Wir haben mittlerweile Äquatorialguinea verlassen – und das früher als geplant – und können Klartext reden. Wie es wirklich war in dem dritten afrikanischen „Guinea“ dieser Reise. Kurz und knapp: schwierig, skurril und absurd, aber wunderschön. Doch dazu später im Text ganz ausführlich.

Wir waren von der auf einer Insel vor Douala (Kamerun) liegenden Hauptstadt Malabo auf das Festland Äquatorialguineas geflogen: im Süden und Osten von Gabun umschlossen, im Norden an Kamerun grenzend. In Bata, der größten Stadt des Landes, konnten wir wegen Regen am ersten Tag nicht viel unternehmen, aber das war auch gar nicht schlecht, denn wir wollten unsere Reisepläne umwerfen und mussten viel organisieren. Ursprünglich hatten wir geplant, drei Wochen durch Äquatorialguinea zu reisen, doch schon nach einer Woche war klar: das wird nix.

Die Kathedrale von Bata

Wie schon im letzten Blogpost beschrieben, braucht man in Äquatorialguinea für die meisten Sehenswürdigkeiten ein Permit, das man nur in Malabo und nur über eine Agentur bekommt. Einheimische bekommen diese Permits innerhalb von einem Tag (auch sie brauchen die!), Touristen müssen für denselben Zettel bis zu vier Tage warten. Für die Sehenswürdigkeiten auf der Hauptstadtinsel Bioko bekommt man recht leicht Permits, denn dort müssen alle Touristen mit E-Visum einreisen und es gibt deswegen eine gute Auswahl an Guides und Agenturen.

Wir haben uns immer gefragt, warum wir so gut wie keine Infos über das Reisen auf dem Festland gefunden haben und alle Reisenden ihren Aufenthalt im Land auf drei Tage Bioko beschränken: Ankunft Malabo, Inselrundfahrt, Abflug Malabo. Weil wir ja wissen, dass wir anders als andere reisen und sich die wenigsten Reisenden Zeit für ihr Reiseland nehmen, gingen da noch keine Warnlampen an. Es hatte schlichtweg wohl noch keiner versucht, das Festland zu bereisen, seitdem im September letztes Jahr die Regel in Kraft trat, dass Touristen diese Permits nicht mehr selbst beantragen dürfen, sondern dafür eine Agentur beauftragen müssen.

Dieses Prozedere hat jedoch einen großen Haken: auf dem Permit für Touristen muss eine „Begleitperson“ vermerkt sein. Diese „Begleitperson“ kann Fahrer oder Guide sein, muss aber für die gesamte Dauer des Aufenthaltes dieselbe Person sein und bei jeder touristischen Angelegenheit den Touristen auch begleiten. Und: dieses Permit ist immer nur eine Woche gültig und muss dann neu auf der Insel in Malabo ausgestellt werden. Wir haben grundsätzlich nichts gegen Guides und hätten auch gerne einen dafür bezahlt, mit uns in zwei Nationalparks und ein Naturreservat zu gehen, aber es gibt schlichtweg keine Agenturen, die auf dem Festland arbeiten.

Alle Agenturen konzentrieren ihre Aktivitäten auf die Insel Bioko, auf dem Festland gibt es weder Guides noch Agenturen. Somit können Touristen das Festland nicht richtig erkunden.  Äquatorialguinea hat den Tourismus noch nicht als Einkommensquelle entdeckt und hemmt die wenigen Touristen, die es gibt (pro Jahr etwa 10.000) daran, mehr zu tun, als einen Tag lang auf der Insel im Kreis zu fahren, wie wir es letzte Woche auch gemacht haben. Manche Touristen greifen da noch etwas tiefer in die Tasche und bezahlen für Permits für Wasserfall, Kratersee oder Berg, aber auch das ist an einem Tag Inselrundfahrt möglich. Unser Guide war ziemlich wütend auf die Regierung, da er weiß, dass Touristen auch gerne länger bleiben und mehr Geld ausgeben, wenn man es ihnen ermöglicht.

