Back to the World of Rallye Sports! Es wurde ganz dringend Zeit für Tapetenwechsel bei uns, die Sesshaftigkeit schlug uns ziemlich auf die Seele. Aber ein Passat ist nur bedingt wintertauglich und die Zeit mit Verena und Edgar im Haus war auch Seelenbalsam für uns, die wir seit August 2019 so antizyklisch und auf ungewöhnlichen Routen reisen, dass wir nur sehr wenig Kontakt zu anderen Reisenden haben. Doch wenn die Decke auf den Kopf fällt und man sich über den Ofen mehr ärgert als er wärmt, dann ist die Zeit reif für Neues! Das übrige Holz vom Ofen haben wir übrigens im Dorf verschenkt. Dazu sind wir einfach zum Bürgermeister gelaufen und haben ihn gefragt, wer das in seinem Dorf dringend braucht. Und so halfen uns am nächsten Morgen zwei Gemeindearbeiter, unser Auto voll Holz zu laden und es einem älteren Invaliden vorbei zu bringen. Es traf genau den Richtigen: er war gerade dabei, Fronten von (seinen?) Küchenmöbeln zu Brennholz zu zersägen…

Wir packten also unsere Siebensachen und zogen zurück in Hans, den Passat. Leider war der Frühling immer noch nicht da, aber so konnte mein neuer Fleece-Schlafanzug gleich zeigen, was er kann. Wir fuhren nach Plovdiv zu RBI Sports zur Schulung. Schulung? Ja, denn wir waren nun Mitglied des internationalen Teams der Rallye-Organisation RBI Sports! In Tunesien sollte die Erstausgabe der Fenix Wüstenrallye stattfinden und wir, die wir die letzten 10-12 Jahre als Teilnehmer bei Rallyes selbst mit eigenen Motorrädern gestartet waren, durften die Seiten wechseln, hatten aber z.B. noch nie ein Tag Heuer Gerät für die Zeitnahme bedient und auch sonst wenig Ahnung von dem, was auf der anderen Seite der Startflagge bei einer Rallye so läuft.

Am Abreisetag musste das gesamte bulgarische Team zum PCR Test, denn nach Tunesien darf man nur mit frischem PCR Test und mit mindestens 3 Tagen Hotelbuchung einreisen. Bis die Ergebnisse um 16 Uhr vorlagen, saßen wir alle vor gepackten Autos und warteten. Das Auto, das wir nach Tunesien und zurück fahren sollten, war ein 28 Jahre alter Toyota Landcruiser, silbergrau, etwas untermotorisierter Saugdiesel und mit 3,5l brummelig gemütlich. Wir tauften sie „Else“ und mochten sie sofort. Hans durfte Pause machen, aber vorher haben sich Hans und Else noch „beschnuppern“ und über uns austauschen dürfen. Da wir mit Else über 5000km Spaß hatten, gehen wir davon aus, dass Hans nicht über uns gemeckert hat. 😊

Währenddessen bekamen wir Frauen (wir waren nur drei im bulgarischen Team) herrlich duftende Hyazinthen zum Frauentag geschenkt. Während der Tag in Deutschland eine negativ aufgeladene Emanzen-Kampf-Veranstaltung ist, ist der Frauentag im Osten der Welt einfach ein schöner Tag, an dem Männer noch netter zu Frauen sind als sonst. 😊 Letztes Jahr waren wir am Frauentag in Nukus in Usbekistan und Jan hat es den usbekischen Männern gleichgetan und war mit mir in einer Konditorei lecker zu Kaffee und Kuchen. (Übrigens, der Blogbeitrag, in dem der Weltfrauentag in Nukus vorkommt, ist vom 15.3.2020 und rückblickend extrem interessant zu lesen, wie wir damals (gegen Ende des Blogbeitrages) die Pandemie erlebt/bewertet haben: Durch Coronavirus gefangen?) Dieses Jahr waren wir zum Weltfrauentag in Bulgarien wurde mir schon morgens in der Warteschlange vor dem Testzentrum zum Frauentag gratuliert und es gab Blümchen vom Chef. Und mit dieser „Duftbombe“ im Auto fuhren wir dann auch los, denn alle PCR Tests waren negativ.

