Kirschen mit ihm. Während ich Unterricht hatte, legte Jan unsere Heizung still, denn diese leckte in den Beifahrerfußraum. Unser Anlasser muckerte seit ein paar Tagen, ließ sich aber mit Klopfen doch noch überreden, seinen Dienst zu tun, doch das war keine langfristige Lösung. Der Tankwart schickte uns zur nächsten Stadt.
Dort fanden wir im „Werkstattviertel“ eine „Wolksvagen“ Werkstatt, vor der zwei VW Busse standen. Da waren wir richtig. Man muss „Volkswagen“ schließlich nicht richtig schreiben können, wenn man Volkswagen richtig reparieren kann. Schnell war der Anlasser ausgebaut. Natürlich gab es keinen Neuen. Warum auch? Es waren ja nur nach 340.000km die Kohlen abgenutzt! Also gab’s nen neuen Kohlenring, der Anlasser wurde schön gereinigt und wieder eingebaut. Eine Stunde später und um 13 (dreizehn) Euro ärmer, mit drei Tee im Bauch und um viele nette Begegnungen reicher fuhren wir weiter. So geht das! In Deutschland hätte man einen neuen Anlasser aufgeschwatzt bekommen, einen Werkstatttermin in ferner Zukunft erfahren, das Neuteil hätte bestellt werden müssen und Tee hätte es auch nicht gegeben. Okay, was ein neuer Anlasser gekostet hätte, dazu hatten wir uns vorher schon erkundigt: 38€. Wäre auch akzeptabel gewesen. Hans ist einfach ein Sparmobil!
In der Stadt (Aksaray) parkten wir für 10cent (!) die Stunde im kühlen Parkhaus und gingen auf Shoppingtour: ich brauchte ein Mikrofon für die Arbeit, wir wollten Hans ein Autoradio gönnen, um unterwegs Podcasts hören zu können (23€), wir brauchten schicke Klamotten (42€ incl. Schuhe für uns zwei) für eine türkische Hochzeit (mehr dazu nächstes Mal) und ich kaufte mir eine dünne weite Schlabberhose (langer Hosenrock, 6€), um in den Dörfchen wie dem mit der Brot-Oma züchtig genug angezogen zu sein, um nicht negativ aufzufallen. Ich besitze nur eine dicke Jeans (bei den Temperaturen gerade ziemlich unangenehm) und einen kurzen Rock, der auf dem anatolischen Dorf abseits der Touristentrassen überhaupt nicht „geht“.
Eigentlich wäre der Tag so schon ausgefüllt gewesen: Tee vom Tankwart, Tee in der Werkstatt, 13€ für die Reparatur, alles gefunden, was wir brauchten. Jetzt noch schnell was essen. Wir landeten in einer Imbissbude, die einem Türken aus Stuttgart gehörte. Er hatte letztes Jahr Deutschland verlassen, weil dort seine Kinder aufgrund der Pandemie keinen akzeptablen Schulunterricht mehr bekamen und er der Meinung war, dass die Bildung seiner Kinder wichtiger sei als seine Imbissbude in Deutschland. Er zog zurück in die Türkei, wo die Regierung (wie in z.B. Usbekistan auch) innerhalb kürzester Zeit eine „Fernschule“ aufgebaut hatte: eine Mischung aus Distanzunterricht per Internet, Schulfernsehen mit 16.000 Lektionen und einem Online-Portal mit Lerninhalten zum Selbststudium: lehrreiche Rätsel, Comics, Lehrfilmchen etc. Der Türke aus Stuttgart war überzeugt, dass er für seine Kinder das Beste getan hatte. Er pendelt nun zwischen seinen beiden Imbissbuden. Und natürlich gab’s wieder Tee geschenkt für uns!
