Der letzte Beitrag von uns stammte aus Gori in Georgien, Stalins Geburtsstadt. Natürlich haben wir uns auch sein Geburtshaus, eher eine Hütte, angeschaut! Ansonsten verbinden wir Gori nur mit „Überfressen“.

IMG_2305 (Kopie)Seit Monaten freuen wir uns auf das georgische Essen, endlich konnten wir es genießen! Und weil wir die Speisekarte an beiden Abenden rauf und runter bestellt haben, ohne die georgischen Riesenportionen zu berücksichtigen, konnten wir uns beide Abende in Gori nur noch ins Bett rollen. Die georgische Küche ist eine der besten der Welt! Unser Favorit: Tomaten-Gurkensalat mit Walnüssen: Tomaten, Gurken und Zwiebeln werden mit sehr vielen fein gemahlenen Walnüssen vermischt ziehen gelassen, sodass sich eine Art Creme bildet. Das Gemüse-Nuss-Gemisch wird dann unter einem Berg frischer Kräuter, hauptsächlich Petersilie, serviert.

IMG_2215 (Kopie)In Gori schlossen wir uns mit Dieter kurz. Den wollten wir zwar erst zur Fußball WM in Sotschi treffen, doch war er erstmal nach Georgien geflogen und auch dort unterwegs. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in Kazbegi. Die Fahrt dort hin über die sogenannte Georgische Heerstraße war ein nimmer enden wollendes „Ahhh!“, Ooooh!“, „Wow!“, „Schöööön!“. Die Straße führt direkt in den großen Kaukasus hoch und man ist schnell umgeben von schneebedeckten Gipfeln über grünen Wiesen, auf denen Esel stehen oder Schafe weiden. Traumhaft!

IMG_2386 (Kopie)Über Kazbegi thront die Gergetier Dreifaltigkeitskirche, zu dem eine ziemlich steile Straße hoch führt. So steil und geröllig, dass ich Angsthase umgedreht habe. Jan war enttäuscht, aber alleine wollte er Oskar auch nicht mehr hoch treiben. Letztendlich war mein Kneifen gar nicht so doof, denn kaum dass wir bei Pikria, unserer Airbnb Gastgeberin das Zimmer bezogen hatten, ging ein heftiger Hagelschauer los. Den hätten wir auf dem Berg erlebt!

Als Dieter auch eingetroffen war, sind wir essen gegangen und durch Zufall in einem Restaurant gelandet, in dem gerade Geburtstag gefeiert wurde und die Leute anfingen, zu tanzen. So cool! Mittlerweile konnten wir uns auch bei der Essensbestellung beherrschen, sodass wir glücklich, jedoch nicht überfressen in die Betten fielen. Das ist kein Foto, sondern ein Video. Wenn man auf das Vorschaubild klickt oder tippt, kann man das Video ansehen:

Unser Zimmer hatte nur helle Organza Vorhänge, sodass ich mit Sonnenaufgang wach wurde und auf der Bettkante saß und den Anblick des schneebedeckten Kazbek Berges (der dritthöchste Berg Georgiens) im Licht der aufgehenden Sonne bewundert habe. So schön! Kazbegi ist noch ein etwas verschlafener kleiner Ort, der nachmittags voll von Tagesausflüglern ist, den Rest des Tages aber zu Füßen des wunderschönen Berges dahinschlummert. Einer der Orte, der vom Massentourismus noch nicht wach geküsst ist, es sicherlich aber bald wird, sodass wir froh sind, es noch so erleben zu dürfen!

IMG_2389 (Kopie)Zum leckeren georgischen Frühstück mit Kebap, Tomatensalat, Omelette und Fladenbrot gab es überraschenderweise  Hausmusik unserer Gastgeberin, die auf ihrem völlig verstimmten Klavier im Wohnzimmer ordentlich in die Tasten haute und dazu sang. Total super! Wieder einmal waren wir froh, weder in einem Hotel gebucht zu haben, noch in einem Hostel unter gekommen zu sein, in dem man mehr mit anderen Reisenden zu tun hat, als mit Einheimischen des Landes, welches man ja eigentlich kennen lernen möchte. Auch das hier ist kein Foto, sondern ein Video. Drauf klicken/tippen und Pikria an ihrem verstimmten Klavier zusehen/zuhören:

Jan und ich waren in nur wenigen Tagen verzaubert von einem Land, in das wir im Voraus schon so hohe Erwartungen gesetzt hatten. Sie wurden schon in kürzester Zeit übertroffen! Essen, Menschen, Landschaft, Musik,…

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Dieter hatte ein Auto gemietet und so sind wir zu dritt zunächst hoch zum Kloster gefahren. Und ich muss gestehen: ich habe an der steilsten Stelle umgedreht. Davor und danach ist der Weg pillepalle, wenn man fahren kann. Zeit, um mich über mich selbst zu ärgern, blieb kaum, denn auch das Kloster auf dem Berg ist so schön wie die Landschaft, in der es steht. Als wir drin waren, sahen wir uns an und waren uns einig: Lalibela! Die Felsenkirchen in Äthiopien haben Ähnlichkeit mit dieser Kirche, nur viel, viel beeindruckender! Der Blick vom Berg war fast schöner als die Kirche.

