Kaum drei Tage in Ghana, schon zwei UNESCO Weltkulturerbestätten! Nach einer Woche vergeblichem Warten auf ein Visum in Abidjan, der de facto Hauptstadt der Elfenbeinküste, haben wir nun ein wenig das Reisetempo erhöht, denn die Regenzeit sitzt uns schon ziemlich dicht im Nacken und es regnet immer öfter.
Unsere Zeit in Abidjan war fast, als hätten wir uns dort niedergelassen. Es war unser zweites Mal in der Stadt und so kannten wir uns schon aus, mussten nichts mehr anschauen oder unternehmen und weil unser Hotelzimmer eine Art „Kellerloch“ war, entwickelten wir eine Routine: morgens früh aus dem Haus, um entweder auf die Botschaft oder/und zum Frühstücken zu fahren und dann den ganzen Tag Bildschirmzeit an wechselnden Orten. Mal in einem hübschen Café, mal in einem Business-Zentrum und abends landeten wir fast immer beim Chinesen, um dessen Speisekarte authentisch chinesischer Gerichte hoch- und runterzubestellen. Weil die Matratze wie aus Beton war, schliefen wir im Hotel auf Isomatten im Bett.
Nach sechs Tagen „Sesshaftigkeit“ zogen wir unsere Isomatten unter dem Bettlaken wieder hervor und sattelten auf, Abidjan ohne das erhoffte Visum zu verlassen. Ein deutscher Pass ist zwar auf Vergleichsportalen immer recht weit oben gelistet und generell sicher kein schwacher Pass, aber diese Rankings beruhen alle auf offiziellen Statements, nicht auf der Realität, in der offiziell Deutsche für dieses oder jenes Land ein Visum bekommen, praktisch jedoch nicht. Aber das verrät ja keiner, das wäre diplomatisch nicht schlau. Es ist das mindestens fünfte Mal (!), dass wir auf dieser Reise kein Glück mit einem Visum haben. Bei mindestens drei Ländern. Und das teuerste Visum unserer Reise war auch nur deshalb so teuer, weil wir Deutsche sind: Kasachstan für rund 600€ für uns zwei, weil damals, gelinde gesagt, Deutschland den Kasachen außenpolitisch einen ziemlichen Brocken reingewürgt hat und das die Retourkutsche war. Aber nun gut, wir versuchen das Visum in Accra, der Hauptstadt Ghanas, nochmal!
Die Einreise nach Ghana verlief super entspannt. Mein 100. Land! In Ghana wird Englisch gesprochen und sogar ein solches, was wir auch verstehen! Nicht so wie in Liberia, wo wir kein Wort verstanden, wenn uns Einheimische versicherten, Englisch mit uns zu sprechen. Andere Reisende hatten berichtet, dass es in Ghana schwierig sei, als Ausländer Simkarten zu bekommen, aber wir hielten an einer 0,5qm winzigen Blechbude und bekamen von zwei verschiedenen Netzwerkanbietern Simkarten. Ohne jegliche Probleme.
Weil alles so prima und glatt lief, kamen wir früh an unserem Tagesziel am Meer an und bezogen eine Hütte am Strand. Nicht ganz so romantisch wie in der Woche zuvor in der Elfenbeinküste, aber dafür ohne Mücken, mit dichtem Dach und halbwegs trockenem Zimmer. Matratze und Kopfkissen waren leider aus Kunstleder, um in der feuchten Tropenluft nicht sofort zu schimmeln, sodass man schnell im eigenen Saft lag. In Ghana gibt es zurzeit eine Elektrizitätskrise, sodass es nur die Hälfte der Nacht Strom für den Ventilator gab. Trotzdem: die Lage am menschenleeren Strand in einem verwunschenen Palmenhain war toll und wir ließen uns stundenlang am Wasser durchpusten, bis es dunkel war und auch die Fischer mit ihrem Treibnetz nach Hause gingen.
Morgens bekamen wir früh ein Frühstück aus süßem Milchbrot mit Omelette auf der Terrasse unserer kleinen Strandhütte mit Blick aufs Meer. Das mit dem süßen Milchbrot zu herzhaften Gerichten gab es auch in Sierra Leone, einer anderen ehemaligen britischen Kolonie. Naja, kulinarisch sind die Engländer ja bis heute etwas „eigen“… Da müssen wir jetzt wohl durch. Aber die Aussicht vom Frühstückstisch war super und unsere vierbeinige Tischgesellschaft aus vier Katzen mag süßes Milchbrot mit Ei zum Frühstück.
