Nach nun fast drei Wochen sind wir aus Guinea-Bissau ausgereist und in Guinea eingereist. Warum wir so lange in Bissau waren? Nun, wir haben aus organisatorischen Gründen unsere Motorräder erst nach einer Woche bekommen und mussten dann noch einen großen Service (neue Reifen, neue Radlager etc.) machen. Wir haben ein bisschen gefeiert (Jan wurde 50 Jahre alt, Bissau feierte 50 Jahre Unabhängigkeit von Portugal, Jan hat das 100. Reisevideo fertiggestellt und wir sind seit 10 Jahren überglücklich zusammen) und zu jeder Feier lecker Pizza gegessen. Außerdem haben wir noch ein bisschen Papierkram erledigt, der dann etwas länger gedauert hat, weil man auf dem Amt die Geburts- mit der Heiratsurkunde verwechselt hat und mich somit zu meiner und Jans eigenen Tochter gemacht hatte.
Aber wir sind unglaublich gerne in Guinea-Bissau, das Land ist uns richtig fest ans Herz gewachsen. Doch nach ganzen 16 Nächten in der Hauptstadt sind wir dann gen Guinea aufgebrochen. Den ersten Teil der Strecke kannten wir schon, weil wir da vor einem halben Jahr schon unterwegs waren. Doch diesmal sind wir weitergefahren, bis wir am zweiten Fahrtag am größten Grenzübergang zwischen den beiden Ländern standen. Bei der Ausreise gab es keinerlei Probleme. Dass wir die Motorräder insgesamt sieben Monate im Land hatten, war auch keine Rede wert. Im Gegenteil: ein letztes Mal hielten wir mit den Grenzbeamten einen herzlichen Schnack wie immer mit den Bewohnern dieses so liebenswerten Landes, sodass der Abschied noch schwerer fiel.
Einen Schlagbaum gibt es nicht, man umzirkelt mit dem Motorrad einfach ein Schnürchen und landet im Niemandsland. Mit zugegeben, richtig Tränen in den Augen, denn Guinea-Bissau hat sich für mich wirklich sehr heimatlich angefühlt. Die Mischung aus Authentizität, Portugiesisch, Kriol und portugiesischen Spuren, die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen, die einem nie das Gefühl geben, eine andere Hautfarbe zu haben, die Gastfreundschaft und Ehrlichkeit haben nicht nur mich verzaubert. Wie wir wohl in ein paar Wochen aus Guinea ausreisen werden?
Kaum waren wir einen Meter ins Niemandsland zwischen die beiden Länder gerollt, war die Überraschung groß: wo ist die Straße? Gab es da so irgendetwas wie einen Weg? Wo fahren die ganzen LKWs hier lang? Eine „vegetationslose Strecke“ führte in unmöglichem Zustand mit tiefen Erosionsrillen, Löchern, in denen schon einige LKW versunken sein müssen und Sandgruben zu einer weiteren Schnur, die der Schlagbaum zu Guinea sein sollte. Wir dachten noch: „Typisch Niemandsland, da fühlt sich keiner für den Straßenbau zuständig“. Nun, der Grenzort war nicht besser: die Haupt“straße“ entlang derer sich Grenzpolizei, Zoll und Immigration entlangreihten, war nicht das, was man „Straße“ nennen kann, sondern nur ein „geradliniges, vegetationsloses, unbebautes Stück Dorf“. Tiefe Erosionsrinnen, Löcher teilweise verfüllt mit Müll oder sandgefüllten Plastiksäcken, Steine, Geröll und Verfall überall. Ob uns Guinea gefallen würde, wenn schon der Grenzort so desolat und ungepflegt ist? Doch Zöllner und Grenzer waren unglaublich nett, wir hielten einen Schwatz und durften nicht weiter, bis geklärt war, warum ich, die ich genauso alt bin wie der Grenzer, nicht so wie er schon fünf Kinder habe. Ob mein Mann nicht will? Der stand daneben, spricht kein Französisch und lächelte höflich. Menschlich fing es richtig gut an in Guinea! Die „vegetationslose, unbebaute Strecke“ führte aus dem Dorf raus und am Rand war alles zugeparkt mit LKW, wie an jeder Grenze. Wahnsinn, wie die sich hier quälen müssen, denn einen anderen, LKW-tauglichen Grenzübergang gibt es nicht zwischen den beiden Ländern.
