Wir waren in Burkina Faso. Übersetzt heißt der Landesname „Land der aufrichtigen Menschen“. Und der Name ist Programm. Wir haben uns sehr wohl gefühlt, obwohl wir im Vorfeld Sicherheitsbedenken hatten, die sich im Nachhinein jedoch als völlig unbegründet erwiesen haben.

Luxus Eiscreme: es gibt Elektrizität im Land!

Nach einer Woche in Korhogo, Elfenbeinküste, war es Zeit für uns, weiterzuziehen. Wir hatten eine Woche „workation“ hinter uns, denn in größeren Städten der Elfenbeinküste gibt es Glasfaser-Internet und wir hatten nicht nur Nachholbedarf am PC, sondern auch Planungsbedarf für die Sommermonate. Wie letztes Jahr auch, werden wir die Motorräder während der Regenzeit in Westafrika einlagern und in anderen Regionen dieser Erde reisen. Diesmal in eher hochtouristischen Gebieten, weswegen wir jetzt schon buchen mussten, um noch Flüge, Unterkünfte und Mietwagen zu ergattern. Es wird ein toller Sommer mit einer schönen Mischung aus Familienurlaub, Outdoor-Abendteuer und Ferien mit Freunden.

Wir verabschiedeten uns von unseren Bekanntschaften in Korhogo und fuhren nach Kong, wo die größte Lehm-Moschee der Elfenbeinküste steht. Unsere erste Lehm-Moschee und einfach wow! Rund um Kong bestand das Kong-Königreich, das durch die französische Kolonialherrschaft beendet wurde. Die Hauptstadt dieses Königreiches war Kong und die Lehm-Moschee aus dieser Zeit ist bis heute erhalten.

Die Moschee besteht nur aus Holz und Lehm und ist im sudanesischen Baustil errichtet. Nach jeder Regenzeit muss der Lehmputz erneuert werden. Dazu klettern die Bauarbeiter auf den nach außen ragenden Holzbalken auf der Fassade herum. Die „Stöckchen“ sind also Stützbalken und Baugerüst in einem.

Bis heute ist die Moschee in Betrieb und kleinere Exemplare gleicher Bauweise sind im gesamten Norden der Elfenbeinküste entlang der Grenze zu Mali und Burkina Faso noch erhalten. Aufgrund der derzeitigen Situation des dschihadistischen Terrors in Mali und im Nordosten der Elfenbeinküste haben wir aber nur die Moschee von Kong besichtigt. Sie ist auch die Sehenswerteste von allen. Außerdem wussten wir ja, dass wir noch eine viel größere Lehm-Moschee sehen würden: in Burkina Faso.

Nach nur einer Nacht in Kong fuhren wir bis kurz vor die Grenze zu Burkina Faso und blieben unerwartet zwei Nächte, weil bei Jans KTM die Kupplung nicht mehr sauber trennte. Wir hatten nur ein 5-Tages Visum für Burkina Faso, sodass wir sichergehen mussten, dort nicht durch die Technik aufgehalten zu werden. Für alle KTM-Hater vielleicht die Info: die EXC ist nun 8 Jahre alt und das ist das zweite (nach dem Simmerring der Schaltwelle) kleine technische Problem an dem Motorrad. Zum Vergleich: die Honda ist keine zwei Jahre alt und hat dauernd Probleme. Rüttelt Euer Weltbild etwas durcheinander, ist aber unsere persönliche Erfahrung. Dass KTM unzuverlässig ist, war in den 1990er Jahren so. Und das ist dreißig Jahre her. Zeit, das Weltbild zurechtzurücken!

Die KTM hat eine hydraulische Kupplung, die mit Bremsflüssigkeit funktioniert. Diese wird mit einem O-Ring abgedichtet und wenn dieser O-Ring alt und rissig wird, funktioniert das nicht mehr richtig. Man muss nur den Gummiring tauschen und dann ist alles wieder gut. Bei anderen Motorrädern tauscht man den Kupplungszug, falls Euch das mehr sagt. Jan hatte den O-Ring dabei, Bremsflüssigkeit gibt’s an der Tankstelle und schon war die KTM wieder einsatzbereit für das nächste Land: Burkina Faso!

