Auch hier, wo es eigentlich gar keine Coronavirus-Infizierte gibt, hält uns der Coronavirus aus Europa in Atem und zur Zeit ist nicht klar, ob und wie es für uns weiter geht und ob wir in absehbarer Zeit zu unserem VW Bus “Kittymobil” zurück kommen.

Doch erstmal sind wir hier in Usbekistan und versuchen, das Problem zu lösen. Nachdem wir die klassische für uns zu extrem touristische Seidenstraße verlassen hatten, genossen wir zwei Tage in Nukus, einer am Reißbrett entworfenen russischen Stadt inmitten der kasachischen Steppe. Die meisten Reisenden sind dort nur, weil man von dort weiter durch Turkmenistan in den Iran reist (oder von dort kommt), aus Richtung Westen in die Seidenstraße „einsteigt“ oder einen Tagesausflug zum Aralsee macht. Doch wir waren wegen des Museums dort und es wurde zur für uns eindrucksvollsten Sehenswürdigkeit des Landes.

Das Savitsky Museum hört sich zunächst etwas „langweilig“ an. Wikipedia schreibt dazu ganz nüchtern: „Das Kunstmuseum Nukus (…) ist ein staatliches Museum (…) Das 1966 eröffnete Kunstmuseum wird vielfach auch nach dem Gründer und ersten Direktor, Igor Witaljewitsch Sawizki benannt. Die große Bandbreite der von der Sammlung umfassten geschichtlichen Epochen, Stile und der Einzelstücke geht auf den Gründer zurück. (…) ergänzt durch zeitgenössische Kunst Usbekistans und der russischer Avantgarde.“ Das letzte Wort sollte hellhörig machen, wenn man ein klitzekleines bisschen im Geschichts- und Kunstunterricht aufgepasst hat.

Die Künstler der russischen Avantgarde wurden unter Stalin verfolgt, in Gulag Arbeitslager oder Psychiatrien zwangseingewiesen und ihre Familien verfolgt. Savitsky jedoch schaffte es durch gefährliche und clevere Tricks, den Künstlern oder ihren Witwen und Familien die Werke mit staatlichen Geldern abzukaufen und in einem eigens für ihn gebauten staatlichen Museum auszustellen. Nukus ist der allerletzte Ort, an dem Moskau damals solche Kunstschätze vermutet hätte und selbst der KGB war zu blöd, um Verdacht zu schöpfen.

Vor diesem Hintergrund wird nicht nur das Museum interessant, sondern auch die Gemälde darin. Mir hat das Werk „Capital“ besonders gut gefallen und wer es betrachtet versteht, warum solche Kunst unerwünscht war. Interessanterweise fehlt der untere Teil des Gemäldes (auf dem der Mann ein Auto in der Hand hält und die Frau teuren Schmuck); auf einem Foto des KGB ist das Bild aber vollständig zu sehen.

Quelle: Amazon

Woher wir das alles wissen? Nun, wie Ihr vielleicht schon zum Thema „Samarkand“ gemerkt habt, wir informieren uns vielleicht etwas „intensiver“ oder „anders“ über unsere Reiseziele. Wir haben ja Zeit! Da erfährt man dann auch Dinge, die „unbequem“ sind und vielen Lesern „nicht geschmeckt“ haben (z.B. die Mauer, hinter der die Einheimischen in Samarkand „gehalten“ werden, den Neuaufbau des Registan in den 1970ern etc.). Im Falle des Museums waren die Infos jedoch so, dass wir völlig fasziniert waren von einem zunächst unscheinbaren Museum, an dem viele einfach vorbeifahren. Falls Ihr auch mehr Info möchtet, legen wir Euch die Doku „The desert of forbidden art“ sehr ans Herz.

Ansonsten waren wir in Nukus froh, wieder unter Menschen zu sein, die in uns nicht nur den Tourist sehen, der die Seidenstraße abklappert. Wir sind wie der Rest der Stadt auch zum Weltfrauentag, der hier groß gefeiert wird, ins beste Café der Stadt zum Kuchenessen gegangen und hatten Spaß daran, die Hochzeitspaare zu beobachten, die sich bei schönstem Sonnenschein vor dem Museum haben vom Fotographen in Szene setzen lassen. Einfach Teil der Normalität und nicht in für Touristen aufgehübschten Orten sein. Das hat uns wirklich gefehlt.