Auch das Reisen im Land ist nicht so einfach. Wir dachten, wir setzen uns auf dem Festland einfach in den nächsten Bus und fahren dann eben von Stadt zu Stadt als von Nationalpark zu Nationalpark, aber auch das geht nicht, denn in Äquatorialguinea gibt es keine Buslinien. Busse und Motorräder sind verboten oder mit hohen Gebühren belegt, sodass es sich meist nur große Firmen für ihre Belegschaft leisten können, einen Bus für mehr als 10 Personen zu betreiben. Über 10 Personen ist nämlich eine genehmigungspflichtige Versammlung. Früher hat die Polizei etwas größere Tischrunden auf der Uferpromenade deswegen tatsächlich gestört, heute ist das selten geworden. Es gibt also keine Überlandbusse, mit denen wir reisen könnten. Es gibt Sammeltaxis, aber die Taxifahrer haben keine Lust auf Touristen, weil sie Angst vor den Uniformierten an Checkpoints haben. Sich selbst einen Taxifahrer chartern geht auch nicht, denn um die Stadt mit dem Auto zu verlassen, muss ein Taxifahrer auch ein Permit beantragen – und das dauert und kostet.

Um dieses Problem zu lösen, gibt es Fahrdienste mit Beziehungen. Nicht für Touristen (die gibt es ja nicht auf dem Festland), sondern für Einheimische, die keine Lust haben, für eine Strecke von 250km den ganzen Tag von Sammeltaxi zu Sammeltaxi zu springen. Solche Fahrdienste sind im Prinzip Chauffeurdienste mit den nötigen Papieren, um von Stadt zu Stadt fahren zu können – und mit Erfahrung und Beziehungen, um das auch mit Touristen an Bord machen zu können. Doch sowas kostet 180€ pro Tag. Für uns zu viel. Da kam Patricia dann auf die Idee, nach Hotel-Shuttleservices zu fragen: viele Hotels bieten Fahrdienste von Bata zu ihren im Landesinneren liegenden Häusern an – und wie das in Äquatorialguinea so ist, leitet eine Frau aus Paraguay ein Hotel des Sohnes der First Lady in Mongomo, wohin wir gerne fahren wollten. Das Hotel gehört zur Hotelkette des präsidialen Sohnes, was auch dementsprechend auf dem Auto steht – und zusätzlich mit Kennzeichen der Stadt, aus dem Präsident und First Lady stammen. Dieser Fahrservice kostet 90€ für einen Minibus, die dann auf alle Passagiere umgelegt werden.

Wir waren glücklicherweise die einzigen Passagiere, die an dem Tag von Bata ins Hotel nach Mongomo wollten und so spielte der Fahrer für uns den Touristenführer. Als erstes kutschierte er uns in den größten Hafen des Landes in Bata. IN den Hafen. Der Aufkleber an der Seite des Minibusses, das Kennzeichen und die Nennung der Hotelgruppe des Sohns der First Lady öffnen Türen. „Mit dem will keiner was zu tun haben“ sagte Rafael, der Fahrer. Und so ist es hier in der Diktatur, die sich Demokratie nennt und in der der Präsident seit 42 Jahren jede Wahl gewinnt – in manchen Wahlkreisen auch mit mehr als 100% Zustimmung, jaja. Weil alle so zufrieden sind mit ihrem Kleptokraten, der die Gewinne der Erdölförderung des Landes für sich und seine Familie vereinnahmt, gab es diverse Putschversuche, der spektakulärste Versuch wurde teilweise von Margaret Thatcher’s Sohn finanziert, scheiterte aber auch.