Nach etwa 1km wurde eine Art besserer Feldweg erkennbar, der immer schöner und breiter wurde, bis er einspurig und gut befahrbar wurde. Wir hatten richtig Fahrspaß, mussten aber aufpassen, dass wir bei all den Augen für die tolle Landschaft und das durch den Fahrspaß bedingte höhere Tempo auch Augen für den Gegenverkehr hatten – LKW nämlich, die die gesamte Breite der Strecke einnehmen. Aber alle fahren rücksichtsvoll, es wurde viel gewunken und gelächelt und jeder hat jedem Platz gemacht. Nach 40km staubigem Pistenspaß kamen wir im ersten Ort mit Asphalt an. Nicht groß, aber für uns ein erster Stopp für Geld, Simkarten, Tanken, Ankommen. Das Erste, was wir in einem neuen Land erledigen müssen, ist immer, uns die Lokalwährung zu besorgen. In dem Ort gab es einen einzigen Geldautomaten – und der fraß unsere Kreditkarte. Schwupp, weg war sie!
Unsere Kreditkarten-Nummer war höchstwahrscheinlich im Busbahnhof in Sofia vom Automaten ausgelesen worden. Jemand hat dann mit dieser Nummer ein paar Tage lang Kleinstbeträge (insgesamt 97€) ausgegeben, während wir in diversen Fliegern saßen, um nach Guinea-Bissau zu kommen. Unserer Bank war das aufgefallen und wir wurden direkt kontaktiert. Die Servicemitarbeiter an der Hotline waren sehr verständnisvoll (wir in Westafrika, Postversand einer neuen Karte unmöglich) und boten an, die Karte nur für den online-Einsatz zu sperren, sodass wir weiterhin am Geldautomaten Geld abheben können. Leider hat dann ein weiterer Bankangestellter genau diese Vereinbarung nicht gelesen (oder verstanden) und die Karte als gestohlen gesperrt, weswegen sie dann natürlich vom nächsten Geldautomaten eingezogen wurde. Gut, dass wir insgesamt über 10 Kreditkarten dabeihaben und einfach mit einer anderen Karte Geld abheben konnten! Es ist nicht das erste Mal auf dieser Reise, dass Kreditkarten funktionslos wurden. In Usbekistan wurden gleich zwei unserer Karten wegen eines Softwarefehlers nicht nutzbar. Tipp an Euch alle: je mehr Karten, desto besser! Das und weitere Tipps haben wir hier erklärt: Papierkram für die Weltreise
Das Hotel im Ort war ausgebucht (es war Wochenende), aber ein netter Mensch fuhr mit seinem Motorrad vor uns her, um uns zu einer anderen Unterkunft zu bringen, wo wir die Motorräder sicher im Hof parken konnten. Am nächsten Morgen gab’s dann noch Benzin und Simkarten und wir waren startklar für Guinea. Vor uns lag die angeblich schönste Straße für Motorradfahrer in Westafrika. Jetzt, 250km später, können wir sagen: wahrscheinlich stimmt das. Wir hatten richtig Fahrspaß!
Die Straße führte auf die Berge zu und in unzähligen, meist bestens asphaltierten Kurven durch die Berge hindurch: Kurvenrausch vom Allerfeinsten! Was ein Fahrspaß! Wir nahmen uns den ganzen Tag dafür Zeit und entdeckten einiges am Wegesrand. Zum Beispiel pilzförmige Termitenhügel. Wir kannten bisher Termitenhügel nur als bizarre, teils riesengroße, Erosionsformen ähnelnden Formationen, doch diese hier sahen aus wie „Monsterpilze“, die überall auf den Wiesen aus dem Boden sprießen. Wie sie wirklich entstehen, wissen wir nicht. Wenn das jemand von Euch erklären kann: wir sind gespannt!
