Wir waren 2 Tage vor der Einreise nach China in Tash Rabat verabredet, um unsere Pässe mit dem Chinavisum zu bekommen – und auch eigentlich, um uns dort mit dem Rest unserer fünfköpfigen Reisegruppe zu treffen. Da sich Konrad aber mittlerweile in Deutschland im Krankenhaus befand und der Rest der Truppe nicht mehr mit konnte, besteht unsere China „Gruppe“ nun nur noch aus uns beiden mit Kittymobil. Die wechselnden Guides werden zwischen uns auf der Doppelsitzbank Platz nehmen.

Tash Rabat ist eine Karawanserei der Seidenstraße und liegt in einem landschaftlich spektakulären Tal, welches über eine autobahnähnliche Piste zu erreichen ist. Als wir nachmittags ankamen, lagen die drei Jurtencamps wunderschön ruhig und malerisch im Tal, wir stellten uns auf eine Wiese beim hintersten Jutencamp, in dem wir Ivan mit unseren Pässen treffen sollten. Aus der Schiebetür hinaus genossen wir das tolle Panorama Kirgistans. Doch leider nicht lange.

Am frühen Abend trudelten insgesamt vier lange Sprinter ein, allesamt gut besetzt mit Reisegruppen, die sich aber recht schnell bei immer kälter werdenden Temperaturen auf 3200m in ihre Jurten verzogen. Nicht so deren Guides und Fahrer! Die verzogen sich nicht in den als Aufenthaltsraum genutzten Container, sondern in die Sprinter. Und damit ihnen da drin nicht kalt wurde, ließen sie die Motoren an. Dazu startete hinter dem Küchencontainer der Generator und mit der Stille der Berge war es vorbei.
Wir hofften, dass der Spuk nicht ewig andauern würde, aber lagen schon im Bett, als die Motoren immer noch liefen und der Wind drehte. Nun wehten die Abgase durch die einen Spalt geöffnete Heckklappe direkt in unser Bett. Umparken oder ersticken! Wir parkten um, aber im Dunkeln noch einen abgelegenen ebenen Stellplatz zu finden, war unmöglich. Resultat: wir standen näher am Generator der auch nach Mitternacht noch lief, als wir für Pipi raus mussten. Alles, nur keine ruhige Nacht in den Bergen!

Den nächsten Tag verbrachten wir damit, die Murmeltiere zu beobachten, die rund um Kittymobil Kräuter mümmelten und schnell mit ihren Pummelpuschelpopos in ihren Löchern verschwanden, wenn ein Raubvogel auftauchte. Oder wir beobachteten eine Herde Pferde, die in wilden Bocksprüngen einen Hang herunter gerast kam, um im Bach zu trinken. Ein ruhiger, erholsamer Tag zum Krafttanken vor China in wunderschöner Natur!
Für die Nacht hatten wir einen neuen Stellplatz ausgekundschaftet: weg von den Sprinterbussen, weg vom Generator. Doch 2 der Busse parkten um, als wir natürlich schon wieder im Bett lagen. Die Motoren liefen die ganze Nacht. Diesmal zogen nicht die Abgase in Schlafzimmer (immerhin!), sondern die Software der Motoren sorgte in regelmäßigen Abständen die ganze Nacht durch dafür, dass die Katalysatoren frei gebrannt wurden. Im Klartext bedeutet das: vollgas! Aufheulende Motoren die ganze Nacht. Wir waren bedient. Die schönste Natur durch Idioten versaut.
Natürlich fielen jede Nacht die Temperaturen deutlich unter 0°C, aber wir haben auch keine Standheizung und haben uns einfach etwas angezogen und unsere Decke bis zur Nase hochgezogen! Die „Besatzung“ der Busse hingegen sprang in dünnen sommerlichen Jäckchen und Leggings herum. Was wir nicht bedacht hatten: nicht nur uns war kalt, sondern auch Kittymobil!

