Togo hat uns mit wunderschönen Pisten verabschiedet und Benin spektakulär empfangen. Wir dachten ja schon, Togo sei schön, aber Benin kann Togo bisher in allen Belangen (allen!) toppen. Wir haben hier das Gefühl, von einem Highlight ins nächste zu taumeln – und das alles viel zu schnell.
Unsere letzte Etappe in Togo wurde etwas länger als erwartet. Wir hatten nur 150km zum nächsten Ziel, inklusive Grenzübergang. Normalerweise übernachten wir immer in der Nähe der Grenze, aber diesmal haben wir uns aus diversen Gründen dagegen entschieden. Einer unser Follower schrieb uns an unserem letzten Abend in Togo, ob wir auch nach Pya kämen, dort habe er in den 1980ern zwei Jahre gearbeitet. Die Karte zeigte, dass die Umgehungsstraße um Pya herumführt, aber wir beschlossen, ihm eine Freude zu machen, mitten durch die Stadt zu fahren, dabei ein bisschen zu filmen um ihm zu zeigen, wie es nun, 30 Jahre später, dort aussieht. Das war kein guter Plan.
Schon als wir am Ortsschild hielten, um ein Foto zu machen, kam ein Passant und fragte, wohin wir wollten. „Benin“ sagten wir wahrheitsgemäß, denn da wollten wir auch wirklich hin – und dachten uns nichts dabei. Auf dem Weg zum Stadtzentrum war plötzlich die Straße gesperrt. Schön mit Umleitungsschild, dem wir und alle anderen folgten. Dann gab es keine weiteren Umleitungsschilder, aber wir folgten den ausgefahrenen Spuren und orientierten uns grob nach der Himmelsrichtung. Die unbefestigte Straße wurde zum Boulevard und plötzlich waren wir ganz alleine. Und dann hielt uns das Militär an. Zwei Männer mit Waffen, die das gar nicht toll fanden, uns zu sehen.
Wir seien am Präsidentenpalast entlanggefahren (für uns: eine Betonmauer). Auf der Karte war da kein Palast eingezeichnet, nur ein großer Park ohne Gebäude. Um dort hinzukommen, wo wir waren, hätten wir eine Militärabsperrung durchbrechen müssen, waren sich die beiden sicher. Hatten wir nicht – und das wussten auch ein paar Einheimische, die das mitbekommen hatten und uns unterstützten: da ist keine Absperrung, da fahren alle! Die Jungs mit ihren Waffen mussten dann mal telefonieren. Unser Angebot, einfach wieder zurückzufahren, fanden sie keine gute Idee, denn wir könnten schließlich Fotos machen. Von Was? Von einer Betonmauer? Aber ja, wir könnten die Betonmauer fotografieren. Nach zwei Telefonaten wurde entschieden, das Risiko, uns entlang der Betonmauer zurückfahren zu lassen sei zu groß, man lasse uns lieber in anderer Richtung durch die Absperrung fahren. Muss man nicht verstehen, denn in Zeiten von Google Satellitenansicht (wo wir erst dann neugierig geschaut haben) ist ein potentielles Foto einer Betonmauer lächerlich. Wir verließen Pya also wieder, bevor wir irgendetwas (außer der ominösen Betonmauer) gesehen hatten.
Die Umgehungsstraße war brechend voll mit LKWs aus Burkina Faso. Wir haben keine Ahnung, was alles auf den meterhoch überladenen Fahrzeugen im Kriechgang transportiert wird, aber Burkina Faso scheint Lomé (Togo) und nicht Accra (Ghana) oder Abijan (Elfenbeinküste) als Hafen zu nutzen. Weil in einer Ortseinfahrt ein LKW querstand, staute es sich ewig, denn die mautpflichtige Umgehungsstraße wollte keiner fahren. Mit den Motorrädern hatten wir den Vorteil, uns trotz Gegenverkehr vorsichtig an der langen LKW-Schlange vorbeizuarbeiten, um dann eine fast einsame, wunderschöne Straße zu unserer letzten Sehenswürdigkeit Togos zu fahren: die Faille d’Aledjo.
