Wüste Weihnachten
Mauretanien ist ein Land der Superlative: der längste Zug der Welt, der größte „Krater“ der Welt, der zweitgrößte Monolith der Welt,… Der längste Zug der Welt, der Eisenerzzug durch die Sahara, auf dem wir 19 Stunden durch die Wüste gerumpelt sind, war schon ein absolutes Highlight für uns. Doch Mauretanien bietet noch so viel mehr, dass wir nun ganz sicher sind, unser 30 Tage Visum zu sprengen. Aber erstmal waren wir duschen, um den schwarzen Staub aus allen Poren zu waschen. Zwei Mal duschen, denn nach der ersten, wie wir dachten, gründlichen Dusche, waren die cremefarbenen Handtücher der Unterkunft leider immer noch schwarz. Eine Waschladung und erholsame Nacht zu Meeresrauschen später waren wir abreisebereit.
Eigentlich hatten wir geplant, entlang der Bahnschienen gen Osten zu fahren. Die „klassische Route“ derer, die wissen, dass Mauretanien mehr ist als ein „Stein im Weg zum Senegal“. Nur leider gab es kein Benzin. Ein grundsätzliches Problem in Mauretanien, welches man lösen kann, indem man per Taxi oder über Beziehungen Benzin dort hinbringen lässt, wo man es braucht oder darauf vertraut, dass es irgendwo Benzin vom Fass oder aus der Flasche gibt. Solange man in der Zivilisation ist, kein Problem. Man muss nur Zeit mitbringen. Und die haben wir. Entlang der Bahnstrecke jedoch kann kein Taxi Benzin liefern, denn ohne Allrad kann man dort nicht fahren. Denn dort ist ganz, ganz viel, typisch mauretanischer, weicher Sand. Wir hätten 470km Sand schaffen müssen und so viel Benzin (und Wasser) können wir nicht transportieren. Bei lockerem Rollen auf Schotter haben wir pro Motorrad eine Reichweite von 550-600km, aber Sand bedeutet einen ziemlich hohen Benzinverbrauch.
Wir brauchten also jemanden, der mit uns fährt und Benzin transportiert. Theoretisch hätte es da ein deutsches Auto gegeben, doch es stellte sich heraus: die beiden fuhren einen Benziner mit noch geringerer Tankreichweite als wir auf Asphalt (Sachen gibt’s…) und sie konnten selbst nicht genug Sprit für ihr eigenes Fahrzeug transportieren. Außerdem waren die beiden Wüsteneinsteiger und wir uns nicht sicher, wer hier wen bergen müsste. Wir entschieden, nach Nuakschott zu fahren und dort neue Pläne zu schmieden.
Die Strecke nach Nouakschott wird normalerweise an einem Tag gefahren. 480km bedeuten für uns aber, dass der Tag lang ist und keine Zeit bleibt für Begegnungen. Wir fuhren die Strecke in zwei Tagen. Am ersten Tag wurden wir, als wir an einem Container, der zum Lädchen umfunktioniert worden war, Wasser kaufen wollten, von zwei kleinen Jungs zum Tee eingeladen. Da wir sicherlich erschöpft seien, rollte der Kleinste im Container eine Matte für uns aus, auf die wir uns setzen mussten. Draußen waren es knapp 40°C und im Container war Backofen, der noch dadurch angeheizt wurde, dass der kleine Junge den Gaskocher anwarf, um Tee für uns zu kochen. Aber er bestand darauf: auf die Matte setzen. Ausruhen! Als Gast gehorcht man da. Auch wenn der Schweiß (in Moppedklamotten) dabei aus allen Poren läuft.
Mauretanischer Tee sieht ähnlich aus wie der allseits bekannte „thé a la menthe“ aus Marokko, ist aber völlig anders. Er besteht aus reinem Grüntee und davon so viel, dass die Kanne bis zum Rand voll mit Grünteeblättern ist. Der unglaublich starke Teesud, fast ein Konzentrat, wird dann mit etwas (nicht viel!) Zucker in kleinen Gläschen durch ständiges Umschütten schaumig geschlagen, sodass am Ende jedes Teegläschen zur Hälfte mit Schaum gefüllt ist. „Gut für den Kopf“, meinte unser kleiner Gastgeber und so stark wie der „Grünteeshot“ ist, hat er damit recht. Der macht hellwach.