Worauf wir in der „Normalität“ gerne verzichtet hätten, waren die vielen Kakerlaken. Die Unterkunft selbst war theoretisch sauber, aber wurde statt von Gästen (außer uns keiner da) von Kakerlaken bewohnt. Und davon ganz schön viele. In den zwei Nächten haben wir vier vor meinem Bett in Gefangenschaft genommen und an einem Morgen lagen sieben (7!) tote Kakerlaken vor unserer Zimmertür. Naja, auch das gehört zum Reisen dazu. Die Unterkunft hat uns 20% Rabat gegeben und wollte von uns, dass wir davon nicht öffentlich erzählen. Aber kaufen lassen wir uns nicht.

Unser ganz, ganz ursprüngliche Plan, den wir 2017 mal für 2019 gemacht haben und bis zum Motorschaden im Iran verfolgt hatten sah vor, dass wir mit den Motorrädern im Oktober 2019 bis Ulan-Ude fahren, diese dort im Taiga Pitch stehen lassen, mit der Trans-Sib nach Deutschland fahren, um dann mit Kittymobil auf den Kanaren zu überwintern. Nun, es kam alles anders, wir haben mit Kittymobil in Sibirien überwintert und sind nicht mit der Trans-Sib gefahren. Aber das mit dem Zug haben wir dann in Usbekistan im Kleinen gemacht. Wir haben das gesamte Land von West (Nukus) nach Ost (Margilan) mit dem Zug durchquert. Inklusive Umsteigen waren wir 23,5 Stunden unterwegs. Und das ganz entspannt im „Kupe“ Vierer- Schlafabteil mit stundenlangem Blick in die Weite der Steppe. Herrlich entspannend und ein kleiner Vorgeschmack der Trans-Sib für Jan, der das noch nicht kannte.

Als wir in Margilan ankamen, gingen wir erstmal in der Nähe des Bahnhofs mit allen Arbeitern zum Mittagstisch. Es gab Bulette mit Kartoffelpüree, Nudeln und Sauce, dazu der für Usbekistan typische Salat aus grünem Rettich, eine Kanne Tee und ganz viel Seelenbalsam. Für rund 1,60€ Euro für zwei (!) ist es entlang der touristischen Seidenstraße nicht möglich, Essen zu finden und Menschen wie diese, mit denen wir dort aßen, verschwinden ja hinter Mauern. Margilan gefiel uns sofort.

Wenn Dich das Thema “Essen” interessiert: wir haben ein Fotoalbum “food around the world“, in dem wir jedes landestypische Gericht zeigen, welches wir gegessen haben.

Wir fuhren jedoch weiter nach Fergana in eine Unterkunft, die ich ehrlicherweise nur deshalb gebucht hatte, weil ich in den Bewertungen von zwei Katzen gelesen hatte. Und die waren auch dort. Ihr Herrchen gab uns ein super Upgrade vom Stockbettzimmer zum Doppelzimmer mit Privatbad. Im Restaurant um die Ecke gab’s nen Tellerchen Norin (per Hand in feine Streifen geschnittene Nudeln mit Trockenfleisch, meist Pferd, und ganz, ganz viel Kreuzkümmel) zum Probieren geschenkt, im Lädchen neben der Unterkunft Süßigkeiten. Einfach so. Weil die Menschen hier sich ohne finanzielle Interessen freuen, ausländische Gäste zu haben. Ganz anders als entlang der Seidenstraße!

Wir waren nach Fergana ins Fergana Tal gefahren, weil dort Seide hergestellt wird. Und wie das funktioniert, haben wir uns in einer Seidenmanufaktur angeschaut, in der für den heimischen Markt noch per Hand gearbeitet und mit Naturfarben gefärbt wird, für den Export von Stoffen jedoch synthetische Farben und maschinelle Webstühle eingesetzt werden.