IMG_2379 (Kopie)Wir fuhren mit Dieter in ein abgelegenes Tal, das “Sno Valley” und aßen dort Khatschapuri (Teigfladen, gefüllt mit meist Käse, aber auch Bohnen oder Mangold oder Fleisch oder mit Ei drauf oder mit Käse überbacken). Dann kam der Regen und wir fuhren zurück.

IMG_2320 (Kopie)Dieter fuhr am Tag darauf gen Süden, Jan und ich gen Norden zur russischen Grenze, weil wir Fußballtickets zur Fußball WM in Rostov am Don hatten. Bis zur Grenze führte die Straße durch einen herrlichen Canyon, der wieder zu vielen „Oooooh!“s, „Aaaaaah!“s und „Schööööön!“s über Intercom führte. An der Grenze hörte das „Schön“ auf. Die Landschaft öffnete sich, der Canyon war vorbei, plattes Land.

SENA CAMERADie Einreise nach Russland dauerte drei Stunden. Drei. Wir hatten durch unsere Tickets eine Fan ID bekommen, die das Visum ersetzt. Mit der Fan ID kann man für die Dauer der WM und darüber hinaus ohne Visum nach Russland einreisen. Ein multiple Entry Visum für zwei Monate sozusagen. Und das zum Preis einer Eintrittskarte ins Stadion und ohne Visakomplikationen. An der Grenze jedoch wurden wir in ein Verhörzimmer geführt und bekamen all die Fragen gestellt, die man sonst zur Beantragung eines Visum gestellt bekommt: „Wer ist Ihr Arbeitgeber?“ oder „Wie lautet Ihre Adresse?“ waren für uns schwer zu beantworten, dafür hatte der Beamte viel zu schreiben, als er die genaue Route der Anreise wissen wollte. Alle Länder? Alle! Nun gut! Es waren 12! Außerdem musste Jan die Gerätenummer seines Handys angeben. „für die Sicherheit“, jaja. Um die Fahrzeuge einzuführen, gab es ein Formular auf Russisch. Da wir keine Ahnung hatten, was der lange Text der Din A 4 Seite heißen könnte, hielt uns der Beamte eine Sekunde lang den Zettel eines Belgiers vor die Nase, damit wir sehen konnten, wo was hin muss. Natürlich haben wir beide kein sekundenschnelles fotografisches Gedächtnis und haben die Angaben um eine Zeile verrutscht gemacht. Da war der Grenzer aber sauer!

SENA CAMERARussland, in dem Fall Nordossetien. begrüßte uns also mit einer Fragestunde, einem angesäuerten Grenzer, urplötzlich langweiligster Landschaft, starkem Gegenwind und – Regen. Nachdem ich 2014 ja 4 Wochen lang 7000km im Regen geradeaus durch Russland mit dem Motorrad bin, wollte ich das nie mehr tun. Jan sagt, wir fahren ja nicht „durch“ Russland, sondern „in“ Russland. Zunächst einmal fuhren wir aber nach Kabardino Balkarien, denn plötzlich tauchte als Abwechslung im ewigen Geradeaus eine Grenze auf! Wir hatten noch nie von Kabardino Balkarien gehört und nun reisten wir ein. So richtig mit Grenze, Polizei, Passkontrolle und viel Stacheldraht. Kabardino Balkarien ist eine Republik, die überraschenderweise mehrheitlich muslimisch bevölkert ist, was im Straßenbild auch auffällt.

Kaum waren wir am späten Nachmittag wieder aus Kabardino Balkarien ausgereist, kamen wir tropfnass in Pjatigorsk im Hotel an. In Russland muss man sich bei Einreise mit der Fan ID (und auch sonst bei Aufenthalten über 72 Stunden) registrieren lassen. Normalerweise kann man das auf dem Amt selbst machen, jedoch nicht mit der Fan ID, dazu muss man in ein Hotel. Da nur die teureren Hotels diesen Service anbieten, hat Jan tief in die Tasche gegriffen und uns Luxus für 34€ gebucht. Wie er zu dem Preis gekommen ist, weiß ich nicht, aber das “Orient Hotel” war super luxuriös und mit einem Bad, was so blitzeblank war, dass ich nicht weiß, wo ich zuletzt so etwas gesehen habe! Pet und Oskar standen sicher auf dem videoüberwachten Hotelparkplatz. Natürlich war auch ein Flachbildfernseher dabei, sodass wir das peinliche Fußballspiel Deutschland gegen Mexiko schauen konnten, bevor es am nächsten Morgen in leichtem Nieselregen weiter gehen sollte. So wirklich weit kamen wir aber nicht. (abgeänderter Auszug aus einer „TravelTale“, nachzulesen in der kommenden Ausgabe des Dirtbiker Magazines):