Wir hatten in Bishkek bei rund 35°C den Tank so richtig, richtig voll gemacht, um die 1000km Reichweite (und mehr) auszunutzen und ganz entspannt ohne Tankstellensuche bis China durchrollen zu können. Bis Tash Rabat hatten wir erst knappe 400km hinter uns, also war der Tank noch mehr als halbvoll. Und das mit Sommerdiesel. Dass der 2 Tage unter 0°C nicht so gut fand, wurde uns erst dann klar, als wir bei -2°C losfahren wollten und Kittymobil etwas „unwillig“ war. Mit viel Sonnenschein, sanfter Fahrweise und höherer Motortemperatur löste sich das Problem (der ausgeflockte Diesel) von selbst…
Wir hatten in der Vergangenheit viel, sehr viel von den großen Herausforderungen einer Einreise nach China gelesen und gehört. Dementsprechend gespannt waren wir natürlich, als wir auf den Torugart Pass auf 3700m zur Grenze fuhren. Kittymobil sagt zu der Höhe übrigens nix. Anders als bei unseren Vergasermotorrädern, die wir hätten anders bedüsen müssen, muss man beim Auto nichts tun. Bis wie hoch die automatische Anpassung an die Höhe funktioniert, werden wir dann feststellen, wenn wir zum Mount Everst Basecamp auf 5200m fahren…

Wenn Ihr wissen möchtet, was genau man tun muss, um mit dem eigenen Fahrzeug nach China zu reisen: wir haben es Euch hier zusammengefasst: Mit dem eigenen Fahrzeug nach China

An der Grenze war eigentlich alles ganz einfach: man wartet am Tor, bis auf der anderen Seite der gebuchte Guide auftaucht. Wir hatten von der Agentur ein Foto von ihm, sodass wir ihn schon erkannten, bevor er Kittymobil sah. Der Fahrer (Silke) bekommt dann eine „Fahrerkarte“ und dann fährt der Guide vorneweg zur tiefer gelegenen ersten Grenzstation. Dort wurden wir nur gefragt, ob wir Bücher oder Landkarten haben (Bücher aus Papier haben wir tatsächlich keine) und unsere Landkarten waren auch nur kurz von Interesse, weil gewisse Regionen (z.B. Tibet) nicht drauf sind. Kittymobil wurde durch den LKW Scanner geschickt und schon durften wir die 100km Fahrt zur großen Zollstation antreten. Immer dem Guide hinterher.

Die Landschaft war auf dieser Seite vom Pass sofort ganz anders. Wir verloren von erster zu letzter Grenzstation 2000 Höhenmeter und fuhren immer ein breites, geologisch super interessantes Tal durch hochmetamorphes Gestein entlang. Bis zur letzten Grenzstation mussten wir noch einen Checkpoint passieren, an dem es der Uniformierten in 15 Minuten nicht gelang, unsere Passnummer selbstständig herauszufinden und aufzuschreiben. Als sie diese schwere Aufgabe bewältigt und ihr Kollege einen Blick in Kittymobil geworfen hatte, rollten wir zur großen Grenzstation, wo Kittymobil mit einem so feinen Sprühnebel „desinfiziert“ wurde, dass das Zeug schon trocken war, bevor ich den Finger an den Hebel für den Scheibenwischer legen konnte.
An dieser und der vorherigen Station wurden wir nach Gepäck gefragt und erklärten jedes Mal, dass all unsere Habseligkeiten nicht in Taschen, sondern in Schränken im VW Bus seien. Dies wurde jedes Mal akzeptiert, sodass wir nur mit dem Pass in die Abfertigungshalle gingen. Leider war dort der Fingerabdruck-Scanner ausgefallen und ohne die Fingerabdrücke abzugeben, darf man nicht einreisen. Wir warteten geduldig mit sehr freundlichen, aber hilflosen Grenzbeamten, bis der „Techniker“ kam, und (wahrscheinlich) Windows 7 neu startete. Kittymobil wurde auch kontrolliert. Der Beamte führte eine kurze Diskussion mit unserem Guide darüber, ob unser Küchenmesser zu groß und ob Dosentomaten und Honigkekse o.k. seien, letztendlich legte er jedoch alles wieder vorsichtig und freundlich zurück an seinen Platz.
China hat im gesamten Land eine Uhrzeit – und zwar die von Peking. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass das im extremen Westen, wo wir uns befanden, nicht gerade der tatsächlichen Tageszeit entspricht. Das ist der Grund, warum man die Einreise nach China in der Region nie an einem Tag schafft. Denn irgendwann, gefühlt am „hellichten Tag“, ist Feierabend. Wir ließen Kittymobil im Zoll stehen und wurden von unserem Guide ins 60km entfernte Hotel in Kashgar gebracht.