Wir fuhren auf den Tuz Salzsee hinaus und stellten uns mitten in den See auf einen der Dämme der Salzmine. Um uns herum nur spiegelglattes Wasser, in dem sich der Sonnenuntergang reflektierte. Bis ein heftiger Wind aufkam und uns ins Bett trieb. Aber wir haben ja jetzt Musik in Hans, dank dem neuen Radio!
Wir hatten den Wecker extra zu Sonnenaufgang gestellt, denn wann wacht man schonmal inmitten eines Salzsees auf? Es war herrlich, wir erkundeten die verschiedenen Becken in verschiedenen Farben. Die Algen färben dort das Wasser von dunkel-rostrot über grellpink bis hin zu zartrosa!
Wir hatten nicht gefrühstückt und holten das im Besucherzentrum nach. Dort kann man auf eine reinweiße Salzfläche rauslaufen. Noch fehlte uns ein wenig die totale Begeisterung für den See. Meine Füße waren aufgrund des intensiv roten Wassers orange verfärbt und weil wir beide mehrmals auf dem Salar der Uyuni in Bolivien waren, sind weiße Salzflächen nicht mehr ganz so beeindruckend.
Doch wir haben ja Hans und der brachte uns an eine Stelle, von der aus man durch das Weiß ins Barbie-Pink raus auf den See laufen konnte! Der See war dort so dermaßen pink, dass er die grelle Farbe reflektierte und die Wolken rosa färbte! Wie rosa Zuckerwatte vom Jahrmarkt schwebten sie über uns hinweg! Das war tatsächlich etwas, was wir noch nie gesehen hatten!
Bis alle Fotos gemacht und Jan genug Flugversuche mit der Drohne hatte (wegen starkem Wind leider nicht ganz erfolgreich), hatte ich Sonnenbrand auf den Füßen und weiß gepökelte Beine. Aber es hat sich gelohnt!
Wir sind ja nun wieder auf der Seidenstraße unterwegs. Für uns ein seit über drei Jahren andauernder Zustand, für unseren treuen Hans völlig neu. Und so hielten wir an zwei Karawansereien am Wegesrand, die zwar restauriert, aber trotzdem “vergessen” schienen. Für uns sind Karawansereien Alltag: wir haben auf der Seidenstraße schon viele davon erkundet, darin gegessen, sogar mehrmals darin geschlafen und uns an das “Straßenbild” gewöhnt. Doch wir reisen ja “verkehrt herum”, waren schon am Ende der Seidenstraße in China, haben die “Stans” bereist, gesehen, wo die Seide “wächst” und haben alles bereits erlebt, was alle anderen Reisenden, die hier unterwegs sind, noch vor sich haben. Und so hatten wir Verständnis für Hans, zeigten ihm die Karawansereien und fuhren dann weiter Richtung Kappadokien.
Wir hatten etwas Bammel davor, nach Kappadokien zu fahren. Wir waren beide schon da. Jan 2006 und ich 2009. Und meist ist es, wenn man nach langer Zeit an denselben Ort zurückkommt, nicht mehr schön. Aber wir wollten trotzdem hin, denn wir hatten „Nachholbedarf“: damals hatten wir nicht alles gemacht, was uns Spaß gemacht hätte. Weil wir damals unserem eigenen Glauben aufgesessen waren, für etwas „keine Zeit“ zu haben oder Dinge „zu teuer“ seien. Heute wissen wir, dass dies alles eine Frage der Prioritäten ist. Wer etwas wirklich machen möchte, der findet dafür auch Zeit. Und das mit dem Geld. Tja: wir hätten damals fragen und nicht einfach davon ausgehen sollen, in Kappadokien sei „alles unbezahlbar“!
Der erste Punkt war der Besuch einer unterirdischen Stadt. Davon gibt es in Kappadokien 36 Stück und manche davon sind ziemlich touristisch und man wird von Reisegruppen durch die engen Gänge gedrängt. Welche Anlage war nun die richtige für uns? Wir entschieden uns nach längerer Recherche für Kaymakli. Es gab nur wenige Besucher, sodass wir schnell die Orientierung verloren. Die Stadt ist in acht Stockwerken in den Boden gegraben, mit einem ausgeklügelten Belüftungssystem. Fünf der Stockwerke sind beleuchtet, drei unbeleuchtet, aber trotzdem für Besucher mit Taschenlampe geöffnet. Schade, dass wir keine Stirnlampen haben, um besser krabbeln und klettern zu können!
