Weil das Durbar Festival in Kano abgesagt wurde, sind wir stattdessen nach Zaria gefahren, denn auch dort wird Durbar gefeiert, auch dort gibt es einen Emir, den Emir von Zazzau, wie Zaria früher hieß. Sein Symbol ist ein großes „Z“, was derzeit etwas anders wirkt, als es vor hunderten von Jahren ursprünglich mal gedacht war.
Zazzau war auch eine der Jahrtausende alten Transsahara – Handelsstädte. Im Gegensatz zu Kano, das sich als Waren-Handelsplatz bis heute etabliert hat, wurde das Wissen alter Universitäten wie derer von Tichitt, Oualata und Timbuktu bis nach Zaria weitergetragen. Die Universität von Zazzau, dem heutigen Zaria, ist nach Kairo bis heute die zweitgrößte Universität Afrikas. Man darf sich trotzdem Zaria nicht als große, pulsierende Stadt vorstellen, denn sie hat nur 665.000 Einwohner und man fühlt sich eher wie in einer sahelischen Kleinstadt als in einer traditionellen Universitätsstadt. Der heutige, moderne Unicampus liegt außerhalb der Stadt, die Altstadt besteht aus niedrigen Lehmbauten, selbst die „Neustadt“ hat keine Hochhäuser.
Die Infrastruktur ist afrikanisch und obwohl uns der Hoteldirektor aus Kano ins angeblich beste Hotel der Stadt gebracht hatte, gab es dort keinen Strom. Bei 40°C im Schatten ist das nicht wirklich angenehm, wenn nicht mal ein Ventilator säuselt. Daher luden wir eigentlich nur schnell unsere kleinen Rucksäcke ab und fuhren mit dem Mototaxi zum Emirspalast. Der Palast strahlt in Sonnengelb und ist mit bunten Mustern verziert. Ganz anders als der außen eher schlichte Emirspalast von Kano!
Der Emirspalast in Zaria (Nigeria) ist besonders farbenfroh. Auch innen! Er sieht aus, als sei er aus Lehm gebaut, ist aber tatsächlich ein 20 Jahre alter Neubau, weil das Original aus dem 15. Jahrhundert von mehreren hundert Regenzeiten so stark beschädigt war, dass der vorherige Emir von Zazzau (Zaria) beschloss, den Palast komplett neu aufzubauen. Aus Beton, damit er noch viel länger hält als der alte Palast! Uns hat er richtig gut gefallen – weil er trotz Beton und Acrylfarben Charakter hat: handgefertigte Reliefs auf den Wänden und viele krumme Ecken und schiefe Winkel. Sonst hätte sich der Emir wahrscheinlich auch fremd im eigenen Haus gefühlt…
Wir sahen eine Reisegruppe auf das Tor des Palastes zugehen und liefen einfach hinterher, schließlich sind wir auch Touristen und weil das Durbar Festival in Kano abgesagt wurde, konzentrierten sich drei Reiseveranstalter nun auch auf Zaria, wie wir: eine asiatische Reisegruppe, eine spanische Reisegruppe und eine wahrscheinlich britische Gruppe. Wir waren zusammen mit den Asiaten im Palast und konnten in einem Innenhof zusehen, wie die „königlichen“ Pferde vorbereitet wurden.
Alle hatten schon bunte Wolle in ihre Mähnen geflochten und waren so frisch gewaschen, dass die Schimmel in der Sonne blendeten und die dunkleren Pferde ein so glänzendes Fell hatten, dass man sich fast darin spiegeln konnte. Die Sättel und bunten Decken lagen ordentlich aufgereiht im Hof, jedes Pferd wurde sorgfältig gesattelt und geschmückt.
Wir schauten den Menschen und wunderschönen Tieren eine Weile zu, dann liefen wir der Reisegruppe in einen anderen Teil des Palastes hinterher: auch innen sind die Gebäude bunt bemalt und sahelisch schön.
Was gar nicht schön war, war das Verhalten der Reisegruppe. Die Touristen hielten den Menschen im Palast ihre Kameras extrem dicht vor die Nase – und das ohne zu fragen. Ein Beispiel: in einem Innenhof saßen Frauen auf dem Boden zusammen, die Essen vorbereiteten. Die Gruppe betrat den Innenhof und bevor irgendein Wort fallen konnte, hatten die Frauen die Kameras schon im Gesicht. Unmöglich! Wir sind in einer muslimischen Region, es handelt sich um ein muslimisches Fest und ganz unabhängig davon fotografiert man weder Frauen noch Männer ungefragt direkt ins Gesicht.