Es war nach 22 Uhr Peking Zeit und somit zu spät für die Restaurants. Wir ergatterten noch sehr leckeres Essen und fielen dann ins Bett. Hatten wir Glück, dass alles an der Grenze so nett und unkompliziert abgelaufen war? Letztes Jahr war es wesentlich komplizierter und unfassbar unfreundlicher zugegangen, als wir in die Schweiz eingereist waren! Was ist mit all den Schauermärchen von Spionagesoftware auf Handy und Computer, konfiszierten Messern, Lebensmitteln und endlosen Kontrollen? Würden wir das am nächsten Tag noch erleben?
Am nächsten Morgen (nach einem chinesischen Frühstück mit leckerem gebratenem Gemüse) holte uns die Chefin der Agentur ab. Wir sollten zunächst ins Krankenhaus, einen „ganz leichten“ Test machen, um unsere chinesischen Führerscheine zu beantragen. Wer nur in 5 Tagen Transit durch China eilt, bekommt keinen echten chinesischen Führerschein, sondern nur eine Art „Gruppenpassierschein“. Da wir aber fast 2 Monate in China sein würden, brauchten wir nicht nur den Führerschein, sondern Kittymobil auch ein chinesisches Kennzeichen! Der Gesundheitstest im Krankenhaus war sehr lustig. Zum Beispiel mussten wir beweisen, dass wir in die Hocke gehen und daraus wieder aufstehen können. Es wurde weder Sehkraft noch sonst irgendetwas kontrolliert, was man bei uns kontrolliert hätte.

Wir fuhren dann zurück zum großen Grenzposten, wo es keine 5 Minuten dauerte, bis Kittymobil nach China einreisen durfte. Schnell noch bei der nächsten Polizeistation uns registrieren, dann rollten wir hinter der Agenturchefin her zur Zulassungs- und Führerscheinstelle bei Kashgar. Dort wurde Kittymobils Fahrgestellnummer abgerubbelt und dann war Mittagspause. Die dauert hier 3 Stunden, aber wir wurden zum Essen ausgeführt und saßen dann gemütlich bei frischem Kaffee im Kittymobil. Keine Stunde nach Ende der Mittagspause hatten wir beide chinesische Führerscheine und Kittymobil ein chinesisches Kennzeichen!

Wenn Ihr wissen möchtet, was genau man tun muss, um mit dem eigenen Fahrzeug nach China zu reisen: wir haben es Euch hier zusammengefasst: Mit dem eigenen Fahrzeug nach China

Auch wenn nicht alle Schritte des Prozederes für uns nachvollziehbar waren, so war von der Ankunft am Grenzzaun auf 3700m bis zum Erhalt der Führerscheine und des Kennzeichens alles völlig problemlos. Die Leute waren alle extrem nett und höflich und absolut keins der vielen Schauermärchen haben wir so erlebt, wie es erzählt wird! Natürlich wird einiges kontrolliert und die Checkpoints sind zeitraubend, aber schikaniert wurde nirgendwo! Wir können uns vorstellen, dass in größeren Gruppen das Gefühl aufkommen könnte, denn bei uns handelte es sich ja nur um 2 Pässe und ein Fahrzeug, was kontrolliert und wieder kontrolliert und kontrolliert wurde. Ist die Gruppe groß (hinter uns waren 13 deutsche Motoradfahrer einer geführten Reise nach Lhasa), dauert es eben entsprechend länger, da 13 Pässe und 13 Fahrzeuge kontrolliert werden müssen. Da wir in den beiden Tagen exakt dieselben Kontrollen passiert haben, es jedoch nicht als Schikane empfunden haben, mussten wir uns am nächsten Tag doch sehr wundern, wie die 13 Motorradfahrer den gleichen Tag wieder gaben… So entstehen Märchen! Eine andere Gruppe von 13 Motorradfahrern, von denen wir einige bereits kannten, waren über den „klassischen“ Grenzübergang von Osh nach China eingereist und auch sie wussten nur Positives von der Einreise zu berichten.

Da die Kommunikation zwischen deutscher und chinesischer Agentur nicht wie erwartet abgelaufen war, ergaben sich für uns noch ein paar „Herausforderungen“: Die Deckungssumme der zur Zulassung verpflichtenden KFZ Versicherung war uns nicht hoch genug, weswegen wir im Vorfeld vor einigen Monaten schon eine Zusatzversicherung gewählt hatten. Diese war jedoch nicht vor Ort erhältlich, sondern nur über die chinesische Agentur in Hongkong, der diese Info jedoch nie mitgeteilt worden war. Und auch, dass wir gerne chinesische Simkarten hätten, war nicht nach China kommuniziert worden, sodass es für uns insgesamt 3 Tage dauerte, bis wir „startklar“ waren. Die Simkarte gibt‘s nämlich nur mit abgestempelter Übersetzung der deutschen Ausweispapiere und nur mit chinesischer Kontaktperson! In den 2 Tagen rund um den Laden von China Telecom trafen wir einen Deutschen Radreisenden wieder, den wir im Frühjahr in Teheran auf der turkmenischen Botschaft kennengelernt hatten. Die Welt ist manchmal winzig!