Etwa 70km später war uns wieder nach Pause. Es gab eine Tankstelle (mit Benzin aus dem Fass, brauchten wir aber nicht) und ein Lädchen. Kaum hatten wir geparkt, rief der Muezzin und das Lädchen wurde geschlossen. Wenn gebetet wird, werden keine Geschäfte gemacht. Wir durften auf zwei Stühlen im Schatten Platz nehmen und warten. Auf einer Sandfläche daneben stand ein gelber alter Reisebus aus Dänemark, im Schatten dahinter saßen junge Mädchen Anfang 20, die damit aus Dänemark auf dem Weg nach Guinea Bissau sind. Sie studieren alle Pädagogik (mehr zu ihrem super coolen Studiengang hier: DNS) und sind unterwegs zu ihrer Partner-Universität. So cool! Zwei der Mädels haben den passenden Führerschein und kutschieren der Rest der Bande mit dem zum rollenden Zuhause umgebauten Bus durch Westafrika. Nebenbei bearbeiten sie von der Uni gestellte Hausarbeiten zu Themen, die auf dem Weg liegen. Die Fischerei-Problematik zum Beispiel (die wir im Westsahara Beitrag erklärt haben). Wir waren schwer beeindruckt. Und ich musste an ein Zitat denken, was ich zu Unizeiten über meinem Bett hängen hatte: „Travel is like an endless university. You never stop learning.” (Harvey Lloyd). Diese dänische Hochschule setzt genau das um. Wem Goethe lieber ist als Lloyd, nimmt das Zitat: „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.“ (Johann Wolfgang von Goethe) Wer noch mehr solche Weisheiten lesen möchte, schaut hier: Reisezitate
Statt irgendwo „draußen“ selbst zu kochen, hielten wir am späten Nachmittag an irgendeiner „Bude“ und fragten nach Essen. Es gab Hühnchen. Wie überall. Amerikanisches Tiefkühlhühnchen, was gerade vor unserer Nase im nächsten Pappkarton angeliefert wurde. Amerikanische Hühnchen waren uns neu, aber dass Europa Afrika mit Tiefkühlhuhn überschwemmt, wussten wir. Die verwöhnten Europäer (und offensichtlich auch die Amis) fressen nur Hühnerbrust, der Rest des Huhns wird nach Afrika verscherbelt. Und das zu extrem niedrigen Preisen. „Brot für die Welt“ schreibt von 0,48€ pro Kilo. Zollfrei. Damit kann kein lokaler Geflügelproduzent mithalten. Wie bei der Sache mit den Altkleiderspenden (hier gibt’s an wirklich jeder Ecke Altkleider aus Europa!) wird damit die lokale Industrie völlig zerstört und Afrika von den „Hähnchen-Müll-Lieferanten“ kolonialisiert. Außerdem geht das Kulturgut der einheimischen Küche verloren. Ein europäisches Hühnerbein ist billiger zu kochen als ein Gericht aus lokal produzierten Zutaten. Die Folge ist, dass es überall nur noch Hühnchen gibt. Wir bekommen hier also Euren Müll zum Fraß vorgeworfen. In fast drei Wochen Mauretanien haben wir (außer von Hamed, den wir explizit darum gebeten hatten) noch kein einziges Mal Landesküche serviert oder angeboten bekommen. Trotzdem geben wir lieber 2-3€ für europäisch-amerikanischen Hühnermüll aus und unterstützen damit den „Koch“ und sein „Restaurant“, statt importierten Dosenfraß aus dem Proviant selbst zu kochen.
So gestärkt rollten wir noch ein paar Kilometer weiter, bis wir von der Straße querfeldein hinter einer Düne verschwanden und zum ersten Mal unser neues Zelt aufstellten. Bei 40°C Tagestemperatur ohne Überzelt, aber wir waren extrem zufrieden. Man kann so etwas Simples wie ein Zelt tatsächlich noch massiv weiterentwickeln. Unser neues Zelt (mehr Details hier: Schlafzimmer) ist der Hammer mit unglaublich vielen, extrem gut durchdachten Details, Stauraum, diversen Fächern und Ösen.