Ich habe (aufgrund schlechten Internets) keine geologische Karte von der Region finden können, um die Diskrepanz zwischen Ortsbezeichnung „Faille“ (geologische Störung) und Beschreibung im Internet „man made“ (von Menschenhand geschaffen) zu klären. Auf jeden Fall ist dort eine schmale Straße in den Fels geschnitten oder durch die Felsspalte asphaltiert worden. Je nachdem, was nun richtig ist.
Man kann auch außenherum fahren (und das müssen alle, die bergauf fahren) und alle LKW fädeln sich mit Präzision durch das Nadelöhr. Wegen des querstehenden LKWs im Dorf gab es ja keinen anderen Weg und wer das Mautgeld zahlt, fädelt sich durch den Fels. Ein schöner Abschluss des Togogebirges für uns: während wir fotografierten, sah ich Affen auf den Felsen herumflitzen.
Wir verließen das steinige Felsenland des Togogebirges, tankten zum letzten Mal in Togo und besiegelten das mit einem Eis, fuhren die letzten Meter in Togo gen Norden und bogen dann auf eine winzige Piste Richtung Benin ab. In den zwei Wochen Togo haben wir über die Straßen und Pisten in allerbestem Zustand nur gestaunt. So gut war es zuletzt auf einigen Hauptstraßen (aber nicht Pisten!) in der Elfenbeinküste und in Marokko. Wie im letzten Blogpost erwähnt, ist dafür eine Straßenbaufirma aus Burkina Faso verantwortlich: top gepflegte, teils frisch geschotterte Pisten und fast makellose Asphaltstraßen. Definitiv besser als in Deutschland.
Auch die Zwergenpiste, die wir einschlugen, und später die große, schnelle Piste, waren in perfektem Zustand: sogar betonierte (nun trockene) Durchfahrten von Gewässern, Brücken mit Randbegrenzung und frisch geschottert. Interessant: obwohl es eine breite, große Piste zur Grenze gibt, routet sogar unser Navi über diese schmale Strecke. Da die Daten unserer Navigationssoftware (Organic Maps) open source sind, bedeutet das, dass die meisten Leute diese Minipiste fahren und die große Piste meiden. Warum? Weil es auf der großen Piste Straßensperrungen von Halsabschneidern und Nervtötern gibt (im Tourismus von Togo leider üblich), die dort alle nicht lokalen Fahrzeuge dazu zwingen möchten, Phantasiepreise als Maut durch ein UNESCO Weltkulturerbe zu verlangen und zu behaupten, man müsse auf der Piste unbedingt einen Guide mitnehmen (und zu weiteren Mondpreisen bezahlen). Wir haben nichts dagegen, für UNESCO Weltkulturerbestätten Eintritt zu zahlen – und das auch gerne mehr als Einheimische, aber irgendwelchen Abzockern mit zerrissenen „UNESCO“ T-Shirts und ohne Quittung geben wir keinen Cent für das Befahren einer Landstraße. Deswegen fährt jeder die Babypiste und schaut sich das UNESCO Weltkulturerbe in Benin an, denn es ist grenzüberschreitend und auf der anderen Seite läuft alles in geordneten Verhältnissen ab.
Bis auf das Problem, das Togo ganz offensichtlich mit den Menschen rund um Tourismus hat, waren wir begeistert vom Land: wunderschöne Landschaft (okay, Benin kann das auch besser), ansonsten super liebe Leute, ziemlich sauber und geordnet, beste Straßen und Pisten für maximalen Fahrspaß und es gab sogar manchmal Warmwasser – ein Luxus, den wir aus Westafrika sonst nicht kennen und zum Wäschewaschen genauso toll ist wie zum Haarewaschen. Jetzt, da wir im Benin sind, verblasst Togo allerdings etwas, aber trotzdem: Togo war die zwei Wochen, die wir da waren, absolut wert und es ist schade, dass der islamische Terror es unmöglich macht, den Norden des Landes zu bereisen: ein paar Kilometer nördlich unseres Abzweigs Richtung Benin ist für alle Schluss: das Militär hat den Norden wegen Terror abgeriegelt.