„(…) In Russland traut man anscheinend den Tankstellenkunden nicht. Egal wo, man muss an Tankstellen grundsätzlich den Sprit im Voraus bezahlen, erst dann schaltet sich die Pumpe an der Zapfsäule an. Zu viel gezahlten Sprit schenkt man der Tankstelle, also bestellen wir immer ein paar Liter weniger, als wir schätzungsweise verbraucht haben und tanken immer ein paar Kilometer früher, als wir müssten. Doch irgendwann weiß keiner mehr, wer an welcher Tankstelle eigentlich wie viel getankt hat und wie viel Sprit in welchem Tank schwappt. Alle 200km tanken ist jedoch eine sichere Nummer.

Als beim Losfahren vom Hotel Jans Oskar etwas stottert, denken wir beide zunächst an Wasser im Sprit, weil am Vortag ja der Himmel alle Schleusen geöffnet hatte. Doch Oskar quittiert unsere Gedanken mit blockierendem Hinterrad und – aus! Ein Blick in den Tank zeigt: leer. Wo haben wir zuletzt wie viel in welchen Tank getankt? Haben wir uns verrechnet, weil wir einfach nie voll tanken können dank der blöden Vorauszahlung? Nach 143km kann doch nicht der ganze Sprit weg sein? Oder doch? In meinem Tank schwappt noch genug, doch bei Jan ist alles trocken. Der Benzinhahn steht auf Reserve, der Schnellverschluss am Schlauch sitzt anders. Da hat sich wohl auf dem videoüberwachten Hotelparkplatz jemand bedient!

IMG_2407 (Kopie)Ich will schon in einem Lebensmittelladen, eine Flasche Cola kaufen, um damit Sprit umzufüllen, doch Jan pfeift mich zurück: „Wir nehmen den Hecktank!“ Wie bitte? Wir sind hier nicht auf Rallye! Welcher Hecktank? Grinsend löst Jan unseren 12l Benzinsack aus dem Spanngurt. Das Ding war eigentlich gedacht, um auf längeren Fahrten „abseits der Zivilisation“ die Tankreichweite zu erhöhen, ohne große Rallyetanks oder teure Hecktanks zu verbauen. Meine kleine DR350 „Pet“ spendet willig einen Liter Sprit, bis zur nächsten Tankstelle sind es 3km. Dort angekommen, laufen 16l Benzin in den 17l Tank. Da hat der Dieb ganze Arbeit geleistet!

IMG_2410 (Kopie)Seit dem fahren wir tatsächlich mit dem „Hecktank“. An jeder Tankstelle berechnen wir den Spritbedarf nun extra großzügig. Was nicht in die Tanks passt, läuft in den Benzinsack. (…)“

SENA CAMERADen ganzen Tag geht es nur geradeaus. Weizenfeld links, Maisfeld rechts. Oder umgekehrt. Und wenn wir Glück haben: Sonnenblumenfeld links, Maisfeld rechts. Oder umgekehrt. Weil die Sonnenblumen noch nicht blühen, ist die Kombination aus Weizenfeld mit Maisfeld jedoch farbenfroher. Gegen Mittag haben wir Hunger und beschließen, im nächsten Ort etwas zu finden. Doch wir finden nichts, sogar das Kaffee am Busbahnhof ist zu! Kaum sind wir aus dem Ort raus, sehe ich aus dem Augenwinkel ein Toilettengebäude, vor dem viele LKW stehen. Aus kilometerlanger Russland-Erfahrung weiß ich: wo es diese Waschhäuser gibt, gibt es auch Trucker-Essen!

IMG_2593 (Kopie)Ich werfe den Anker, Jan rauscht hinterher und tatsächlich: eine kleine, feine Schaschlikbude! Wir genießen einen riesigen Schaschlikspieß, dazu Birnenlimo, selbst gebackenen Kuchen und türkischen Kaffee. Besser konnten wir es nicht treffen! Das ist „Russland über Land“!

IMG_2416 (Kopie)Unsere Laune bessert sich mit dem Wetter und als es Zeit wird, einen Schlafplatz zu suchen, finden wir ein abgeerntetes Getreidefeld, auf dem wir das herumliegende Stroh zu einem Podest anhäufen und daraus unser Bett bauen. Es ist so herrlich! Der Kuckuck ruft, wir liegen im Stroh und schauen in die Wolken, später in die Sterne, da Leben ist schön! Auch, wenn wir seit 500km keine einzige Kurve gesehen haben.

Bis Rostov am Don wird es keine Kurve geben. Doch das gehört zum Kapitel „Fußball WM in Russland“. Und davon erzählen wir später… Und Fotos gibt’s auch später. Das W-Lan bricht hier immer wieder zusammen. 🙁

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