Wer uns schon länger folgt, der weiß: die Honda CRF300L kam zu uns, weil ich mit meiner DR350 Motorschaden im Iran hatte und ein Ersatzfahrzeug brauchte. Die Entscheidung fiel auf die CRF300L, weil viele Fernreisende mit der Vorgängerin CRF250L gute Erfahrungen gemacht hatten. Dass die Nachfolgerin, die CRF300L, eine Neukonstruktion war und nicht verbessert, sondern verbilligt wurde, wusste Anfang 2022, als die Entscheidung bei mir fiel, niemand im deutschen Sprachraum. Und bis heute ist das so geblieben. Leider wissen wir mittlerweile von mindestens fünf anderen Reisenden auf einer 300L, die auf Fernreisen Motorschaden hatten (man denke nur an Itchy Boots!) und so saß uns die Angst ständig im Nacken, aber die Hoffnung war da, dass „alle anderen einfach nur Pech hatten“. Hatten sie nicht.
Weil wir seit Nigeria vermuteten, dass das idle control valve einen Defekt hat (nach Ausbau des komplett verdreckten, unwillig beweglichen Teils sprang die Honda nämlich an und lief, wenn auch bescheiden), waren wir übers letzte Wochenende in Jaunde, Kameruns Hauptstadt. Dorthin hatten uns Flugreisende aus Deutschland das in Thailand bestellte Ersatzteil gebracht und wir hatten die Chance genutzt, mit dem Zug wunderschön durch den Dschungel zu fahren und uns die Hauptstadt anzuschauen. Viel gibt es in Jaunde nicht zu sehen, doch wir sind der Meinung, dass wenn man die Hauptstadt nicht gesehen hat, kennt man nicht alle Seiten eines Landes. Selbst wenn es keine Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinne gibt, so ist es immer spannend, den „Herzschlag“ solcher Städte zu spüren: wie tickt die Hauptstadt, von der aus das Land regiert wird?
Für uns tickt Jaunde „ganz nett“ im Vergleich zu anderen afrikanischen Hauptstädten. Wir haben dort insbesondere die Infrastruktur der Hauptstadt (echter Kaffee und internationale Küche) genossen und uns mit Earl getroffen, von dem wir seit ein paar Wochen aus einer Westafrika WhatsApp-Gruppe wussten. Er ist Südafrikaner auf dem Weg aus Deutschland nach Südafrika, um seine Familie zu besuchen. Man muss ja nicht immer ins Flugzeug steigen. Jan ist 2010 mit dem Motorrad nach Südafrika gefahren, um seine Tante zu besuchen. Nichts Ungewöhnliches also.
Eine Sehenswürdigkeit haben wir in Jaunde dann doch besucht: das Nationalmuseum, in dem derzeit eine große Sonderausstellung zum Thema „deutsche Kolonialzeit“ stattfindet. Weil uns insbesondere in Museen und Galerien aufgrund der nicht erfolgenden Rückgaben von Kulturgut kolonialer Herkunft von Deutschland an Westafrika jedes Mal Unverständnis für die deutsche Politik bis hin zu bissigen Kommentaren entgegenschlägt, sind wir an solchen Orten grundsätzlich „aus Bulgarien“, um nicht persönlich angegriffen zu werden. Der Museumsführer fand Bulgarien gut, denn die „haben hier niemanden umgebracht“. So isses!
Leider durfte man im Museum nicht fotografieren (versteht jemand diese Regel in heutigen Zeiten, wo der Handyblitz so schwach ist, dass er sicherlich nicht mal theoretisch schaden könnte?), aber das für uns Traurigste an der ausführlichen Führung war die Tatsache, dass alles, was uns im Museum und „in Echt“ hauptsächlich an und in Kamerun interessiert, im Norden des Landes liegt – und der ist wegen islamischem Terror derzeit nicht machbar. Das Fazit nach der Führung durch das Museums war für unseren Guide: „Die Deutschen waren die weniger teuflische Kolonialmacht. Hätten sie nicht alle lokalen Könige und deren Gefolge ermordet, hätte man sagen können: sie waren gut. Im Gegensatz zu den Briten und Franzosen haben die Deutschen Infrastruktur gebaut, die bis heute genutzt und geschätzt wird: die Eisenbahn, Verwaltungsgebäude, Plantagen,…“.