(c) Fenix Rallye

Bis zur Abfahrt der Fähre waren zwar noch rund zwei Tage Zeit, aber es lagen 1700km vor uns und eine strenge Vorgabe von Transitzeiten: Serbien 12 Stunden, Kroatien 12 und Slowenien 6 Stunden. Erst in Italien, nach 1200km, durften wir anhalten und uns eine Mütze Schlaf gönnen. Und so fuhren wir durch die Nacht, bis wir nicht mehr konnten und uns in Serbien mit den insgesamt fünf Autos auf einem Parkplatz bei -3°C eine kleine Runde Schlaf in Autositzen gönnten. Die Transitzeiten werden übrigens kontrolliert, denn Serbien ist kein EU Staat und Kroatien kein Schengenstaat. Und in Italien wurden wir (bei der Rückfahrt) zur Kontrolle der Transitzeit (36 Stunden) extra heraus gewunken. In Deutschland hat bei allen Einreisen niemand unsere 24 Stunden Transitzeit kontrolliert und auch nicht kontrollieren können, denn Grenzkontrollen sind ja nur “stichprobenhaft”, also im Grunde nicht existent.

Auch sonst waren wir überrascht, wie digital vernetzt es hier ist. Auch Bulgarien ist kein Schengen Staat und so dürfen wir trotz EU Pass nur 90 Tage bleiben. Es wird immer wieder berichtet, dass das nicht kontrolliert werde, aber die Grenzerin bei der Ausreise aus Bulgarien wusste nach einem Blick in den PC noch viel mehr als unsere Aufenthaltsdauer! Sie fragte Jan, was wir denn so lange im Land gemacht hätten. Was sagt man da? „Ein Haus gemietet und 2,5 Monate vorm Ofen gearbeitet?“ Jan sagte „Tourism“. Die Antwort gefiel nicht, also rief ich vom Beifahrersitz „Litschna Karta!“ und das Gesicht der Grenzerin hellte sich auf. Tatsächlich hatten wir erst wenige Tage zuvor den bulgarischen Aufenthaltstitel beantragt und für 5 Jahre genehmigt bekommen. Warum, das erklären wir Euch im nächsten Post.

Im nächtlichen Serbien stießen wir in der Nähe der Grenze zu Kroatien auf viele Flüchtlings-Trupps: mehrere Gruppen von bis zu 10 jungen Männern eindeutig nicht serbischer Herkunft, die, meist schwarz gekleidet, in Fahrtrichtung (!) auf dem Standstreifen der Autobahn oder am Waldrand entlang der Autobahn liefen. Wir wissen nicht genau, wohin sie so offensichtlich unversteckt wollten. Wir vermuten, sie waren auf dem Weg zur langen LKW-Warteschlange an der EU Außengrenze, um sich vielleicht dort unter einen LKW zu hängen? Wir wissen es nicht. Was wir aber gelesen haben ist, dass Serbien (die ein deutlich höheres Impftempo zeigen als Deutschland) auch Flüchtlinge impft. (Quelle: reuters)

In Slowenien stieß ein Slowene zur „Orga“ Mannschaft hinzu, in Italien zwei Griechen. Italien war das erste Land unserer langen Fahrt, in der keinerlei Einreisekontrollen stattfanden. Und das drei Tage, bevor Italien wegen katastrophaler Infektionszahlen in einen neuen Lockdown ging und eine Woche nachdem interregionale Reisen innerhalb Italiens verboten worden waren. Die Autobahn war voll wie immer, gar nichts wurde kontrolliert. Aber dass sich die beiden Griechen mit uns Bulgaren außerhalb der eigenen PKW auf einer Autobahnraststätte trafen, war ein Treffen aus mehreren Haushalten und sofort schritt die Polizei ein. Immerhin!