Weil die meisten Putschversuche vom Meer aus erfolgten (kein Wunder, wenn die Hauptstadt auf einer Insel liegt), sind motorisierte Fischerboote, Kutter und Außenborder verboten. Und weil der demokratisch gewählte Präsident seinen eigenen Leuten nicht traut, stammt seine Leibgarde aus Marokko, die Seegrenzen werden angeblich von israelischen Soldaten bewacht, die Landesgrenzen des Festlandes durch russisches Militär. Ganz offiziell. Letzten Montag war der russische Vize-Verteidigungsminister zu Besuch, um weitere Kooperationen zu besprechen – und wir erlebten einen russischen Gesandten, der auf der Finca, die wir besuchten, tütenweise Schokolade kaufte. Ob Putin gerade dieselbe Schokolade knabbert wie wir? Wir jedenfalls wurden aufgrund der vielen russischen Soldaten im Land auch für Russen gehalten, denn Touristen gibt’s ja nicht auf dem Festland. Man munkelt, dass der Machthaber dieses Jahr seine Autokratie an seinen Sohn weitergeben wird, der noch unbeliebter ist. Angeblich sei er weder schlau noch besser als sein Vater und man erwartet eher, dass es unter seiner Herrschaft „ungemütlicher“ wird. Es leben rund 40.000 Oppositionelle in Spanien und wer es nicht rechtzeitig dorthin geschafft hat, sitzt südlich von Malabo im Spezialgefängnis – in bester Gesellschaft mit prominenten und weniger bekannten politischen Gefangenen. Damit es im Zuge der Machtübergabe nicht zu weiteren Putschversuchen und Aufständen kommt, sollen in den nächsten Monaten noch mehr ausländische Militärs hier für „Zucht und Ordnung“ sorgen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht schlecht, in einem Fahrzeug zu sitzen, das sichtbar der „regierungsnahen“ Hotelkette gehört. So konnten wir dann unbehelligt durch das moderne Hafengelände fahren. Da Äquatorialguinea nichts selbst herstellt (außer Bier und ein Saftgetränk), muss alles per Schiff herangeschafft– und auch von Bata auf die Hauptstadtinsel Bioko geschippert werden. Trotzdem: im Hafen lag kein einziges Schiff. Fischerboote gibt’s ja nicht (nur Paddelboote) und die Fähre fuhr diese Woche auch nicht – der Grund, weswegen wir mit dem Flieger nach Bata gekommen waren und nicht wie geplant mit dem Schiff. Gähnende Leere. Aber das ist auch ein Markenzeichen des Landes: leere Hotelkomplexe, leere Wohngebäude, leere Straßen, leerer Hafen. Entlang der 10km langen Uferpromenade sieht man es beim Abendspaziergang gut: in den meisten Hochhäusern brennt kein Licht. Und wenn, dann nur ganz vereinzelt so wie in dem Haus, in dem wir schliefen.

Rafael brachte uns zum Fischmarkt. Im Gegensatz zu jedem X-beliebigen Fischmarkt West- und Zentralafrikas ging es dort auch „typisch Äquatorialguinea“ zu: sauber, absolut sauber. Kein Gestank nach Fisch, keine stinkenden Haufen verrottender Eingeweide und Schuppen, einfach nur sauber ausgelegte Fische, manche sogar mit Preisschild. Preisschild! Auf einem Markt in Afrika. Äquatorialguinea ist auf ganzer Linie anders. Die Fischer zerrten ihre motorlosen Holzboote an Land, aber es wurde dabei nicht gebrüllt und herumgeschrien, sondern einfach nur ruhig vor sich hingearbeitet. Auch auf dem Festland fehlt die typisch afrikanische Geräuschkulisse. Das und die Sauberkeit überall macht es für uns trotz allem recht entspannt.

Weil uns der Fischmarkt gefiel, kutschierte uns Rafael noch zum Obst-, Gemüse- und Fleischmarkt. Für uns interessant: die Abteilung für Bushmeat. Manches Bushmeat wie Affen ist in den meisten Ländern Afrikas illegal. Naturschutz, Artenschutz etc., doch hier, so Rafael, ist es nur in Naturreservaten und Nationalparks verboten, Wild zu jagen. Deswegen sahen wir auf dem Markt hier so viele tote Affen wie in keinem anderen Land zuvor. Weil Affen geschossen werden, können sie nicht lebendig bis zum Verkauf „gelagert“ werden, wie bei Schweinen, Ziegen, Hühnern und anderen Tieren üblich. Krokodile, Gürteltiere und Schildkröten lagen gefesselt auf dem Markttresen, die Affen und Antilope jedoch waren alle tot. Und nicht ausgenommen. Bei der Hitze einfach eine Verschwendung von Tierleben. Als wir aus der Stadt herausfuhren, hingen überall an den Straßen tote Wildtiere, meist Affen im Angebot. In anderen Ländern Afrikas sind es meist Rohrratten, denn diese sind Schädlinge und werden traditionell überall gerne gegessen. Hier auch, aber auf den 250km zwischen Bata und Mongomo gab es definitiv wesentlich mehr Affen als Rohrratten und so viele Affen wie in keinem anderen Land.

Da gab’s wohl Straßenlaternen im Sonderangebot.