Unsere Ausreise aus Togo fand in einem winzigen Dörfchen in einer Polizeidienststelle unter einem Mangobaum statt. Wie überall außerhalb des Tourismus in Togo: sehr liebe Menschen, herrlich entspannt! Ein so lauschiger Grenzübergang ist selten – zuletzt hatten wir das zwischen Sierra Leone und Guinea und zwischen Guinea-Bissau und Guinea. Kaum waren wir im Benin eingereist, trafen wir auf allerbesten Asphalt – in spektakulärer Landschaft! Es ist immer interessant, wie eine Grenze auf der Karte (und die sind in Westafrika ja sehr willkürlich gezogen) so direkt zu spüren ist.
Auch in Benin ist die tolle Straße nicht von den Chinesen gebaut, wie man in Europa gerne erzählt, sondern von den Amerikanern. Sicher, es gibt Länder (Sierra Leone und Liberia zum Beispiel), da sind es tatsächlich die Chinesen, aber die Pauschalisierungen „die Chinesen“ und „die Russen“ würden in Afrika „alles übernehmen“ sind halt einfach nur europäische „Sichtweise“. Stellt Euch eher die Gegenfrage: Warum sind es nicht die Europäer? Weil Europäer Entwicklungshilfe an Bedingungen knüpfen (denkt an die „feministische Außenpolitik“) und darüber lieber Jahre diskutieren und verhandeln – während andere Nationen (im Falle von der EU und Sierra Leone waren das tatsächlich die Chinesen) solche Projekte schon längst abgeschlossen haben und die Diskussionen im Sande verlaufen. Da ist es natürlich leicht, andere Staaten zu diskreditieren, wenn man es selbst nicht auf die Reihe bekommt…
Egal, wir genossen die beste Straße und rollten durch spektakuläre Landschaft, bevor wir in ein Dorf über Rumpelpiste abbogen, denn wir wollten uns das UNESCO Kulturerbe der „Tata Häuser“ anschauen. Als wir vor einer (auch von den Amerikanern gebauten) Unterkunft im Tata Stil einparkten, wurden wir extrem herzlich willkommen geheißen. Unser Zimmer war, ganz „Tata Style“ in einem Hüttchen auf dem Dach und unser Gastgeber brachte kalte Getränke, blitzsaubere Handtücher und wir fühlten uns sofort wohl: Willkommen in Benin!
Abends brachte eine Frau aus dem Dorf Abendessen: lokalen Kuhkäse in Brocken in Tomatensauce zu Yams und sogar das schmeckte! Nach vielen Ländern „Huhn mit Reis“ oder „grüne Blätter in Palmöl zu Tode gekocht“ richtig lecker, sogar vegetarisch und gesund! Unsere Begeisterung für Benin hörte gar nicht mehr auf.
Die Nacht war stürmisch. Der Harmattan tobte um unser Hüttchen, es wurde sogar zu kühl unter unserem dünnen Laken, sodass wir uns zusammenkuscheln mussten – was wir ja gerne tun, aber in der Hitze selten können. Am nächsten Morgen lag alles im Staub: die schöne Landschaft war unsichtbar geworden. Wir hatten für 8 Uhr Frühstück bestellt und den Wecker im Handy auf 7:30 programmiert. Um 7:10 Uhr (laut Anzeige) wurden wir durch Rufen unseres Gastgebers geweckt: „Frühstück ist fertig!“ „Jetzt schon?“ Rief ich zurück. „Es ist doch noch Zeit!“ Die Antwort war Gelächter: „In Togo ist es noch Zeit, in Benin seid Ihr zu spät!“ Wir hatten zum ersten Mal in Westafrika die Zeitzone gewechselt, aber weil wir ohne Handyempfang waren, war der Wecker natürlich ahnungslos – und wir auch.
Zum Frühstück gab es Brei aus Fonio (ein sahelisches Mikrogetreide) mit lokalem Honig und wir genossen die Morgenstimmung im Sahel: Frauen kamen zum Brunnen, um Wasser zu holen, ein Hahn spazierte krähend vorbei, Kinder grüßten brav auf dem Weg zur Schule – und der Harmattan pustete kräftig weiter und hüllte alles in Staub.