Statt wertvolles Holz zu verbrennen, zündeten wir eine Kerze an. Mini-Lagerfeuer und ein kleines bisschen Adventszauber. Als wir im Zelt lagen, fielen über uns so viele Sternschnuppen, dass wir uns irgendwann zwingen mussten, nicht mehr hinzuschauen, um Schlaf zu finden. Das hatten wir wirklich vermisst. In Bulgarien schlafen wir (fast) jede Nacht draußen (in Hans, dem Passat) und vor dem Einschlafen ins Bett gekuschelt durch das Fenster der Heckklappe Sternschnuppen schauen ist bei uns allabendliches Ritual. Denn eigentlich fallen sie jede Nacht. Über Bulgarien und der Sahara. „Noch eine und dann schlafen wir!“ Und dann noch eine. Und noch eine…
Weil Mauretanien so riesig ist, es so viel zu entdecken gibt und manche Ziele etwas aufwändiger Organisation bedürfen, reichen uns die 30 Tage Visum nicht. Deswegen haben wir in Nouadhibou schon mit einem „Fixer“ versucht, unser Visum zu verlängern. Klappte nicht. Es hieß, in Nouakschott am Flughafen sei man für uns zuständig. Also fuhren wir dort hin. Ob man da zuständig war oder nicht: zuständig gefühlt hat sich keiner, denn der Service dort sei nur für Flugpassagiere, nicht aber für Überlandreisende. Mittlerweile wissen wir: man kann bis zu weitere 30 Tage im Land bleiben und zahlt bei Ausreise einfach die Gebühr (55€) für ein zweites Visum. Für die Zollpapiere der Motorräder gilt das nicht, aber das lösen wir auch noch!
In Nouakschott hatten wir endlich, das erste Mal in Mauretanien, WiFi und das sogar recht stabil. Hauptstadt eben. Wir hatten einen Haufen Bürokram zu erledigen und verbrachten sechs Nächte in einem Zelt auf dem Dach einer Unterkunft. Hauptstädte sind immer teuer, aber Zelte sind gemütlich und nachts sicherlich angenehmer als ein stickiges Zimmer. Wir konnten unsere Skibrillen von der Zugfahrt an andere Reisende weiter verschenken. Meine Skibrille reist mit einer 72-jährigen Amerikanerin weiter, die alle Länder der Welt kennenlernen will und dabei nicht nur im Transit durchrast, sondern die Länder richtig bereist. Zuletzt war sie 3 Wochen in Bulgarien, Mauretanien ist ihr 142. Land. Für uns ist es erst Land Nummer 89, aber wir sind ja noch keine 72. Sie reist übrigens alleine und auf eigene Faust mit kleinem Rollköfferchen im Handgepäckformat. Alter ist im Kopf. Meine Skibrille ist in allerbesten Händen! Es war für uns erfrischend, in Nouakschott Backpacker und andere Individualreisende zu treffen und nicht nur „Overlander auf der Flucht“, mit denen wir immer weniger gemeinsam haben außer der Tatsache, das eigene Fahrzeug zur Fortbewegung zu nutzen.