Wir fuhren über absolut beste Straßen über Land statt auf der Autobahn und sahen blitzeblanke Dörfchen mit (viel zu vielen) Straßenlaternen, ordentlich gestutzten Hecken, sauber gefegten Höfen, hübsch gepflanzten Blumen und ordentlichen Holzhäusern. Ob das daran liegt, dass 97% der Bevölkerung katholisch sind, dass es überall so „fein und rein“ ist? Reich ist in den Dörfchen niemand. Das Geld in Äquatorialguinea ist extrem ungerecht verteilt: wer seine Finger in Erdöl steckt, ist unglaublich reich, wer nichts mit Regierung und Erdöl zu tun hat, angeblich unglaublich arm. Die Menschen in Äquatorialguinea sagen gerne „unser Land hat alles und braucht alles“, aber wir glauben, das ist von einem hohen Ross heruntergerufen. Auch in den Dörfern haben wir keine Kinder mit Hungerbäuchen gesehen, keine Menschen mit vor Mangelernährung orange verfärbten Haaren, keine offenen Kloaken, sondern Mülltonnen, Müllabfuhr, öffentliche Wasserhähne und sozialen Wohnungsbau.

Rafael wollte uns noch eine der Absurditäten seines Landes zeigen: den Flughafen von Mengomeyen. Er hat ein riesiges, modernes Terminal, eine Runway groß genug für eine 747-400 – aber keine Passagiere. Seit 2012 steht der Flughafen da in der Landschaft und wartet darauf, dass jemand kommt. Kommt aber niemand, weil der Flughafen mitten im Regenwald liegt. Aber immerhin mit Autobahnanschluss, sodass man da auch schnell wieder wegkann, wenn man doch mal aus Versehen dort gelandet ist.

In Mongomo angekommen, checkten wir ins Hotel ein, das zu der Hotelkette gehörte. Das war der Deal zu dem vergleichsweise günstigen Fahrdienst. Das billigste Zimmer war mit umgerechnet 50€ nicht wirklich unser Budget, aber wir bekamen dafür eine Art Suite mit Tanzsaal: absurd wie so viel im Land. Wer braucht so viel Freifläche in einem Hotelzimmer? Wir nicht. Vor allem, weil uns das Hotel gleich zur Rundfahrt einlud: zunächst mit dem Auto über das Gelände des Hotels, zu dem auch eine Farm gehört.

Die Farm baut Obst und Gemüse an, hält Ziegen, Schafe, Kühe, Schweine, Enten und Krokodile. Zum Verkauf auf dem lokalen Markt und Verzehr im Hotelrestaurant. Danach gab’s die Stadtrundfahrt mit den Damen vom Hotel. Wir wollten eigentlich nur die Kathedralenbasilika sehen, aber die Damen spulten ein Programm ab, was zeigen sollte, wie toll der Präsident ist. Man zeigte uns die Universität, die Bibliothek, das alte und das neue Krankenhaus, sämtliche glitzernden Verwaltungsgebäude, das große Stadion von 2012, als der Africa Cup in Gabun und Äquatorialguinea stattfand, die teuren Hotels, den Platz mit Präsidentenstatue – und zum krönenden Abschluss den Grenzübergang zu Gabun: wir rollten auf bester Asphaltstraße zum Schlagbaum, auf der anderen Seite ging es mit tiefen Auswaschungen einen Lehmweg steil bergauf. Krasser konnte man es nicht zeigen: in Äquatorialguinea ist alles perfekt und besser als anderswo. Ein bisschen kamen wir uns vor wie in Nordkorea, aber da waren wir noch nicht.

Endlich durften wir zur Kirche. Deswegen waren wir ja eigentlich nach Mongomo gekommen, denn genau vor einem Jahr haben wir die größte Kirche Afrikas in Yamoussoukro besichtigt und die Basilika in Mongomo ist die zweitgrößte Kirche Afrikas. Deswegen haben wir eigentlich etwas Gigantisches erwartet, etwas Größenwahnsinniges wie in der Elfenbeinküste, wo 11.000 Menschen in der Kirche Platz finden, obwohl dort aber kaum Christen wohnen.

Doch die Basilika der Unbefleckten Empfängnis ist, obwohl nach der in Yamoussoukro gebaut, wirklich hübsch und vor allem: alles andere als riesig. Sie bietet „nur“ 800 Menschen Platz und ist damit sogar wesentlich kleiner als beispielsweise der Kölner Dom. Und im Gegensatz zur größten Kirche Afrikas ist die Nummer zwei von Italienern gebaut worden – und das sieht man.