Unser Guide wartete geduldig auf uns verwirrte Zeitreisende und nahm uns nach dem Frühstück mit ins Dorf, um uns alles rund um die unter UNESCO Weltkulturerbeschutz stehenden Tata Häuser zu erklären und zu zeigen. Die Tata Häuser sind, je nach Region, ein wenig unterschiedlich im Aufbau, aber grundsätzlich bestehen sie alle aus zwei Etagen und sind aus Lehm gebaut. Der Putz besteht aus Kuhdung und Sand und damit alles wasserdicht wird, ist die gesamte Oberfläche mit einem Sud aus Schalen gewisser Früchte getränkt.
Im Erdgeschoss leben die Tiere. Direkt neben dem Eingang führt ein Loch in der Wand in den Hühnerstall und es gibt eine Art „Schlechtwetterküche“ für den Notfall, denn grundsätzlich wird auf dem Dach gewohnt. Die Viehställe sind im Erdgeschoss um eine zentrale Feuerstelle angeordnet, die auch dazu dient, die aufsteigende Bodenfeuchte sofort zu trocknen und das Haus vor Schäden zu schützen. Der aufsteigende Rauch setzt sich auf dem Holz der Decke fest und schützt vor Termiten.
Neben der Feuerstelle gibt es eine Schlafstätte für die ältesten Familienmitglieder, die die enge schmale Treppe aufs Dach nicht mehr schaffen. In dem Tata, in dem wir waren, lag allerdings ein Kleinkind auf der Schlafstätte und schlief friedlich. Am Feuer lag eine wenige Tage alte Ziege.
Auf dem Dach, der Terrasse, sind reihum die Schlafzimmer und Speisekammern angeordnet. In der Mitte befindet sich die eigentliche Kochstelle. Das Tata, in dem wir waren, hatte drei Hüttchen auf dem Dach, also drei Schlafzimmer. Und dazu passend auch drei Vorratskammern. Die Zahl der Zimmer und Vorratskammern hängt von der Größe der Familie ab.
Damit man nicht immer nach unten muss, um mit Menschen im Erdgeschoss zu kommunizieren, gibt es sogar eine Art „Haustelefon“ (ein Loch im Boden) und im Erdgeschoss gibt es eine Art Gegensprechanlage (zwei Löcher in der Hauswand), damit man weiß, wem man die Tür öffnet. Oder auch nicht.
Die gesamte Bauweise schützt nachts das Vieh vor Raubtieren, die Bewohner vor Überfällen und die Vorräte vor Dieben – mit zwei oder mehr Beinen. Die Außenwände der Tata Häuser sind reich mit in den Putz eingekratzten Linien verziert – die die Bewohner stolz als Ziernarben im Gesicht tragen. Und zwar alle. Kinder im Alter von zwei Jahren bekommen bei einer feierlichen Zeremonie die Narben zugefügt. Unser Guide erinnerte sich, dass ihn seine Mutter sehr festhalten musste. „Aber danach kommt Karité Butter drauf und alles ist gut!“. Wir kannten die Ziernarben schon aus anderen Ländern Afrikas, aber hatten noch nie über den Nutzen nachgedacht und nur die Schönheit darin gesehen. Unser Guide fand die Narben nicht nur schön, sondern auch total praktisch, denn: „Bei Euch muss man ja immer erst fragen, woher man kommt und welche Sprache man spricht. Bei uns ist das sofort klar.“. Auch wieder wahr.
Nach zwei Stunden Tour durch und um Tata Häuser packten wir unsere drei Sachen zusammen und verließen den wunderschönen Ort. Wir kämpften uns durch den Harmattan und besorgten erstmal Simkarten, bevor wir uns ein Zimmer nahmen. Dann ging’s auf ins Museum, wo uns ein unglaublich netter älterer Herr eine sehr ausführliche Führung gab. Wir erfuhren alles über die Ethnien der Region und ihre Bräuche und im Erdgeschoss gab es eine Ausstellung rund um die Zierarben.
