Benin verabschiedete sich von uns genauso spektakulär, wie es uns empfangen hatte. Nach über drei Wochen in dem winzigen Land haben wir zum Schluss noch ein Highlight erlebt: wir haben in einer Stadt aus Pfahlbauten mit 40.000 Einwohnern übernachtet!

Ganvié liegt etwas außerhalb von Benins sympathischer Hauptstadt Cotonou. Wir packten Unterhose und Zahnbürste ein uns fuhren mit der Honda zum Bootsanleger. Dort wurden wir schon erwartet, denn Ganvié ist eine Stadt mitten auf einem See und da kann die Honda nicht hinschwimmen. Wir parkten sie sicher in einem Hinterhof und fuhren etwa 20 Minuten mit einem Boot auf den See hinaus.

Ganvié wurde im 17. oder 18. Jahrhundert von den Tofino auf der Flucht vor Sklavenjägern gegründet. Seitdem wuchs die Stadt aus Pfahlbauten immer mehr und die heutige Stadt Ganvié, aus mehreren eingemeindeten „schwimmenden“ Dörfern hat rund 40.000 Einwohner. Anders als die Pfahlbausiedlung Nzulezo in Ghana sind die Häuser in Ganvié nicht durch Holzstege miteinander verbunden, sondern jedes Haus steht ganz frei und allein auf dem Wasser. Egal, was man erledigen möchte – und sei es nur, sich vom Nachbarn etwas zu borgen, erfordert ein Boot. Und das steuern selbst schon kleine Kinder sehr zügig und geschickt durch die engen Kanäle.

Wir hatten entschieden, über Nacht in der Stadt zu bleiben und in einem der drei Hotels dort zu übernachten. Ohne eigenes Boot ist man in der Stadt völlig aufgeschmissen, sodass wir alles im Vorfeld über WhatsApp organisiert hatten. Als nachmittags die letzten deutschen und Schweizer Ausflügler in Expeditionsbekleidung, Wanderrucksäcken und steigeisenfesten Bergschuhen ihr Mittagessen vertilgt und samt unfähigem Reiseleiter die Stadt verlassen hatten, stiegen wir zusammen mit einem polnischen Reisenden in ein Boot zu einer Stadtrundfahrt.

Ganvié hat alles, was eine Stadt an Land auch so hat: Postamt, Telefongeschäft, Einkaufsläden Damen- und Herrenfriseure, Markt, Holzhandel, Baufachgeschäft, Modeboutique und mehr. Weil der Wasserspiegel während der Regenzeit jedoch ca. 1m höher ist als derzeit zur Trockenzeit, müssen sich Käufer und Verkäufer oft ganz schön strecken und aus dem Fenster lehnen, um Geld gegen Waren zu tauschen.

Die gesamte Stadt hat nur drei Pumpstationen für Frischwasser. Weil der See ins Meer entwässert und Brackwasser führt, muss jeder Tropfen Trinkwasser von den Bewohnern mühsam in Tonnen von der Wasserstation zum Haus gepaddelt und dann über die Leiter ins Haus gehievt werden. Das Abwasser „plumpst“ dann in den See – ein weiterer Grund, warum man besser Frischwasser schleppt statt einfach aus dem See schöpft.

Außerdem soll es im See Bilharziose geben und weil viele Bewohner Wirte sind, werden mit jedem Toilettengang die Eier ausgeschieden und der Wurm weiter verbreitet. Auf Luftaufnahmen sieht es so aus, als sei Ganvié auf grüner Wiese gebaut, doch es handelt sich nicht um Gras, sondern Wasserhyazinthen. Die Pflanzen sind Fluch und Segen zugleich. Einerseits wirken sie als natürliche Kläranlage und filtern Giftstoffe aus dem Wasser und können für Flechtwerk (Möbel, Körbe, Matten etc.) verwendet werden, andererseits sind sie auch eine Plage und deswegen in Europa unerwünscht bis verboten, weil sie schneller wuchern, als man gegensteuern kann. Je nährstoffreicher das Wasser (also: je mehr Menschen den See als Toilette nutzen), desto besser und schneller wächst die Pflanze und wuchert alles zu, was dem Gewässer den Sauerstoff raubt und zu Fischsterben führt. Dagegen helfen Rüsselkäfer (Benin) oder Pestizide (Nigeria).

Unser Gastgeber brachte uns zu seinem Onkel in ein Stelzenhaus. Der Onkel ist „Transportunternehmer“ und besitzt drei große Boote mit Außenbordern, um Güter und Passagiere zu transportieren: zum Bootsanleger, zum Markt auf dem Festland oder auch bis Lagos in Nigeria, denn die Hauptstädte Cotonou und Lagos sind über Binnengewässer miteinander verbunden. Der Onkel schenkte gruseligen Schnaps aus gebranntem Palmwein mit darin eingelegten Wurzeln aus. Man muss immer ein paar Tropfen des Getränks auf den Boden kippen, um den Ahnen zu gedenken. Viele Dinge in der Welt sind gleich. In den Anden kippt man immer ein bisschen Pisco auf den Boden, um der Mutter Erde Pacha Mama Ehre zu erweisen. Mir war das bittere Palmschnaps-Zeug auf dem Boden eh lieber als im Mund.