Wer sich ein wenig mit Weltpolitik auskennt der weiß: Burkina Faso hat seit 2014 massive Probleme mit dem IS und deren dschihadistischem Terror. Mal neutral formuliert kann man die aktuelle Lage so zusammenfassen: das Land hatte bis letztes Jahr Unterstützung von den Franzosen im Kampf gegen den Terror, doch hat diese „Zusammenarbeit“ Ende letzten Jahres aufgekündigt und arbeitet nun mit dem russischen „Afrika Corps“ zusammen. Die Hintergründe sind, je nach Färbung der Presse, ziemlich anders dargestellt. Wir kannten bisher nur die europäisch geprägte Sichtweise und waren gespannt auf die andere Seite der Medaille.

Wir holten uns im Vorfeld viele Informationen zur Sicherheitslage im Land ein. Für die Franzosen ist das gesamte Land hochgefährlich, aber schon die Deutschen sehen die Sicherheitslage im Land differenzierter. Wir fragten diverse Einheimische und letztendlich waren sich alle einig: wenn Ihr von der Grenze auf direktem Weg nach Bobo-Dioulasso fahrt, passiert nix, die Stadt ist sicher. Und das war dann unser Plan. Doch die Grenzbeamen der Elfenbeinküste hatten einen anderen Plan…

https://www.srf.ch/news/international/niger-mali-und-burkina-faso-die-ecowas-verliert-mitglieder-mit-internationalen-folgen

Wir haben für die Elfenbeinküste ein „multiple entry Visum“, was bedeutet, dass wir im Rahmen des Gültigkeitszeitraumes so oft wie wir wollen und von wo aus wir möchten in das Land aus- und einreisen dürfen. Da sich Elfenbeinküste und Burkina Faso derzeit nicht gut verstehen (Burkina Faso möchte eine Art „Brexit“ vom ECOWAS Staatenbund, dem die Elfenbeinküste auch angehört und Burkina Faso wurde von der CEDAO Wirtschaftsgemeinschaft, zu der die Elfenbeinküste ebenfalls gehört, Sanktionen auferlegt), war man an der Grenze nicht ganz damit einverstanden, dass wir nach Burkina Faso ausreisen. Der uns abfertigende Grenzbeamte war extrem hilfsbereit, sein Chef jedoch nicht. Letztendlich hat es 2,5 Stunden gedauert, bis wir endlich ausreisen durften. Auf burkinischer Seite gab es erwartungsgemäß keine Probleme, man freute sich überall extrem über uns.

Finnland liegt in Burkina Faso!

Auf der 160km Fahrt von der Grenze nach Bobo-Dioulasso kamen uns erste Zweifel daran, ob es auf der Strecke tatsächlich so gefährlich ist, wie uns auf der anderen Seite der Grenze erzählt wurde. Die diversen Polizeikontrollen waren nur an Fahrzeugpapieren, Führerschein, Fahrzeugversicherung etc. interessiert, kein einziger Polizist oder Militär warnte uns vor irgendwas. Die Strecke ist so dicht besiedelt, dass uns mit jedem Kilometer immer mehr Zweifel kamen. In „Bobo“ angekommen, fragten wir in unserer Unterkunft. „Ach was! In unserer Region ist noch nie etwas passiert!“ Wir waren immer noch nicht überzeugt, fragten die Putzfrau und einfach jeden, der uns in den folgenden Tagen über den Weg lief und alle waren sich einig: absolut sicher in der Region, Verallgemeinerungen aus dem Ausland seien politisch. Nachdem wir drei Tage von jedem den gleichen Text hörten und uns in das Land „hereingefühlt“ hatten, waren auch wir überzeugt.

Und wir waren extrem überrascht. In der Unterkunft hatten wir Glasfaser-Internet. Als wir am nächsten Tag eine Simkarte kauften, poppte zum ersten Mal in unserem Leben das „5G“ Symbol im Display auf. 5G, das ist 10x schneller als 4G und wir konnten es nicht fassen, wie schnell wir in einem der allerärmsten Länder der Erde plötzlich durchs Internet surften. Unglaublich! Auch im unscheinbaren Supermarkt klappte uns die Kinnlade nach unten: wir hätten auch in einer französischen Stadt einkaufen gehen können. Es gab alles. Und wir dachten schon, in der Elfenbeinküste sei Luxus, doch in Burkina Faso kann wer Geld hat, wirklich alles bekommen: Gorgonzola aus Italien, Butter aus Holland oder Frankreich, Eistee ohne Zucker, Käse und Wurst von der Frischetheke,… Krass! Nur leider haben die meisten Einwohner eben gar kein Geld und im Stadtbild fiel uns das mehr auf als in den Nachbarländern.