Wir schlichen uns wieder davon und aus dem Palast heraus, weil uns das extrem unangenehm war und standen mitten auf dem Durbar Palast im Gewimmel, wo etwa eine Stunde später die große Pferdeparade stattfinden sollte. Doch von wo würde man das besonders gut sehen können? Es gab eine Tribüne, doch die war sicherlich für VIP, oder? Ich fragte einen Polizisten und der erklärte, dass natürlich auf der Tribüne der beste Platz sei – und zeigte uns den Weg nach oben. Später sahen wir: die Tribüne war tatsächlich nicht für VIP, sondern öffentlich, wir waren nur einfach die ersten Zuschauer. Wir sicherten uns die besten Plätze und schauten dem bunten Treiben zu.
Es wurden Kamele gebracht, die Trommeln auf ihre Höcker aufgeschnallt bekamen, wunderschön geschmückte Pferde mit Reitern in märchenhaften Kleidern trafen ein und sammelten sich in Gruppen, immer mehr Menschen strömten auf den Platz – und auf die Tribüne. Die war schon gut gefüllt, als eine spanische Reisegruppe auftauchte – und sich einfach vor alle, ganz vorne an die Reling stellte und damit allen die Sicht nahm. Allen Nigerianern, in deren Land sie zu Gast waren. Aber weil Nigerianer respektvoller als Spanier sind, hat keiner was gesagt, bis die Ordner kamen und die Spanier sich auf den hinteren Rängen Plätze suchten.
Und dann kamen die Asiaten, die wir schon aus dem Palast „kannten“. Einer der Gruppe scheuchte einfach ein Kind aus der ersten Reihe von seinem Platz und setzte sich. Als das Kind dann völlig verwirrt im Gang stand, bot er ihm an, sich auf sein Knie zu setzen. Das ging nur ein paar Minuten gut, dann saß das Kind eine Reihe weiter hinten und teilte sich mit einem anderen Kind den Sitzplatz, auf dem es als Zwerg hinter dem Asiaten natürlich nichts mehr sehen konnte. Die Reisekollegen des Asiaten hielten den Mädchen (!) die hinter uns saßen, als allererstes ungefragt ihre Objektive vor die Nase und fotografierten wahrscheinlich mehr Menschen in Nahaufnahme als alle Zuschauer des Tages Pferde. Schlimm, wie sich manche verhalten!
Fast pünktlich ging es los: die einzelnen Clans des Emirgeschlechts und ihre jeweilige Entourage stellten sich zu einer langen Parade auf. Früher war diese Pferdeparade eine Demonstration von Stärke und Macht des Emirs und seiner Familie, heute sind die Strukturen immer noch genauso erhalten wie damals, aber der Legislative des nigerianischen Staates untergeordnet.
Obwohl in Kano die längste Pferdeparade der Welt ist, war diese auch ganz schön lang, gefühlt hörte es gar nicht mehr auf: Märchenfigur auf Märchenfigur ritt durch ein Spalier der Menschenmasse auf Pferden so schön bunt geschmückt wie gemalt. Die Parade führte durch die Stadt Zaria und in der Zeit, wo keine Pferde auf dem Platz zu sehen waren, gab es „Stockkämpfe“.
Junge Männer schlagen mit etwa 1m langen Stöcken auf die Stöcke anderer junger Männer. Dies geschieht recht schnell, sodass auch schonmal ein Schlag daneben gehen kann und deswegen die Enden der Stöcke mit Gummi umwickelt sind, um Verletzungen zu vermeiden. Der Krankenwagen stand aber trotzdem bereit. Diese Stockkämpfe sind eine Tradition ethnischer Gruppen, die von der Jagt leb(t)en und Revieransprüche unterschiedlicher Stämme auf diese Art ausfochten. Heute ist das eine Art des Straßenkampfes (oft krimineller) Jugendlicher im Norden Nigerias, die sich „Yan Daba“ nennen. Die Schaukämpfe folgen einer Choreografie aus verschiedenen Elementen und wir waren definitiv beeindruckt: die Jungs haben über drei Stunden lang gezeigt, was sie können!