Wir verbrachten die zweite Nacht der langen Anreise in der Horizontalen in einem schmuddeligen italienischen Hotel, in dem das Zimmer mit Halbpension 80€ kostete, die Klospülung nicht funktionierte, das Bad voll fremder Haare, die Betten wacklige Metallgestelle und der Boden dermaßen dreckig war, dass meine Socken auf dem Weg vom Bett zur funktionslosen Toilette ein dringender Fall für die nicht vorhandene Waschmaschine wurden. Da es pandemiebedingt kein Frühstücksbuffet gab, musste man auf einem Zettel ankreuzen, was man frühstücken möchte. Wir kreuzten einfach alles an, denn obwohl die 80€ nicht aus unserer Kasse gezahlt wurden, fühlten wir uns völlig abgezockt. Für 80€ verbringen wir sonst rund 5 Nächte und zwar in blitzeblanken Unterkünften! Wir waren in Westeuropa und hatten plötzlich auch Angst um „unsere“ Else, die bis zur Decke der Rücksitzbank voll bepackt mit teurer Ausrüstung vor dem Hotel stand. Paradox: die Westeuropäer haben Angst vor dem „wilden Osten“, wir haben uns die letzten drei Jahre in der dortigen „Gefährlichkeit“ aufgehalten und hatten nun Angst im Westen. Nun ja. In den drei Jahren unterwegs ist uns nichts „abhanden gekommen“, in Deutschland aber unsere Garage leer geräumt worden, unser VW Bus Kittymobil hat dort einen ungebetenen „Besucher“ erlebt und diverse Bekannte haben ihre Fahrzeuge vor der Tür oder aus der Tiefgarage heraus geklaut bekommen. Wir fühlten uns komisch in Italien. Aber immerhin waren die Gnocchi lecker und das Frühstück „1x alles bitte“ war ein guter Start in den Tag.

Die letzten 500km bis Genua verliefen entspannt und an der Hafeneinfahrt wurde zu allererst kontrolliert, ob unser PCR Test gültig war. War er, wir durften nach Tunesien ausreisen. Im Hafen waren fast alle schon da. Weil wir selbst ja so viele Jahre Rallye gefahren sind, war es schön, alle Bekannten und Gleichgesinnten wiederzusehen. Nur auf die Frage „Seit wann seid Ihr wieder zurück?“ hatten wir keine Antwort. Wir sind nicht „zurück“ (denn sonst wären wir mit Motorrädern am Start), sondern nur „auf Familienbesuch“, denn so fühlte es sich für uns an: zurück in der Rallyefamilie.

Die Fähre fuhr 29 Stunden und als „Orga“ hatten wir den Luxus einer Außenkabine. Wir verschliefen die meiste Zeit an Bord und waren fit, als wir gegen Mitternacht in Tunis anlegten und die ganzen Einreiseformalitäten im Hafen erledigen mussten. Dann lagen noch 550km vor uns bis Douz und wir starteten im Morgengrauen gen Wüste. Für mich war es das vierte Mal Tunesien und Jan war auch schon da, deswegen fühlte es sich noch mehr nach „Besuch“ als nach „Weiterreise“ an.

Im „Rallyehotel“ angekommen, schliefen wir kurz und halfen beim Bestücken der GPS Tracker mit lokalen Simkarten. Wie „Rallye“ funktioniert, welche Technik man als Teilnehmer braucht, wie navigiert wird, welche Organisation und welcher Aufwand dahintersteckt, haben wir Euch Tag für Tag in unserer Story bei Instagram gezeigt. Es lohnt also, unserem Instagram Profil zu folgen 😊Schaut mal hier: TraveLove auf Instagram

Der Rest der „Orga“, das ganze Equipment und die allermeisten Teilnehmer waren mit einem eigens gecharterten Flugzeug angereist, welches von Sofia über Warschau und Brüssel nach Tozeur flog und den Teilnehmern damit eine von sämtlichen Fluglinien und Reisebeschränkungen unabhängige, virusfreie Anreise ermöglichte. Denn: die Rallye fand in einer virusfreien „Blase“ statt: Jeder, der nach Tunesien einreist, braucht ja sowieso einen frischen, negativen PCR Test. Um sicherzustellen, dass in den bis zu 72 Stunden Gültigkeit sich kein Teilnehmer, Mechaniker oder sonst wer doch noch den Virus eingefangen hat, musste jeder vor dem Hotel einen Schnelltest machen. Wer positiv getestet wurde, durfte nicht starten und wurde den tunesischen Behörden gemeldet. Es traf wohl ein tunesisches Team. Schade, aber so war sichergestellt, dass wir sorgenfrei die Veranstaltung stattfinden lassen konnten.