Wir trafen auch einige andere Bekannte: ich traf Mark aus England wieder, den ich letztes Jahr in der Mongolei getroffen hatte. Jan und Kim aus Belgien lernten sich kennen, nachdem Jan an Kim seine Radnabe verkauft hatte, die unser Freund Ralf in Krefeld aus der Garage holte, an unseren gemeinsamen Freund Chris nach Bulgarien schickte, der dann nach Bishkek flog (wo wir ihn trafen) und von wo er Kim die Radnabe nach Osh schicken konnte. Die Familie der Motorradreisenden ist klein und hilft immer! Sami und Laurin von „Two motorbikes, one destination“ standen auch da und ich verdrückte ein paar Tränchen, weil ich nicht mit dem Motorrad, sondern auf 4 Rädern da war.

Die Familie der Motorradfahrer ist so eng, nach 4 Wochen im Auto fühlten wir uns schon fast wie Aussätzige, weil wir „nur“ einen VW Bus und keinen superteuren 4×4 haben… Autofahrer sprechen nicht mit uns, auch wenn wir 2 Tage Heck an Heck stehen…


Kashgar selbst ist eine nette Stadt. Es hat 2 Tage gedauert, bis ich wusste, warum sie sich für mich nicht nach dem China angefühlt hat, was ich von 2014 kannte: es fehlt der Lärm und Gestank tausender knatternder Roller und Mofas! Die Straßen sind hier voll von Rollern, die aber allesamt lautlos mit Elektromotoren rollen! Die Fahrradwege sind breit, durch Barrieren von der Autostraße und nach Fahrtrichtungen getrennt. Und auf diesen Fahrradwegen rollen Fahrräder und Elektroroller friedlich miteinander laut- und geruchslos durch die Stadt.

Das, was uns als die „Altstadt“ von Kashgar genannt wurde, ist ein von einheimischen Touristen überlaufenes Viertel kleiner Gassen mit Souvenierläden. Wenn man hier „made in China“ kauft, kauft man jedoch lokal produzierte Ware! 😊 Daran muss man sich erstmal wirklich gewöhnen! In Europa würde ich auch „nie niemals nicht“ Obst aus China kaufen, hier muss man das wohl. Im Hinterkopf den Giftcocktail, der darauf verspritzt wird und das Waschbecken voll Wasser, um den Mist irgendwie abzuwaschen. Kopfsache!

Die Gassen rund um unser Hotel, touristisch nicht erschlossen und ohne Souveniergeschäfte, gefallen uns sehr gut und noch ist es toll, die ganzen leckeren Gerichte zu probieren, zum Beispiel Gemüse in scharfer Ingwersauce oder Nudeln mit Fleisch und Gemüse, gebratener Kohl mit Pilzen, gebratener Reis, unbekanntes Grüngemüse, scharfe Suppe oder Eis aus Bohnen. Irgendwann in den nächsten 2 Monaten wird der Moment kommen, in dem wir froh sein werden, noch 2 Dosen Linseneintopf und einen Rest Müsli im Vorrat zu haben. Doch bis dahin genießen wir China mit allen Sinnen!

Vorhin haben wir Phuphu, unseren tibetanischen Guide kennengelernt, der mit uns die nächsten 2 Wochen durch Tibet unterwegs sein wird. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und er hat sehr entspannt auf Kittymobil reagiert. Ebenso entspannt haben wir darauf reagiert, als er uns erklärte, Tibet sei aufgrund der Restriktionen noch nicht überall so touristisch erschlossen, wie wir uns das vielleicht wünschen würden. Übermorgen reisen wir nach Tibet ein und wir sind sicher, dort eine tolle Zeit zu haben!

Wenn Ihr wissen möchtet, was genau man tun muss, um mit dem eigenen Fahrzeug nach China zu reisen: wir haben es Euch hier zusammengefasst: Mit dem eigenen Fahrzeug nach China

Unterstützt uns! Das geht ganz einfach aus fremden Taschen:

Danke, dass Ihr nicht nur unsere Inhalte konsumiert, sondern uns auch dabei unterstützt, die Kosten für Website & Co zu decken.