Mit einem australischen Pärchen auf Hochzeitsreise fuhr ich zum „Fischereihafen“. Der Fischereihafen von Nouakchott ist eigentlich kein Hafen, sondern ein ellenlanger Strand, an dem hunderte, wenn nicht sogar tausende traditionelle, bunte Fischerboote aus Holz aufgereiht im Sand liegen. Gegen Abend kommen die Fischer an den Strand und die Boote werden mit vereinten Kräften mit rhythmischem Singsang an Land gezerrt. Der Fisch wird im Fischmarkt hinter dem Strand direkt gehandelt, ausgenommen, geschuppt und auch zubereitet. Der Abfall fliegt auf den Boden und wird zu einer schwarzen Schicht Matsche. Wie das in der prallen Sonne riecht, müssen wir nicht genauer beschreiben…
Mauretanien ist infrastrukturell nicht so entwickelt, wie man das als Urlauber gerne hätte. Und das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum wir uns hier so „angekommen in Afrika“ fühlen. Einfache Dinge wie Benzin zu tanken oder Bargeld aus dem Automaten zu ziehen sind nur eingeschränkt möglich. In Nouakschott haben wir das gesamte Budget für die nächsten Wochen aus dem Geldautomaten gezogen, denn wir wissen, dass es außerhalb von Nouadhibou und Nouakchott zwar einige wenige Automaten gibt, diese aber nur sehr selten funktionieren. Bargeld tauschen kostet heftige Kommission von bis zu 25%… Genau. Kein Tippfehler. Und Geld braucht man mit dem eigenem Fahrzeug hier viel. Wir rechnen mit einem durchschnittlichen Preis von 3€ pro Liter Benzin. Möchte nochmal jemand über deutsche Benzinpreise jammern? Man kann hier bis zu 3,90€ für einen Liter fragwürdiger Qualität bezahlen, denn Benzin (nicht Diesel) ist rar.
In Nouakschott beantragten wir auch das erste Visum dieser Reise: das für Guinea Bissau. Wir wussten nicht, dass man auch länger als 90 Tage Visum bekommt und umso überraschter waren wir, als wir in der Botschaft vor die Wahl gestellt wurden: 90 oder 180 Tage? Da wir ja immer und grundsätzlich versuchen, die längst mögliche Zeit in einem Land zu bleiben, nahmen wir die 180 Tage dankbar an. Wir dürfen jetzt ein halbes Jahr so oft wie wir möchten in Guinea Bissau ein- und ausreisen oder gleich ein halbes Jahr am Stück bleiben. Mal sehen, denn erstmal haben wir noch viel in Mauretanien vor und bis wir nach Guinea Bissau fahren, besuchen wir noch mindestens Senegal…
Für die Fahrt von Nouakchott nach Atar haben wir nochmal ordentlich Benzin gebunkert. Nach Atar waren es 440km und eigentlich haben wir mit dem Benzinsack eine Tankreichweite von 600km. Eigentlich. Doch unglaublich starker Wind, der uns über die endlose Ebene entgegenbrauste, erhöhte unseren Benzinverbrauch um 30%, sodass wir nur noch knappe 400km Reichweite hatten. Nicht genug. Trotz 5l Wasserflasche zusätzlich. (Für Europäer: das ist bei Euch natürlich nicht legal, im Rest der Welt aber Alltag).
Wir mussten unterwegs im einzigen größeren Ort nach Benzin herumfragen und bekamen 20l (aus einem alten Speiseöl-Kanister) verkauft. Das brachte uns bis Atar. Der Tag war einer dieser Reisetage, die man nicht braucht: wir haben die Distanz von zwei Tagen in einen Tag gepackt, weil ich abends noch einen Termin hatte (ich arbeite ja online während der Reise) und wir wussten, dass es in Atar Internet geben würde. 440km Kampf gegen den starken Wind, Staub und Sand bis in die letzte Pore und bei Ankunft zu Sonnenuntergang kein Wasser in der Unterkunft. Sonnenbrand trotzt LSF30, Spritprobleme (mit Wasser gepantscht?), gebrauchte Bettwäsche, Mücken und doch kein Internet, Keksvorrat leer und Abendessen erst um 20 Uhr und das Handy voll Nachrichten rund um unser bevorstehendes Weihnachtsgeschenk, was auch noch organisiert werden musste…
Jedes Jahr schenken wir uns etwas Besonderes zu Weihnachten. 2018 war es unser Ausflug in die heißeste Wüste der Welt, die Lut im Iran, 2019 haben wir uns mit einem Besuch bei den Rentiernomaden in der Mongolei beschenkt, 2020 sind wir zu Kittymobil nach Kasachstan geflogen, 2021 waren es drei Tage Apartment in Finnland. 2022 ist es der zweitgrößte Monolith der Welt: der Ben Amira. Nach dem Ayer’s Rock / Uluru in Australien ist das der zweitgrößte „Gesteinsbrocken“ der Welt. Wir sind (siehe letzter Blogbeitrag) schon auf dem Zug sitzend an ihm vorbeigefahren und haben ihn aus 4km Entfernung im Sand liegen gesehen. Eigentlich wollten wir den Riesenstein in Kombination mit einem „großen Vogel“ besichtigen, aber der „Vogel“ ist „ausgeflogen“.