Als wir nach der Stadtrundfahrt dort waren, war die Kirche geschlossen, aber die Hoteldamen telefonierten nach dem Pfarrer. Der gab gerade eine Lesung in der Uni, aber weil um 17 Uhr Gottesdienst sei, wäre dann offen. Wir kamen wieder und tatsächlich: es fand ein Gottesdienst statt, die Gemeinde sang und füllte die Kirche mit Leben.

Wir bewunderten das Innere der Kirche, die wirklich schönen bunten Fenster, die tolle Kuppel, den Altar,… alles war mit viel Detail und Geschmack gestaltet. Nichts fühlte sich an, wie ein Neubau. Ein riesiger Unterschied zum kirchlichen „Betonchic“ der 70er Jahre in Deutschland und im Gegensatz zur Elfenbeinküste auch wirklich lebendig und von der Gemeinde genutzt und angenommen.

Am nächsten Morgen gab’s das Frühstück als Geschenk von der paraguayischen Hotelmanagerin für uns und Rafael ließ uns wieder einsteigen, um uns mit dem Hotelshuttle zurück nach Bata zu fahren. Wir waren wieder die einzigen Gäste (außer uns waren überhaupt nur noch zwei weitere Übernachtungsgäste in der riesigen Hotelanlage an einem Wochenende) und mit der Paraguaya war abgesprochen, dass er uns noch zur zukünftigen neuen Hauptstadt des Landes fährt.

Kreisverkehr inmitten der neuen Hauptstadt

Der Präsident hat diese neue Hauptstadt unter dem Namen „La Paz“ schon eingeweiht, alle Einheimischen nennen die Stadt nach dem kleinen Urwalddorf, das dort immer schon war: Oyala. Wir waren gespannt, was da in den Regenwald geschlagen wurde. Eine völlig leere, allerbeste Autobahn führte wunderschön über zweispurige Avenidas in die Stadt. Beziehungsweise in das, was mal Stadt wird.

Alle fertig! Fehlen nur Gebäude und Menschen. 🙂

Was es schon gibt, ist die Uni. Da kann man zwar bisher auch nur eine Fachrichtung studieren und die meisten Studenten kommen aus dem Ausland, aber dort haben wir tatsächlich vor den Studentenwohnheimen Menschen gesehen. Nicht viele für den gigantischen, völlig überdimensionierten Campus, aber trotzdem: die vielleicht zehn Studenten, die im Schatten saßen, waren die meisten Menschen, die wir in der „Stadt“ sahen. Rafael fuhr mit uns über den gesamten Campus: zur riesigen Bibliothek, zu den Hörsälen, den Verwaltungsgebäuden und leeren Parkplätzen. Keiner da, alles wie eine Geisteruni.

Sozialer Wohnungsbau

Neben dem Campus befindet sich ein riesiges Wohnviertel mit Sozialwohnungen. Die Straßen sind leer, die Wohnungen unbewohnt, doch hinter dem Bauzaun werden die nächsten Sozialwohnungen hochgezogen. Wer soll da wohnen? Das Land Äquatorialguinea hat nur 1,6 Millionen Bürger – im ganzen Land. Auch mit einem Bevölkerungswachstum von 3,5% wird man es nicht schaffen, genug neue Erdenbürger zu zeugen, um diese neue Stadt zu bevölkern…

Die einzigen ständigen Bewohner der Stadt sind das Militär, die in einer riesigen, in sich geschlossenen Militärsiedlung untergebracht sind. Da es aber in der ganzen Stadt keine Geschäfte gibt, muss der Staat sich um das Militär kümmern. Die beiden Supermarktketten des Landes haben bisher nicht vor, dort mitten im Regenwald eine Filiale zu eröffnen. Für wen auch? Für den Präsidenten, dessen Palast schon fast fertiggestellt ist, sicher nicht.

Die Stadt ist durchzogen mit breiten, baumbestandenen Avenidas – an denen aber kein einziges Gebäude steht. Vereinzelt gibt es mal eine Baustelle oder ein einsam in der Gegend stehendes Gebäude wie die „Twintowers“, die in blauer Glasfassade wie Fremdkörper im Nirgendwo glitzern. Da soll mal die Verwaltung rein. Handelsministerium oder so, wusste Rafael.