Wir versuchten, uns verschiedene Formen zu merken, aber es gibt so viele, dass wir lieber Fotos machten. Die Narben sind größtenteils nach innen gekehrt (wie Schnitte), aber es gibt auch Ziernarben, die nach außen gewölbt sind. Dies erreicht man, indem man Asche in den frischen Schnitt streut. Es gibt in jeder Gemeinschaft nur eine Person, die diese Schnitte ausführen darf und nur ein einziges zeremonielles Messer. Der Guide erklärte, es gäbe auch Menschen, die als Kind keine Narben bekommen haben, sich aber im Erwachsenenalter Narben schneiden lassen, weil sie sich auf ihre Traditionen zurückbesinnen und dies nach außen tragen wollen.
Wir tranken noch etwas im „Museumscafé“ (drei Plastiktische mit Stühlen) und der Museumsführer gesellte sich zu uns. Ich fragte ihn, was er uns noch empfehlen könne, ob es noch weitere interessante Dörfer in der Region gäbe. Er empfahl uns das, wo wir am nächsten Tag hinfuhren und noch ein Dorf, in dem die Fulbe/Fula wohnen. Er fing an, uns zu erklären, wo das Dorf ist, hielt dann aber inne: Ihr habt keinen lokalen Begleiter? Dann fahrt da nicht hin, die werden Euch da nerven und ausnehmen ohne Ende. Die Erfahrung „Fula = Nervtöter“ hatten wir für uns schon ganz heimlich gemacht, aber dass es sogar Einheimische so sehen… Die Fula sind ein sehr, sehr großes Volk (mindestens 35 Millionen!) mit großem Einfluss in Westafrika. Unsere negativen Fula-Erfahrungen sind aus dem Senegal, Guinea, Ghana und Togo. Glaubt man Einheimischen, sind die Fula auch das Volk, was sich islamisch radikalisiert hat. Glaubt man den Fula, sind es natürlich nur Stigmatisierungen. Wir wissen es nicht genau, aber Fakt ist: islamischer Terror herrscht in Ländern, in denen es viele Fula gibt und Fula sind traditionell Muslime. Wer sich tiefer in das Thema einlesen möchte, wie sich Al-Quida über Jahrhunderte bestehende „Differenzen“ zwischen den nomadischen Fula und ackerbauenden anderen Ethnien zunutze macht, kann sich (auf Französisch) weiterbilden. Zum Beispiel hier.
Zum Abendessen gab es wieder Kuhkäsebrocken, diesmal in Erdnusssauce und mit Reisbollen. Ein typisches Fula-Gericht (weil Fula Milchvieh halten) und richtig lecker! Warum es das bisher nur in Benin und Togo gab, wissen wir nicht. Am nächsten Morgen kämpften wir uns durch den Harmattan ein Stück gen Süden, denn wir wollten die Taneka besuchen. Ein sehr kleines Völkchen, zusammengewürfelt aus drei Stämmen und mit nur ca. 42.000 Menschen. Ihren Ursprung haben die Taneka in der Zeit der Königreiche, in der der heutige Benin von lokalen Dynastien, die Ziel von Angriffen anderer Völker (3x dürft Ihr raten, wer? Die Fula.) wurden. Die Taneka flüchteten damals auf einen kleinen Höhenrücken und gründeten dort drei Siedlungen, je nach Stamm. Von dort oben konnte man schon früh sehen, wer über die Ebene zum Angriff kam und die drei Stämme konnten sich im Verbund besser verteidigen.
Bis heute gibt es diese drei Dörfer und Stämme, die sich bis heute durch ihre Ziernarben unterscheiden und bis heute als Gemeinschaft mit eigener Sprache ihre uralten Traditionen leben. Da die Taneka Ackerbauer sind und es heutzutage keine Stammeskriege mehr gibt (Öhm, ja. Fast.), leben viele Taneka mittlerweile in der Ebene und kommen nur noch zu Festen, Zeremonien und „Ferien“ in ihre Häuser auf dem Bergrücken, statt täglich durch die beiden Festungsmauern und Steine vom Berg zu ihren Äckern zu klettern. Es gibt auch kein Wasser auf dem Berg, sodass das Leben dort härter ist, als in der Ebene.