Der „Vogel“ mit Rufnamen „Pelican 16“ ist eine Shackleton 1716, ein Oldtimer Seefernaufklärer und der letzte seiner Art. 1994 flog der Pelican von Südafrika los und musste auf dem Weg zu einer Oldtimer Flugshow in London in der Sahara notlanden. Es ist niemandem etwas passiert, nur der Pelican ist dabei leider komplett flugunfähig geworden. Die gesamte Geschichte (auf Englisch) könnt Ihr hier nachlesen: The sad fate of Pelican 16 | The Observation Post (samilhistory.com)
Seitdem liegt der Pelican einsam im Sand und das an einer besonders blöden Stelle: in der Westsahara. Und zwar in dem Teil der Westsahara, welcher von der Frente Polisario (der Unabhängigkeitsbewegung, die für die Westsahara als eigenständigen Staat kämpft) kontrolliert wurde. Um den Pelican zu besuchen, muss man aus Mauretanien ausreisen und auf das Territorium der Westsahara einreisen. Um das tun zu können, braucht man Permits von den Mauretaniern (um hinterher auch wieder zurückzukönnen, denn das Visum berechtigt nur zu einer einmaligen Einreise und in der Wüste befindet sich kein offizieller Grenzübergang) und von Permits der Polisario, die das Gebiet kontrollierten. Von der Polisario bekam man dann eine Eskorte zum Flugzeug und zurück, die sicherstellt, dass man als Flugzeugliebhaber in kein „Techtelmechtel“ oder auf eine Mine gerät. Diese Permits sind kostenpflichtig, um die 55€ pro Person. In der Vergangenheit haben sich (unter anderem) Deutsche (könnt Ihr hier nachlesen: Pistenkuh) darüber hinweggesetzt und gedacht, sie seien schlauer (oder geiziger?) als andere und sind auch folgerichtig beschossen worden. Wir wollten daher nicht noch ein schlechtes deutsches Beispiel geben und sind den offiziellen Weg gegangen.
Der führt derzeit leider nicht zum Ziel. Über Social Media kamen wir an den Kontakt in Mauretanien, der in der Vergangenheit schon einige Touristen mit allen nötigen Papieren zum Pelican gebracht hat: Hamed. Als wir uns mit Hamed trafen, erzählte er uns, dass es seit Beginn der Pandemie niemanden gegeben habe, der den Pelican besucht hat. Wir seien die ersten und er versuche sein Bestes. Einen Tag später hatte er schlechte Nachrichten für uns, die wir über andere Beziehungen (u.a. zu den UN Blauhelmen) schon zweifach selbst bestätigt hatten: Marokko kontrolliert mittlerweile das Gebiet rund um die Pelican mit Drohnen und schießt auf alles, was kein Kamel ist. Deswegen gibt’s von der Polisario keine Permits und deswegen können wir nicht zum Pelican. Und deswegen fuhren wir mit Hamed nur zum großen Stein, dem Ben Amira.