Fpnfsterneschuppen ohne Gäste

Es gibt für Staatsbesuche natürlich auch schon ein Hotel mit Versammlungssaal unter goldener Kuppel. Das unglaublich riesige Fünfsternehotel hat auch tatsächlich geöffnet und soll völlig überdimensionierte Zimmer haben. Wir sahen auch Menschen: Gärtner auf Aufsitzrasenmähern, Maler, die die bröckelnde Fassade neu strichen und zwei Hotelangestellte, die mit Golfwägelchen über den leeren Parkplatz gurkten.

Voll möbliert und einzugsfertig: Einfamilienhaus

Rund um das Hotel sind in einer Parkanlage Luxusvillen hübsch angelegt. In verschiedenen Größen für Familien oder Paare. Da die Villen auch für kürzere Zeiträume (ein Monat Mindestmietdauer) gemietet werden können, sind sie voll möbliert. Damit in der feuchten Regenwaldluft nicht alles wegschimmelt und gammelt, bevor die ersten Mieter einziehen, laufen überall die Klimaanlagen. Der Golfplatz für die Mieter ist natürlich auch gleich um die Ecke.

Es gibt sogar zwei Krankenhäuser in der Stadt. Falls mal jemand kommt und der dann auch noch krank wird. Bloß dass es in den Krankenhäusern gar niemanden gibt, der da arbeitet und das Zugangstor verschlossen und die Einfahrt zugewachsen ist. Aber wenn dort mal jemand arbeitet, dann gibt es für diese Leute auch Wohnungen – gleich nebenan in einer riesigen Wohnsiedlung für Krankenhausmitarbeiter. Natürlich auch leerstehend.

Und wo wohnen die ganzen Gärtner, Maler und Bauarbeiter? Natürlich nicht in der Stadt, sondern in dem Dorf nebenan, was es immer schon gab. Ein kleines Dörfchen mit Erdpisten, in dem es ein kleines Lädchen neben dem anderen gibt: eine winzige Urwaldapotheke, ein paar Bretterbuden als Bars und Restaurants und viele Frauen, die Obst und Gemüse verkaufen. Dieses Dörfchen versorgt die wenigen Menschen, die in der „Stadt“ dafür sorgen, dass nichts verfällt, mit dem, was sie brauchen. Es ist völlig absurd.

Aber auch die Hotelkette, mit der wir unterwegs waren, ist absurd: nicht nur, dass es in Äquatorialguinea an jeder Ecke riesige Luxushotels ohne Gäste gibt, sondern auch, dass fleißig weiter gebaut wird. Das neueste Projekt: auf dem ehemaligen Gelände der brasilianischen Firma, die die Autobahnen durch den Urwald gezogen hat, entsteht ein Naherholungsgebiet. Die Baracken der brasilianischen Arbeiter, die großen Hallen und Werkstätten stehen noch, überall liegt Müll und Schutt der Brasilianer – aber mittendrin stehen kleine Häuschen der Ferienanlage und direkt vor der rostigen Werkstatthalle ein Pool mit schattenspendenden Pavillons. Das Restaurant hat auch schon geöffnet, serviert aber hauptsächlich Bier für die Bauarbeiter. Und die sprechen alle Französisch, weil Äquatorialguinea auch dafür zu klein ist und man Arbeitskräfte aus der Sahelregion importiert.

Die Brasilianer (und nicht die Chinesen! Aktuell bauen die Serben Straßen) hatten auch einen Steinbruch auf dem Gelände, um Schotter zu gewinnen und weil der Steinbruch nun voll Regenwasser ist, hat man auf die Abbruchkante ein „Restaurant Seeblick“ gebaut. Ohne Gäste selbstverständlich. Aber man könnte welche empfangen, es ist geöffnet! Um zu dem Restaurant zu kommen, muss man allerdings am LKW-Friedhof vorbei. Wie üblich im Land, haben auch die Brasilianer nach Beendigung des Projektes einfach alles stehen und liegen gelassen: Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge, alles.