Der Bahnhof von Bobo-Dioulaso

Wie im Senegal, sind auch in Burkina Faso (und der Elfenbeinküste) die Talibés sehr präsent. Talibés sind Kinder, die von ihren Eltern, die sich ihre Kinder nicht leisten können, an skrupellose Koranschulen abgeschoben wurden, in denen sie zum Betteln gezwungen werden. Die Kinder vegetieren dort in unmenschlichen Zuständen unter der Leitung von „Lehrern“ und müssen sich ihr Essen selbst erbetteln und einen Teil des Erbettelten an den „Lehrer“ weiterreichen. Dazu laufen diese Kinder, oft noch im Vorschulalter, mit Dosen und kleinen Eimern durch die Straßen und betteln um ihr Überleben. In einigen Ländern Westafrikas (Guinea-Bissau zum Beispiel) sind solche Koranschulen verboten, in islamisch geprägten Ländern jedoch nicht und ein großes Problem. In solchen Koranschulen lernen die Kinder weder Lesen noch Schreiben, sondern nur Koranverse auswendig – die auf Arabisch sind. Am Ende ihrer „Schullaufbahn“ sind die jungen Erwachsenen unfähig, am gesellschaftlichen Leben außerhalb islamischer Gemeinschaften teilzunehmen, da sie kein Französisch sprechen, Analphabeten sind und keine Allgemeinbildung besitzen. Sie können nur Islam – und auch nur den, der ihnen in dieser Schule beigebracht wurde. Hinterfragen können sie das nicht, denn der Koran ist grundsätzlich auf Arabisch und das kann hier keiner lesen.

Aufgrund unserer nun gefestigten Informationslage zum Thema Sicherheit in der von uns bereisten Region wollten wir unser Visum verlängern und wurden von einem Einheimischen zum Amt begleitet. Dort wollte man von uns ein „Zertifikat“, welches beweist, dass wir Touristen sind. Und das gibt es natürlich nicht. Somit bekamen wir auch keine Verlängerung unserer 5 Tage. Der Hintergrund dessen ist, wie wir später erfuhren, dass die neue Regierung als Retourkutsche für die europäischen Repressalien kaum noch Touristenvisa ausstellt. Wir hörten von Europäern, die 5 Anträge stellen mussten, um einen einzigen genehmigt zu bekommen und europäischen Familien, die trotz Haus, Wohnsitz und schulpflichtigen Kindern in Burkina Faso nicht mehr einreisen dürfen. Wir sprachen Menschen, deren Freunde oder Familienangehörige mit europäischem Pass keine Visa mehr bekommen und schätzten uns immer mehr glücklich, mit dem „Schlupfloch Transitvisum“ ins Land gekommen zu sein.

Doch nun zum Hauptgrund, weswegen wir ursprünglich nur nach „Bobo“ kommen wollten: die Moschee. Uns hatte die Lehm-Moschee in Kong in der Elfenbeinküste schon so gefallen, die in „Bobo“ begeisterte umso mehr: noch viel größer und außerdem innen und außen weiß gekalkt!

Ein Imam nahm uns mit ins Innere der Moschee, das aus symmetrischen Gängen zwischen dicken Stützpfeilern besteht. Die Gläubigen sehen während des Gebetes den Imam gar nicht im „Säulenwald“, aber jeder findet während der restlichen Stunden des Tages ein ruhiges „Rückszugseckchen“ zum Beten.

Die Decke aus runden Hölzern ist recht niedrig und hat Lichtschächte, durch die das Tageslicht ins Innere fällt und mit den weiß gekalkten Wänden ein schönes Licht verbreitet. Wenn es regnet, werden die Lichtschächte auf dem Flachdach einfach mit Tondeckeln abgedeckt. Dann ist es zwar dunkel in der Moschee (mittlerweile gibt es aber auch Strom im Gotteshaus), aber trocken!