Warum wir das mit Hamed und einem 4×4 und nicht alleine mit den Motorrädern gemacht haben? Mehrere Gründe. Einerseits bedeutet für uns der Ausflug zum Ben Amira Benzinkosten von rund 120€ für beide Motorräder, denn in der Region dort gibt es kein Benzin. Wir könnten uns für teures Geld welches per Taxi zum letzten Dorf vor dem „großen Stein“ bringen lassen, hätten dann aber immer noch 120km feinsten, mauretanischen Tiefsand ohne Piste vor uns. Wer die frühere Rallye Dakar kennt, der weiß, was das ist. Das ohne Begleitfahrzeug zu machen, ist etwas riskant. Auch dann, wenn man Sand fahren kann. Und da wir weder uns noch unsere Reisefahrzeuge bei solchen „unnötigen Spielereien“ kaputt machen möchten (gerade wird ein Schweizer, der mit seinem Reisefahrzeug selbst zum Ben Amira wollte, an uns vorbei geschleppt), sind wir mit Hamed und dem 4×4 gefahren. Der rechnerische Unterschied sind 100€ pro Person und dafür genossen wir zwei Tage Luxus und Sicherheit im Auto, mussten uns weder um Trinkwasser noch Treibstoff oder Essen kümmern und haben uns damit ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Overlander zu sein bedeutet nämlich nicht, sich dogmatisch auf sein eigenes Fahrzeug zu limitieren und sich dadurch selbst im Weg zu stehen. Wir werden in Mauretanien wahrscheinlich noch ein drittes Mal auf unsere Motorräder verzichten…
Zunächst brachte uns Hamed zum ehemaligen Eisenbahntunnel der Eisenerzbahn. Als die Bahnlinie ab 1957 gebaut wurde, war Mauretanien noch französische Kolonie und die Westsahara spanische Kolonie. Die Kolonialmächte konnten sich nicht darauf einigen, die Bahnstrecke „ein paar Meter“ über spanisches Territorium laufen zu lassen und so mussten die Mauretanier einen Berg aushöhlen, um die Bahnlinie komplett auf ihrem Gebiet zu bauen. Um durch den Berg zu kommen, muss die Bahn eine heftige Steigung überwinden. Jetzt, da wir ja schon 2x mit dem Zug gefahren sind und wir wissen, wie sehr der Zug kämpft, um mit vier Loks auf Tempo zu kommen, können wir uns vorstellen, wie das damals war.
Erst später, 1978, konnten sich die nun von ihren Kolonialmächten befreiten Menschen darauf einigen, die Bahnstrecke (und auch die Straße) durch die Ebene, etwa 5km auf dem Territorium der Westsahara zu bauen. Der Tunnel wurde daraufhin stillgelegt, man kann aber noch darin herumlaufen. Und das taten wir. Um zurück auf die Straße zu kommen, muss man über den berühmten Grenzwall zur Westsahara fahren. Erstaunlich unspektakulär, das sah im Fernsehen bei der Rallye Dakar immer wilder aus!
Wir fuhren tiefer in die Wüste. Unser Ziel, der Ben Amira, liegt im Grenzgebiet etwa 60km westlich von Choum. Wir machten Mittagspause unter einer Akazie und wie das immer so ist, wenn man als Tourist unterwegs ist, wird ein einfacher Ausflug zu einem großen Stein zum großen Fressen. Auf dem Weg zum Tunnel gab’s schon heißes Brot vom Dorfbäcker. Weil Hamed, unser Guide, der Meinung war, das Frühstück auf dem Campingplatz sei nicht gut. Baguette mit Schmierkäse, Erdbeermarmelade, Butter, Tee, Kaffee. Wie überall. Aber wir mussten leckeres heißes Brot essen. Um dann 10 Minuten später im Tunnel zu picknicken. Mit noch mehr Brot, diesmal mit Marmelade und Honig. Zum Mittagessen, 30km später, gab’s Kamelfleischeintopf. Und der war echt lecker. Wir kannten Kamelfleisch schon, aber Ihr wahrscheinlich nicht: ähnlich wie Rind, aber etwas süßlicher, magerer und genauso lecker.
Gegen Fresskoma gab’s mauretanische „Grüntee-Shots“ und wir fuhren weiter entlang der Eisenbahnschienen. Die Sicht war ziemlich mies, denn der stürmische Wind blies jetzt schon den vierten Tag in Folge. Hamed baute unser Nachtlager direkt vor dem Ben Amira, dem größten Monolith Afrikas, auf. So nah, dass er nicht aufs Foto passte, der riesige Stein. Richtig mächtig thronte er über uns und unserem Nachtlager. Nach dem Uluru (Ayer`s Rock) in Australien ist der Ben Amira der zweitgrößte Monolith der Welt. Er ist 633m hoch und liegt recht einsam in einer hellen Sandebene.