Wir hatten uns für einen Rückflug nach Douala statt einer weiteren Bahnfahrt entschieden und so waren wir nur 23 Minuten Flugzeit später wieder in Douala, wo wir gleich am nächsten Tag das neue idle control valve eingebaut haben. Es passierte: nichts. Das Motorrad sprang nicht an. Mittlerweile wissen wir: man muss bei so einem modernen UFO neue elektronische Komponenten neu anlernen und Defekte aus dem Fehlerspeicher löschen. Dazu braucht man den richtigen Adapterstecker (von Euro 5 auf OBD), ein OBD Lesegerät oder eine passende App und den OBD Stecker. Und wenn man eine Honda mit Euro 5 hat, dann braucht man auch noch einen weiteren Stecker, um die Elektronik anzulernen. Willkommen im Wahnsinn der Zukunft. Das erste Mal mit nem Einspritzer Europa verlassen und gleich der ganze Elektronik-Horror. Aber wir retten mit Euro 5 (für Autos kommt Mitte 2025 die Euro 7 Abgasnorm!) die Welt. Aus afrikanischer Perspektive furchtbar.
Der örtliche Honda-Händler verkauft natürlich keine UFOS, sondern nur normale Vergaser-Motoräder (mit denen man ganz sicher die Welt tötet) und hat deswegen weder Stecker, noch Adapter noch OBD-Lesegerät. Der örtliche Yamaha Händler hat nur den Yamaha Adapter und nicht den für Honda, aber einen sehr netten Mechaniker namens Alfred. Nachdem wir von dem ganzen Elektronik-Horror erfahren hatten, haben wir uns Gedanken gemacht, was noch kaputt sein könnte – beziehungsweise: was durch eine falsche Gemischaufbereitung durch fehlerhafte Elektronik kaputt gehen könnte. Was uns einfiel war: Hitzeschaden. Und weil wir in Douala alles andere als optimale Reparaturbedingungen haben (unter freiem Himmel auf einem mehr oder weniger belebten Parkplatz mit regelmäßigen Regenschauern), wollten wir nicht den Motor öffnen und nachschauen, sondern einen Kompressionstest machen.
Das nötige Messgerät haben wir nicht dabei, aber der Yamahahändler hat es in der Werkstatt. Wie überall bei „Vertragshändlern“ und Werkstäten generell, wird der Kunde gerne vergackeiert und nicht ernstgenommen. Das „Angebot“ von Yamaha, den Test (maximal 3 Minuten Arbeitszeit) durchzuführen, war inakzeptabel, aber Alfred sah das wie wir und schob mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer zu: „Morgen mache ich das schnell in der Mittagspause“. Sagten wir schon, dass wir mit den Menschen in Kamerun super klarkommen? Mitdenken, Lösungen finden, Hirn nutzen? Funktioniert hier! Eine Wohltat, nach unserem anstrengenden Monat in Nigeria!
Wie versprochen tauchte am nächsten Tag in der Mittagspause Alfred auf dem Parkplatz auf, schraubte den Tester schnell ins Zündkerzenloch und wir konnten alle sehen: keine Kompression. Motorschaden. Wahrscheinlich hat die seit Sierra Leone verstopfte (und in Ghana getauschte) Einspritzdüse über die Zeit dazu geführt, dass Komponenten der Einspritzung von der ECU ungewöhnlich angesteuert wurden und dadurch die Gemischaufbereitung nicht mehr stimmte. Der viele Staub und die extreme Luftfeuchtigkeit in und an den filigranen, elektromechanischen Komponenten hat sein Übriges getan. Seit Accra war das Kaltstartverhalten trotz optimalem Ventilspiel merkwürdig und wir haben in Nigeria 2x erfolgreich die Elektronik „beschissen“, um wenigstens das Land verlassen zu können, was auch noch gerade so geklappt hat. Westafrika ist einfach nicht Panamericana oder Zentralasien. Man sagt, jeder Kilometer, den ein Fahrzeug hier fährt, belastet das Fahrzeug um das bis zu Siebenfache: extrem schlechte Straßenverhältnisse, Staub, Hitze, schmutziges Benzin mit wenig Oktan (wir haben Oktanbooster dabei), hohe Luftfeuchtigkeit und weitere extreme Bedingungen. Einige Reisende kommen mit Westafrika nicht klar und brechen ab – und manche Fahrzeuge eben auch.
Um zumindest den Fehlerspeicher der ECU auslesen und löschen zu können, bestellten wir per Express noch Honda Adapter, OBD Stecker und Lesegerät zu einer Frau, die heute nach Kamerun fliegen wollte, doch weil derzeit halb Deutschland krank ist, flog sie nicht und wir gaben das Projekt „Wiederbelebung der Honda“ vorerst auf. Fast drei Wochen Zeitverlust hat uns dieser Mist jetzt schon gekostet und das ist in Westafrika leider ziemlich blöd, denn, wie jedes Jahr, rückt auch jetzt die Regenzeit immer näher. Da wir jetzt wesentlich weiter südlich sind als zu den beiden vorherigen Regenzeiten und es um den Äquator die „kleine“ und die „große“ Regenzeit gibt, konnten wir nicht weiter trödeln und schmiedeten einen Plan.