Die Moschee liegt am Rande der Altstadt, die wir gar nicht wirklich auf dem Schirm hatten. Aber nun waren wir da, dann konnten wir dafür auch noch 1,50€ Eintritt zahlen. Wir hatten vorher gehört „für die Altstadt braucht Ihr einen guide“, aber gedacht, „das können wir vor Ort entscheiden“. Vor Ort wurde klar: ohne guide ziemlich sinnlos. Wir ließen uns ansprechen und dann sahen wir auch alles, was auf der Eintrittskarte der Altstadt inkludiert war:

Zum Beispiel die Bronzegießer, die mit Wachs und Ton per Hand Formen herstellen und filigrane Figuren und Kunstwerke gießen. Oder die Kunstschmiede, die Karitébutter-Lampen schmieden oder kleine Figürchen mit Opferschalen für Zeremonien. Ein Trommelbauer war gerade dabei, eine für Zeremonien benötigte Trommel mit Schafleder zu bespannen und wir durften zusehen. An einer fast fertigen Trommel zeigte uns der Handwerker, wie die Trommel während des Trommelns in der Tonlage verändert werden kann: durch Veränderung der Spannung des „Trommelfells“ mit speziellen Schnüren, die mit dem Unterarm gesteuert werden. Eine Trommel mit mehreren Tönen!

Die Altstadt wird durch einen Fluss in zwei Teile getrennt. Der Fluss ist eine furchtbare Kloake, in der Müll und Abwasser schwimmt und an dessen Ufer alles voll menschlicher Exkremente ist. Wir erinnern uns: Burkina Faso ist das zweit-unterentwickelste Land der Erde, sanitäre Einrichtungen sind für den Großteil der Bevölkerung nicht verfügbar. In dem Fluss jedenfalls schwimmt nicht nur Ekelhaftes herum, sondern auch Heiliges: riesige Welse! In der Region rund um „Bobo“ glaubt man, dass wenn man diese Welse (die es in vielen Gewässern der Region gibt) füttert, diese auch die Probleme „fressen“, von denen man ihnen während des Fütterns erzählt. Diese Welse dürfen keinesfalls getötet werden und wenn dann mal einer an Altersschwäche stirbt, wird er in ein weißes Tuch gewickelt im Flussufer zwischen all dem Müll und Exkrementen vergraben. Keine schönen Fische und keine schöne Umgebung, aber trotzdem interessant!

Übliche Mindestmenge 1kg.

Der große Markt von „Bobo“ wird im Reiseführer als „hassle free“, also „belästigungsfrei“ beschrieben und so war es auch. Allerding sind dort Fotos unerwünscht, weil es vor (wahrscheinlich 20) Jahren zu einem Eklat kam, als Marktfrauen Fotos von sich als Postkarten für Touristen entdeckt haben. Verständlich. Eine Unsitte, die wir auch anderswo beobachtet haben: reiche Touristen lichten arme Einheimische ab und verdienen sich daran eine goldene Nase. Besonders furchtbar haben wir das bei den Rentiernomaden in der Mongolei erlebt… Ich wollte schon lange eine kleine Menge Karitébutter kaufen, um damit von der extrem trockenen Luft aufgesprungene Lippen und Haut zu behandeln, fand aber bisher nirgends kleinere Mengen als 1kg. Endlich wurde ich fündig: ein Herr verkaufte tischtennisballgroße Kugeln und konnte einfach nicht verstehen, warum ich nur eine Kugel wollte.

Auf dem Markt gab es alle Handwerkskunst, die man aus dem „dritte Welt Laden“ kennt: Korbwaren, Kalebassen, Holzschnitzereien, Webereien, bunte Stoffe und noch mehr Schönes, was wir alles nicht transportieren und nur bewundern können. In der Innenstadt gibt es Geschäfte, die Handarbeiten und Recyclingprodukte verkaufen, doch ihnen fehlen die Kunden. Keine Touristenvisa: keine Kunden. Reisewarnungen und Fehlinformationen: keine Kunden. Wir kauften ein, soweit unser Gepäck das zulässt und hatten gute Gespräche rund um Politik und Weltgeschehen.

Abends saßen wir ziemlich müde am Pool unserer Unterkunft, aus dem die Flughunde im Flug trinken und bekamen das Telefon unseres Gastgebers ans Ohr gereicht: Peter, ein Deutscher mit Haus in „Bobo“, erzählte uns von den Zeremonien, die jedes Jahr rund um „Bobo“ auf den Dörfern stattfinden. Eine, so hörten wir aus anderer Quelle, sollte am nächsten Tag beginnen. Wir beschlossen, noch eine dritte Nacht in „Bobo“ zu bleiben und uns eine solche Zeremonie anzuschauen. Wir waren ja in der Elfenbeinküste schon 2x bei so etwas zu Gast und jedes Mal war es unglaublich exotisch-fremd-interessant.