Die Taneka haben (in Zusammenarbeit mit den… ratet mal: Amerikanern) ein Tourismusprojekt, das es Touristen erlaubt, am Fuße des Bergrückens zu übernachten und dann mit einem Guide, der selbst Taneka ist und im Dorf wohnt, zu einem der drei Dörfer aufzusteigen und das Volk und dessen Traditionen kennenzulernen. Leider ist dieses anfangs gut laufende Projekt mittlerweile fast gestorben. Die dort ehemals Beschäftigten sind nicht mehr da, weil keine Gäste kommen und ohne Gäste fehlt auch das Geld für den Unterhalt. Die Solaranlage braucht neue Batterien, die Dächer neues Stroh, die Gebäude einen Anstrich. Unser Guide vermutete, dass es die Pandemie sei, die dafür gesorgt hat, dass keine Touristen mehr kommen. Wir vermuten einen anderen Grund, weswegen der Tourismus im Norden Benins „eingeschlafen“ ist: Reisewarnungen aufgrund islamischen Terrors. Zumindest wissen wir, dass die Deutschen und Franzosen von Reisen in die Region „dringend abgeraten“ und von Reisen nur ein paar Kilometer weiter nördlich explizit warnen. Da fährt kein ausländischer Reiseveranstalter mehr hin. Die Menschen leiden sehr darunter.
Unser Guide hatte unglaublich großen Spaß, uns als Gäste zu empfangen und gab sich große Mühe. Im Dorf hatte er organisiert, dass wir zwei Könige und einen spirituellen Führer unterm Palaverbaum treffen. Wir waren etwas überfordert, denn auch wir mussten vor den drei Hoheiten niederknien und pausenlos „hm, hm, hm“ brummen. Das „hm, hm, hm bis der Arzt kommt“ ist uns schon in Mauretanien begegnet, wenn Jüngere Älteren begegnen und sich dazu verbeugen. Eine Form der Ehrerbietung in unserer liebsten Klimazone, dem Sahel. Jetzt machten wir bei gesenkten Köpfen auch „hm, hm, hm“, bis die Herren uns wieder aufstehen ließen.
Wie in anderen westafrikanischen Gemeinschaften werden gesellschaftliche Dinge auf Dorfebene geregelt. Jedes Dorf hat einen König und dieser hat Berater, die ihn bei Entscheidungen unterstützen. Auch rechtliche Fragen und Bestrafungen werden von den Königen geregelt. Ein König darf aber, wenn ihm die Sache über den Kopf wächst, den Fall auch an staatliche Organe (Polizei) abgeben. Die spirituellen Oberhäupter stehen dem König beratend zur Seite, sind aber sonst bestimmten Aufgabengebieten zugeordnet: Gesundheit, Landwirtschaft, Kriegsgeister,…
Die spirituellen Führer sind die einzigen Menschen in Benin, die „nackig“ sein dürfen. Im Museum hatten wir schon erfahren, dass der erste Präsident Benins nach der Unabhängigkeit wollte, dass sein Land „modern aussieht“. Er verbot die traditionelle „Bekleidung“ aus Tierhäuten oder pflanzlichen Materialien (oder nur einem hübschen Schnürchen mit Perle um die Hüften, wie wir es in Guinea-Bissau gesehen hatten) und ließ Altkleider aus Frankreich (damals schon! 1960!) im Land verteilen. Nur die spirituellen Ehrenträger dürfen in Lendenschurz aus Affenleder (und sonst nichts) herumlaufen. Schade!
Wir sahen insgesamt drei solcher „nackten Männer“ und am nächsten Tag trafen wir einen von ihnen auf dem Weg zum Markt in der Ebene wieder. In Lendenschurz natürlich, denn in seiner Rolle darf er nie anders herumlaufen, muss immer einen speziellen „Basthut“ tragen – und Pfeife rauchen. Für uns insgesamt sein sehr eindrucksvoller Nachmittag auf dem Bergrücken, bei dem wir viel, was wir schon wussten, „life und in Farbe“ erleben konnten. Wir hatten etwas Angst, dass das Ganze ein wenig wie „Menschenzoo“ sein würde, aber da unser Guide aus dem Dorf stammte, die ganze Zeit mit allen scherzte, uns zu seiner Tante brachte und mit Inbrunst dabei war, hatten wir ein wirklich schönes Erlebnis. Eine Frau wollte mir auch drei Yamswurzeln schenken, die ich ablehnen musste. Dass ich auf dem Motorrad keine „richtige“ Küche habe, überzeugte sie.