Zunächst werden die Kokons der Seidenraupen gekocht, sodass sie sich in ihre dünnen Seidenfäden auflösen. Ein Kokon hat einen etwa 3km langen Seidenfaden! Dieser ist so dünn wie eine Spinnwebe, weswegen mehrere Fäden aus dem Kessel zu einem dickeren Garn gesponnen werden.

Dieses Garn wird dann in großen Kesseln sorgfältig gewaschen und dann entweder als weißer Schussfaden direkt verwendet oder zum Färben des Ikat Musters in großen Strängen weiterverarbeitet.

Um das traditionell usbekische Ikat Muster zu erhalten, wird ähnlich wie beim Batiken der Bereich mit Tesafilm abgeklebt, der im jeweiligen Färbebad keine Farbe abbekommen soll.

Dazu wird sorgfältig per Hand vorgezeichnet und dann gefühlte „Kilometer“ an Tesafilm auf einer eigens dafür konstruierten „Drehbank“ um die Seidengarnstränge gewickelt.

Gefärbt wird dann mit Naturmaterialien, zum Beispiel Granatapfelschalen, Zwiebelschalen, Blütenblätter und Salzen.

Die Garnstränge werden dann auf großen Gestellen zu einzelnen Kettfäden so aufgefächert, dass sie beim Bespannen des Webstuhls das Ikatmuster schon zeigen. Und danach wird mit weißem Schussfaden fleißig gewebt.

Nicht alle Seide wird zum Weben verwendet, in der Manufaktur werden auch Teppiche aus Seide geknüpft. Unwahrscheinlich schön glänzend, manchmal sogar in 3D Optik und zu schön für den Fußboden. Wir waren sehr erstaunt, als wir die Muster sahen. Das ist doch… ganz klar… persisch!? Und eine Frau knüpfte die Hagia Sophia als Teppich. Wir lernten: hier wird für den Export produziert: für die VAE, den Iran und die Türkei. Und dann wird der usbekische Teppich vor der Hagia Sophia wahrscheinlich an die Touristen als „made in Turkey“ verkauft… Wir waren ja im Februar dort. Hätten wir mal fragen sollen, wenn wir es vorher gewusst hätten!

Während wir die untouristische Normalität Usbekistans in Fergana genossen, mit dem Katzenherrchen schwätzten, im Lädchen zu Stammkunden wurden, im Park mit den Einheimischen für Softeis anstanden, unsere Handys registrierten und viel Liegengebliebenes organisierten, schlossen sich die Grenzen für Deutsche. Was Ihr genauso wenig lesen möchtet wie die Fakten zu Samarkand ist, dass die Länder hier direkt nachdem die WHO Ende Januar den Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, drastische Maßnahmen in Kraft setzten. Durch diese strikten Regelungen (Flugverbote, Einreisesperren, Grenzschließungen, keine öffentlichen Veranstaltungen…) gab es bis vor wenigen Tagen keine Corona-Infizierten in Zentralasien. Dann fing es an, in Europa zu explodieren und ein Franzose brachte den Coronavirus in die Mongolei. Zwei Kasachen importierten ihn aus Berlin nach Almaty. Da war dann das Fass hier übervoll und nun haben wir ein Problem, denn wir haben einen deutschen Pass und Deutsche (und viele andere Europäer) will kein Land mehr einreisen lassen.

Kittymobil steht aber in Almaty, all unser Hab und Gut ist auch dort in Kasachstan und Deutsche dürfen nicht mehr nach Kasachstan einreisen. Theoretisch dürfen Deutsche, die nachweisen können, mindestens 30 Tage in keiner Bananenrepublik (Coronaland) gewesen zu sein, trotzdem einreisen, aber in der Praxis lassen die Grenzer Deutsche trotzdem nicht ins Land, wie der deutsche Botschafter aus Nur Sultan in einem öffentlichen Brief an alle Deutsche berichtete. In Usbekistan, wo wir gerade sind, läuft unser Visum nächste Woche aus und wir müssen das Land verlassen. Doch wohin, wenn Deutsche überall Einreisesperren haben? Wie kommen wir zurück zu Kittymobil nach Kasachstan?

Diesen Knoten werden wir nächste Woche irgendwie lösen müssen. Es wird eine Lösung geben, nur kennen wir die heute noch nicht. Es bleibt spannend!

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