In dem Dorf, in dem die Zeremonie sein sollte, war nichts los. Wir seien eine Woche zu früh hieß es, aber „bitte kommt wieder, es wird toll!“. Wie unglaublich gerne wären wir dieser Bitte nachgekommen, aber leider ging das mit unserem Visum nicht. Wir beschlossen, 20km weiter in ein architektonisch interessantes Dorf zu fahren, was nur zu Fuß zu erreichen ist, weil es wie ein Adlerhorst hoch oben auf einem Felsen zwischen die Steine gebaut wurde: Koro. Als wir an dem Punkt ankamen, ab dem man laufen muss, war reges Treiben: Menschen schleppten Essen und Getränke den Berg hoch wie die Ameisen. Ich fragte eine Frau, was los sei. „Na, heute ist doch die erste Zeremonie dieses Jahr!“ Ach so! Unser Informant hatte sich wohl im Dorf geirrt und wir waren durch Zufall doch dort!

Wir liefen den Leuten hinterher und hörten plötzlich gruselige Schreie hinter uns: drei „wandelnde Heuhaufen“ liefen durch die Pfade des Ortes und schrien herum: Masken, die (wie wir erst später erfuhren) zum Ende der Trockenzeit gerufen werden, um für Regen zu sorgen. In Bulgarien würde man die „wandelnden Heuhaufen“ vielleicht „Kukeri aus Gras“ nennen. Wir haben kein einziges Foto, denn wir wollten als „Außerirdische“ nichts tun, was jemanden stört. Doch wir störten nicht und wurden auch nicht als die Außerirdischen wahrgenommen, als die wir uns fühlten. Wir waren die einzigen Weißen weit und breit, trugen keine festliche Kleidung, verstanden kein Wort und nicht mal den Sinn des Treibens und wurden doch von den Dörflern aufgenommen, als gehörten wir dazu. Eine Gruppe Frauen bat uns zu sich in den Schatten und bot uns „Spuckbier“ an: durch Spucke zur Gärung gebrachte Hirse. Mit Zucker für Frauen, mit mehr Alkohol und ohne Zucker für Männer.

Später, als die Sonne gewandert war und wir wieder in der Sonne hockten, nahm uns eine andere Frau mit unter ein schattiges Dach aus Grasmatten. Dort saß man, wartete auf den Beginn der „Masken“ (für uns hatte das mit den „wandelnden Heuhaufen“ schon begonnen) und erzählte nonstop. Babys wurden herumgereicht, es war ein Kommen und Gehen. Irgendwann bekamen wir ein Beutelchen Trinkwasser gereicht, jeder Ankömmling reichte auch uns die Hand, wir waren keine Außerirdischen, wir waren Teil des Treibens.

Dann ging das los, worauf alle warteten: Grasmatten wurden in die Mitte des Dorfplatzes getragen und Frauen schlugen darauf zu Trommelklang wild mit jungen Zweigen ein, dass es nur so staubte. Hatte jemand ein Stück Grasmatte abgeschlagen (oder -geschnitten), wurde das Stück wie eine Trophäe unter allgegenwärtigem Jubel in die Höhe gehalten und es flogen Münzen in die Mitte. Dann zogen die „wandelnden Heuhaufen“ auf, begleitet von drei anderen Masken mit überdimensionalen Holzköpfen. Sie marschierten rhythmisch im Kreis und wurden von Vogelflötenspielern abgelöst. Während die „Todesvögel“ (wie wir später erfuhren) zwitscherten, drehten sich alle Frauen des Dorfes um und versteckten ihre Köpfe unter Tüchern. Dann war Pause. Wir standen die ganze Zeit in der prallen Mittagshitze bei rund 40 Grad und verzogen uns in den Schatten. Weil wir kein Münzgeld mehr hatten, konnten wir kein Wasser kaufen und so griff einfach eine wildfremde Frau in ihre Tasche und bezahlte für uns. Einfach so. Was würde passieren, wenn ein Afrikaner in Deutschland auf dem Schützenfest sein Wasser nicht bezahlen kann? Hmmm… Und hier ist das Kaufen von abgepacktem Trinkwasser ein echter, teurer Luxus.