Irgendwann hatten wir dann das System der verschiedenfarbigen Pfeile verstanden und fühlten uns nicht mehr „verloren“ in dem Gewirr aus Gängen, Räumen, Schächten, Treppen und Löchern. Es hat richtig Spaß gemacht und es war endlich auch mal von Vorteil, unter 1,70m zu sein. Jan war vom dauerhaft gebückten Laufen am Ende unserer „Höhlenexpedition“ etwas geschwitzt! Was ein cooles Erlebnis!
Wir tasteten uns langsam weiter an das „Herz“ Kappadokiens heran und fuhren im Süden an wenig besuchte Orte und in Täler mit den für Kappadokien typischen Gesteinsformationen. Wir erkundeten ein paar Höhlen und Kirchlein auf eigne Faust und ohne andere Menschen und fanden dann auf der Grabenschulter eines Canyons einen tollen Schlaflatz.
Zum zweiten Frühstück trudelten wir dann im nördlichen, spektakuläreren Kappadokien ein, lümmelten uns auf den Divan einer Kaffeebude mit Aussicht und schauten einfach nur in die Landschaft. Beim zweiten Mal fehlt der „wow-Effekt“, aber es ist ja immer noch eine tolle Kulisse. Das weiche Morgenlicht tauchte alles in schöne, sanfte Farbverläufe und kühler Wind wehte auf unseren Divan. Dort ließ es sich aushalten!
Später cruisten wir mit Hans noch weiter durch die Landschaft, von einem Aussichtshügel zum nächsten, über eine staubige Piste nach der anderen von Gesteinsformation zu Gesteinsformation. Hübsch, aber die Emotionen lagen flach. Das zweite Mal eben, nur diesmal zusammen. Wir hatten für drei Nächte eine Unterkunft gebucht. Als ich vor 12 Jahren hier war, hatten wir wild gecampt und in „Knödlomobil“, dem Vorgängermodell von Hans dem Passat geschlafen. Nur zum Frühstück saßen wir damals auf der Terrasse eines „Höhlenhotels“. Damals schwor ich mir: das nächste Mal schlafe ich in so einer Höhle!
Nun, jetzt ist das „nächste Mal“, aber mittlerweile wusste ich: hat diese Höhle kein Fenster, so ist es darin feucht, klamm, stickig und unangenehm. Unser für 14€ gebuchtes Zimmer war ein Kompromiss: Steingewölbe und mit Frühstücksterrasse mit herrlicher Aussicht. Und mit gutem Internet, ideal zum Arbeiten! Unser Plan: tagsüber arbeiten, zu Sonnenauf- oder Untergang etwas unternehmen.
Wir hatten nämlich noch etwas nachzuholen: eine Fahrt im Heißluftballon über Kappadokien! Wir waren bei unserem ersten Besuch in Kappadokien beide der Annahme und den Vorurteilen aufgesessen, dass das ein unbezahlbares Vergnügen sei. Erzählt man sich ja so. Gefragt hat natürlich keiner, aber Bescheid wissen trotzdem alle. Ist halt zu teuer. Punkt. Diesmal waren wir gewillt, auch einen dreistelligen Betrag dafür auf den Tisch zu legen, denn das sind die Preise, die kolportiert werden. In der Unterkunft angekommen, ließen wir uns ausführlich beraten. Die Preise starteten bei 37€ pro Person, doch unser Rezeptionist empfahl, mindestens 45€ auszugeben. Der Preis hängt davon ab, wie viele Personen in dem Korb mitfahren, wie lange die Fahrt dauert und welche Extras inkludiert sind. Natürlich kann man auch hohe dreistellige Beträge ausgeben, aber das muss man gar nicht! Wir entschieden uns, 50€ zu investieren: mit 20 Personen (statt bis über 30), Hol- und Bringservice, ohne Frühstück, aber mindestens einer Stunde Fahrtzeit.