Und dann waren wir bei den Goldgräbern. Guinea ist bekannt für Bodenschätze: Gold, Diamanten, Eisenerz, Uran und Bauxit. Bauxit wird für die Herstellung von Aluminium im Fahrzeugbau gebraucht und Deutschland ist unter den fünf größten Abnehmern des Erzes. Wir hoffen, uns vor Ort mehr anschauen zu können, als man über Bauxit aus Guinea nachlesen kann. Aber in die Region kommen wir noch. Jetzt waren wir in einer der Regionen, in denen es Gold gibt. Keine großen Goldminen, sondern Goldgräberei und Goldwaschen per Hand. Ich hatte das in Äthiopien schon gesehen und wusste, wonach wir Ausschau halten mussten. So wurden wir schnell fündig.
Wir fuhren auf ein Gelände, an dem etwa zehn kleine Wasserlöcher zu sehen waren, in denen Gold gewaschen wurde. Als wir mit den Motorrädern hereinrollten, kamen ein paar junge Männer auf uns zu. Sie waren genauso neugierig wie wir und freuten sich, uns zu zeigen, wie sie Gold waschen. Beziehungsweise: wie die Frau aus ihrem Team Gold wäscht, denn sie waren nur Zuarbeiter. Die Erde, aus der das Gold herausgewaschen wird, kommt von einer Grube ein paar Kilometer entfernt. Die jungen Männer holen es von dort mit einem motorisierten Dreirad mit Ladefläche.
Dann wird die Erde mit einem benzinbetriebenen Gerät fein und locker gesiebt und aufgehäuft. Die Goldwäscherin nimmt sich davon ein paar Handvoll in ihre Kalebasse, schöpft, im Wasserloch stehend, eine gewisse Menge Wasser dazu und beginnt, die Erde mit schwungvollen Bewegungen mit dem Wasser zu mischen. Irgendwann (wann das ist und wie sie das weiß, konnte keiner erklären, sie sei halt Spezialistin) wird ein Teil der Erde wieder zurück auf den Haufen geworfen, das Wasser abgegossen und ein paar Schwünge später glitzert – tadaaa – das Gold am Boden der Kalebasse. Wir waren beeindruckt, aber das kleine Team aus drei Männern und der Goldwäscherin lachte. Das sei gar nichts, nicht mal wert, es aus der Kalebasse zu nehmen und ins Tütchen zu füllen!
Währen die Frau unermüdlich Gold wusch, lachte und fröhlich ihre Kalebasse drehte, erklärte uns einer der Männer das Organisatorische. An jedem Wasserloch arbeiten kleine Teams, die alle für die Bezahlung eines jeden Teammitglieds am Ende der Woche zusammenarbeiten. Sie seien alle „von weit her“ gekommen, um hier Geld zu verdienen. Der junge Mann, mit dem Jan sprach, kam aus Ghana. Am Ende der Woche (die fünf offizielle Arbeitstage hat) gibt jedes Team den Golderlös der Woche ab. Dann wird gewogen und abgerechnet. Pro Tag könnten sie mit Glück bis zu 3g Gold waschen, pro Woche seien das durchschnittlich etwa 10g.
Jan war beeindruckt und beim Getränkestopp in der Goldgräberstadt ein paar Kilometer weiter rechnete er aus, wie viel Gold in der vergleichsweise winzigen, per Handarbeit betriebenen Anlage allein in einem einzigen Jahr gewonnen wird: rund 70kg zu einem Weltmarktpreis von 3,4 Millionen Dollar! Wir saßen, schwer beeindruckt von den errechneten Mengen Gold, im Schatten vor einem Lädchen, in dem wir gerade Getränke gekauft hatten, und sogen die Atmosphäre des Ortes in uns auf: der Ort wirkte schäbig, entlang der Hauptstraße reihten sich Bretterbuden mit Dächern aus blauer Plastikplane aneinander und es gab alles zu kaufen, was der Goldgräber halt so braucht: Plastiksandalen fürs Wasserloch, Schaufeln, Ersatzteile für die Rüttel- und Siebmaschine, Kalebassen für das Goldwaschen und mehr. Wie viel von dem wahnsinnigen Weltmarktpreis bleibt wohl bei den Leuten vor Ort hängen? Wer nur durchs Land saust, wird denken „puh, was für ein komischer Ort!“, doch wenn man dort einkehrt und es auf sich wirken lässt, versteht man, dass das alles seinen Sinn macht: keiner der Menschen dort ist gekommen, um zu bleiben. Alle sind auf der Suche nach dem Glück, verdienen Geld, um dann „weiter“ zu ziehen. „Weiter“ wohin? Jans Gesprächspartner aus Ghana brachte es halb ernst, halb scherzhaft auf den Punkt: „nehmt mich mit nach Europa!“.