Wir stiefelten mit einem Guide los, um und das UNESCO Weltkulturerbe Stelzendorf Nzulezo anzuschauen. Unsere Idee: die ersten Gäste des Tages sein, bevor die Hitze die Feuchtigkeit noch unerträglicher macht. Naja, auch morgens um 9 ist es schon warm genug, um uns bei einem einfachen Weg zum Bootsanleger in 20 Minuten Spaziergang völlig in Schweiß zu baden. Zu unserer Beruhigung schwitze auch unser Guide, dessen rotes T-Shirt sich immer dunkler färbte, je länger er uns vorneweg lief.
Weil der See, über dem das Dorf gebaut wurde, während der Trockenzeit flacher wird, mussten unser Guide und Bootsmann das Boot an einigen Stellen wie die Gondolieri in Venedig mit Stangen vorwärts staksen, während wir das tiefe Grün um uns herum genossen. Der Zugang zum See erfolgt über einen handgegrabenen Kanal durch das Dickicht der Mangroven und tropischen Ufervegetation. Auf dem offenen See angekommen, konnten wir schneller fahren und kamen recht bald in Nzulezo an.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde das Mali-Reich von den Senegalesen angegriffen und der Krieg trieb die Bevölkerung in die Flucht. Nach einer langen Odyssee erreichten die malischen Flüchtlinge dann den See im heutigen Ghana und beschlossen, dort versteckt und auf Stelzen, eine Siedlung zu errichten, die vom Wasser aus schwer anzugreifen und von den Stegen herunter gut zu verteidigen war.
Natürlich kam niemand, um anzugreifen, aber die Menschen blieben und entwickelten einen Lebensstil rund um das Wasser, der bis heute gelebt wird. Die Häuser stehen auf Stelzen, die etwa alle 5 Jahre erneuert werden müssen, die Straßen sind stabile Holzstege und im rund 500 Einwohner großen Dorf gibt es alles: drei Kirchen, eine Schule, eine Bar, ein winziges Gästehaus, diverse Läden für den täglichen Bedarf an Palmöl, Reis und was die Hausfrau noch so braucht.
Zum Palmöl und Reis gibt es Fisch, der quasi vor der Haustür gefangen wird und überall in den „Straßen“ zum Trocknen in der Sonne liegt. Auf dem Weg zum/vom Dorf haben wir einige Fischreusen gesehen und es gab sogar zwischen den Stegen ein mit Netzen vom Rest des Sees abgetrenntes „Fischzuchtbecken“.
Ghana ist beliebt unter Backpackern, Pauschalreisenden und Strandurlaubern, sodass wir im Gegensatz zu den fünf in den letzten Monaten bereisten Ländern nun nicht mehr allein sind. Zumindest bei den Highlights des Landes wie diesem Dorf. Außer uns hatten noch zwei andere weiße Pärchen die Idee, sich morgens das Dorf zeigen zu lassen.
Wir fuhren weiter und landeten inmitten einer Kreuzfahrtgesellschaft, die in flatternder Urlaubskleidung den Weg zur Burg herunterlief, den wir hochwollten. Wir waren überrascht, so viele Besucher dort zu sehen, denn die Straße zum Küstenort ist seit einem Jahr unpassierbar. Illegale Goldgräber haben – Achtung, Meisterleistung an Intelligenz – an den Brückenpfeilern der einzigen Brücke zur Küste nach Gold im Fluss gegraben. Natürlich stürzte die Brücke dadurch ein und bis eine neue Brücke gebaut ist (es wird fleißig gewerkelt!), muss jeder Mensch, jede Ware, zu Fuß über einen Brettersteg über den Fluss. Auf jeder Seite des Flusses parken Autos und Transportfahrzeuge und Menschen laufen wie die Ameisen hin und her, um alle Güter für die Menschen in den Küstenorten zu transportieren. Unsere Motorräder sind Gott sei Dank samt Gepäck schmal und leicht, sodass wir gefahrlos über die Bretterkonstruktion fahren konnten.
Unser Ziel war die Festung Groß Friedrichsburg, ein deutsches Fort an der damals sogenannten Goldküste. Seit rund 345 Jahren trotzt es dort dem tropischen Klima und als wir auf den Hof fuhren, sah es sehr, sehr deutsch aus. Nur die Eiche in der Mitte des Hofes war ein Mangobaum.
Die Brandenburger Preußen hatten tatsächlich die meisten Baumaterialien (Ziegelsteine, Dachziegeln, Eichenholzbalken und -dielen…) aus Deutschland per Schiff an die Goldküste geschifft, um das Fort dort nicht nur nach deutschen Bauplänen, sondern auch mit deutschem Material zu bauen. Nur die Natursteine und der Mörtel wurden lokal gewonnen.
Das Hauptgebäude ist noch super erhalten und man kann für umgerechnet 3,30€ pro Person im Zimmer des ehemaligen „Generaldirektors im Namen ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht von Brandenburg und dessen Afrikanischer Kompagnie“ oder dem Turmzimmer übernachten. Deutsche Eichendielen und Eimerdusche unterm Sternenhimmel inklusive. Für uns absolut herrlich: ein sauberes Bett in einem alten, geschichtsträchtigen Gebäude: was will man mehr?