Wir wurden um 4 Uhr abgeholt und auf einen Platz inmitten der Gesteinsformationen gefahren, den wir mit Hans am Vortag schon erkundet hatten. Wir konnten beobachten, wie aus einer langen „Stoffwurst“ ein großer, gelber Ballon wurde, in dessen Weidenkorb (ich hatte Plastik erwartet) wir dann kletterten. Sanft hob der Ballon ab und mit uns bestimmt 80 weitere Ballons rund um uns! Es sah traumhaft aus, wie überall beim Anfeuern leuchtende, bunte Bälle aus den Tälern aufstiegen und Himmel und Landschaft verzauberten.
Unter uns standen viele Brautpaare zu Fotoshootings, Menschen in Abendkleidung posierten für Fotos und Oldtimer (auch ein VW T2!) kurvten durch die zauberhafte Kulisse. Wir glitten über Göreme, wo die Menschen zum Teil in Nachthemd und Pyjama auf Terrassen und Balkonen standen, um das Schauspiel zu bewundern. Ich hätte ihnen allen gerne zugerufen: es ist nicht so teuer, wie Ihr denkt und von hier oben unvorstellbar schön!
Während unter uns schon die ersten Ballons wieder landeten, ging es für uns weiter. Wir stiegen auf 700m auf und die Zauberwelt unter uns wurde zur Spielzeugwelt. In unserem Korb waren keine Europäer: eine amerikanische Familie, eine türkische Familie, ein saudi-arabisches Ehepaar und eine Freundesgruppe aus Somalia. Europäer sind hier in der Türkei keine anzutreffen. Zu gefährlich hier, wo Beschäftigte im Tourismussektor bei der Impfkampagne genauso priorisiert wurden wie medizinisches Personal. Umso besser für uns, die wir auch geimpft sind!
Nach 1:10hr landeten wir irgendwo im Staub, unser Pilot gab die GPS-Koordinaten per Funk an das Team weiter und schon kam der Anhänger angefahren, auf dem er den Korb mit einem kleinen Flugmanöver aufsetzte. Wir Passagiere bekamen alkoholfreien Sekt mit Saft, stießen an, bekamen ein „Ballon-Zertifikat“ überreicht und wurden wieder ins Hotelbett gefahren. Nach zwei Stunden Schlaf frühstückten wir auf der Hotelterrasse, genossen den Blick und waren glücklich: die Ballonfahrt war voller Magie, Romantik, Händchenhalten und Herzklopfen! Da hätten wir ganz schön was verpasst, wenn wir weiter darauf gehört hätten, was „man halt so weiß“! Zu teuer halt, ganz klar!
Als wir vor fast 3,5 Jahren alles das aufgegeben haben, was Ihr „normales Leben“ nennt, haben wir uns geschworen: wir tun das, um zu leben! Wir verschieben nichts mehr auf „später“ oder „nächstes Mal“, denn wir wissen mittlerweile, dass „später“ sehr schnell zu „nie“ werden kann. In der Vergangenheit haben wir viel zu oft „nein“ gesagt: Osterinseln, Galapagos, Berggorillas oder Ballonfahrt über Kappadokien. Das machen wir nicht mehr, wir stehen uns nicht mehr im eigenen Leben im Weg, weil wir gar nicht erst fragen, was es kostet, uns nicht gönnen, was das Herz glücklich macht, nicht auf unser Herz hören, sondern nur an „später“ denken. Ja, dann, „später“, da machen wir das mal, aber erst müssen wir für „später“ sorgen! Doch wie schnell gibt es kein „später“…?
Lebe dein Leben jetzt!
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