Und das können wir zusammen einfach unglaublich gut: Planen, Organisieren, Machen. Also los! Eigentlich hätten wir erst Mitte/Ende März die Motorräder wegen Regenzeit eingelagert, aber eben auch in Kamerun. Deswegen (und weil wir hier recht gut vernetzt sind) war es so wichtig, diese vermaledeite Mistkarre von Honda noch irgendwie über die Grenze nach Kamerun zu bekommen. Jetzt kommen die Motorräder samt unserer Ausrüstung eben schon im Februar in die Regenpause und aus uns werden wieder Handgepäckreisende. Die dazu nötigen Rucksäcke haben wir für zusammen 30€ schnell am Straßenrand gekauft. Das Reisebüro um die Ecke mit der sensationellen Reiseverkehrskauffrau half uns beim Brainstorming und fixierte den Plan in Buchungen. Wenn wir jetzt noch alle nötigen Visa bekommen, werden die nächsten Monate toll. Und wenn nicht, denken wir uns was anderes aus.
Und was passiert mit der Honda? Die wird am Montag zusammen mit der KTM und dem Gepäck eingelagert. Dann hat sie ein paar Monate Zeit, über ihr Verhalten nachzudenken und wir haben Zeit, in Ruhe alle Teile zu beschaffen, die wir für einen Neuaufbau brauchen. Weil wir einfach nicht wissen, ob (und wenn ja: wie viele) stille Rückrufe es bei der CRF300L in den letzten drei Jahre gegeben hat und wir auch nicht das genaue Schadensbild kennen, haben wir entschieden: alles muss raus. Alles: Zylinder, Kolben, Kolbenringe, Ventile, Zylinderkopf, Nockenwellen, alle Sensoren und die komplette Einspritzung. Alles. Mit den ganzen schon bestellten Steckern, Adaptern und sonstigen „UFO-Geräten“ machen wir dann einen Reset der ECU, lernen die neuen Komponenten an und hoffen, dass dann die Elektronik die Neuteile auch akzeptiert. Und dann ist das Miststück für die nächsten 24.500km (mehr hat sie nicht gelaufen) hoffentlich wieder fit. Und wir dürfen uns dann „KFZ Mechatroniker“ nennen?
Weil Geld immer die wichtigste Frage ist, geben wir Euch gleich die Antwort: wer die zum Wiederaufbau nötigen Teile in der EU bestellt, ist mindestens 5400€ los. Zuzüglich Einbaukosten und „Verbrauchsmaterialien“. Wer in Nordamerika oder Thailand einkauft, gibt etwa 1/8 davon aus Inklusive Zoll und Fracht. Der mit US und Thai – Teilen aufgebaute Motor wird mich am Ende maximal 800€ (statt 5400€) kosten. Das Denken überlassen wir wie immer Euch… Und falls nochmal jemand mit der grandiosen Idee um die Ecke kommt, „den Müll einfach stehen zu lassen“: da hat der Zoll was dagegen, wir sind schließlich nicht in der EU.
Die Zwangspause durch die Honda haben wir auf alle Fälle dazu genutzt, um wieder zu Kräften zu kommen. Als wir vor zwei Wochen in Douala ankamen, waren wir beide dehydriert, hatten zwei, beziehungsweise drei Tage nichts gegessen, litten unter Mangelernährung durch einseitige Kost und waren nach dem menschlich extrem anstrengenden Monat in Nigeria alles andere als unternehmungslustig und fit. Als dann auch noch die Wäscherei unsere Motorradklamotten zerstörte (danke an Textilingenieurin Hamideh für ihre fachkundige, niederschmetternde Zweitmeinung, nachdem die hiesige Fachfrau das schon diagnostiziert hatte) und dabei Jans KFZ-Schein verloren ging, war quasi „der Ofen aus“ im Hirn, die Entdeckerlust komplett erstickt.
Jetzt sind wir wieder körperlich und mental fit für neue (und alte) Länder, neue Erfahrungen und Erlebnisse. Ein ganz dickes Danke an Klaus, Ina und Rebecca, die nicht wissen, wie sehr sie unseren Seelen guttun! Denn „Puffins sit on Muffins“. Oder so. Euch hat der Himmel geschickt. Das neueste Video zeigt einen kleinen Ausschnitt dessen, was wir in Nigeria den ganzen Tag ertragen haben. Tag für Tag. Täglich grüßt das Murmeltier. Kann man mal ein paar Tage machen, aber nach einem Monat waren wir einfach mürbe. Schaut selbst:
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