Wir bekamen eine Führung durch das ab 1683 erbaute Gebäude und erfuhren, dass die Truppe Kreuzfahrtgäste eine absolute Ausnahme Bildungsreisender sei. Übernachtungsgäste habe man vielleicht alle zwei Wochen, Touristen etwa einmal wöchentlich. Seitdem die Brücke fehlt, kommen noch weniger. Dementsprechend fehlt Geld für einfachste Renovierungsarbeiten wie zum Beispiel die Tür des Hauptgebäudes zu ersetzen, die nur noch aus einem Flügel besteht, der mehr als schief in den Angeln hängt.
Die Preußen unter Kurfürst Friedrich Wilhelm bauten die Festung als Zentrum des schon bald florierenden Sklavenhandels. Genau, Deutschland hat auch kräftig mitgemischt und in diesem Fort und einem „Außenlager“ Menschen von örtlichen Menschenhändlern aufgekauft und „eingelagert“, bis auf den deutschen transatlantischen Handelsschiffen Platz für menschliche Ladung war.
Die Literatur ist sich einig darüber, dass die Preußen in guten Beziehungen zu den Einheimischen lebten, mit ihnen Handel trieben und von ihnen Trinkwasser auf den Festungsfelsen geliefert bekamen. Nicht ganz klar sind sich Historiker über die Rolle des „Jan Cony“ (je nach Überlieferung auch Johann Kuny, Johannes Conrad und weitere ähnlich klingende Namen), der in deutschen Geschichtsbüchern als „der schwarze Preuße“ als treuer einheimischer Menschenhändler beschrieben wird, der nach dem Rückzug der Preußen das Fort bezog und es gegen den neuen Käufer, die Holländer, über mehrere Jahre verteidigte. Englischsprachige Literatur stellt den „schwarzen Preußen“ als eine Art „Doppelagenten“ dar, der einerseits mit den Preußen kollaboriert und Geschäfte gemacht hat, andererseits aber auch mit seiner Truppe die bereits an die Deutschen verkauften Sklaven bei Überfällen wieder befreit haben soll. In der Karibik wird er deswegen bis heute bei „John-Canoe“ oder „Junkanoo“ Festen gefeiert. Ob er ein Schlitzohr war und die Sklaven nur deshalb befreit hat, um sie nochmal an die Deutschen zu verkaufen oder ob er ihnen wirklich die Freiheit schenken wollte und ob er wirklich so ein loyaler, treuer „schwarzer Preuße“ war, ist je nach Herkunft der Quelle sehr unterschiedlich.
Als die Preußen ihren Stützpunkt Fort Groß Friedrichsburg aufgaben, wurde die Festung zunächst holländisch und hieß „Fort Hollandia“. Später gaben die Holländer auch auf und die Festung wechselte in britischen Besitz. Heute gehört das Gebäude zu Ghana und heißt wieder so, wie es auch ursprünglich getauft wurde. Für uns war es eine typisch deutsche Burg mitten im tropischen Grün. Skurril und interessant! Es gab früher noch weitere deutsche Festungen in Westafrika, aber diese sind bis heute zerstört oder verfallen.
Wir fuhren wieder früh los, in der Hoffnung, nicht ganz zur Mittagshitze unterwegs zu sein, wenn beim Frühstück schon der Schweiß in Strömen läuft. Die Luftfeuchtigkeit ist einfach enorm und Fahrtwind bringt nur bedingt Abhilfe. Wir hatten nur 130km vor uns, doch was so einfach klang, wurde eine stundenlange Beschäftigung, denn die Hauptverkehrsstraße Richtung Hauptstadt Accra ist eine von Schlaglöchern und Bodenschwellen übersäte Landstraße, auf der sich der gesamte Frachtverkehr im Schneckentempo entlang quält. Und weil die Regenzeit naht (oder sie schon begonnen hat?), wurde das Ganze auch noch von einem tropischen Starkregenereignis „garniert“, welches wir in einem Rohbau aussaßen. Die nicht asphaltierten Nebenstrecken trocknen zwischen den Regengüssen nicht mehr auf, sodass wir langsam, aber sicher an das Ende dieses Reisekapitels kommen. Und genau deswegen sind wir jetzt auf dem Weg nach Accra, um dort das Visum für die „Rückreise“ nochmal zu probieren und die Regenzeit vorzubereiten.
Bis dahin schaut Euch doch das neueste Video an: „Capital Cities“, in dem wir die „drei Hauptstädte“ der Elfenbeinküste besuchen: Yamousoukro als definierte Hauptstadt, Abidjan als de facto Hauptstadt und Grand Bassam als ehemalige Hauptstadt.
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