Nach unserer „sunset cruise“ durch die Stadt gab’s für jeden einen riesigen Fisch und wir gingen früh ins Bett, weil wir am nächsten Morgen um 5 Uhr aufstehen wollten, um den „Frühstücksmarkt“ zu erleben. Die Nacht war laut, denn die gesamte Stadt besteht aus luftigen Häusern aus Bambus oder Brettern, sodass man den Nachbar drei Häuser weiter pupsen, das Baby eine Straße weiter weinen, das Radio auf der anderen Seite des Kanals und alle Hähne der Stadt so hört, als fände alles im eigenen Schlafzimmer statt. Und weil der Frühstücksmarkt um 4 Uhr früh beginnt, war die Stadt ab 3:30 schon auf den Booten. Keine gute Nacht für uns. Aber man muss es erlebt haben, um das Leben dort nachvollziehen zu können.

Wir ließen uns zum Frühstücksmarkt staksen und sahen zu, wie Fischer und Pendler zum Festland mit ihren Booten auf dem Weg aus der Stadt heraus auf dem Markt ihr Frühstück besorgten. Frauen saßen in ihren Booten im Schein von Öllampen und verkauften Heißgetränke, Reis mit Sauce, Fettgebackenes und was der Mensch in Benin noch so zum Frühstück kaufen könnte. Damit man sie im Dunkeln findet, riefen sie ihre Angebote in die Nacht hinaus. Der Schein der Öllampen, die Rufe der Marktfrauen und das lautlose heran- und vorbeigleiten der Kundschaft ergab ein magisches Erlebnis.

Wir kauften Fettgebackenes frisch aus der Pfanne, unser Bootsmann besorgte sich Reis und unser Gastgeber ebenfalls. Wir hatten keine Proviantdosen dabei, aber der Rest der Kundschaft war besser vorbereitet: sie reichten ihre Henkelmänner und Tupperdosen einfach zur Marktfrau aufs Boot herüber, um sich ihr Frühstück abfüllen zu lassen. Wäre in Deutschland verboten, dachten wir nur. Es gibt zwei Frühstücksmärkte in Ganvié – an jedem Hauptausgangskanal einer.

Je näher der Sonnenaufgang kam, desto mehr Treiben war um uns herum: teils voll besetzte große lange Holzboote glitten schnell an uns vorbei, um die Passagiere zum Festland zur Arbeit zu bringen. Als es heller wurde, tauchten viele Eltern oder Großeltern mit Schulkindern in Booten auf, die als „Mamataxi“ ihre Kinder zum Schulboot brachten. Rund um Ganvié gibt es drei Schulen und die Kinder werden entweder vom Schulboot abgeholt und zur Schule geschippert oder die Kinder manövrieren selbst große Boote mit ihren Schulkameraden voll besetzt durch die Kanäle mit allmorgendlichem „Berufsverkehr“.

Marktfrauen nutzen sie Wartezeit bis zur Abfahrt der Schulboote, um den Kindern noch Pausen“brot“ (Reis) in Muttis Tupperdosen zu füllen – oder nach Muttis Wegpaddeln noch etwas Süßkram an die wartenden Kinder zu verkaufen. Nachdem wir letzten Sommer in Grönland waren, erinnerte uns das Leben in Paddelbooten ein bisschen daran – denn auch in Grönland gehen die Menschen von klein auf so selbstverständlich mit Booten und Paddeln um wie in Ganvié.

Auf dem Rückweg vom zweiten Frühstücksmarkt hatte der tägliche Zentralmarkt schon geöffnet, wo unter zwei großen Dächern die Marktfrauen in ihren Booten kunstvoll aufgetürmte Waren anboten. Das erinnerte mich ein wenig an Südostasien, allerdings ist dort alles etwas bunter und wesentlich touristischer. Und leckerer.

Nach dem Frühstück wurden der Pole und wir zurück ans Festland gebracht und wir fuhren mit der Honda zurück in die Hauptstadt Cotonou. Abends trafen wir uns mit einem amerikanischen Reisenden, mit dem wir schon länger per WhatsApp Kontakt hatten und verbrachten einen äußerst erfrischenden und anregenden Abend zusammen, bevor wir glücklich und hundemüde ins Bett fielen, um am nächsten Morgen nach Nigeria weiter zu reisen.

Nach über drei Wochen Benin ist das Land auf unserer „Best of Westafrica“ Hitliste sehr weit nach oben geklettert. Wir haben nur einen einzigen Menschen getroffen, der nicht nett war, wir hatten nie das Gefühl, als Tourist gemolken zu werden, haben authentische Erlebnisse gehabt, sind tiefer als wir dachten in den Voodoo eingetaucht, haben eine mystische Nacht im Königspalast von Abomey erlebt und den nächtlichen Zauber in Ganvié genossen. Und das alles in so einem winzigen Land, dessen Norden wir aufgrund islamischen Terrors gar nicht bereisen konnten. Wir hatten im Vorfeld recht hohe Erwartungen an Benin, die noch übertroffen wurden. Fahrt da mal hin – statt nur durch!

Wir sind mittlerweile in Nigeria und hoffen, dass auch dort unsere (sehr verhaltenen) Erwartungen übertrumpft werden. Während Ihr das hier lest, stecken wir dort wahrscheinlich schon im ersten Highlight. Und weil auch Nigeria eine Art „Venedig“ hat, sind wir selbst schon ganz gespannt… Doch davon erzählen wir Euch dann nächste Woche!

Schaut mal, wie spektakulär schön uns Benin empfangen hat, das erste Video aus unserer Zeit dort ist gestern online gegangen:

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