Wir machten uns auf den Weg, weiter durch die Berge. Ein Teil der Motorrad-Traumstraße ist noch nicht asphaltiert und eine staubige Angelegenheit, denn jeder LKW, der aus allen südlicher liegenden Ländern kommt und nach Norden möchte, muss da durch. Riesige LKW (der größte hatte vier Achsen am Auflieger und drei an der Zugmaschine!) zermalmen das Gestein zu feinstem Pulverstaub, in dem man als Auto- oder Motorradfahrer oft blind herumstochert. Nicht gerade angenehm, aber wenn gerade kein LKW (der die gesamte Breite der Straße einnimmt) auf der Strecke war, natürlich auch feinster Fahrspaß für uns. Am Ende der nur 25km Staub sah man Jan an, wo er herkam. Wir hielten im nächsten Ort, um an einem Lädchen etwas zu trinken zu kaufen und wurden, wie üblich, mit Sitzgelegenheit im Schatten bedient. Und: mit einer Kanne voll Wasser und einem Stück Seife für Jan, damit er sich das Gesicht waschen kann!
Wir sind mittlerweile in der Region Fouta Djallon, wo die Natur uns Highlights ohne Ende bietet. Doch bis wir die uns in Ruhe anschauen, haben wir einen kleinen „Pitstop“ hier in Labé: Bürotage, Organisationstage, Waschtage etc. sind auch Teil unserer Reise. Mittlerweile haben wir unsere Route komplett geändert. Wir haben Westafrika im Mai verlassen, als die Regenzeit begann und uns während es hier regnete in Wüstenstaaten wie Tunesien, Ägypten und Jemen herumgetrieben. Viele haben gelacht und uns geraten „doch einfach die Regenklamotten anzuziehen“ und uns erklärt, wir seien „doch nicht aus Zucker“.
Nun, vielleicht zeigen Euch diese Bilder, was wir schon kannten: Matsch-Hölle statt Straßen. Macht mit ner Sportenduro wirklich Spaß (wir sind beide jahrelang Breslau Rallye gefahren), aber mit Gepäck und ohne Ersatzteillager im Servicefahrzeug sinnlos. Dieses Jahr dauert die Regenzeit hier länger als sonst und die Straßen in Küstenstaaten wie Sierra Leone und Liberia sind immer noch katastrophal. Wir haben entschieden, die Länder nicht einfach auszulassen, sondern die Route so zu ändern, dass wir erst kurz vor der nächsten Regenzeit dort reisen. Ist ein Umweg, aber wir sind ja nicht auf der Flucht.
So schauen wir uns nun in Ruhe Guinea an, beantragen das Visum für die Elfenbeinküste in Conakry statt in Monrovia und hoffen, das Visum für Guinea in Conakry verlängern zu können. Diese Planänderung bedeutet zwar viele Kilometer mehr, hat aber auch einen Vorteil: wir werden zum Africa-Cup in der Elfenbeinküste sein und wenn wir schonmal da sind, natürlich auch ein Spiel anschauen! Der Nachteil ist: während der über vier Wochen Fußball sind im gesamten Land weit im Umkreis um alle Austragungsorte alle Unterkünfte ausgebucht. Das wird noch kompliziert, aber wie immer: es gibt sicherlich eine Lösung!
Jan hat in der Zwischenzeit noch weitere Videos fertig und online gestellt:
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