Wir halfen beim Kochen auf offenem Feuer und es gab… Hammel. Uns blieb fast der Bissen im Hals stecken. Hammel? „Ja, hatte sich Jan doch gewünscht?!“ Äh, nein. Ganz bestimmt nicht. Das war ein Missverständnis. Wir wollten nur traditionelles Essen (wie das Kamel) und keinen Hähnchenmüll. Naja, der Genießer schweigt und schluckt tapfer. Und schöpft nach, der guten Tugend als Gast im Land wegen.
Als wir uns nach dem obligatorischen Lagerfeuer (was dank Sturm extrem ungemütlich war, wir aber auch anstandshalber eine Weile „genossen“) ins traditionelle Nomadenzelt kuschelten, unterhielt sich der Hammel mit all seinen Knorpelteilen, Fettschwabbel und kauintensiven gummiartigen Blutgefäßen noch länger mit uns. Er kam uns immer wieder hoch. Es war gerade sechs Wochen her, dass ich die Mongolei verlassen hatte und glaubte, die Jahresdosis Hammel schon bekommen zu haben… Aber Hamed meinte es nur gut. Genauso gut meinte er es auch mit unserem Nachtlager mit kuscheligen Schaumstoffmatratzen im Nomadenzelt. Leider war das Zelt nicht sturmsicher und kurz vor Mitternacht hob es ab. Alle vier Wände flatterten im Sturm, das Zelt wurde nur noch durch die Seile an den Ecken gehalten. Wir wurden vom Sand paniert und hielten alles fest, was wegzufliegen drohte. Ich weckte Hamed und wir retteten alles ins Auto, wo ich mich auf der Rücksitzbank zusammenfaltete und Jan auf dem zurückgeklappten Beifahrersitz Schlaf fand. Alles andere als eine Stille Nacht auf den 24.12.2022!
Wir brachen dadurch recht früh auf, was auch gut war, denn bis etwa 9 Uhr herrschte Windstille und wir konnten 8km weiter Richtung Westsahara fahren, wo die „Frau“ von Ben Amira namens Aisha im Sand liegt. Ein kleinerer, aber ebenso imposanter Monolith, der zur Jahrtausendwende Ende 1999 Schauplatz eines Bildhauerfestivals war. Rund um Aisha haben internationale Künstler die riesigen Steine und Felswände als „Leinwand“ für ihre Skulpturen genutzt. Im Morgenlicht waren sie besonders schön zu sehen. Und irgendwie surreal, mitten in der Sahara Kunst zu machen, wo es hinterher keiner sehen kann… Derzeit besuchen nur 1500 Touristen pro Jahr das Land Mauretanien (eintausendfünfhundert, da fehlt keine Null!) und wie wir gesehen haben, fahren etwa 50% derer auf kürzestem Weg zum Senegal durch. Kunst für die Kamele, könnte man sagen…
Auf der Rückfahrt nach Choum sandelte Hamed den Hilux ein. Zack – und wir saßen in den Dünen. Wir hatten bis dahin die wüstendummen Touristen gespielt und konnten in der Situation nicht mit schlauen Sprüchen jahrelanger Wüstenfahrer-Erfahrung kommen. Schon gar nicht ich als Frau. So spielten wir unsere Rolle als Wüsten-Neulinge bis zum Schluss, denn vieles aus dem „Tourprogramm“ war für Einsteiger konzipiert und wir wollten Hamed nicht aus dem Konzept bringen. Pünktlich zu Mittag kamen wir zurück zum Campingplatz, wo wir die Motoräder stehengelassen hatten. Obwohl wir nicht beim Pelican waren, hatten wir ein schönes Weihnachtsgeschenk an uns selbst, trotz Hammelfleisch und Nacht im Auto. All das sind Erinnerungen, die uns keiner nehmen kann. Und genau darum geht es für uns an Weinachten: um eine schöne Zeit, schöne Erinnerungen und nicht um materielle Dinge. Wir wünschen Euch, dass Ihr auch eine schöne Zeit rund um die Feiertage habt oder hattet und Euch auch schöne Erinnerungen beschert habt! In dem Sinne: FROHE WEIHNACHTEN AUS MAURETANIEN!
Unsere ersten beiden Motorradvideos aus Afrika sind übrigens online. (Fast) immer samstags gibt’s ein neues Video von Jan:
Und seit Heiligabend Teil 2:
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