(c) Fenix Rallye

Am ersten Tag war technische und administrative Abnahme: die Teilnehmer mussten ihren Papierkram erledigen, bei uns die Technik und dazugehörigen Halterungen ausleihen, bekamen ihre Startnummern und die Fahrzeuge wurden alle nach Reglement überprüft. Auch das haben wir Euch in unserer Instagram Story in Echtzeit miterleben lassen.

Als die Rallye dann richtig los ging, hatten wir die Ehre, beim Start eingeteilt zu sein. Die Startnummer 1 hatte ein uns gut bekannter Motorradfahrer. Jan war ganz cool, mir brach es das Herz, als er an den Start rollte und ich im roten „Orga“ Shirt am Tag Heuer Gerät saß und nicht mit MX Stiefeln und Protektoren auf meiner WR mich in der Startreihenfolge einreihte. Mir liefen die Tränen übers staubige Gesicht und ich war so voll Neid. Natürlich ist unser Reiseleben toll und wir leben den Traum vieler Menschen, aber Rallye ist unser beider Herzblut und das haben wir für unseren neuen Lebensabschnitt aufgegeben. Unsere Ehe fußt auf dieser gemeinsamen Leidenschaft für Speed und Dreck und selbst unsere Hochzeit fand auf zwei Rädern statt.

Während der gesamten Veranstaltung waren Jan und ich als Starter-Team eingesetzt. Außer am ersten Tag waren wir immer am Start der zweiten SS (Special Stage, auch das Reglement und die Bezeichnungen dazu hatten wir Euch in der Insta-Story erklärt) eingeteilt und saßen dazu stundenlang irgendwo im Nichts mit einem Klapptisch und der gesamten nötigen Ausrüstung in Wind (deswegen auch nur 1x das Sonnendach) und Sonne und ließen uns von jedem startenden Teilnehmer mit Staub und Steinen bewerfen. O.k., nicht von jedem Teilnehmer, es gibt auch rücksichtsvolle Fahrer, die (wie wir früher auch), mit dem Vollgas ein paar Meter warten. Da ich für die genaue Zeiterfassung und Listenführung zuständig war, hatte ich wenig Möglichkeiten, Fahrer und Fahrzeuge kennenzulernen, aber Jan kannte sie nach der Woche fast alle.

Die Motorradfahrer kannten wir sowieso recht schnell. Einer hatte seine 16-jährige Tochter dabei, die aber nicht in Wertung fuhr, sondern in der „Discovery“ Klasse startete, bei der die Teilnehmer auf gekürzten und vereinfachten Strecken der Rallye fahren, jedoch tageweise versetzt und nicht gezeitet. Die junge Französin fuhr mit einer 125er Beta (logisch, sie hat ja noch keinen richtigen Führerschein!) und machte das so gut, dass wir keine Zweifel haben, sie in zwei Jahren in Wertung zu erleben. Super sympathische Familie! Der Vater wurde übrigens Zweiter und war bestplatzierter „Veteran“ (Ü50).

Eine Etappe endete im Wüstencamp am Fuße des isoliert im „Dünchenmeer“ liegenden Tafelberges „Tembaine“. Jedes Mitglied der Orga durfte als „Bonbon“ abends dort dazustoßen, auch wenn man nicht dort eingeteilt war. Wir fanden es zunächst klasse, denn wir selbst würden niemals Geld dafür ausgeben, um in einem Zelt aus Plastikplanen in der Wüste zu sitzen und zu speisen. Eine neue Erfahrung! Das Essen war lecker, die Tischgesellschaft nett, das Lagerfeuer romantisch und wir hatten Glück, in dem untouristischeren der beiden Camps eingeteilt worden zu sein, in dem keine Folkloregruppe auftrat.