Abends gab es wieder Käsebrocken in Tomatensauce und wir verbrachten eine dritte wenig erholsame Nacht. Die erste Nacht bei den Tata war wegen des Harmattans unruhig, die zweite in der Stadt aufgrund sehr lauter Zimmernachbarn und früh abreisender Gäste nun die dritte dumme Nacht wegen dem buchstäblichen Affen auf dem Blechdach. Vielleicht waren es auch mehrere, gesehen habe ich nur einen. Wir brauchten mal eine Nacht ohne Harmattan, Menschen und Affen. Schwer!
Ich hatte gebeten, zum Frühstück das zu essen zu bekommen, was die Leute im Dorf frühstücken. Der Guide war nicht sicher, ob das das Richtige für mich sei, denn „das ist nicht für Touristen“. Sicherheitshalber ließ er mir morgens trotzdem das ewig gleiche Omelette mit Baguette servieren, brachte mir aber auch eine 1,5 Liter Plastikflasche mit in Wasser gekochtem, gestampftem Mais als Brei und eine Schüssel voll Baobab-Pulver zum Süßen. Den „Franzosenfraß“ genoss Jan, ich schaffte einen Liter Brei mit Baobab und machte damit dem Guide eine echte Freude: er schenkte mir eine Tüte voll Baobab-Pulver!
Und dann kam morgens der Abschied aus unserer zweitliebsten Landschaft. Nach der Wüste ist der Sahel mit all den dazugehörigen Traditionen unsere liebste Ecke der Welt und wir sind sehr traurig, dass es uns der islamistische Terror derzeit unmöglich macht, dort zu reisen: Niger, Tschad, Mali, Burkina Faso… Mit blutenden Herzen verließen wir die Region und ließen uns vom immer noch stark blasenden Harmattan fast 300km gen Süden pusten. In einem Rutsch. So viel an einem Tag sind wir schon Jahre nicht mehr gefahren.
Die Straße blieb perfekt und der Tag langweilig: stumpf geradeaus fahren, ohne Landschaft zu sehen, denn der Harmattan ist wie dicke Nebelsuppe – nur in Gelb. Wir fuhren nach Dassa, die „Stadt der 41 Hügel“, auf die man normalerweise draufklettert, um die Felslandschaft zu bestaunen. Als wir ankamen, konnten wir drei oder vier der 41 Hügel schemenhaft erahnen. Der Vorteil von Harmattan: es regnet nicht und damit ist das für uns trotzdem die beste Jahreszeit, denn wenn es regnet, werden Pisten unpassierbar und das Reisen bleibt auf asphaltierte Hauptstraßen beschränkt. Kann man machen, hat aber mit unserem Reisestil des Entdeckens nichts zu tun. Deswegen lassen wir uns vom Harmattan durchpusten (der trockene, heiße Wind trocknet uns und unsere Haut völlig aus, ohne zu schwitzen) und nehmen die Nachteile in Kauf.
Wir hatten Glück und auf einem Biobauernhof war noch ein Zimmer frei und das sanfte Blöken der Schafe ließ uns nach einem leckeren Abendessen (ja, wieder Huhn, aber vom Hof und lecker!) richtig gut einschlafen. Gutes Bett, weiches Kopfkissen (statt der sonst üblichen Betonklötze), absolut keine Geräusche. Nur Vögel. Und wenn die auf dem Strohdach herumhüpfen, hört man das nicht. Zwei Nächte Erholung, dann fuhren wir weiter und stürzen und kurz vor Weihnachten in das nächste Highlight. Doch davon erzählen wir Euch nächste Woche.
Bis dahin wünschen wir Euch wirklich schöne Weihnachten ohne Stress, ohne Streit, ohne Shoppingwahn. Falls der volle Bauch drückt und Ihr es Euch gemütlich macht, schaut doch mal Teil zwei unserer Reise durch Ghana mit Schulfreundin Katja an:
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