Und so stehen da mindestens 20 brasilianische „Volkswagen Worker“ LKW, schön ordentlich in Reihen abgestellt mit steckenden Zündschlüsseln. Alle LKW sind Baujahr 2007, weil die Autobahn 2008 gebaut wurde. Ein paar Teile sind mittlerweile ausgebaut, weil zum Bau der Ferienlage ein paar der LKW wiederbelebt wurden, aber mit ein wenig Liebe könnte man sicherlich mindestens zehn der Fahrzeuge fahrtüchtig bekommen.

Die Brasilianer sind nicht die einzigen, die nach getaner Arbeit einfach alles stehen und liegen gelassen haben. Entlang der Landstraße gibt es eine ganze Wohnsiedlung für ausländische Projektmitarbeiter, die auch leer steht und in der Feuchtigkeit vergammelt. Wer in die Ferienanlage und Luxushotels denn als Gast kommen soll, fragten wir Rafael. „Touristen“, war seine Antwort. Bloß dass es hier ja keine Touristen gibt, weil die Touristen hier ohne Permits nichts machen können. Ob er oft Touristen fährt? Nein, er fährt überhaupt sehr selten Gäste, die Hotels seien ja meist leer.

Was wir gerne im Land gemacht hätten, fragte Rafael. Nun, es gibt in Äquatorialguinea – und nur dort – einen riesigen Frosch, der durchschnittlich drei (3!) Kilo wiegt. Der lebt in zwei Nationalparks im Land, doch in die Nationalparks darf man natürlich nur mit Permit und das Permit ist ja das Problem. Außerdem gibt es in einem Nationalpark Gorillas und als wir auf der Rückfahrt nach Bata an der Bergkette des Nationalparks vorbeifuhren, konnten wir uns richtig gut vorstellen, wie die Gorillas darin leben. Es gibt noch ein Naturreservat mit ganz tollen Gesteinsformationen, die wir gerne gesehen hätten und eine Art „Paradiesinsel“ an der südlichen Grenze zu Gabun. Hätten wir alles gerne gemacht, hätten überall gerne Geld gelassen, aber diese blöde neue Regelung der Permits macht es uns leider unmöglich.

Deswegen haben wir gestern Abend Äquatorialguinea frühzeitig verlassen. Wir sind ziemlich traurig darüber, denn uns hat das Land wirklich gefallen. Insbesondere wegen der Menschen, die uns überall mit offenen Armen und Herzen und wachem Geist empfangen haben. Weil uns Guinea-Bissau menschlich ähnlich gut gefallen hat und mein Herz für die Kapverden schlägt, könnte es daran liegen, dass ehemalige französische oder britische Kolonien vielleicht einfach anders ticken und wir uns in ehemals portugiesischen oder spanischen Gefilden menschlich besser aufgehoben fühlen: wachere Augen ohne List, mit Ehrlichkeit und ein Miteinander auf Augenhöhe. Wir sind weder in Äquatorialguinea, noch in Guinea-Bissau oder ich auf den Kapverden kein einziges Mal „beschubst“ worden!

Bata international Airport. Das neue Terminal ist fertig, aber noch nicht eingeweiht.

Äquatorialguinea ist aufgrund der politischen Situation kein einfaches Land. Man darf sich nicht frei bewegen, es gibt überall Kontrollen (aber alle unglaublich nett!), man muss aufpassen, was man sagt, fotografiert und tut und mit wem man es zu tun hat und als Individualreisender kommt man nur auf Bioko gut zurecht. Wir hätten gerne Riesenfrösche und Gorillas gesehen, aber Gorillas gibt’s auch anderswo und bei den Mengen an Bushmeat, das rechts und links der Straße angeboten wurde, sind wir uns nicht sicher, ob die Frösche nicht schon alle aufgegessen sind. Obwohl: hier waren keine froschfressenden Franzosen, wie in den Nachbarländern, in denen der Frosch schon ausgestorben ist…

approaching Douala international airport

Wir haben entschieden, uns nach dem menschlich schlimmen Nigeria, dem von Bürgerkrieg zerrütteten Kamerun und dem touristisch schwierigen Äquatorialguinea nun ein „Bonbon“ zu ermöglichen. Ein Land, was wir erst „später“ geplant hatten, von dem aber noch kein Reisender zurückgekommen ist, ohne davon zu schwärmen. Ein winziges Land, grün und verwunschen wie bei Jurassic Parc, mit portugiesischer Kolonialgeschichte und der besten Schokolade der Welt: Sao Tome & Principe.

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