Die Teilnehmer waren super happy, für mehr als die Hälfte war es die erste Nacht in der Wüste. Für uns wurde sie zur Nervenprobe: wenn 250 Mann auf einem Haufen in der Wüste schlafen, dann ist es aus mit der Stille. Überall wurde laut geschnarcht (Rallyesport ist Männersport) und die Stille der Wüste, bei der man das eigene Blut in den Ohren rauschen hört, hat wohl keiner erlebt. Wir teilten das Zelt mit zwei besonders intensiven Schnarchnasen und waren am nächsten Morgen daher nicht wirklich fit.

Unser nächster Einsatzort war bei Ksar Guilane, der Wüstenoase, wo wir noch schnell unseren beiden Bulgaren im Team das römische Fort zeigten. Überhaupt: ein GPS hätten wir kaum gebraucht, wir fuhren mit Ortskenntnis durch die Wüste, die für Wüstenneulinge furchteinflößend wirkt. Früher dachte ich, nur ein Fennek sei ein Wüstenfuchs, aber ich glaube, wir sind es schon lange 🙂

Ich war vor 21 Jahren das erste Mal dort und so ist es schön zu sehen, wie manche Dinge einfach die Zeit überdauern und sich nicht verändern: das Cafe la Porte du Desert liegt jetzt zwar an einer Asphaltstraße, aber Tee und Inhaber sind unverändert. Ich kam mit ihm ins Gespräch und siehe da: er erinnerte sich an die Geschichte von dem „Mädchen“, welches vor „vielen Jahren“ (17 Jahre, um genau zu sein) „nicht weit von hier“ (auf dem Rückweg vom Tembaine) „fast gestorben“ sei, wenn nicht „Dr. Hashasi“ gewesen wäre. Nun ja, dieses „Mädchen“ war ich und er erzählte mir die Geschichte meines eigenen fast tödlichen Motorradunfalls.

Das ist kein aktuelles Bild. Aufgrund der Pandemie war Herr Doktor (wie seine Kollegen in Kasachstan) in Katastrophenschutzanzug mit Kapuze, Schutzbrille, Maske und Gesichtsschild. Wie deutsche Hausärzte auch, oder? 🙂

Seit dem besuche ich jedes Mal, wenn ich in Douz bin, besagten „Dr. Hashasi Soula“, der mir das Leben gerettet hat, da er, nachdem ich schon in zwei Krankenhäusern (Douz und Kebili) war als einziger erkannt hatte, dass meine Milz geplatzt war und meine Schmerzen nicht nur von Knochenbrüchen kamen. Diesmal war Jan dabei und ich konnte beide miteinander bekanntmachen. Ich wurde für diesen Besuch von der Orga extra freigestellt.

Im Laufe der Woche begleitete ich einen gestürzten Motorradfahrer ins Krankenhaus zum Dolmetschen. Auf der Autofahrt versuchte ich, ihn schon auf das Röntgengerät vorzubereiten, von dem ich damals die „Strahlendosis fürs Leben“ bekommen hatte. Als wir dann ankamen, waren wir beide überrascht: der deutsche Motorradfahrer hatte so ein tolles Gerät in Deutschland noch nie gesehen und ich erkannte nur den Raum und die rostigen Spuren abmontierter vorkriegszeitlicher Geräte auf dem Fußboden wieder, der Rest war hochmodern neu ausgerüstet. In Douz, im Süden Tunesiens. Dem Motorradfahrer wurden nur seine Wunden genäht, der festgestellte Knochenbruch musste in Kebili behandelt werden. Wenigstens das ist noch wie damals! 😊

Die ganze Woche lang lebten wir ein Leben mit 500 Menschen, wie es vor der Pandemie normal war: wir aßen zusammen im riesigen Speisesaal vom Buffet, trafen uns allabendlich zum Briefing, steckten die Köpfe zusammen und mussten die ersten Tage unsere innere Alarmglocke, die uns ständig vor Ansteckungsgefahr warnte, immer wieder ausschalten: alle waren mehrfach negativ getestet worden, wir lebten in einer sicheren Blase.