Als es weiter ging, wiederholte sich das Schauspiel, nur dass diesmal die Männer mit Zweigen auf Grasmatten schlugen und Stücke davon als Trophäen bejubelten. Wir waren ratlos: was bedeutete das? Wir wissen es bis heute nicht. Ich fragte die Frau, die neben mir stand und eine weitere Dörflerin, aber entweder verstanden sie den Sinn meine Frage nicht und antworteten deswegen ausweichend und „um den heißen Brei herum“, oder man darf nicht darüber sprechen. Auch das Internet weiß auf keiner der 5 Sprachen, die ich beherrsche, etwas über das Zerschlagen der Grasmatten. Die Zeremonie war eine von mehreren Beerdigungszeremonien, bei denen all derer gedacht wird, die in den vergangenen Monaten gestorben sind. Deswegen die „Todesvögel“ und die Masken. Die „wandelnden Heuhaufen“ haben jedoch mit dem Ende der Trockenzeit zu tun und dem Vorbereiten der Felder für den kommenden Regen. Der Zusammenhang ist uns aber bis heute, nachdem wir so viele Einheimische befragt haben, nicht bekannt. Auch nicht, warum Grasmatten zerstört werden. Nach etwa 1,5 Stunden war der Zauber vorbei und jeder verzog sich unter ein schattiges Grasdach, um festlich zu essen. Wir wurden gebeten, zu bleiben und mitzufeiern, doch uns wurde es zu viel: zu laut, viel zu heiß, zu trubelig. Vielleicht hatten wir auch unsere „Dosis Exotik“ für den Tag schon intus, jedenfalls erschien es uns plötzlich verlockender, im heißen Fahrtwind zurück in die Stadt zu fahren als Hirsebier zu trinken. Wir hatten genug erlebt und wundern uns bis heute, was das eigentlich war. Was für eine fremde, faszinierende Welt!

Am nächsten Morgen verließen wir die Stadt noch „bevor der Umluftofen anging“, um nicht in der größten Hitze des Tages mit Motorradklamotten im heißen Fahrtwind auf schwarzem, glutheißem Asphalt zu grillen. Noch vor der Mittagshitze kamen wir bei unserem Gastgeber „Solo“ in seinem Dorf am Tengrela See an. Solo vermietet auf dem Familiengehöft traditionelle Lehm-Rundhütten an Touristen. Falls es mal welche gibt. Seit 10 Jahren gibt es keine. Ansonsten züchtet er Krokodile für eine NGO, die sich für den Erhalt der Krokodile im See einsetzt, denn die Einheimischen essen gerne Krokodilfleisch und sorgen für eine Dezimierung der Tierbestände.

Außerdem baut Solo Balafone: die westafrikanische Weiterentwicklung des Xylophons. Balafone sind ein immaterielles UNESCO Weltkulturerbe und nicht nur in Burkina Faso verbreitet. Im Prinzip sind es hölzerne, riesige Xylophone, deren Klang mit Kalebassen (getrocknete, ausgehöhlte Kürbisse) verbessert wird. Unter jedem Klangholz hängt eine zum Klangholz geöffnete Kalebasse als Resonanzkörper, um den Ton besser klingen und schwingen zu lassen. Damit das gelingt, werden in die Kalebasse Löcher von etwa 1cm Durchmesser gebohrt, die dann mit einer Membran verschlossen werden. Früher Spinnweben oder ein Teil eines Fledermausflügels, heute ein Stück Plastiktüte.

Solo spielte und sang für uns, dann durften wir mitmachen. Wir spielten einfache Tonfolgen, er an einem zweiten Balafon (oder demselben Instrument in einer anderen Tonlage) komplizierte Melodien und so hatten wir zusammen Spaß und lernten mal wieder was. Was machen wir nur mit all dem Wissen? 🙂

Stundenlang saßen wir zusammen bei heißem Tee und diskutierten Politik und Weltgeschehen. Wir erfuhren die andere Seite der Medaille, warum Burkina Faso (auch Mali und Nigeria) die Franzosen „rausgeschmissen“ haben und nun „mit den Russen weitermachen“: Burkina Faso wollte im Kampf gegen IS und anderen Dschihadismus unabhängig von ausländischem Militär werden, welches trotz jahrelanger Präsenz die Situation nicht in den Griff bekommen hat. Dazu braucht Burkina Faso Waffen für das eigene Militär. Da Burkina Faso aber kein Geld hat, macht es einen großen finanziellen Unterschied, ob sie in Europa teure Edel-Waffen erstehen oder für das gleiche Geld 4-5 Kalaschnikow von den Russen oder anderen Ländern kaufen. Mit beiden Waffen kann man auf Terroristen schießen, aber Frankreich wollte den Handel mit Russland unterbinden und europäische Waffen zur Bedingung machen. Das kann sich Burkina Faso nicht leisten, kündigte den Franzosen, kaufte in Russland und lässt nun das eigene Militär von Ex Wagner schulen. In europäischen Medien werden einige Details dieser Seite der Medaille „unterschlagen“ und Russland die Schuld in die Schuhe geschoben.