Dann hörte man schon die Schüsse aus den alten Schießeisen, in denen mit Schwarzpulver die „königliche“ Parade angekündigt wird – oder das Eintreffen des Emirs. Je nachdem. Die Luft roch nach Schwarzpulver, die Parade traf wieder auf dem Platz ein. Den Pferden machte die Knallerei übrigens genauso wenig aus wie den Kindern. Kein Kind heulte, nur ganz selten scheute ein Pferd – inmitten der tausenden Menschen, Trommeln, Schüsse, Geklapper der Stöcke, Geschiebe und Gedränge. In Afrika sind alle entspannt – sogar die Pferde.
Dann war 18 Uhr und die Reisegruppen mussten los, obwohl die Pferde gerade erst zurückkamen. Wir hingegen blieben dort, ließen uns von den Massen mittragen, die diesem oder jenem Reiter zujubelten und das Fest genauso intensiv genossen wie wir. Wer konnte, hatte sich richtig chic gemacht: die Frauen trugen tolle Kleider mit Glitzer, die Männer teilweise kunstvoll bestickte Gewänder, die Kinder sahen aus wie Prinzessinnen oder Prinzen.
Als die Reiter den Platz langsam verließen, fingen die Leute an, Selfies mit uns zu machen. Zaria steht normalerweise nicht auf dem Ausflugsprogramm von Reisegruppen (die fahren zum Durbar Festival nach Kano), und aufgrund der angespannten Sicherheitslage kommen auch sonst keine Touristen hin. Die einzigen Weißen im Norden Nigerias sind Mitarbeiter internationaler (Hilfs-) Organisationen und so waren wir, als die Pferde nicht mehr zu sehen waren, die Attraktion für die Bevölkerung.
Wir verließen die Tribüne und mit uns ein Rattenschwanz an Menschen, die sehen wollten, was wir so treiben. Auch, wenn es nur ganz normale Sachen waren wie über den Festplatz flanieren und an dessen Ende in ein Tuktuk steigen, um zurück zum Hotel zu fahren. Die Menschen bildeten eine Traube um das kleine gelbe Fahrzeug, dass der Fahrer sehr vorsichtig losfahren musste, bis die ganzen Leute Platz machten. Wir sind auf vielen, vielen Handyfotos des Tages, haben hunderte Male in fremde Telefone und Kameras gelächelt, sind wahrscheinlich unendliche Male auf fremden Facebook, Instagram oder Tiktok Accounts hochgeladen worden und haben uns dabei von der Atmosphäre getragen und sicher gefühlt. Nicht wir haben Einheimischen ins Gesicht fotografiert, sondern sie uns – und immer mit vorheriger Frage. Das geht auch ohne gemeinsame Sprache mit Gesten bei einem respektvollen Miteinander. Das hat uns ein wenig für das unsägliche Verhalten der anderen Touristen entschädigt. Wir sind immer wieder überrascht, wie viel die Menschen in Afrika aus Gastfreundschaft und Toleranz verzeihen – und wie sehr das andere wiederum ausnutzen.
Uns fehlen die Worte, um den Zauber dieser so ganz anderen, buchstäblich fabelhaften Welt des Nordens zu beschreiben. Man muss es erlebt haben, sich von den Massen, der Magie und dem Märchen um einen herum mittragen haben lassen, die unglaubliche Geräuschkulisse gehört, das Schwarzpulver gerochen – und ein paar Liter Schweiß in der glühenden Hitze des Sahels vergossen haben, um zu verstehen, in welch zauberhafte Welt wir diese Tage im Norden Nigerias eingetaucht sind. Wir sind noch völlig beseelt und überlegen schon, wann wir zum nächsten Durbar Festival wiederkommen können. Wir sind, mal wieder, ganz verzaubert von dieser völlig anderen Welt des Sahel…
Diese zauberhafte Welt haben wir mittlerweile verlassen, einige Tage früher als geplant, um in eine andere Welt zu fliegen. Richtung Heimat, aber doch noch nicht ganz: der Direktflug von Kano Richtung Bulgarien ging erstmal nach Katar. Doch dazu nächste Woche! Bis dahin schaut mal rein in ein bizarres Land: Äquatorialguinea. Zwischen Cuba, Nordkorea, Afrika und Paraguay…
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