Bis zum Morgen nach der Siegerehrung. Dann reisten die meisten Teilnehmer mit dem gecharterten Flugzeug wieder ab und die Hotelzimmer wurden mit Tunesiern belegt. Überbelegt, sodass wir beide freiwillig ins Nachbarhotel umzogen, welches auch rappelvoll war, denn es war Unabhängigkeitstag und alle hatten vier Tage frei. Die virusfreie Blase war geplatzt und wir beschlossen, nicht mehr im Speisesaal zu essen (obwohl Tunesien deutlich geringere Infektionszahlen hat als Deutschland oder Bulgarien) und fuhren mit dem Landcruiser „Else“ in die Stadt, um dort outdoor zu essen.

Mit einem frischen, negativen PCR Test im Gepäck fuhren wir Richtung Tunis. Die Abfahrtszeit der Fähre war verschoben worden und so hatten wir noch Zeit, das Kolosseum in El Djem zu besichtigen, welches zu römischen Zeiten 35.000 Zuschauer fasste und bis heute unglaublich gut erhalten ist. Meiner Erinnerung nach sogar besser als das in Rom. Die Lage ist außerdem einmalig, denn die UNESCO hat verboten, im 5km Umkreis höhere Gebäude zu errichten und so ragt das Kolosseum schon aus der Ferne in die Landschaft und man hat von den oberen Rängen eine herrliche Aussicht. Irgendwie rundum beeindruckender als Rom!

Im Hafen das übliche Spiel aus „Fixern“, Zettelwirtschaft und Warterei. Es war vielleicht drei Uhr, als wir in unserer Außenkabine im Bug des Schiffes in die Betten fielen und uns bei starkem Seegang in 32 Stunden zurück nach Europa schaukeln ließen. Wir verließen die Kabine nur zum Essen und waren fast alleine in den Bordrestaurants, die Mehrheit der Passagiere schien mit Seekrankheit zu kämpfen. Und wir nutzten die Zeit für Erholung, denn Rallye war für uns schon als Motorradfahrer immer körperlich anstrengend und als Orga bekommt man noch weniger Schlaf: Orga Briefings finden immer erst spät abends statt und als Starter muss man natürlich schon am Start bereitstehen, bevor der erste Teilnehmer sich überhaupt in seine Klamotten packt. Aber: wir würden es wieder tun! Wir sind stolz, dabei gewesen zu sein. Bei einer riesigen Sportveranstaltung, die trotz Pandemie sicher stattfand und die allen Beteiligten ein Stück Normalität schenken konnte. Wir haben dazu beigetragen, den Menschen im Süden Tunesiens endlich wieder Einkommen zu generieren, wir haben gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man es will, es wagt und alle an einem Strang ziehen. Nur die EU zieht nicht mit am Strang: bei der Fährfahrt nach Tunesien durfte nur an Bord (und somit nach Tunesien einreisen), wer einen negativen PCR Test nachweisen konnte. Bei der Rückfahrt zurück in die EU wurde das nicht verlangt. Weder von der italienischen Fährgesellschaft noch von den italienischen Grenzern bei der tatsächlichen Einreise in die EU im Hafen von Genua. Die EU schützt nicht mal die Außengrenzen vor Corona… Ein Trauerspiel, der Infektionsschutz der EU!

Unsere Gastgeber haben uns liebevoll den Tisch gedeckt, um die Pizza vom Pizzaservice zu genießen.

Schon bei der Ausfahrt aus dem Hafen verloren wir die vier anderen bulgarischen Autos und im Chaos aus Umleitungen, Baustellen und Autobahnkreuzen verloren die sich trotz Funk auch noch weiter. Wir entschieden, alleine weiterzufahren und uns kurz vor der slowenischen Grenze eine Unterkunft zu suchen, um danach die 1200km bis Bulgarien gemäß der vorgegebenen Transitzeiten abzureißen. Unsere Unterkunft war ein Zimmer in einem Bed & Breakfast in einer herrlich restaurierten alten Ziegelbrennerei (Casa della Fornace), unsere Gastgeber deckten für uns den Tisch, um unsere Pizza vom Pizzaservice essen zu können und wir genossen den Abend wirklich sehr: so macht Reisen Spaß! Nette Gastgeber, ein sicherer Parkplatz für Else, faire Preise, alles sauber und mehr als komfortabel. Allein das Frühstück mit selbstgebackenem Kuchen, Focaccia, Körner-Rührei, Strudel und weiteren Leckereien war eine Wucht! Von wegen, in Italien weiß man nicht, wie man frühstückt! Lieber kehren wir bei solch lieben Menschen für kleines Geld ein, als dass wir für 80€ einem dreckigen Hotel das Geld in den Rachen werfen…