Auch zum „Brexit“ von Burkina Faso und Mali sowie Nigeria erfuhren wir die andere Medaillenseite: die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft CEDAO hat nach dem Militärputsch (bzw. der Mehrzahl davon) unrechtmäßige Sanktionen erhoben, unter denen hauptsächlich die unglaublich arme Bevölkerung leidet und nicht irgendwelche Politiker. Darüber hinaus ist die gemeinsame westafrikanische Währung, der CFA, nicht mit europäischen Banken handelbar (Europäer können nicht auf CFA Konten und Westafrikaner können nicht auf Euro-Konten überweisen) und somit die Bevölkerung vom europäischen Markt ausgeschlossen. Die Hoffnung der „Brexit-Länder Westafrikas“ ist nun die, mit einer eigenen Währung und ohne Sanktionen wieder auf die Füße zu kommen. Wir, typisch Westler und Demokraten fragten, wie das Leben denn nach dem Militärputsch sei. „Früher hatten wir nichts und dazu noch Angst. Heute haben wir immer noch nichts, aber keine Angst mehr!“. Nicht nur Solo, auch andere Einheimische, mit denen wir sprachen, sind davon überzeugt, dass es die „neue Regierung“ besser macht als die alte Regierung in Zusammenarbeit mit den Franzosen. Das Land habe nun (russische?) Drohnen, mit denen man effektiv für Sicherheit sorgen könne. Seitdem seien islamistische Anschläge im Land deutlich zurückgegangen. Was natürlich nicht heißt, dass keine mehr vorkommen, wie Ihr sicher selbst aus der Tagesschau erfahren habt.

Am späten Nachmittag fuhren wir zu den 30km entfernten „Domes de Fabedougou“, eine Art „Pfannkuchenberge“. Im Eintrittsgeld von 1,50€ inbegriffen: ein Guide. Wir kraxelten ihm hinterher auf die Felsen und bewunderten die im weichen Licht zu Sonnenuntergang toll leuchtenden Erosionsformen aus Kalksandstein. Der guide erzählte, dass er seit dem Jahr 2000 als Touristenführer arbeite und er von jeder Eintrittskarte 50 CFA (etwa 7 Cent) bekommt. Das Geld wird ihm und seinem Kollegen erst ausgezahlt, wenn ein Block Eintrittskarten mit 100 Tickets abverkauft ist. Bis 2014 war das locker täglich möglich, aber seit den ersten islamistischen Anschlägen 2014 kommen keine Ausländer mehr. „Die Einheimischen waren ja schon alle hier, also wer sollte Eintrittskarten kaufen?“

Wir schauten auf die Nummer unserer Karten …57 und …58. Den Ticketblock hätten sie im Oktober angebrochen, seitdem kein Geld bekommen, weil ja noch keine 100 Besucher da waren. Auch die Gemeinde, die Picknickhäuschen am Fuße der Felsen errichtet hat, bekommt einen Anteil der Eintrittskarten und hat kein Geld mehr, um das Dach eines der Häuschen zu richten. „Ohne Tourismus geht hier nichts mehr“, erklärte unser guide.

Ein paar Kilometer entfernt gibt es ein deutsch-französisches Entwicklungshilfeprojekt, um die Menschen in Geflügelzucht zu schulen und ihnen ein alternatives Einkommen zu ermöglichen. Das Geflügel gibt es dort auch vergünstigt, aber eben nicht auf Kredit. Und wie kann jemand einen Microkredit von einem einheimischen Finanzinstitut bekommen, ohne jegliche Einnahmen? Gar nicht, so das Fazit unseres Gesprächspartners. „Das Projekt hilft denen, die schon haben und nicht denen, die brauchen.“ So ist es leider oft mit Entwicklungshilfe: nicht zu Ende gedacht…

Nachdenklich fuhren wir zurück zu unserem Gastgeber ins Dorf, wo schon für uns Gemüse mit Reis auf offenem Feuer gekocht wurde. Nach einer erfrischenden Eimerdusche mit Brunnenwasser bei Vollmond (wir duschen in Bulgarien auch immer outdoor und lieben das so sehr!) gab es Abendessen. Geschmacklich okay, aber ganz ehrlich: wir essen in Westafrika nur, um keinen Hunger zu haben. Im Senegal, in Gambia und Guinea-Bissau waren wir noch begeistert, seit Guinea besteht das Essen hauptsächlich aus in viel zu viel Palmöl zerkochten Blättern mit maximal Chili als Gewürz oder aus „Huhn mit Reis“. Wobei der Reis dann auch oft in Palmöl schwimmt. Heißt ja auch „riz gras“: fetter Reis.