Wir rissen dann die Kilometer bis zur bulgarischen Grenze ab. Und dann wurde es kompliziert. Anders als andere Länder (Italien z.B. oder Deutschland) kontrolliert Bulgarien strikt die Einhaltung der pandemiebedingt verschärften Einreisebestimmungen. Zurzeit darf nur nach Bulgarien einreisen, wer a) EU Bürger mit maximal 72 Stunden altem negativen PCR Test ODER b) Bulgare mit Adresse für 10 Tage Quarantäne ODER c) Ausländer mit Aufenthaltstitel und Adresse für 10 Tage Quarantäne ist. Die Quarantäne kann umgehen, wer binnen 24 Stunden beim Gesundheitsministerium digital einen negativen PCR Test nachreicht. So, und was waren wir? EU Bürger mit mittlerweile längst abgelaufenem PCR Test, denn der Süden Tunesiens ist 2350km mit Else und 32 Stunden Fährfahrt weit entfernt. Die Transitzeiten der durchfahrenen Länder macht einen PCR Test in anderen Ländern unmöglich. Aber wir hatten unser Ass im Ärmel: den bereits anfangs erwähnten, frisch erworbenen bulgarischen Aufenthaltstitel und eine eben schnell am Handy erledigte Airbnb Buchung für 10 Tage Ferienwohnung, die wir als Adresse für die Quarantäne nachweislich angeben konnten. Die Quarantäne wird nämlich in Bulgarien polizeilich kontrolliert, wir haben Bekannte, die den Dorfpolizisten mehrfach zur Kontrolle vor der Tür stehen hatten. So konnten wir einreisen!

Am nächsten Morgen führte unser erster Gang zum Testzentrum in Plovdiv, fünf Stunden später gab es das Ergebnis online, welches wir dann, ebenfalls digital, beim Gesundheitsministerium einreichten und uns damit schon von der Quarantäne befreit hatten, bevor wir unsere Ferienwohnung überhaupt erst erreicht hatten. So geht Testen (nein, wir haben keinen Aufpreis bezahlt für die schnelle Bearbeitung und die 5 Stunden sind langsam, andere Orgamitglieder hatten ihr Ergebnis schon nach 3 Stunden) und so geht Digitalisierung von Medizin und Behörden.

Wir trennten uns von Else, dem alten Landcruiser und stiegen um in Hans, der brav auf uns im Industriegebiet von Plovdiv gewartet hatte und sofort freudig ansprang, um uns durch das Winterwunderland zu kutschieren. Von der Wüste in den Schnee…

Die nun unnötig gewordene Ferienwohnung konnten wir nicht stornieren, aber das macht nichts, denn in Bulgarien ist immer noch wunderschöner Winter wie im Bilderbuch! Der Winter weiß, dass wir ihn lieben und hat extra auf uns gewartet und sich nochmal besonders schön herausgeputzt. Wir haben den Frühling aber mit Else aus Tunesien mitgebracht und so taut es dieses Wochenende kräftig. Wie es jetzt weiter geht? Mit der Impfung nächste Woche. Wieso wir damit für bulgarische Verhältnisse spät dran sind und wie wir überhaupt zur Impfung kommen, erklären wir Euch dann nächstes Mal!

P.S.: Wenn Ihr auch mal Wüstenrallye wie die Fenix Rallye in Tunesien fahren möchtet: das ist gar nicht so teuer, wie Ihr denkt! Ab 1450€ für Einsteiger in der Discovery Klasse, inklusive 8 Übernachtungen im 4 Sterne Hotel, Vollpension, Hubschrauber, medizinische Betreuung / Rettung etc. Für das volle Rallye-Paket in Wertung geht es ab 1800€ los. Schaut mal hier: Entry Fees

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