Der Wecker klingelte um 5:30. Unser letzter Tag in Burkina Faso brach früh an und wir fuhren bei allerschönstem Vollmond unserem Gastgeber auf seinem Mofa hinterher zum See, wo schon ein Mann mit seiner Piroge auf uns wartete. Wir krabbelten ins Boot und nur mit einem Paddel chauffierte uns unser Bootsmann raus auf den See, auf dem spiegelglatt den Vollmond reflektierte. Hochromantisch!

Leise und behutsam vor sich hin paddelnd brachte er uns zu den Nilpferden, die gemütlich vor sich hin grunzend als „Hippo-Haufen“ im Wasser lagen. Ein Kleines war mittendrin im „Haufen“ und immer wieder tauchte eins auf oder prustete laut Luft und sprühte dabei kleine Fontänen. Wann immer ein Nilpferdkopf auftauchte: als erstes mussten die Ohren geschlackert werden, richtig niedlich!

Wir verbrachten etwa eine Stunde in der Nähe der Nilpferde. Nicht zu nah, doch nah genug, um sie beobachten zu können. Der Mond ging unter, die Sonne ging auf und damit frischte ein richtig kalter, starker Wind auf, der zu Wellen führte, welche die Nilpferde nervte und uns zum Frieren brachte. Wir froren und wussten doch, dass wir sechs Stunden später in der 40°C Hitze schmoren würden.

Die Nilpferde und wir verzogen uns. Die Nilpferde unter Wasser, wo die Wellen nicht in Nase und Ohren nerven, wir zum Frühstück, wo es warmes Fettgebackenes und das obligatorische Omelette mit Baguette gab. Dann packten wir und machten uns früh auf den Weg zur Grenze, wo uns alle wiedererkannten und wir auf beiden Seiten wirklich herzlich empfangen wurden. Auf burkinischer Seite war die Begeisterung, uns als Gast im Land gehabt zu haben deutlich spürbar und es tat uns so leid, nicht länger bleiben zu können. Sehr erstaunlich übrigens: an zwei verschiedenen Grenzstationen sprachen die Grenzbeamten Deutsch. Und das gar nicht so schlecht!

Wir sind dankbar, die Chance gehabt zu haben ein so faszinierendes Land besucht haben zu können. Leider waren nur fünf Tage möglich und leider haben wir aufgrund der kurzen Zeit nicht alles gesehen und erlebt, was wir gerne gemacht hätten, sobald wir sicher waren, dass das gefahrlos möglich ist. Aber wir haben nun in ein Land „hineingeschmeckt“, das uns begeistert hat. Burkina Faso: das Land der aufrichtigen Menschen. Der Name des Landes scheint Programm, wir hatten so unglaublich viele, unglaublich gute Begegnungen mit den Menschen dort, die uns mit einer außergewöhnlichen Herzlichkeit und echter „Willkommenskultur“ begegnet sind. Wir haben so viele interessante Gespräche geführt (Vorteil Französischkenntnisse) und die Weltpolitik von einem anderen Blickwinkel gezeigt bekommen. Wir haben unser eigenes Weltbild ein wenig zurechtgerückt und hoffen, dass es Burkina Faso gelingt, sich aus dem Sumpf zu ziehen und es wie Algerien oder Mauretanien schafft, den IS im eigenen Land auszumerzen. Dann kommen wir ganz bestimmt wieder und schauen uns den Rest des Landes an – denn dann gibt es bestimmt wieder Touristenvisa…

Bis dahin kommt mit uns mit über Dschungelpisten durch Liberia! Über kleine Pisen, durch winzige Dörfer und über wacklige Brücken. Seht, wie Gummi für Reifen hergestellt wird und wo der Kautschuk dafür wächst! Und wenn Ihr etwas wirklich Außergewöhnliches sehen möchtet, mystische, animistische Traditionen und Tänze, dann schaut Euch das neueste Video an:

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